VwGH vom 08.09.2005, 2005/18/0506

VwGH vom 08.09.2005, 2005/18/0506

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Enzenhofer und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Stummer, über die Beschwerde des C, (geboren 1986), vertreten durch Dr. Gerhard Steiner, Rechtsanwalt in 1040 Wien, Brucknerstraße 8/3, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom , Zl. SD 1090/04, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbots, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom wurde gegen den Beschwerdeführer, einen (angeblichen) nigerianischen Staatsangehörigen, gemäß § 36 Abs. 1 Z. 1 und 2 des Fremdengesetzes 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, ein Aufenthaltsverbot für die Dauer von fünf Jahren erlassen.

Der Beschwerdeführer, dessen Identität auf Grund fehlender Dokumente nicht nachgewiesen sei, sei im September 2003 illegal in das Bundesgebiet gelangt und habe am einen Asylantrag gestellt. Er sei zunächst in die Bundesbetreuung aufgenommen worden, habe jedoch am die Betreuungsstelle ohne Abmeldung verlassen. Am habe er zunächst seinen Asylantrag zurückgezogen, um dann am bei der Asylbehörde einen Fortsetzungsantrag einzubringen. Mit Bescheid vom sei der Asylantrag gemäß § 7 AsylG abgewiesen worden. Auf Grund einer dagegen erhobenen Berufung sei das Asylverfahren des Beschwerdeführers beim unabhängigen Bundesasylsenat anhängig. Der Beschwerdeführer verfüge seit dem über eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung nach dem AsylG.

Nur etwa drei Monate nach seiner illegalen Einreise sei der Beschwerdeführer wegen des Verdachts der Übertretung des Suchtmittelgesetzes (SMG) festgenommen, in Untersuchungshaft überstellt und am durch das Landesgericht für Strafsachen Wien wegen des Vergehens nach § 27 Abs. 1 und 2 Z. 2 erster Fall SMG zu einer bedingten Freiheitsstrafe in der Dauer von fünf Monaten (rechtskräftig seit dem ) verurteilt worden. Der Beschwerdeführer sei für schuldig erkannt worden, am in Wien den bestehenden Vorschriften zuwider Suchtgift gewerbsmäßig einem Dritten überlassen zu haben, indem er insgesamt drei Kugeln Kokain an zwei Suchtgiftabnehmer verkauft hätte. Wie aus den Entscheidungsgründen weiters hervorgehe, sei auf Grund der persönlichen Situation des Beschwerdeführers, der diesen Deal gemacht hätte, um seine Lebensbedürfnisse zu befriedigen, davon auszugehen, dass er auch in Zukunft weitere derartige "Sachen" unternommen hätte, um seinen Lebensunterhalt zu befriedigen.

Da der Beschwerdeführer zudem im Zug seiner niederschriftlichen Einvernahme am angegeben habe, derzeit nicht im Besitz von Barmitteln zu sein, habe die Erstbehörde in weiterer Folge am - gestützt auf § 36 Abs. 1 und § 36 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z. 7 FrG - ein Aufenthaltsverbot erlassen. Zu diesem Zeitpunkt hätte der Beschwerdeführer seinen Asylantrag noch zurückgezogen gehabt. Da auf Grund seines im August 2004 eingebrachten Fortsetzungsantrags derzeit das Asylverfahren beim unabhängigen Bundesasylsenat anhängig sei, erfolge nunmehr eine entsprechende Spruchänderung, mit der der Tatbestand des § 36 Abs. 1 iVm Abs. 2 entfalle und sich die vorliegende aufenthaltsbeendende Maßnahme auf § 36 Abs. 1 FrG stütze.

Die Verurteilung des Beschwerdeführers erfülle zwar nicht den in § 36 Abs. 2 Z. 1 FrG normierten Sachverhalt, ein Aufenthaltsverbot könne aber ausschließlich auf § 36 Abs. 1 leg. cit. gestützt werden, wenn zwar keiner der im § 36 Abs. 2 leg. cit. beispielsweise aufgezählten Tatbestände verwirklicht sei, wohl aber auf Grund bestimmter Tatsachen die im § 36 Abs. 1 FrG umschriebene Gefährlichkeitsprognose getroffen werden könne. Hierbei seien die im § 36 Abs. 2 leg. cit. beispielsweise genannten Sachverhalte als Maßstab für die Schwere jener Tatsachen heranzuziehen, die bei der Verhängung eines auf § 36 Abs. 1 FrG gestützten Aufenthaltsverbots vorliegen müssten.

Dies sei im Fall des Beschwerdeführers gegeben. Gerade der Suchtgiftkriminalität hafte eine besondere Gefährlichkeit für Leben und Gesundheit Dritter an. Dazu komme, dass der Beschwerdeführer seine Straftat gewerbsmäßig, das heißt zur Erzielung einer fortlaufenden Einnahme, begangen habe. Die von ihm ausgehende Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit sei derart schwerwiegend, dass sich die Erlassung des Aufenthaltsverbots im Sinn des § 36 Abs. 1 FrG als gerechtfertigt erweise.

