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VwGH vom 31.07.2012, 2008/13/0104

VwGH vom 31.07.2012, 2008/13/0104

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Heinzl und die Hofräte Dr. Fuchs, Dr. Nowakowski, Dr. Mairinger und Mag. Novak als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Zaunbauer, über die Beschwerde

1. des Dr. F G und 2. der D G, beide in W, beide vertreten durch Graf Pitkowitz Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Stadiongasse 2, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Wien, vom , Zlen. RV/2556-W/06, RV/2557-W/06, RV/2558- W/06, RV/2559-W/06, betreffend Bescheide gemäß § 92 Abs. 1 lit. b BAO (jeweils Feststellung des Unterbleibens von Feststellungen gemäß § 188 BAO) für die Jahre 2003 und 2004 sowie Umsatzsteuer für die Jahre 2004 und 2005, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird insoweit, als damit die erstinstanzlichen Feststellungsbescheide für die Jahre 2003 und 2004 und der Bescheid über Nichtfestsetzung von Umsatzsteuer für das Jahr 2004 bestätigt wurden, wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Im Übrigen (Zurückweisung der Berufung gegen Bescheide betreffend Festsetzung und Nichtfestsetzung von Umsatzsteuer für Teilzeiträume des Jahres 2005) wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

Der Bund hat den beschwerdeführenden Parteien Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.286,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Erstbeschwerdeführer, ein Rechtsanwalt, und die Zweitbeschwerdeführerin, seine Ehefrau, erwarben 2003 je zur Hälfte ein Haus, das in der Folge saniert wurde. In Schreiben vom Februar 2004 und Jänner 2005 kündigten sie dem Finanzamt als "Mitunternehmer" an, sie würden das Gebäude überwiegend privat nutzen, zum Teil aber auch an Dritte vermieten, "die gesamte Liegenschaft für Umsatzsteuerzwecke dem unternehmerischen Bereich" zuordnen "und damit die gesamten bisher für Investitionen entrichteten Vorsteuern geltend" machen, wozu sie in einem späteren Schreiben noch darlegten, warum dem auch die durch die Novelle BGBl. I Nr. 27/2004 geschaffene Rechtslage ihrer Meinung nach nicht entgegenstehe.

Vor dem Abschluss der Sanierung schlossen die beschwerdeführenden Parteien im Mai 2005 eine Nutzungsvereinbarung mit der nun als Beschwerdevertreterin einschreitenden Rechtsanwalts-GmbH, der der Erstbeschwerdeführer als zu 20 % beteiligter geschäftsführender Gesellschafter angehört, über einen Arbeitsraum von 23,80 m2 mit 17 m2 Galerie und einen Mietvertrag mit einem im Ausland tätigen österreichischen Handelsdelegierten über ein Zimmer von 22 m2, wobei dieser Mietvertrag den Vermietern die Nutzung des Raumes während der Abwesenheit des Mieters gestattete. Das Haus dient den beschwerdeführenden Parteien und ihren Kindern im Übrigen als Familienwohnsitz.

Das Finanzamt versagte den beiden Mietverträgen auf der Grundlage eines Berichts vom über das Ergebnis einer Außenprüfung die Anerkennung. Es sprach mit Bescheiden vom selben Tag aus, eine einheitliche und gesonderte Feststellung von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung im Sinne des § 188 BAO sei für die Jahre 2003 und 2004 nicht durchzuführen und Umsatzsteuer für das Jahr 2004 werde nicht festgesetzt. Mit einem weiteren Bescheid vom selben Tag und mit Bescheiden vom traf es Entscheidungen über die Festsetzung von Umsatzsteuer für Teilzeiträume des Jahres 2005.

Die beschwerdeführenden Parteien erhoben dagegen Berufung.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung gegen die Bescheide betreffend Umsatzsteuer 2005 als unzulässig zurück, weil inzwischen der Umsatzsteuer-Jahresbescheid 2005 ergangen und ebenfalls mit Berufung bekämpft worden war und die belangte Behörde die Ansicht vertrat, § 274 BAO sei in einem solchen Fall nicht anwendbar. Die Berufung betreffend die Feststellungsbescheide des Finanzamtes und den Bescheid über Nichtfestsetzung von Umsatzsteuer für das Jahr 2004 wies die belangte Behörde als unbegründet ab.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Akten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen hat:

