VwGH vom 28.03.2012, 2008/13/0073

VwGH vom 28.03.2012, 2008/13/0073

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Heinzl und die Hofräte Dr. Fuchs, Dr. Nowakowski, Dr. Mairinger und Mag. Novak als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Farcas, über die Beschwerde der G OHG (nunmehr J OEG) in W, vertreten durch die Grant Thornton Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungs-GmbH in 1130 Wien, Auhofstraße 1/10, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Wien, vom , Zl. RV/2011- W/03, betreffend u.a. die Feststellung von Einkünften gemäß § 188 BAO für das Jahr 1998, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.286,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin, eine OHG (ab 2003 OEG bzw. OG), war im Streitzeitraum auf dem Gebiet der Steuerberatung und Wirtschaftsprüfung tätig, erzielte auf Grund dieser Tätigkeit Einkünfte aus selbständiger Arbeit und stellte mit Schriftsatz vom den Antrag, ihren Gewinnermittlungszeitraum auf ein abweichendes Wirtschaftsjahr (1. Juli bis 30. Juni) umzustellen. Das Finanzamt gab dem Antrag mit Bescheid vom statt und stellte für das Jahr 1996 die von der Beschwerdeführerin erklärten Einkünfte des Rumpfwirtschaftsjahres 1. Jänner bis gemäß § 188 BAO fest. Den Feststellungsbescheiden 1997 und 1998 legte es die für die Wirtschaftsjahre bis (1997) und bis (1998) erklärten Einkünfte zugrunde.

Anlässlich einer die Jahre 1994 bis 1996 umfassenden abgabenbehördlichen Prüfung, die im März 1999 abgeschlossen wurde, stellte die Prüferin fest, "dass die (Beschwerdeführerin) auf Grund des Bescheides vom ein abweichendes Wirtschaftsjahr hat". Dies sei gemäß § 2 Abs. 5 EStG 1988 nur buchführenden Land- und Forstwirten und protokollierten Gewerbetreibenden erlaubt. Daher werde der Bescheid vom vom Finanzamt gemäß § 294 BAO "ex nunc aufgehoben", weshalb die Beschwerdeführerin ab dem Veranlagungszeitraum 1999 wieder zum 31. Dezember bilanzieren müsse.

Mit Bescheid vom hob das Finanzamt den Bescheid vom gemäß § 294 BAO auf.

Am brachte die Beschwerdeführerin eine Feststellungserklärung für das Jahr 1999 ein, der sie die im Kalenderjahr 1999 erzielten Einkünfte zugrunde legte.

Im Rahmen einer weiteren abgabenbehördlichen Prüfung für die Jahre 1997 bis 2000 vertrat der Prüfer die Auffassung, dass der Bescheid vom betreffend Zustimmung zur Umstellung des Wirtschaftsjahres auf einen anderen Stichtag bis zu seiner Aufhebung gemäß § 294 BAO gegolten habe. "Demzufolge wäre gemäß der Bescheidaufhebung per das abweichende Wirtschaftsjahr per zum letzten Mal zulässig. Für den Übergang zum Kalenderjahr ab wäre daher für das Veranlagungsjahr 1999 ein Gewinnermittlungszeitraum für das Rumpfwirtschaftsjahr - zu berücksichtigen. Die Betriebsprüfung erfasst daher im Veranlagungsjahr 1999 den Gewinn - und - (neues Rumpfwirtschaftsjahr lt. Bp)." Der Prüfer traf zudem weitere - nicht verfahrensgegenständliche - Feststellungen für die Jahre 1998 und 1999.

Das Finanzamt folgte dem Prüfer und erließ nach Wiederaufnahme der Verfahren entsprechende Feststellungsbescheide für die Jahre 1998 und 1999.

