VwGH vom 24.02.2011, 2010/15/0162

VwGH vom 24.02.2011, 2010/15/0162

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höfinger und die Hofräte Dr. Zorn, Dr. Büsser, MMag. Maislinger und Mag. Novak als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Zaunbauer, über die Beschwerde der H GmbH in K, vertreten durch die IB Interbilanz Wirtschaftsprüfung und Steuerberatung Gesellschaft mbH Co KG in 1040 Wien, Gußhausstraße 4, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Graz, vom , Zl. RV/0197- G/10, betreffend Umsatzsteuer 2004, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Kostenmehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Die beschwerdeführende GmbH mit Sitz in Deutschland ist eine Unternehmerin, die in Österreich weder Sitz noch Betriebsstätte hat. Im Jahre 2004 hat sie in Österreich Umsätze aus der Durchführung von Sägearbeiten mit Helikoptern erzielt, bei denen gemäß § 19 Abs. 1 UStG 1994 der Leistungsempfänger Steuerschuldner ist (Reverse Charge).

Am langte beim Finanzamt Graz-Stadt der Antrag der Beschwerdeführerin "auf Vergütung der Umsatzsteuer für nicht im Inland ansässige Unternehmer" ein, in welchem für das Kalenderjahr 2004 als Vergütungszeitraum Vorsteuern im Ausmaß von 66.321,61 EUR (zum weitaus überwiegenden Teil aus "Flugkosten") geltend gemacht wurden. Der Bescheid des Finanzamtes vom , mit dem der Vergütungsantrag der Beschwerdeführerin wegen Nichteinhaltung der in der Verordnung BGBl. Nr. 279/1995 vorgesehenen Frist von sechs Monaten zurückgewiesen worden ist, ist in Rechtskraft erwachsen.

Am langte beim Finanzamt eine Umsatzsteuererklärung 2004 der Beschwerdeführerin ein, in welcher Umsätze nach § 3a Abs. 1a UStG 1994 ("Eigenverbrauch") in Höhe von 692,71 EUR und Vorsteuern wiederum in Höhe von 66.321,61 EUR ausgewiesen sind. Aus der Beilage zur Erklärung ergibt sich, dass die erklärten Umsätze aus der Überlassung von Hotelleistungen durch die Beschwerdeführerin an ihre Arbeitnehmer "zu privaten Zwecken, wie etwa Kurzurlaube in 2004" resultierten.

Mit Bescheid vom verweigerte das Finanzamt die Durchführung der Umsatzsteuerveranlagung. Zur Begründung führte es aus, der in der Erklärung angegebene "Eigenverbrauch" erfülle keinen Steuertatbestand.

In der Berufung brachte die Beschwerdeführerin vor, sie habe im Rahmen ihrer unternehmerischen Tätigkeit Sägearbeiten per Helikopter in Österreich durchgeführt. Hiefür sei Personal benötigt worden, und zwar überwiegend Personal aus Deutschland, das keinen Wohnsitz in Österreich habe. Die Beschwerdeführerin habe im eigenen Namen und auf eigene Rechnung Verträge mit Hotels am jeweiligen Arbeitsort abgeschlossen. Sie habe den Arbeitnehmern sodann die angemieteten Hotelzimmer zur Nutzung überlassen. Vertragspartner der Hotels sei jeweils die beschwerdeführende GmbH gewesen, die auch als Rechnungsempfängerin aufgeschienen sei. Die Beschwerdeführerin habe Hotelzimmer auch für arbeitsfreie Wochenenden der Arbeitnehmer gebucht. An diesen Wochenenden hätten die Arbeitnehmer die Zimmer für private Zwecke, wie etwa Kurzurlaube, nutzen können. Bei dieser Leistungsüberlassung an die Arbeitnehmer an Wochenenden handle es sich um in Österreich steuerpflichtigen Eigenverbrauch im Sinne des § 3a Abs. 1a Z 2 UStG 1994. Die kostenlose Überlassung von Hotelzimmern an Wochenenden liege ausschließlich im privaten Interesse der Arbeitnehmer. Bei der Überlassung der Hotelzimmer handle es sich im Übrigen auch nicht um bloße Aufmerksamkeiten, da die Überlassung wertmäßig nicht unerheblich gewesen sei.

