VwGH vom 31.07.2012, 2008/13/0085
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Heinzl und die Hofräte Dr. Fuchs, Dr. Nowakowski, Dr. Mairinger und Mag. Novak als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Zaunbauer, über die Beschwerde des E E in K, vertreten durch Eckhardt Wirtschaftsprüfung und SteuerberatungsgmbH in 7033 Pöttsching, Hauptstrasse 58, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Wien, vom , Zl. RV/3149-W/07, betreffend Erklärung einer Berufung als zurückgenommen, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Dem Beschwerdeführer wurden im Anschluss an eine Betriebsprüfung Ende Mai und Anfang Juni 2000 Bescheide des Finanzamts zugestellt, mit denen es die Verfahren betreffend Einkommensteuer 1995, 1996 und 1997 wieder aufnahm und die Einkommensteuer jeweils neu festsetzte. Wiederaufnahms- und Sachbescheid waren jeweils gesondert ausgefertigt, wobei aber auch die Wiederaufnahmsbescheide mit "Einkommensteuerbescheid" überschrieben waren und in ihren Rechtsmittelbelehrungen darauf hingewiesen wurde, sie seien in der Berufung so zu bezeichnen (vgl. zu dieser Art der Bescheidgestaltung die hg. Erkenntnisse vom , 2006/15/0042, vom , 2007/15/0043, und vom , 2007/15/0041).
Mit Schriftsatz vom erhob der Beschwerdeführer Berufung gegen die "Einkommensteuerbescheide" von Ende Mai und Anfang Juni 2000 mit der Bitte, ihm für die noch fehlende Begründung der Berufung eine Frist bis zu gewähren.
Mit Bescheid vom trug ihm das Finanzamt die Verbesserung der Berufung auf:
"Ihre Berufung vom betreffend Einkommensteuerbescheide 1995, 1996 und 1997 vom bzw. weist hinsichtlich des Inhalts (§ 250 BAO) die nachfolgenden Mängel auf:
Es fehlt ein Berufungsantrag, wie und in welchen Teilen die bekämpften Bescheide abzuändern wären sowie eine Berufungsbegründung mit zum Nachweis Ihrer Angaben eventuell notwendigen Belegen bzw Erklärungen.
Die angeführten Mängel sind beim Finanzamt (...) gemäß § 275 BAO zu beheben.
Frist zur Beantwortung bis zum . Achtung! Bei Versäumnis dieser Frist gilt Ihre Berufung als zurückgenommen."
Mit Schreiben vom (ein Freitag) ersuchte der Beschwerdeführer um Verlängerung dieser Frist bis zum . Das Schreiben trägt im maschingeschriebenen Text über der Adresse des Finanzamts in Wien den Vermerk "Einschreiben". In der mit der Beschwerde in Kopie vorgelegten Ausfertigung (Beilage 4 zur Beschwerde) trägt es keinen Eingangsstempel. Das Wort "Einschreiben" ist durchgestrichen und durch den handschriftlichen Vermerk "Posteinwurf " ersetzt. In der ebenfalls in Kopie vorgelegten, dem Beschwerdeführer später vorgehaltenen Ausfertigung in den Akten ist das Wort "Einschreiben" ebenfalls durchgestrichen und durch einen handschriftlichen Vermerk "Posteinwurf " ersetzt, dem noch die Angabe "um 19.25 Uhr" beigefügt ist. Ein inhaltsgleicher handschriftlicher Vermerk (Uhrzeit und "Posteinwurf ") ist direkt daneben, über dem durchgestrichenen Wort "Einschreiben", auf dieser Ausfertigung noch ein zweites Mal angebracht. Die Ausfertigung trägt den Eingangsstempel des Finanzamts mit dem Datum .
Mit Schriftsatz vom verbesserte der Beschwerdeführer die Berufung, wobei er beantragte, "die Bescheide aufzuheben", und auch angab, weshalb kein Wiederaufnahmsgrund gegeben sei.
Mit Bescheid vom wies die belangte Behörde die Berufung "gegen die Bescheide (...) betreffend Einkommensteuer für den Zeitraum 1995 bis 1997" als unbegründet ab, wobei in den Entscheidungsgründen u.a. dargelegt wurde, der Beschwerdeführer behaupte, auch die Wiederaufnahme bekämpft zu haben, doch sei dies "irrelevant, da der Abgabenbehörde zweiter Instanz vom Finanzamt nur Berufungen betreffend Einkommensteuer 1995 - 1997 vorgelegt wurden". Dieser Berufungsbescheid blieb unangefochten.
