VwGH vom 28.03.2012, 2008/13/0091
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Heinzl und die Hofräte Dr. Fuchs, Dr. Nowakowski, Dr. Mairinger und Mag. Novak als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Farcas, über die Beschwerde der V GmbH als Rechtsnachfolgerin der C GmbH Co KG in W, vertreten durch MMag. Christoph Zimmel für die gmc-unitreu Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungs GmbH in 1041 Wien, Schwindgasse 7, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Wien, vom , GZ. RV/0285-W/05, betreffend Feststellung von Einkünften gemäß § 188 BAO für die Jahre 2000 und 2001, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.286,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die Beschwerdeführerin schloss am mit der W GmbH, einem verbundenen Unternehmen, folgende Vereinbarung ab:
"Alle Dienstnehmer, die mit von der (Beschwerdeführerin) übernommen werden, werden einvernehmlich mit das Dienstverhältnis bei der (W GmbH) beenden. Die (Beschwerdeführerin) verpflichtet sich, alle Ansprüche die sich nach der Dauer der Dienstzeit (Abfertigung, Jubiläum etc) richtet von den betroffenen Dienstnehmern zu übernehmen. Der offene Resturlaub, Zeitausgleich und Feiertag(e) per ist ebenfalls zur Gänze von der (Beschwerdeführerin) übernommen.
Allen Dienstnehmern muß ein Dienstzettel von der (Beschwerdeführerin) ausgehändigt werden."
Aufgrund der u.a. übernommenen Abfertigungsverpflichtung wies die Beschwerdeführerin im Jahresabschluss zum eine Abfertigungsrückstellung von 8,305.581 S aus. Die nach § 14 Abs. 5 EStG 1988 erforderlichen Wertpapiere zur Deckung der Rückstellung (4,152.790,50 S) erwarb die Beschwerdeführerin zum überwiegenden Teil (3,400.000 S) im Dezember 2001. Am war eine hinreichende Wertpapierdeckung vorhanden.
Im Rahmen einer die Jahre 1999 bis 2000 umfassenden abgabenbehördlichen Prüfung stellte die Prüferin u.a. fest, dass der im Jahresabschluss 2000 ausgewiesenen Abfertigungsrückstellung keine ausreichende Wertpapierdeckung gegenüberstehe. Auch für das Jahr 2001 liege eine Wertpapierunterdeckung vor, "da nicht binnen der 'Toleranzgrenze' (bis Ende Februar 2001) Wertpapiere in entsprechender Höhe nachgeschafft wurden".
Gingen im Falle des Unternehmerwechsels die Abfertigungsverpflichtungen auf den Rechtsnachfolger über, so habe dieser mit der Verpflichtung zur Weiterführung der Abfertigungsrückstellung auch jene zur Wertpapierdeckung zu übernehmen. Für die Berechnung der Wertpapierdeckung 2000 sei die beim bisherigen Arbeitgeber zum letzten Bilanzstichtag ausgewiesene Rückstellung maßgebend. Gemäß den vorliegenden Unterlagen liege für 2000 und 2001 eine Wertpapierunterdeckung iSd § 14 Abs. 5 EStG 1988 von jeweils 2,850.015,90 S vor, weshalb der Gewinn dieser Jahre um jeweils rund 1,710.000 S zu erhöhen sei.
Das Finanzamt folgte der Prüferin und erließ entsprechende Feststellungsbescheide für die Jahre 2000 und 2001.
Die Beschwerdeführerin berief gegen die angeführten Bescheide und brachte vor, dass der Wortlaut des § 14 Abs. 5 EStG 1988 für die Wertpapierdeckung an die letzte (eigene) Schlussbilanz und die dort ausgewiesene Rückstellung anknüpfe. Sie habe in der Bilanz zum erstmals eine Abfertigungsrückstellung ausgewiesen. Eine Wertpapierdeckung sei daher erst am erforderlich. Zu einem anderen Ergebnis komme man nur bei analoger Anwendung des § 14 Abs. 4 leg. cit., wonach Abfertigungsverpflichtungen im Falle des Unternehmerwechsels auf den Rechtsnachfolger übergingen und die Rückstellung beim Rechtsvorgänger insoweit nicht gewinnerhöhend aufzulösen, sondern vom Rechtsnachfolger weiterzuführen sei. Diese Bestimmung beziehe sich jedoch nur auf die Abfertigungsansprüche bzw. die dafür zu bildende Rückstellung selbst und nicht auf die Wertpapierdeckung.
Aus der unterschiedlichen Zielsetzung von § 14 Abs. 4 EStG 1988 (Übertragung der Ansprüche und Nachholverbot) und § 14 Abs. 5 leg. cit. (Sicherung der Ansprüche) ergebe sich, "dass das Fehlen einer Bestimmung zur Wertpapierdeckung bei Übertragung von Ansprüchen keine planwidrige Lücke darstellt bzw die Bestimmung des § 14 Abs 4 EStG keine taugliche Regelung darstellt, um eine allfällige Lücke durch analoge Anwendung zu schließen".
Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung keine Folge.
Die gegen diesen Bescheid gerichtete Beschwerde macht Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend. Die Beschwerdeführerin erachtet sich durch die Verhängung der "Strafzuschläge" für die Geschäftsjahre 2000 und 2001 beschwert.
