VwGH vom 27.01.2011, 2010/15/0168

VwGH vom 27.01.2011, 2010/15/0168

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Heinzl und die Hofräte Dr. Zorn, Dr. Büsser, MMag. Maislinger und Mag. Novak als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Perauer, über die Beschwerde des A, vertreten durch Dr. Peter Ringhofer, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Franz Josefs-Kai 5, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Wien, vom , RV/1113-W/10, betreffend Einkommensteuer 2008, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Aus der Beschwerde und dem in Kopie vorgelegten angefochtenen Bescheid ergibt sich folgender Sachverhalt:

Der Beschwerdeführer ist seit vielen Jahren als Unteroffizier des Österreichischen Bundesheeres im Fernmeldeaufklärungsdienst beschäftigt. Der Sitz seiner Heeresdienststelle ist in Wien eingerichtet. Sein Arbeitsplatz befindet sich in einer Außenstelle in D.

Der angefochtene Bescheid führt aus, es habe seinerzeit der Gepflogenheit entsprochen, dass die Mitarbeiter des Fernmeldeaufklärungsdienstes auch bei dauerhafter Dienstleistung in Form einer Dienstzuteilung als an der Dienststelle verwendet gegolten hätten. Mit dieser Gestaltung sei der Zweck verfolgt worden, die besonderen Anforderungen dieser Dienstverrichtung durch die Truppenübungsgebühr gemäß § 72 der Reisegebührenvorschrift 1955, BGBl. Nr. 133 (RGV), abzugelten. Obwohl keine Reise vorgelegen sei, sei die Übungsgebühr als gemäß § 26 Z 4 EStG nicht steuerbar behandelt worden. Mit der Dienstrechts-Novelle 1990, BGBl. Nr. 447/1990, sei die dienstrechtliche Konstruktion einer "formalen dauernden Dienstzuteilung" unter Wahrung der bestehenden Besoldungsansprüche aufgegeben worden. An Stelle der Übungsgebühr werde seither durch § 75 RGV jenen Mitarbeitern, die bereits am dauernd im Fernmeldeaufklärungsdienst beschäftigt gewesen seien, ein eigener gesetzlicher Gebührenanspruch in Höhe der Übungsgebühr gemäß § 72 RGV eingeräumt. Dass auch diese Gebühr gemäß § 75 RGV steuerfrei ausbezahlt werde, habe die Finanzverwaltung toleriert. Mit der so genannten Reisekosten-Novelle 2007, BGBl. I Nr. 45/2007, sei in § 26 Z 4 EStG 1988 der Verweis auf lohngestaltende Vorschriften (im gegenständlichen Fall auf die RGV) beseitigt worden. Damit sei die Möglichkeit "steuerfreier Reisekostenersätze" für Dienstreisen an ständige Dienstverrichtungsorte beendet worden.

Im gegenständlichen Fall habe der Arbeitgeber des Beschwerdeführers - entsprechend den steuerrechtlichen Informationen der Finanzverwaltung zur Reisekosten-Novelle 2007 - die Gebühr nach § 75 RGV ab der Lohnsteuer unterworfen (bzw. für die ersten Monate des Jahres 2008 nachversteuert).

Der Beschwerdeführer habe im September 2009 die Durchführung der Arbeitnehmerveranlagung 2008 beantragt; die Veranlagung sei erklärungsgemäß erfolgt.

Der Beschwerdeführer habe sodann Berufung eingebracht und sich gegen die Besteuerung der Gebühr nach § 75 RGV gewendet. Er habe begehrt, diese Gebühr - wie in den Vorjahren - als nicht steuerpflichtig zu behandeln.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung als unbegründet ab. Im Erwägungsteil des angefochtenen Bescheides wird ausgeführt:

1. Zur Rechtslage bis 2007:

Gemäß § 75 Abs. 1 RGV gebühre dem Angehörigen des Bundesheeres oder der Heeresverwaltung, der am zur dauernden Dienstverwendung auf einem Arbeitsplatz im Fernmeldeaufklärungsdienst oder bei einer hochalpinen Dienststelle (Seehöhe mindestens 1200 m) eingeteilt gewesen sei und der dafür Gebühren nach §§ 22 und 72 RGV beziehe, ab an Stelle dieser Geldleistung eine Vergütung entsprechend dem für ihn nach § 72 Abs. 1 lit. a oder b RGV maßgebenden Ausmaß der Übungsgebühr, solange diese Verwendung andauere.