Die Beschwerdeführerin berief gegen die angeführten Bescheide und führte aus, die Auffassung des Prüfers sei unzutreffend, weil das Finanzamt mit dem Bescheid vom nicht einem abweichenden Wirtschaftsjahr an sich, sondern lediglich dem Übergang auf ein abweichendes Wirtschaftsjahr zugestimmt habe. Abgesehen davon sei die Änderung oder Zurücknahme eines Bescheides nach § 294 BAO nur zulässig, wenn sich die für die Erlassung des Bescheides maßgebenden Verhältnisse änderten oder das Vorhandensein dieser Verhältnisse auf Grund unrichtiger oder irreführender Angaben zu Unrecht angenommen worden sei. Beides treffe im Streitfall nicht zu, weshalb der Bescheid vom nicht nach § 294 BAO aufhebbar sei. "Das ist auch gar nicht erforderlich, da sich der Bescheid nur auf die Genehmigung des Wechsels des Bilanzstichtages bezieht. Das abweichende Wirtschaftsjahr darf jedenfalls (auch ohne Bescheidwiderruf) nicht fortgeführt werden, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen dafür nicht mehr vorliegen (Quantschnigg, § 2 Tz. 65). Da diese - wie die vorgegangene Prüfung der Jahre 1994 bis 1996 festgestellt hat - nie vorgelegen sind, wäre schon damals eine Berichtigung für 1996 (an der Wurzel) vorzunehmen gewesen. Seitens der Betriebsprüfung wurde davon jedoch, aus welchem Grund immer, Abstand genommen. Mit der nunmehr vorgenommenen Korrektur unter Berufung auf § 294 Abs. 1 BAO soll offenkundig der Fehler, der der Behörde im Zuge der Betriebsprüfung unterlaufen ist, nachträglich saniert werden."

Der Verwaltungsgerichtshof habe wiederholt ausgesprochen, dass sich die Frage der Notwendigkeit eines Überganges von einem abweichenden Wirtschaftsjahr auf ein Kalenderjahr nicht stelle, wenn die Einkünfteermittlung nach einem abweichenden Wirtschaftsjahr von vornherein unzulässig gewesen sei (Hinweis auf die hg. Erkenntnisse vom , 99/15/0194, und vom , 94/13/0126). "Für eine Erfassung der Einkünfte bis im Rahmen der Einkünfte 1999 fehlt es unter diesen Voraussetzungen an der gesetzlichen Grundlage."

Mit dem hier angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung gegen den Feststellungsbescheid 1999 insoweit statt, als sie die von der Beschwerdeführerin im Zeitraum Juli bis Dezember 1998 erzielten Einkünfte nicht im Rahmen der einheitlichen und gesonderten Gewinnfeststellung 1999 erfasste. Sie erhöhte aber die dem Feststellungsbescheid 1998 (gegen den die Beschwerdeführerin aus anderen - nicht verfahrensgegenständlichen -

Gründen Berufung erhoben hatte) zugrunde liegenden Einkünfte des abweichenden Wirtschaftsjahres 1997/1998 um die Einkünfte des Rumpfwirtschaftsjahres Juli bis Dezember 1998 und begründete dies im Wesentlichen wie folgt:

Die Beschwerdeführerin habe die im § 2 Abs. 5 EStG 1988 normierten Voraussetzungen für die Einkünfteermittlung nach einem vom Kalenderjahr abweichenden Wirtschaftsjahr unstrittig nicht erfüllt. Dennoch habe das Finanzamt mit Bescheid vom einer Änderung des Bilanzstichtages zugestimmt. Insoweit sei die vorliegende Fallkonstellation nicht mit jenen vergleichbar, über die der Verwaltungsgerichtshof mit den Erkenntnissen vom , 99/15/0194, und vom , 94/13/0126, abgesprochen habe.

Der Unterschied bestehe darin, dass das Finanzamt einem - ohne Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen gestellten - Antrag der Beschwerdeführerin auf Änderung des Bilanzstichtages mit Bescheid zugestimmt habe. Dieser (rechtswidrige) Bescheid sei rechtskräftig geworden und könne, falls keine andere Verfahrenshandhabe gegeben sei, nur bei Zutreffen der im § 294 BAO erschöpfend aufgezählten Voraussetzungen aufgehoben oder geändert werden.