Im Oktober 2007 gelangte die Referentin der belangten Behörde nach einem Hinweis des Beschwerdevertreters auf das zweite der eingangs erwähnten Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes zu der Ansicht, die Berufung vom habe sich auch gegen die mit "Einkommensteuerbescheid" überschriebenen Wiederaufnahmsbescheide gerichtet. Sie hielt ihm aber mit Schreiben vom vor, die Verbesserung dieser - in Bezug auf die neuen Sachbescheide inhaltlich erledigten - Berufung sei wegen des Einwurfs des Fristverlängerungsantrages vom in den Einwurfkasten des Finanzamtes nicht an diesem letzten Tag der zu verlängernden Frist, sondern erst am , wie auf dem Schreiben vermerkt, verspätet gewesen.
Am erhielt die Referentin der belangten Behörde - wie in einem Aktenvermerk festgehalten und im angefochtenen Bescheid dargestellt - einen Anruf des Beschwerdevertreters, der ihr mitteilte, er habe aus einem Terminkalender des Jahres 2000 ersehen, dass er am Sonntag, den , gemeinsam mit seiner Frau am Abend nach Wien gefahren sei, um das Schreiben in den Einwurfkasten des Finanzamtes zu werfen. Die Angabe der Uhrzeit auf der dem Vorhalt der belangten Behörde angeschlossenen Kopie des Schreibens trage die Handschrift seiner Frau. Am darauffolgenden Montag sei das Schreiben beim Finanzamt "automatisch" mit dem Eingangsstempel des vorangegangenen Freitags versehen worden.
Mit Schreiben vom nahm der Beschwerdevertreter auch schriftlich zum Vorhalt der belangten Behörde Stellung. Er führte nun aus, nach "genauer Kontrolle" seines "Terminbuches" sei "davon auszugehen, dass der Verlängerungsantrag am Freitag dem 21. Juli in den am Amtsgebäude angebrachten Einwurfkasten deponiert wurde", weil nur an diesem Tag ein halbstündiger Zeitaufwand für den Beschwerdeführer eingetragen worden sei, "so dass der Einwurf offensichtlich am Freitag dem 21., 19:25 Uhr, erfolgt ist und offensichtlich bei der Beschriftung ein Fehler unterlaufen ist." Davon abgesehen vertrat er in diesem Schreiben den Standpunkt, der Mängelbehebungsauftrag vom habe sich nur auf die Berufung gegen die neuen Sachbescheide bezogen, weil das Finanzamt gar nicht erkannt habe, dass sich die Berufung auch gegen die Wiederaufnahmen richte. Die beigefügte Kopie aus einem Kalender des Beschwerdevertreters wies am Sonntag, den , keine und am Freitag, den , eine als Beifügung von "0,5 h" zum Namen des Beschwerdeführers deutbare Eintragung auf.
In der Berufungsverhandlung am erklärte der Beschwerdevertreter der Niederschrift zufolge, er "könne sich - entgegen seiner telefonisch gemachten Angabe - nicht mehr daran erinnern", wann er das Schriftstück tatsächlich eingeworfen habe. Der Schriftzug "Posteinwurf " stamme von ihm, die Uhrzeitangabe möglicherweise von seiner Frau. Die Angabe des Datums "" erklärte er nun damit, er sei "damals der irrigen Annahme gewesen", dass er das Schriftstück bis zu diesem Tag fristwahrend einbringen könne, und gehe daher "davon aus, dass deshalb dieses Datum damals vermerkt worden" sei. Seine als Zeugin vernommene Frau gab an, sich nicht mehr erinnern zu können, "was sie in der Zeit vom 21.- gemacht" habe. Die handschriftliche Uhrzeitangabe könne von ihr stammen.
Mit dem angefochtenen Bescheid sprach die belangte Behörde aus, die Berufung vom gegen die Bescheide des Finanzamts "betreffend Wiederaufnahme des Verfahrens" gelte gemäß § 275 BAO als zurückgenommen. Sie begründete dies mit dem verspäteten Einwurf des Verlängerungsantrages in den Einwurfkasten des Finanzamts, wobei sie sich u.a. auf die handschriftlichen Vermerke auf der Eingabe stützte, und trat der Ansicht des Beschwerdevertreters entgegen, der Mängelbehebungsauftrag habe sich nicht auf die Berufung gegen die Wiederaufnahmen bezogen.
Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Akten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen hat:
Im Vordergrund der Beschwerde steht der schon in der Vorhaltsbeantwortung vom vertretene Standpunkt, der Mängelbehebungsauftrag des Finanzamts habe sich nur auf die Berufung gegen die neuen Sachbescheide bezogen. Dieser Ansicht ist die belangte Behörde zu Recht nicht gefolgt. Mit der eingangs beschriebenen Bescheidgestaltung wurde vom Finanzamt - wie es im hg. Erkenntnis vom , 2007/15/0043, in einem vergleichbaren Fall hieß - "in kaum zu überbietender Weise Unklarheit geschaffen", und dem Beschwerdeführer ist darin beizupflichten, dass dies nicht zu seinen Lasten gehen soll. Aus diesem Grund wurde seine begründungslose Berufung, die sich nur gegen "Einkommensteuerbescheide" richtete, zuletzt mit Recht - wenngleich sehr spät - auch als Berufung gegen die Wiederaufnahmen gewertet. Der Beschwerdeführer behauptet aber nicht einmal, dass der Auftrag zur Mängelbehebung, mit der das Finanzamt auf sie reagierte, sich aus seiner damaligen Sicht nicht auch darauf bezogen habe. Er stützt sich nun auf den erst nachträglich zutage getretenen Umstand, dass das Finanzamt und auch die belangte Behörde in ihrer unbekämpft gebliebenen ersten Berufungsentscheidung davon ausgingen, der Berufungsschriftsatz vom habe die Wiederaufnahmen unbekämpft gelassen. Am Antwortcharakter des Mängelbehebungsauftrages, der genau das als Gegenstand des zu verbessernden Schriftsatzes bezeichnete, was in diesem als solcher genannt worden war, ändert das ebenso wenig wie der in der Beschwerde auch thematisierte Umstand, dass sich die vom Beschwerdeführer gewählte Bezeichnung an den Rechtsmittelbelehrungen orientiert habe. Wenn der Beschwerdeführer nun meint, Wiederaufnahms- und neue Sachbescheide seien "völlig getrennte Bescheide", so trifft dies zwar zu, aber die vom Beschwerdeführer daraus gezogene Schlussfolgerung, hinsichtlich der Wiederaufnahmsbescheide wären "getrennte Mängelbehebungsaufträge mittels Bescheid zu erlassen gewesen", ist ebenso verfehlt wie es die Annahme wäre, der Beschwerdeführer hätte insgesamt sechs Berufungsschriftsätze einbringen oder das Finanzamt hätte die Aufforderung zur Mängelbehebung hinsichtlich der Sachbescheide für jedes betroffene Jahr gesondert ausfertigen müssen. Da der Beschwerdeführer die Verbesserung im Schriftsatz vom darüber hinaus auch vorgenommen, die Bekämpfung der Wiederaufnahmen in diesem Schriftsatz begründet und darin den Antrag gestellt hat, "die Bescheide aufzuheben", ist dem Standpunkt, ein Verfahren zur Mängelbehebung sei in Bezug auf die Bekämpfung der Wiederaufnahmen erst noch einzuleiten, keinesfalls zu folgen.
Entscheidend ist daher, ob die Mängelbehebung fristgerecht war, wobei die zumindest implizite Bejahung dieser Frage in der rechtskräftigen Entscheidung über die Berufung gegen die neuen Sachbescheide keine bindende Wirkung für die Prüfung derselben Frage im vorliegenden Verfahren hat.
Der Beschwerdeführer hält daran fest, dass der - für die Beurteilung der Rechtzeitigkeit unstrittig maßgebliche - Fristverlängerungsantrag vom noch an diesem Tag in den Einwurfkasten des Finanzamts eingeworfen worden sei. Er rügt, es sei "nach acht Jahren verlangt" worden, "sich an ein Einwurfdatum beim Posteinwurf des Finanzamtes zu erinnern", und tritt der Beweiswürdigung der belangten Behörde entgegen, insoweit diese nicht denkgesetzwidrig meint, der im Kalender festgehaltene Zeitaufwand am werde sich auf die Verfassung des Fristverlängerungsantrages bezogen haben und die Fahrt nach Wien am wäre gegenüber dem Mandanten nicht verrechenbar gewesen, sodass das Fehlen einer darauf bezogenen Eintragung im Kalender nicht verwundere. Dieses Argument spielt in der Beweiswürdigung der belangten Behörde aber nur eine untergeordnete Rolle. Die belangte Behörde stützt sich, wie auch dem Hinweis der Beschwerde auf den Zeitabstand entgegenzuhalten ist, in erster Linie auf den nach den Angaben des Beschwerdevertreters in der Berufungsverhandlung von ihm selbst damals auf dem Schriftstück angebrachten Vermerk über den "Posteinwurf ", dem noch eine Uhrzeit hinzugefügt wurde, beides sogar doppelt, was bei Einbeziehung der Uhrzeit nicht als Vormerkung einer irrtümlich angenommenen, dann aber zugunsten der Fahrt nach Wien und des Einwurfs noch am selben Tag nicht ausgenützten Fristdauer deutbar ist, sondern in Verbindung mit dem Eingeständnis des erwähnten Irrtums klar darauf hindeutet, dass das Schriftstück am und somit verspätet eingeworfen wurde. Hierauf geht die Beschwerde - wie im Übrigen auch auf die Darstellung des Telefonats vom im angefochtenen Bescheid - überhaupt nicht ein, weshalb es ihr nicht gelingt, eine Unschlüssigkeit der Beweiswürdigung aufzuzeigen.
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.
Wien, am