1. Zur teilweisen Zurückweisung der Berufung:

Die Beschwerde bekämpft den angefochtenen Bescheid "zur Gänze", nennt als Beschwerdepunkt aber ausdrücklich das "Recht auf steuerliche Anerkennung der (...) Mietverträge", auf Feststellung von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung, auf Anerkennung der Unternehmereigenschaft sowie der durch die Vermietungen erzielten Einnahmen als Umsätze eines Unternehmers und das damit verbundene Recht auf Vorsteuerabzug. Gegen das Unterbleiben einer inhaltlichen Erledigung der Berufung gegen die Bescheide betreffend Umsatzsteuer 2005 unter Verweisung auf die Berufung gegen den diesbezüglichen Jahresbescheid wendet sich die Beschwerde nicht, weshalb dieser Teil des angefochtenen Bescheides keine in der Beschwerde geltend gemachten Rechte der beschwerdeführenden Parteien verletzt und die Beschwerde in diesem Punkt gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen war.

2. Zur Nichtanerkennung der Mietverträge:

Die Beschwerde vertritt zu dem - von der belangten Behörde als höchst ungewöhnlich gewürdigten - Mietvertrag mit dem im Ausland tätigen Handelsdelegierten in der Rechtsrüge den Standpunkt, ein "vertieftes Eingehen" hierauf erübrige sich wegen der Mängel des Bescheides im Hinblick auf den Vertrag mit der Rechtsanwalts-GmbH. Sie verweist zum Vertrag mit dem Handelsdelegierten nur auf das Vorbringen in der Berufung und tritt dem angefochtenen Bescheid in Bezug auf diesen Vertrag auch in der Verfahrensrüge nur mit oberflächlicher Kritik an einem nicht wesentlichen Begründungsteil entgegen.

Entscheidend ist daher die Tragfähigkeit der Argumente, mit denen die belangte Behörde dem Vertrag der beschwerdeführenden Parteien mit der Rechtsanwalts-GmbH die steuerliche Anerkennung versagt hat.

Die belangte Behörde hat dazu ausgeführt, im Hinblick auf die Beteiligung des Erstbeschwerdeführers an der GmbH seien "die gleichen Grundsätze wie bei Verträgen zwischen nahen Angehörigen" anzuwenden, und bei solchen Verträgen sei "zunächst die Frage zu prüfen", ob "die Zahlungen" betrieblich veranlasst seien oder sich nur aus dem Naheverhältnis ergeben würden. Auf diese Einleitung, die sich mehr auf eine Prüfung der nicht verfahrensgegenständlichen Ausgaben der GmbH als auf eine solche der Unternehmereigenschaft der beschwerdeführenden Parteien zu beziehen scheint, und auf daran anschließende allgemeine Ausführungen über die Kriterien für die Anerkennung von Verträgen zwischen nahen Angehörigen folgt als Einstieg in die Prüfung des konkreten Falles der Satz, die in Rede stehenden Räumlichkeiten befänden sich mit gemeinsamem Eingang in dem von den beiden Miteigentümern und deren Kindern bewohnten Haus, weshalb "zunächst zu prüfen" sei, "ob in diesen Räumlichkeiten tatsächlich ein Kanzleibetrieb aufrecht erhalten wird, oder ob es sich um ein Arbeitszimmer des Hälfteeigentümers der Liegenschaft handelt".

Es folgt (auf den Seiten 21 bis 24 des angefochtenen Bescheides) eine Prüfung der Frage, ob der Erstbeschwerdeführer Aufwendungen für den strittigen Raum nach den Maßstäben des § 20 Abs. 1 Z 2 lit. d EStG 1988 von seinen Einkünften abziehen dürfte, was im Hinblick darauf, dass es sich um einen im Wohnungsverband gelegenen Raum handle, in dem keine familienfremden Personen beschäftigt würden und der auch nicht den Mittelpunkt der beruflichen Tätigkeit des Erstbeschwerdeführers bilde, verneint wird. Daran schließt sich unvermittelt der Satz, "nach Ansicht" der belangten Behörde sei durch den Vertrag mit der GmbH "kein Leistungsaustausch geschaffen" worden und die beschwerdeführenden Parteien seien "nicht unternehmerisch im Sinne des Umsatzsteuergesetzes tätig" geworden.