Auf Grund des Bescheides vom sei die Beschwerdeführerin daher berechtigt gewesen, ihrer Gewinnermittlung ein abweichendes Wirtschaftsjahr zugrunde zu legen, auch wenn die Zustimmung ohne gesetzliche Grundlage ergangen sei. Dem Einwand, mit diesem Bescheid habe das Finanzamt nur dem Übergang auf ein abweichendes Wirtschaftsjahr und nicht einem abweichenden Wirtschaftsjahr an sich zugestimmt, sei entgegenzuhalten, dass der Bescheid vom nicht nur die Bewilligung zur Änderung des Bilanzstichtages enthalte, "sondern es wird darin auch ausgesprochen, dass der Veranlagungszeitraum 1996 das Rumpfwirtschaftsjahr vom bis umfasst und die darauf folgenden Wirtschaftsjahre jeweils vom 1. Juli bis 30. Juni dauern". Im Hinblick darauf überzeuge "der Hinweis auf die in diesem Zusammenhang von der Lehre und vom BMF vertretene Rechtsansicht, wonach im Falle des Wegfallens der gesetzlichen Voraussetzungen für ein abweichendes Wirtschaftsjahr das abweichende Wirtschaftsjahr auch dann nicht mehr weitergeführt werden darf, wenn das Finanzamt dem Übergang auf ein abweichendes Wirtschaftsjahr zugestimmt hat", nicht. Abgesehen davon liege dieser Rechtsansicht ein völlig anders gelagerter Sachverhalt zu Grunde.

Dass der Bescheid vom durch unrichtige oder irreführende Angaben herbeigeführt worden sei, sei der Aktenlage nicht zu entnehmen und werde auch vom Finanzamt nicht behauptet. Die tatsächlichen Verhältnisse, "die für die Erlassung der bescheidmäßigen Bewilligung maßgebend waren", hätten sich ebenfalls nicht geändert, weshalb der Bescheid vom , mit dem der Bescheid vom aufgehoben worden sei, nicht hätte ergehen dürfen. "Da jedoch dieser Bescheid weder angefochten noch aufgehoben wurde und im Rechtsbestand verblieben ist, entfaltet er ebenso eine Bindungswirkung wie der Bescheid vom bis zu dessen Aufhebung."

Die Zurücknahme der Zustimmung zum Übergang auf einen anderen Bilanzstichtag bedeute, dass wieder auf den Bilanzstichtag vor der Zustimmung übergegangen werden müsse. Auf Grund des mit datierten Aufhebungsbescheides sei ein Abschlussstichtag zum jedoch entgegen der Ansicht des Finanzamtes nicht mehr möglich gewesen. "Vielmehr durfte die (Beschwerdeführerin) zufolge der - vor dem Stichtag erfolgten - Bescheidaufhebung per ihren Rechnungsabschluss zum Stichtag 30.6. letztmalig für das Jahr 1998 vornehmen, weil die Umstellung zum "nächsten 31.12." (im vorliegenden Fall der ) erfolgen muss. Sohin hätte zufolge der Umstellung auf den Stichtag 31.12. zur Vermeidung eines mehr als zwölf Monate umfassenden Wirtschaftsjahres für den Zeitraum bis ein Rumpfwirtschaftsjahr gebildet (dessen Einkünfte dem Jahr 1998 zuzurechnen gewesen wären) und für das Feststellungsjahr 1999 (ausschließlich) der Gewinn für das Kalenderjahr ermittelt werden müssen."

Wenn in ein und demselben Kalenderjahr sowohl ein volles Wirtschaftsjahr als auch ein Rumpfwirtschaftsjahr desselben Betriebes endeten, dann seien die Gewinne beider Wirtschaftsjahre im Einkommen des Veranlagungszeitraumes zu erfassen. Die Einkünfte für den Zeitraum bis seien daher im Jahr 1998 (zuzüglich zu den Einkünften des abweichenden Wirtschaftsjahres 1997/1998) zu erfassen gewesen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die dagegen erhobene Beschwerde nach Aktenvorlage und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:

§ 2 EStG 1988 in der hier geltenden Fassung vor der Änderung durch das Strukturanpassungsgesetz 2006, BGBl. I Nr. 100/2006, lautet auszugsweise wie folgt:

"§ 2 (1) Der Einkommensteuer ist das Einkommen zugrunde zu legen, das der Steuerpflichtige innerhalb eines Kalenderjahres bezogen hat.

(5) Gewinnermittlungszeitraum ist das Wirtschaftsjahr. Das Wirtschaftsjahr deckt sich grundsätzlich mit dem Kalenderjahr. Buchführende Land- und Forstwirte und protokollierte Gewerbetreibende (§ 5) dürfen jedoch ein vom Kalenderjahr abweichendes Wirtschaftsjahr haben; in diesem Fall ist der Gewinn bei Ermittlung des Einkommens für jenes Kalenderjahr zu berücksichtigen, in dem das Wirtschaftsjahr endet.