Der Beschwerdeführer sei ledig und habe keine Sorgepflichten, familiäre Bindungen bestünden im Bundesgebiet nicht. Zwar sei angesichts aller Umstände von einem mit dem Aufenthaltsverbot verbundenen Eingriff in das Privatleben des Beschwerdeführers auszugehen, dieser Eingriff sei jedoch zulässig, weil er zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele - hier: zur Verhinderung weiterer strafbarer Handlungen, insbesondere im Bereich der Suchtgiftkriminalität, und zum Schutz der Gesundheit Dritter - dringend geboten sei. Wer, wie der Beschwerdeführer, in Österreich angeblich Schutz vor Verfolgung suche und dann hier dem gewerbsmäßigen Suchtgifthandel nachgehe, lasse eine außerordentliche Geringschätzung maßgeblicher, in Österreich gültiger Rechtsvorschriften erkennen. Dazu komme, dass insbesondere der Suchtgiftkriminalität nicht nur eine hohe Sozialschädlichkeit, sondern auch eine hohe Wiederholungsgefahr anhafte. Solcherart sei eine zugunsten des Beschwerdeführers ausfallende Verhaltensprognose nicht möglich. Seinem Vorbringen, er hätte die strafbare Handlung unter Druck begangen, weil er nicht in Bundesbetreuung untergebracht und folglich mittellos und obdachlos gewesen sei, müsse Nachstehendes entgegnet werden:

Abgesehen davon, dass der Beschwerdeführer die ihm zugewiesene Betreuungsstelle in Traiskirchen am ohne Abmeldung verlassen hätte, könne auch materielle Not den gewerbsmäßigen Verkauf von Suchtgift und die damit verbundene große Gefährdung der Gesundheit anderer nicht rechtfertigen. Es könne daher kein Zweifel daran bestehen, dass die Erlassung des Aufenthaltsverbots dringend geboten und sohin zulässig im Sinn des § 37 Abs. 1 FrG sei.

Bei der gemäß § 37 Abs. 2 FrG durchzuführenden Interessenabwägung sei zunächst zu bedenken gewesen, dass der Beschwerdeführer auf keine maßgebliche Integration in Österreich verweisen könne, sei er doch lediglich auf Grund seines Asylantrags zum vorläufigen Aufenthalt berechtigt und werde die einer jeglichen Integration zugrunde liegende soziale Komponente durch das strafbare Verhalten entsprechend an Gewicht gemindert. Auch angesichts des Mangels jeglicher familiärer Bindungen sei das dem Beschwerdeführer insgesamt zuzusprechende Interesse an einem Weiterverbleib im Bundesgebiet gering. Dem gegenüber stehe das maßgebliche große öffentliche Interesse an der Verhinderung der Suchtgiftkriminalität. Bei Abwägung dieser Interessenlagen sei die belangte Behörde zur Auffassung gelangt, dass die Auswirkungen des Aufenthaltsverbots auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers keinesfalls schwerer wögen als das in seinem Fehlverhalten gegründete große öffentliche Interesse daran, dass er das Bundesgebiet verlasse und diesem fern bleibe. Die Erlassung des Aufenthaltsverbots erweise sich daher im Sinn des § 37 Abs. 2 FrG als zulässig.

Ein Sachverhalt gemäß § 38 FrG sei nicht gegeben gewesen. Mangels sonstiger, besonders zugunsten des Beschwerdeführers sprechender Umstände habe die belangte Behörde keine Veranlassung gesehen, von der Erlassung des Aufenthaltsverbots im Rahmen des ihr zustehenden Ermessens Abstand zu nehmen. Das anhängige Asylverfahren stelle einen solchen besonderen Grund nicht dar, erweise sich das Aufenthaltsverbot doch auch im Sinn des AsylG als zulässig und komme eine Vollstreckung desselben vor Abschluss des Asylverfahrens ohnedies nicht in Betracht.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes, in eventu Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1.1. Aus dem Blickwinkel des § 36 Abs. 1 FrG bringt der Beschwerdeführer gegen den angefochtenen Bescheid vor, der Gesetzgeber habe in § 36 Abs. 2 FrG ausdrücklich geregelt, dass nur bei Verurteilung zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von mehr als sechs Monaten die Voraussetzungen des § 36 Abs. 1 FrG gegeben sein sollten. Die Regelung, dass eben erst ab einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von mehr als sechs Monaten ein Aufenthaltsverbot erlassen werden dürfe, verdeutliche die Intention des Gesetzgebers, den Ermessensspielraum der das Aufenthaltsverbot erlassenden Behörde entsprechend einzuschränken.