In Anwendung des § 26 Z 4 EStG 1988 und der Verordnung des Bundesministers für Finanzen betreffend Reisekostenvergütungen, BGBl. II Nr. 306/1997, sei die Gebühr nach § 75 RGV von 1990 bis 2007 als nicht steuerbar behandelt worden. Die belangte Behörde gelange allerdings - wie auch das Finanzamt in der ergänzenden Bescheidbegründung - zur Auffassung, dass diese Gebühr nicht den Tatbestand des § 26 Z 4 EStG oder des § 1 der Verordnung erfülle. Beide Bestimmungen fänden nämlich nur auf Vergütungen Anwendung, die aus Anlass einer Dienstreise gezahlt würden. Das setze voraus, dass der Arbeitnehmer über Auftrag seines Arbeitgebers seinen Dienstort verlasse. Dieses Tatbestandskriterium sei aber im gegenständlichen Fall nicht erfüllt.

2. Zur Rechtslage ab :

Durch die Reisekosten-Novelle 2007 sei in § 26 Z 4 EStG 1988 der Verweis auf die Anwendung des in einer lohngestaltenden Vorschrift enthaltenen günstigeren Begriffs der Dienstreise entfallen. Bestimmte Anwendungsfälle der alten Fassung des § 26 Z 4 EStG 1988 seien mit dem Ziel einer verfassungskonformen Wahrung in die neu geschaffene Z 16b des § 3 Abs. 1 EStG verlagert worden. In der Folge sei weiters die Verordnung betreffend Reisekostenvergütungen aufgehoben worden.

Der Beschwerdeführer räume zutreffend ein, dass die Gebühr nach § 75 RGV nicht vom Wortsinn eines der Tatbestände des § 3 Abs. 1 Z 16b EStG 1988 erfasst sei. Die belangte Behörde halte fest: Da diese Gebühr schon nach der früheren Rechtslage nicht unter § 26 Z 4 EStG 1988 gefallen sei, sei sie auch nach der Reisekosten-Novelle 2007 steuerpflichtig geblieben.

Der Beschwerdeführer habe eingewendet, dass die Gebühr hinreichende personalwirtschaftliche und dienstrechtliche Gründe habe und verschiedene berufliche Belastungen abgelte, die mit den Anwendungsfällen des § 3 Abs. 1 Z 16b EStG 1988 zumindest gleichwertig seien. Beispielsweise müssten die Dienstnehmer für die Berufsausübung einen privaten Pkw verwenden. Die Besonderheit der Tätigkeit gebiete eine nicht am Gesetzeswortlaut klebende Betrachtungsweise. Der Dienst führe zu beruflichen Mehrausgaben, die das verfügbare Einkommen des Beschwerdeführers reduzierten, sodass die Systematik des Einkommensteuerrechts eine Steuerbefreiung erfordere.

Nach Ansicht der belangten Behörde irre der Beschwerdeführer, wenn er meine, die berufliche Verwendung des privaten Pkw sei eine spezifische Belastung seiner Dienstverwendung. Dieses Erfordernis sei bei vielen Berufsgruppen ein typisches Anstellungskriterium. Die Systematik des EStG bestehe darin, die durch den Beruf oder Betrieb veranlassten Ausgaben als Werbungskosten bzw. Betriebsausgaben von den steuerpflichtigen Einnahmen in Abzug zu bringen. Steuerbefreiungen bildeten Ausnahmen und müssten sachlich gerechtfertigt sein. Stelle eine Steuerbefreiung ein gleichheitswidriges Steuerprivileg dar, so gebiete die Rechtsordnung gerade nicht die Ausdehnung des Steuerprivilegs auf andere vergleichbare Fälle.