(6) Das Wirtschaftsjahr umfaßt einen Zeitraum von zwölf Monaten. Einen kürzeren Zeitraum darf es dann umfassen, wenn


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1.
ein Betrieb eröffnet oder aufgegeben wird oder
2.
das Wirtschaftsjahr bei einem buchführenden Land- und Forstwirt oder einem protokollierten Gewerbetreibenden auf einen anderen Stichtag umgestellt wird.

(7) Die Umstellung des Wirtschaftsjahres auf einen anderen Stichtag ist nur zulässig, wenn gewichtige betriebliche Gründe vorliegen und das Finanzamt vorher bescheidmäßig zugestimmt hat. Das Finanzamt muß zustimmen, wenn solche Gründe vorliegen. Die Erzielung eines Steuervorteils gilt nicht als gewichtiger betrieblicher Grund."

Während der Einkommensermittlungszeitraum nach § 2 Abs. 1 EStG 1988 stets auf das Kalenderjahr bezogen ist, kann der Einkünfteermittlungszeitraum bei buchführenden Land- und Forstwirten und protokollierten Gewerbetreibenden nach § 2 Abs. 5 EStG 1988 auch vom Kalenderjahr abweichen. Ein vom Kalenderjahr abweichendes Wirtschaftsjahr kommt somit nur für Teilbereiche der Einkünfteermittlung aus Land- und Forstwirtschaft und aus Gewerbebetrieb in Betracht. § 2 Abs. 7 EStG 1988 macht die Umstellung des Wirtschaftsjahres auf einen anderen Stichtag zudem vom Vorliegen gewichtiger betrieblicher Gründe und von der vorherigen bescheidmäßigen Zustimmung des Finanzamtes abhängig.

Die Beschwerdeführerin hat die in § 2 Abs. 5 EStG 1988 normierten Voraussetzungen für die Einkünfteermittlung nach einem vom Kalenderjahr abweichenden Wirtschaftsjahr unstrittig nicht erfüllt. Sie war daher von vornherein nicht zur Ermittlung ihrer Einkünfte nach einem abweichenden Wirtschaftsjahr und zur Umstellung des Wirtschaftsjahres auf einen anderen Stichtag berechtigt. Das Finanzamt hat - worauf in der Berufung zutreffend hingewiesen wurde - nicht einem abweichenden Wirtschaftsjahr an sich, sondern lediglich dem Übergang auf ein abweichendes Wirtschaftsjahr zuzustimmen

(vgl. Quantschnigg/Schuch , Einkommensteuer-Handbuch, § 2 Tz 65, mwN; anderer Ansicht offenbar Doralt/Toifl, EStG14, § 2 Tz 186). Eine darüber hinausgehende Wirkung kommt dem Zustimmungsbescheid des Finanzamtes nicht zu, weshalb allfälligen über die Zustimmung hinausgehenden Ausführungen im Zustimmungsbescheid lediglich Informationscharakter in Bezug auf die Auswirkungen dieser Zustimmung zuzumessen ist.

Die Ausführungen im Bescheid vom wonach der Veranlagungszeitraum 1996 das Rumpfwirtschaftsjahr vom bis umfasst und die darauffolgenden Wirtschaftsjahre jeweils vom 1. Juli bis 30. Juni dauern, bringen demnach für sich keinen normativen Willen des Finanzamtes zum Ausdruck und stützen nicht die von der belangten Behörde vertretene Auffassung, dass mit dem Bescheid vom nicht nur dem Übergang auf ein abweichendes Wirtschaftsjahr zugestimmt worden sei. Der für die Beschwerdeführerin maßgebliche Gewinnermittlungszeitraum war und blieb das Kalenderjahr, weshalb sich die hier vorliegende Fallkonstellation im Ergebnis nicht von jenen unterscheidet, über die der Verwaltungsgerichtshof mit den Erkenntnissen vom , 99/15/0194, und vom , 94/13/0126, abgesprochen hat. Lediglich über diesen Gewinnermittlungszeitraum hätte auch eine Feststellung der Einkünfte nach § 188 BAO erfolgen dürfen (vgl. nochmals das hg. Erkenntnis vom , 99/15/0194, sowie auch das hg. Erkenntnis vom , 2006/15/0341).

Mit dem angefochtenen Bescheid wurden die Einkünfte im abweichenden Wirtschaftsjahr 1997/1998 und im Rumpfwirtschaftsjahr Juli bis Dezember 1998 festgestellt, weshalb sich dieser als mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet erweist und daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben war.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am