Mit Berufungsentscheidung vom wies die belangte Behörde die Berufung als unbegründet ab. Die Wochenendübernachtungen der Dienstnehmer seien bei länger andauernden Arbeitseinsätzen, die mit Montageleistungen durchaus vergleichbar seien, im betrieblichen Interesse. Liege die Leistung im Interesse des Arbeitgebers und komme dem Arbeitnehmer kein verbrauchsfähiger Nutzen zu, dann sei eine "steuerbare Entnahme" zu verneinen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat die Berufungsentscheidung der belangten Behörde vom mit Erkenntnis vom , 2007/15/0073, wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben. Für das Streitjahr 2004 stelle sich die Rechtslage wie folgt dar: Gemäß § 21 Abs. 9 UStG 1994 könne der Bundesminister für Finanzen bei Unternehmern, die im Inland weder ihren Sitz noch eine Betriebsstätte hätten, durch Verordnung die Erstattung der Vorsteuern abweichend von den Abs. 1 bis 5 - insbesondere von der Regelung über die Veranlagung nach Abs. 4 - sowie abweichend von den §§ 11 und 20 regeln.

§ 1 Abs. 1 der Verordnung des Bundesministers für Finanzen, mit der ein eigenes Verfahren für die Erstattung der abziehbaren Vorsteuern an ausländische Unternehmer geschaffen werde, BGBl. Nr. 279/1995, normiere:

"Die Erstattung der abziehbaren Vorsteuerbeträge an Unternehmer, die im Inland weder ihren Sitz noch eine Betriebsstätte haben, ist abweichend von den §§ 20 und 21 Abs. 1 bis 5 UStG 1994 nach Maßgabe der §§ 2 und 3 durchzuführen, wenn der Unternehmer im Erstattungszeitraum