1.2. Mit diesem Vorbringen zeigt die Beschwerde keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs kann ein Aufenthaltsverbot ausschließlich auf § 36 Abs. 1 FrG gestützt sein, wenn zwar keiner der Tatbestände des § 36 Abs. 2 FrG verwirklicht ist, wohl aber das Gesamt(fehl)verhalten die in § 36 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme rechtfertigt. Die im § 36 Abs. 2 leg. cit. genannten Sachverhalte sind dabei als Maßstab für die Schwere jener Tatsachen heranzuziehen, die bei der Verhängung eines bloß auf § 36 Abs. 1 FrG gegründeten Aufenthaltsverbots vorliegen müssen. (Vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2005/18/0058, mwH.)

Mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom wurde der Beschwerdeführer (unstrittig) wegen des Vergehens nach § 27 Abs. 1 und 2 Z. 2 erster Fall SMG zu einer bedingten Freiheitsstrafe in der Dauer von fünf Monaten verurteilt, weil er am in Wien den bestehenden Vorschriften zuwider Suchtgift gewerbsmäßig einem Dritten überlassen habe. Bei Suchtgiftdelikten handelt es sich um eine besonders gefährliche Kriminalitätsform mit hoher Wiederholungsgefahr und großer Sozialschädlichkeit (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2001/18/0161, mwH). Die Beurteilung der belangten Behörde, dass der Aufenthalt des Beschwerdeführers die öffentliche Ordnung im Sinn des § 36 Abs. 1 FrG gefährde, begegnet daher keinem Einwand, zumal der Beschwerdeführer das Suchtgiftdelikt gewerbsmäßig begangen hat. Wenn der Beschwerdeführer vorbringt, er habe aus seiner "persönlichen Not heraus" drei Kugeln Kokain an zwei Suchtgiftabnehmer verkauft, weil er über keinerlei Barmittel verfügt habe, so ist für ihn damit nichts gewonnen, vermag doch nach der hg. Rechtsprechung materielle Not den gewerbsmäßigen Verkauf von Suchtgift und die damit verbundene große Gefährdung der Gesundheit anderer nicht zu rechtfertigen (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2004/18/0264). Der Hinweis des Beschwerdeführers auf die in § 14 Abs. 1 Z. 4 AsylG enthaltene Regelung für Verlust des Asyls geht schon deshalb fehl, weil dem Beschwerdeführer nach den insoweit unstrittigen Feststellungen im angefochtenen Bescheid bislang kein Asyl gewährt wurde.

2. Die Begründung des angefochtenen Bescheids, wonach § 37 FrG der Erlassung des Aufenthaltsverbots nicht entgegenstehe, kann nicht als rechtswidrig erkannt werden. Der Beschwerdeführer hat unstrittig keine familiären Bindungen in Österreich, es gibt auch keinen Anhaltspunkt dafür, dass er im Bundesgebiet einer geregelten Beschäftigung nachgehen würde. Ferner kommt angesichts seines Aufenthalts in der kurzen Dauer von lediglich 18 Monaten privaten Bindungen des Beschwerdeführers im Bundesgebiet kein großes Gewicht zu. Dem steht die große Gefährdung öffentlicher Interessen durch die vom Beschwerdeführer begangene Straftat gegenüber. Da es sich bei der Suchtgiftkriminalität um eine besonders gefährliche Art der Kriminalität handelt, ist das Aufenthaltsverbot zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele (die öffentliche Ruhe und Ordnung, die Verhinderung von strafbaren Handlungen und zum Schutz der Gesundheit) dringend geboten und daher im Grund des § 37 Abs. 1 FrG zulässig. Ferner treten die Auswirkungen dieser Maßnahme auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers gegenüber den nachteiligen Folgen der Abstandnahme von ihrer Erlassung zurück (§ 37 Abs. 2 FrG). Dem Vorbringen, dass der Beschwerdeführer in seinem Heimatland Nigeria "Übles zu befürchten" hätte, ist zu entgegnen, dass von § 37 FrG nur das in Österreich geführte Privat- und Familienleben geschützt und mit einem Aufenthaltsverbot nicht ausgesprochen wird, dass der Fremde in ein bestimmtes Land auszureisen habe oder dass er (allenfalls) abgeschoben werde (vgl. etwa das vorzitierte hg. Erkenntnis Zl. 2000/18/0107).

3. Für die belangte Behörde bestand auch keine Veranlassung, von ihrem Ermessen im Grund des § 36 Abs. 1 FrG zugunsten des Beschwerdeführers Gebrauch zu machen, sind doch weder aus der Beschwerde noch aus dem bekämpften Bescheid besondere Umstände ersichtlich, die für eine derartige Ermessensübung sprächen.

4. Da somit bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen lässt, dass die geltend gemachte Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen. Wien, am