Der Beschwerdeführer habe keine Werbungskosten, die aus der besonderen Belastung seiner Tätigkeit resultierten, geltend gemacht. Die Gebühr nach § 75 RGV falle im Streitjahr 2008 - wie schon in den Vorjahren - weder unter den Tatbestand des § 26 Z 4 EStG 1988 noch unter die Steuerbefreiung des § 3 Abs. 1 Z 16b EStG 1988.

Das Legalitätsprinzip sei stärker als der Grundsatz von Treu und Glauben. Mit der Reisekosten-Novelle 2007 sei die Annahme einer Steuerbefreiung für diesen Lohnbestandteil überhaupt als denkunmöglich zu betrachten.

Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:

Gemäß § 3 Z 16b EStG 1988 idF der Reisekosten-Novelle 2007, BGBl. I Nr. 45/2007, sind von der Einkommensteuer befreit:

"Vom Arbeitgeber als Reiseaufwandsentschädigungen gezahlte Tagesgelder, soweit sie nicht gemäß § 26 Z 4 zu berücksichtigen sind, die für eine


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Außendiensttätigkeit (zB Kundenbesuche, Patrouillendienste, Servicedienste),
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Fahrtätigkeit (zB Zustelldienste, Taxifahrten, Linienverkehr, Transportfahrten außerhalb des Werksgeländes des Arbeitgebers),
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Baustellen- und Montagetätigkeit außerhalb des Werksgeländes des Arbeitgebers,
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Arbeitskräfteüberlassung nach dem Arbeitskräfteüberlassungsgesetz, BGBl. Nr. 196/1988, oder eine
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vorübergehende Tätigkeit an einem Einsatzort in einer anderen politischen Gemeinde
gewährt werden, soweit der Arbeitgeber aufgrund einer lohngestaltenden Vorschrift gemäß § 68 Abs. 5 Z 1 bis 6 zur Zahlung verpflichtet ist. Die Tagesgelder dürfen die sich aus § 26 Z 4 ergebenden Beträge nicht übersteigen. Kann im Falle des § 68 Abs. 5 Z 6 keine Betriebsvereinbarung abgeschlossen werden, weil ein Betriebsrat nicht gebildet werden kann, ist von einer Verpflichtung des Arbeitgebers auszugehen, wenn eine vertragliche Vereinbarung für alle Arbeitnehmer oder bestimmte Gruppen von Arbeitnehmern vorliegt.
Reiseaufwandsentschädigungen sind nicht steuerfrei, soweit sie anstelle des bisher gezahlten Arbeitslohns oder üblicher Lohnerhöhungen geleistet werden."
§ 75 Abs. 1 RGV idF BGBl. Nr. 447/1990 lautet:
"Dem Angehörigen des Bundesheeres oder der Heeresverwaltung, der am zur dauernden Dienstverwendung auf einem Arbeitsplatz im Fernmeldeaufklärungsdienst oder bei einer hochalpinen Dienststelle (Seehöhe von mindestens 1200 m) eingeteilt war und der dafür Gebühren nach den §§ 22 oder 72 bezieht, gebührt ab an Stelle dieser Geldleistungen eine Vergütung entsprechend dem für ihn nach § 72 Abs. 1 lit. a oder b maßgebenden Ausmaß der Übungsgebühr in der am geltenden Höhe, solange diese Verwendung andauert."
In der Beschwerde wird vorgebracht, die steuerfreie Auszahlung einer Gebühr iSd § 75 RGV sei ein wesentliches Argument für die Anwerbung des Beschwerdeführers im Bereich der Fernmeldeaufklärung gewesen. Die Befreiungsbestimmung des § 3 Abs. 1 Z 16b EStG 1988 erfasse ihrem Wortsinn nach eine solche Zahlung zwar nicht. Es sei allerdings eine sinngemäße Anwendung erforderlich. Die Tätigkeit des Beschwerdeführers sei in gleicher Weise belastend und kostenverursachend wie die von § 3 Abs. 1 Z 16b EStG 1988 erfasste Außendiensttätigkeit. Zu berücksichtigen sei im Sinne eines Vertrauensschutzes auch, dass die Steuerbefreiung jahrzehntelang gewährt worden sei; offensichtlich seien Gesetzgeber und Behörden bis 2007 davon ausgegangen, dass dem streitgegenständlichen Bezug entsprechende Aufwendungen und Belastungen gegenüberstünden.