Der Verwaltungsgerichtshof hat nach Vorlage der Verwaltungsakten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde über die Beschwerde erwogen:
§ 14 EStG 1988 in der im Streitfall geltenden Fassung des Abgabenänderungsgesetzes 1997, BGBl. I Nr. 9/1998, lautet auszugsweise:
"Vorsorge für Abfertigungen, Pensionen und Jubiläumsgelder
§ 14. (1) Eine Abfertigungsrückstellung kann im Ausmaß bis zu 50% der am Bilanzstichtag bestehenden fiktiven Abfertigungsansprüche gebildet werden. Fiktive Abfertigungsansprüche sind jene, die bei Auflösung des Dienstverhältnisses bezahlt werden müßten
1. an Arbeitnehmer als Abfertigung auf Grund
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- | gesetzlicher Anordnung oder |
- | eines Kollektivvertrages, |
wobei in beiden Fällen Beschäftigungszeiten (Vordienstzeiten) angerechnet werden können, | |
2. | an andere Personen auf Grund gesetzlicher Anordnung. |
Die Abfertigungsrückstellung kann insoweit bis zu 60% der am Bilanzstichtag bestehenden fiktiven Abfertigungsansprüche gebildet werden, als die Arbeitnehmer oder anderen Personen, an die die Abfertigungen bei Auflösung des Dienstverhältnisses bezahlt werden müßten, am Bilanzstichtag das 50. Lebensjahr vollendet haben.
(2) Die Rückstellung ist in der Bilanz gesondert auszuweisen.
(3) Bei erstmaliger Bildung der Rückstellung hat der Steuerpflichtige das prozentuelle Ausmaß der Rückstellung festzulegen. Dieses Ausmaß ist gleichmäßig auf fünf aufeinanderfolgende Wirtschaftsjahre verteilt zu erreichen. Eine Änderung des Ausmaßes ist unzulässig.
(4) Gehen im Falle des Unternehmerwechsels Abfertigungsverpflichtungen auf den Rechtsnachfolger über, so ist die Rückstellung beim Rechtsvorgänger insoweit nicht gewinnerhöhend aufzulösen, sondern vom Rechtsnachfolger weiterzuführen.
(5) Die Abfertigungsrückstellung muß durch Wertpapiere gedeckt werden. Für die Wertpapierdeckung gilt folgendes:
1. Am Schluß jedes Wirtschaftsjahres müssen Wertpapiere (Z 4) im Nennbetrag von mindestens 50% des am Schluß des vorangegangenen Wirtschaftsjahres in der Bilanz ausgewiesenen Rückstellungsbetrages im Betriebsvermögen vorhanden sein.
2. Beträgt die Wertpapierdeckung im Wirtschaftsjahr auch nur vorübergehend weniger als 50% der maßgebenden Rückstellung, ist der Gewinn um 60% der Wertpapierunterdeckung zu erhöhen. Die Fortführung der Rückstellung wird durch die Gewinnerhöhung nicht berührt.
(…)"
In der Beschwerde wird - wie zuvor in der Berufung - die Auffassung vertreten, dass zu keinem Zeitpunkt eine Wertpapierunterdeckung vorgelegen habe und eine Gewinnerhöhung unzulässig sei.
Mit dieser Auffassung befindet sich die Beschwerde im Recht.
Für die Wertpapierdeckung von Abfertigungsverpflichtungen im Falle eines Unternehmerwechsels iSd § 14 Abs. 4 EStG 1988 gibt es keine explizite Regelung. Daher richtet sich die Wertpapierdeckung (die im Übrigen aus § 14 EStG 1972 übernommen und dort mit dem AbgÄG 1973, BGBl. Nr. 27/1974 "zur Vermeidung von möglichen ungünstigen Auswirkungen auf den Wertpapiermarkt" wieder eingeführt worden war, vgl. 987 BlgNr 13. GP 2) nach den allgemeinen Regeln des § 14 Abs. 5 leg. cit. Nach dieser Bestimmung müssen am Schluss jedes Wirtschaftsjahres Wertpapiere im Nennbetrag von mindestens 50% des am Schluss des vorangegangenen Wirtschaftsjahres in der Bilanz ausgewiesenen Rückstellungsbetrages im Betriebsvermögen vorhanden sein. Dass bei einem Unternehmerwechsel iSd des § 14 Abs. 4 EStG 1988 nicht auf die Bilanz jenes Unternehmens abzustellen ist, das die Abfertigungsverpflichtungen übernommen hat, ist aus § 14 Abs. 5 leg. cit. nicht ableitbar (vgl. idS auch Damböck, ÖStZ 7 2000, 477 ff).
Die Beschwerdeführerin hat mit Dienstnehmer der W GmbH übernommen und sich verpflichtet alle Ansprüche dieser Dienstnehmer zu übernehmen, die sich nach der Dauer der Dienstzeit (Abfertigung, Jubiläum etc.) richten. In der Bilanz zum hat sie erstmals eine Abfertigungsrückstellung von 8,305.581 S ausgewiesen. Daher war sie gemäß § 14 Abs. 5 EStG 1988 verpflichtet bis zum Wertpapiere im Nennbetrag von 4,152.790,50 S 50%) zu erwerben. Dieser Verpflichtung ist sie unstrittig nachgekommen. Für die hier in Rede stehenden Gewinnerhöhungen bleibt vor diesem Hintergrund kein Platz.
Der angefochtene Bescheid erweist sich daher als mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet und war gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.
Von der Durchführung einer Verhandlung konnte aus den Gründen des § 39 Abs. 2 Z 4 VwGG abgesehen werden.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.
Wien, am