1. keine Umsätze im Sinne des § 1 Abs. 1 Z 1 und 2 und Art. 1 UStG 1994 oder


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2.
...
3.
nur Umsätze bei denen die Steuerschuld auf den Leistungsempfänger übergeht (§ 19 Abs. 1 zweiter Unterabsatz und Art. 19 Abs. 1 Z 3 UStG 1994), oder
...
ausgeführt hat."
Lägen die Voraussetzungen für das Erstattungsverfahren nach der genannten Verordnung vor, sei die Geltendmachung von Vorsteuern im Wege einer Veranlagung ausgeschlossen.
Eine umsatzsteuerbare Leistung im Sinn des § 3a Abs. 1a UStG 1994 liege vor, wenn eine Sachzuwendung an den Arbeitnehmer primär zur Deckung eines privaten Bedarfes des Arbeitnehmers diene, das heißt dem Arbeitnehmer in seiner privaten Sphäre ein bedarfsdeckender Nutzen zukomme. Leistungen, die zwar für Arbeitnehmer bestimmt seien, aber dem überwiegenden Interesse des Arbeitgebers dienten oder bei denen dem Arbeitnehmer kein verbrauchsfähiger Nutzen übertragen werde, fielen nicht unter den Leistungstatbestand.
Im Verwaltungsverfahren habe die Beschwerdeführerin vorgebracht, sie habe ihren in Deutschland ansässigen, zum Arbeitseinsatz nach Österreich entsandten Arbeitnehmern die Möglichkeit der Nutzung von Hotelzimmern auch an Wochenenden eingeräumt, und zwar an Wochenenden zur Durchführung von "Kurzurlauben". Bei der gegebenen Konstellation werde eine Leistung für den privaten Bedarf eines Dienstnehmers und ohne überwiegendes Arbeitgeberinteresse vorliegen, wenn der Wohnsitz des Dienstnehmers in Deutschland bloß in einer solchen Entfernung zum Ort der Hotelunterkunft in Österreich gelegen sei, dass vom Arbeitnehmer die Rückkehr an seinen Wohnsitz an arbeitsfreien Tagen am Wochenende üblicherweise zu erwarten gewesen sei, und wenn der Arbeitnehmer zudem berechtigt gewesen sei, in der ihm unentgeltlich zur Verfügung gestellten Hotelunterkunft Besuch zu empfangen und zu beherbergen. Entsprechende Erhebungen, aus denen sich ergebe, ob die Beschwerdeführerin im Jahr 2004 Umsätze durch Zuwendung von Vorteilen an ihre Arbeitnehmer erzielt habe, habe die belangte Behörde nicht angestellt.
Im fortgesetzten Verfahren hat die Beschwerdeführerin - auf Vorhalt der belangten Behörde - mit der umfangreichen Eingabe vom vorgebracht, dass steuerpflichtiger Eigenverbrauch (im Sinne der Ausführungen des hg. Erkenntnisses vom , 2007/15/0073) vorlägen und - dem Vorhalt entsprechend - zahlreiche Unterlagen vorgelegt.
Aus dieser Eingabe ergibt sich beispielsweise, dass am 16. und (Samstag und Sonntag) die Dienstnehmer Ae. und Kes. im Hotel Post in E einquartiert gewesen sind. Aus der in Kopie vorgelegten, an die Beschwerdeführerin gerichteten Rechnung des Hotels ergibt sich als Leistung des Hotels (an die Beschwerdeführerin) an den sieben Belegstagen (vom 11. bis zum ) hinsichtlich sechs Tagen "Halbpension" und hinsichtlich eines Tages "Nächtigung und Frühstück".
Aus dieser Eingabe der Beschwerdeführerin ist beispielsweise auch ersichtlich, dass am 4. und (Samstag und Sonntag) die Dienstnehmer Ae., Kec. und Kes. im Gasthaus K in P einquartiert gewesen sind. Aus dem in Kopie vorgelegten E-Mail-Verkehr ergibt sich als Leistung des Gasthauses an die Beschwerdeführerin jeweils Zimmer "mit Frühstück". Der Eingabe ist schließlich zu entnehmen, dass weitere Nächtigungen an Samstagen und Sonntagen im Gasthof F in F stattgefunden haben; die betreffende Rechnung weist als Leistung Nächtigung "mit Frühstück" und "Getränkekonsumation lt. beil. Kellnerrechnung" aus.
Als weitere Beilage zu dieser Eingabe legte die Beschwerdeführerin auch eine an das Finanzamt Köln-Ost gerichtete Nachmeldung von unentgeltlichen Sachbezügen von Arbeitnehmern (datiert mit ) vor, in welcher die Überlassung der Hotelzimmer an arbeitsfreien Wochenenden (unentgeltlich und ohne "Ausgleich der Hotelkosten") als lohnsteuerpflichtiger Arbeitnehmer-Sachbezug gemeldet worden ist.
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung erneut ab. Aus den von der Beschwerdeführerin ebenfalls mit der Vorhaltsbeantwortung vorgelegten Zeitaufstellungen entnehme die belangte Behörde, dass am Freitag, dem , bis 18.40 Uhr und am Freitag, dem , bis 17.00 Uhr gearbeitet worden sei.
Nach Ansicht der belangten Behörde liege in der Verwendung der angemieteten Unterkunft auch für private Freizeitzwecke der Arbeitnehmer (Kurzurlaube) kein besonderer Vorteil aus dem Dienstverhältnis, weil die Arbeitnehmer vom Arbeitsort (Unterkunftsort) bis zu ihrem Heimatwohnsitz die durchschnittliche einfache Strecke von ca. 570 bis 633 km (Reisezeit ca. 6 Stunden) hätten zurücklegen müssen. Daher lägen übliche Konstellationen, anlässlich deren am freien Wochenende eine Familienheimfahrt unternommen würde, auf Grund der Entfernung nicht vor. Im Übrigen erschiene eine Familienheimfahrt auch im Hinblick auf die am Freitagnachmittag stattgefundenen Arbeitsleistungen, die zu berücksichtigende Reisezeit und dem damit verbundenen geminderten Erholungswert eines Heimataufenthaltes als nicht tunlich.
Abgesehen davon halte es die belangte Behörde für entscheidend, dass der Unternehmer nur die dem Unternehmensvermögen zugeordneten Leistungen "tatbestandlich entnehmen" könne. Im Gegensatz zum Verwendungseigenverbrauch nach "§ 3a Abs. 1a Z 2 UStG 1994" stehe dem Unternehmer bei teilweise unternehmerisch verwendeten Dienstleistungen kein "Zuordnungswahlrecht" zu. Bei einer einmaligen Nutzung der Dienstleistung ergebe sich keine Notwendigkeit eines Zuordnungswahlrechtes, da sich der Umfang der privaten Nutzung nicht mehr ändere. Genau dies sei aber Sinn und Zweck des durch den EuGH postulierten Zuordnungswahlrechtes, nämlich Veränderungen im Umfang der privaten Nutzung während der Lebensdauer eines Gegenstandes angemessen berücksichtigen zu können. Folglich seien die von Dritten beanspruchten sonstigen Leistungen, wie z.B. die Anmietung eines Hotelzimmers, einerseits nur soweit zum Vorsteuerabzug zuzulassen, wie sie für das Unternehmen verwendet würden. Andererseits folge hieraus, dass die auch für außerunternehmerische Zwecke genutzten Leistungen - das angemietete Hotelzimmer werde Angehörigen überlassen oder aber vom Unternehmer privat genutzt - insoweit keine Wertabgaben aus dem Unternehmen darstellten. Eine Steuerbarkeit nach § 3a Abs. 1a Z 2 UStG 1994 scheide daher im gegenständlichen Fall aus. In diesem Sinne liege beispielsweise beim Strombezug oder der Benützung des Telefons für die unternehmerische und nichtunternehmerische Sphäre hinsichtlich des Privatanteils keine steuerbare Entnahme vor, weil sich das Entgelt auf Einzelleistungen beziehe, die direkt an die Unternehmer- und die Privatsphäre erbracht würden.
Da somit die Voraussetzungen für eine Jahressteuerveranlagung mangels Vorliegens steuerbarer und steuerpflichtiger Umsätze (ergänze: nicht) gegeben gewesen seien, werde der Berufung nicht Folge gegeben.

Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:

Die Ermittlungen der belangten Behörde im fortgesetzten Verfahren haben ergeben, dass die Beschwerdeführerin den Arbeitnehmern an arbeitsfreien Wochenenden nicht nur unentgeltlich die Nutzung von Hotelzimmern überlassen hat. Die Beschwerdeführerin hat vielmehr darüber hinaus unentgeltlich Verpflegungsleistungen erbracht. Dabei handelt es sich zum einen um das an den arbeitsfreien Wochenenden (im Hotel oder Gasthaus) dargebotene Frühstück, zum anderen aber darüber hinaus (im Hotel Post) auch noch um Mittag- bzw. Abendessen (Halbpension). Durch diese Verpflegung an arbeitsfreien Wochenenden hat die Beschwerdeführerin den Arbeitnehmern in deren privaten Sphäre einen bedarfsdeckenden Nutzung zukommen lassen. Mit der Verpflegung der Arbeitnehmer an arbeitsfreien Tagen hat die Beschwerdeführerin daher Umsätze iSd § 1 Abs. 1 Z 1 der Verordnung BGBl. Nr. 279/1995 getätigt. Die Voraussetzungen für die Veranlagung zur Umsatzsteuer 2004 sind schon deshalb gegeben.

Zudem hat die Beschwerdeführerin die Überlassung der Räumlichkeiten (Zimmer im Hotel und Gasthof) an den arbeitsfreien Wochenenden als nicht im überwiegenden Arbeitgeberinteresse gelegen und sohin als steuerbar iSd § 3a Abs. 1a UStG 1994 angesehen. Diese Beurteilung durch die Beschwerdeführerin steht im Einklang mit dem Gesetz. Entgegen der Ansicht der belangten Behörde besteht keine Lebenserfahrung, dass eine Entfernung von 600 km Personen vom Aufsuchen ihres Familienwohnsitzes für ein arbeitsfreies Wochenende abhält (woraus aber die belangte Behörde das überwiegende Interesse der Beschwerdeführerin an der Überlassung der Nutzungsmöglichkeit für arbeitsfreie Wochenenden ableitet).

An der Sache vorbei gehen die Ausführungen des angefochtenen Bescheides zum "Zuordnungswahlrecht". Wenn die Beschwerdeführerin Vorleistungen bezieht, um die Dienstnehmer ihres Unternehmens zu entlohnen, werden die Vorleistungen dem Unternehmensbereich der Beschwerdeführerin erbracht. Die Entlohnung von Dienstnehmern des Unternehmens durch die Gewährung von Sachbezügen hat nichts mit einer privaten bzw. außerunternehmerischen Sphäre des Unternehmers zu tun. Daher sind die in Rede stehenden Leistungen der Hotel- und Gastgewerbebetriebe zur Gänze als dem Unternehmensbereich der Beschwerdeführerin erbracht anzusehen und nicht, wie dies die belangte Behörde vermeint, anteilig einer privaten bzw. außerunternehmerischen Sphäre der Beschwerdeführerin.

Die belangte Behörde hat sohin, indem sie angenommen hat, die Voraussetzungen für die Veranlagung zur Umsatzsteuer 2004 seien nicht gegeben, die Rechtslage verkannt. Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufzuheben. Auf das weitere Beschwerdevorbringen brauchte daher nicht eingegangen zu werden.

Von der Durchführung einer Verhandlung konnte aus den Gründen des § 39 Abs. 2 Z 4 und Z 6 VwGG abgesehen werden.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008. Die Verordnung legt den Schriftsatzaufwand mit EUR 1.106,40 fest.

Wien, am