Die Beschwerde zeigt keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf:
§ 3 Abs. 1 Z 16b EStG 1988 idF BGBl I Nr. 45/2007 normiert eine Steuerbefreiung für Tagesgelder, die vom Arbeitgeber als Reiseaufwandentschädigungen für eine Tätigkeit gezahlt werden, bei welcher das Werksgelände des Arbeitgebers verlassen wird (vgl. Hofstätter/Reichel, Tz 23b zu § 3 EStG 1988). Die Befreiungsbestimmung berücksichtigt damit speziell die Belastungssituation einer Betätigung außerhalb der eigentlichen Betriebsstätte. Die im gegenständlichen Fall in Rede stehende Gebühr nach § 75 Abs. 1 RGV stellt hingegen in keiner Weise auf das Verlassen einer Betriebsstätte des Arbeitgebers ab.
Der Verwaltungsgerichtshof zieht nicht in Zweifel, dass die Berufstätigkeit des Beschwerdeführers allgemein mit vielen Belastungen verbunden ist. Mit einer durch § 3 Abs. 1 Z 16b EStG 1988 erfassten speziellen Belastung aus einer Betätigung außerhalb des Werksgeländes des Arbeitgebers hängt die Gebühr nach § 75 RGV allerdings nicht zusammen. Reisegebühren (Tages- und Nächtigungsgelder), die der Beschwerdeführer im Falle einer Dienstreise bezieht, sind nicht Gegenstand dieses Verfahrens.
Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits in seinem Erkenntnis vom , 96/15/0097, ausgesprochen, § 26 Z 4 EStG 1988 müsse in verfassungskonformer Auslegung die Bedeutung beigemessen werden, dass lohngestaltende Vorschriften - für steuerliche Zwecke - eine Dienstreise nicht anders festlegen können als durch das Abstellen auf das Verlassen des tatsächlichen Dienstortes. Auch im Erkenntnis vom , 95/13/0167, hat er ausgesprochen, § 26 Z 4 EStG 1988 sei nicht so zu verstehen, dass lohngestaltende Vorschriften etwa Tätigkeiten am Dienstort als Dienstreise qualifizieren könnten. Zu Recht hat daher die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid darauf verwiesen, dass das Gesetz auch in der Fassung vor der Novelle BGBl. I Nr. 45/2007 die Steuerpflicht der gegenständlichen Gebühr angeordnet hat. Als Dienstort iSd § 26 Z 4 EStG 1988 ist nämlich nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes der regelmäßige Mittelpunkt des tatsächlichen dienstlichen Tätigwerdens des Arbeitnehmers anzusehen. Schon im Hinblick auf die genannten Erkenntnisse vom und vom kann im gegenständlichen Fall von einem schützenswerten Vertrauen auf ein Beibehalten des Unterbleibens der Besteuerung keine Rede sein.
Die Beschwerde bringt schließlich vor, obwohl der Beschwerdeführer Schichtdienst leiste und es oftmals auch zu einer Reisetätigkeit komme, habe die belangte Behörde nicht geprüft, ob die Gebühr nach § 75 RGV die Voraussetzungen für eine Steuerfreiheit als Erschwerniszulage iSd § 68 EStG erfülle. Mit dem bloßen Hinweis auf Schichtdienst und Dienstreisen zeigt die Beschwerde aber in keiner Weise auf, dass diese Gebühr gewährt wird, weil die zu leistenden Arbeiten "im Vergleich zu den allgemein üblichen Arbeitsbedingungen eine außerordentliche Erschwernis darstellen", wie dies in § 68 Abs. 5 EStG 1988 als Voraussetzung für die Steuerfreiheit von Erschwerniszuschlägen normiert wird.
Da bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen lässt, dass die vom Beschwerdeführer behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.
Wien, am