Nach einer Auseinandersetzung mit dem zweiten strittigen Vertrag folgt (auf Seite 27 des angefochtenen Bescheides) in abschließenden, beide Verträge betreffenden Bemerkungen der Hinweis der belangten Behörde auf "ein weiteres Indiz, das zur Abrundung des Bildes beiträgt". Es finde sich "in der Wortwahl im Schreiben (an das Finanzamt) vom : '... Die Mitunternehmerschaft habe die gesamte Liegenschaft für Umsatzsteuerzwecke dem unternehmerischen Bereich zugeordnet und damit die gesamten bisher für Investitionen entrichteten Vorsteuern geltend gemacht ...'. Aus dieser Formulierung ist die Absicht der Bw. ableitbar, dass die Mitunternehmerschaft nur gegründet wurde, um den Vorsteuerabzug zu erlangen."

Die belangte Behörde gelange "gesamthaft zu dem Schluss, dass die Vermietung in der aufgezeigten Weise nicht wie unter Fremden üblich zu Stande gekommen und abgewickelt" worden sei, "weshalb das Vorliegen einer unternehmerischen Tätigkeit zu verneinen und die für die Streitjahre geltend gemachten Vorsteuern nicht anzuerkennen" gewesen seien. Den Mietverhältnissen komme "bereits mangels Fremdüblichkeit keine umsatzsteuerliche Relevanz zu". Da der Miteigentumsgemeinschaft "keine Einkünfte zugeflossen" seien, gebe es "auch keinen unternehmerischen Bereich der Miteigentumsgemeinschaft". "Abschließend" sei "angemerkt", dass der EuGH schon entschieden habe, dass "die Anwendung des Gemeinschaftsrechtes nicht so weit gehen kann, dass missbräuchliche Praktiken von Wirtschaftsnehmern gedeckt würden, d. h. Handlungen, die nicht im Rahmen normaler Handelsgeschäfte, sondern nur zu dem Zweck getätigt werden, missbräuchlich in den Genuss von im Gemeinschaftsrecht vorgesehenen Vorteilen zu gelangen".

Die Kombination dieser "abschließenden Anmerkung" mit dem zuvor erwähnten "Indiz", das "zur Abrundung des Bildes beiträgt", deutet darauf hin, dass die belangte Behörde der Meinung war, der Vertrag mit der GmbH sei nur geschlossen worden, um den beschwerdeführenden Parteien für die Sanierung des als Familienwohnsitz vorgesehenen Gebäudes den Vorsteuerabzug zu ermöglichen. Eine solche Annahme mag im vorliegenden Fall lebensnah erscheinen, und zu ihrer Begründung könnten auch die Ausführungen darüber, dass es sich um ein beim Erstbeschwerdeführer einkommensteuerrechtlich nicht absetzbares Arbeitszimmer handle, einen untergeordneten Beitrag leisten. Für sich allein vermögen diese Ausführungen sie aber ebenso wenig zu tragen wie die völlig unverfängliche "Wortwahl" in dem von der belangten Behörde zitierten Schreiben. An dieser Stelle des angefochtenen Bescheides, an der die belangte Behörde die erwähnte Annahme - bloß "zur Abrundung" - artikuliert, ist sie demnach nicht schlüssig begründet.

Die beschwerdeführenden Parteien haben in der Berufung aber unwiderlegt behauptet, auf Grund der schriftlichen, dem Finanzamt für Gebühren und Verkehrssteuern angezeigten und inhaltlich klaren Vereinbarung fließe ihnen von der GmbH, in der der Erstbeschwerdeführer keinen beherrschenden Einfluss habe, für die Nutzung des Arbeitsraumes durch einen ihrer Gesellschafter Miete in ortsüblicher Höhe zu und die GmbH beteilige sich zusätzlich an den Kosten der Bewirtschaftung der Liegenschaft. Ohne schlüssig begründete Ausführungen darüber, dass dies nur vorgetäuscht werde oder nur aus steuerlichen Gründen so gestaltet worden sei, lässt sich bei dieser Sachlage nicht behaupten, es liege kein steuerlich beachtlicher Leistungsaustausch vor und den beschwerdeführenden Parteien flössen keine Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung zu.

Der angefochtene Bescheid war daher insoweit, als die Berufung damit abgewiesen wurde, gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Zum Beibehaltungsrecht für den Vorsteuerausschluss für privat genutzte Räume auch für Zeiträume ab dem Jahr 2004 vgl. im Übrigen das hg. Erkenntnis vom , 2009/15/0222.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Wien, am