VwGH vom 23.05.2013, 2010/15/0145
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn und die Hofrätin Dr. Büsser sowie die Hofräte MMag. Maislinger, Mag. Novak und Dr. Sutter als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Zaunbauer, über die Beschwerde des Bundes, vertreten durch den Bundesminister für Landesverteidigung und Sport in 1090 Wien, Rossauer Lände 1, gegen den Bescheid der Niederösterreichische Landesregierung vom , Zl. IVW3-BE-3253001/036-2010, betreffend Aussetzung der Entscheidung (Kommunalsteuer 1994 bis 2004), (mitbeteiligte Partei: Stadtgemeinde Z, vertreten durch den Bürgermeister in Z), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die beschwerdeführende Partei hat dem Land Niederösterreich Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Zur Vorgeschichte des Beschwerdefalles ist zunächst auf das hg. Erkenntnis vom , 2003/13/0089, zu verweisen, mit dem der Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Zl. RV/3139-W/02, betreffend die Zerlegung der Kommunalsteuerbemessungsgrundlage der Heeresforstverwaltung Allentsteig für das Jahr 1994 aufgehoben wurde. Der Verwaltungsgerichtshof führte darin aus, es sei zu prüfen, ob die mit beträchtlichen Erträgen verbundenen Tätigkeiten der Heeresforstverwaltung ihrem Hauptzweck nach der Erfüllung der gesetzlichen Aufgaben des Bundesheeres dienten, indem auf dem "Übungsgelände" für Übungszwecke ein "mitteleuropäisches Landschaftsbild" erhalten werde. Träfe dies zu und überstiege die land- und forstwirtschaftliche Tätigkeit der Heeresforstverwaltung tatsächlich nicht das aus militärischer Sicht unbedingt Erforderliche, so wäre die Tätigkeit hoheitlich und eine Kommunalsteuerpflicht zu verneinen.
In der Folge hob der unabhängige Finanzsenat den Zerlegungsbescheid 1994 sowie weitere vor ihm bekämpfte Zerlegungsbescheide des Finanzamtes für nachfolgende Jahre unter Zurückverweisung der Sache an die Abgabenbehörde erster Instanz mit Bescheid vom gemäß § 289 Abs. 1 BAO auf.
Der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes waren Kommunalsteuerbescheide der Gemeinde X für die Jahre 1994 bis 1998 (Bescheid vom ), 1999 bis 2002 (Bescheid vom ) sowie für 2003 und 2004 (Bescheid vom ) vorausgegangen, die der Beschwerdeführer (Bund) jeweils mit Berufung bekämpfte.
Mit Bescheiden vom (Jahre 1994 bis 1998, sowie 1999 bis 2002), und vom (Jahre 2003 und 2004) setzte der Stadtrat der Gemeinde X die Entscheidung über die Berufungen "bis zur Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes über die Beschwerde gegen die Berufungsentscheidung des Unabhängigen Finanzsenates vom , GZ. RV/3139-W/02," aus.
Nach Ergehen des hg. Erkenntnisses vom und der Berufungsentscheidung vom teilte die Gemeinde X dem Beschwerdeführer mit, dass nunmehr das Ermittlungsverfahren betreffend die Zerlegung der Kommunalsteuerbemessungsgrundlage neuerlich beim zuständigen Finanzamt anhängig sei. Die Entscheidung des Finanzamtes über die Zerlegung der Kommunalsteuerbemessungsgrundlage sei von wesentlicher Bedeutung für die bei der Gemeinde anhängigen Berufungen betreffend Kommunalsteuer der Heeresforstverwaltung. Es sei daher beabsichtigt, die Entscheidung über die Berufungen vom (Kommunalsteuer 1994 bis 1998), vom (Kommunalsteuer 1999 bis 2002) und vom (Kommunalsteuer 2003 und 2004) bis zur Rechtskraft der neuerlichen Entscheidung des Finanzamtes betreffend die Kommunalsteuerzerlegung auszusetzen.
Der Beschwerdeführer trat diesem Ansinnen entgegen. Durch die Aufhebung der bekämpften Kommunalsteuerzerlegungsbescheide sei die materiell-rechtliche Grundlage für die seinerzeitigen Kommunalsteuerbescheide weggefallen und eine neuerliche Aussetzung daher unzulässig.
Ungeachtet der negativen Stellungnahme des Beschwerdeführers setzte der Stadtrat der Gemeinde X die Entscheidung über die schon erwähnten Berufungen mit Bescheiden vom wiederum, nunmehr bis zur Rechtskraft der neuerlichen Entscheidung des Finanzamtes über die Zerlegung der Kommunalsteuerbemessungsgrundlagen der Heeresforstverwaltung für die entsprechenden Jahre aus.
Begründend führte der Stadtrat aus, dass der unabhängige Finanzsenat nicht selbst über die Kommunalsteuerpflicht der Heeresforstverwaltung entschieden, sondern diese Entscheidung dem Finanzamt durch Zurückverweisung der Sache aufgetragen habe. Im Rahmen der Zerlegung der Kommunalsteuerbemessungsgrundlage habe das Finanzamt auch über die grundsätzliche Kommunalsteuerpflicht der Heeresforstverwaltung zu befinden. Vor dem Hintergrund des § 218 Abs. 1 zweiter Satz NÖ AO 1977 sei die Aussetzung der Entscheidung über die gegenständlichen Berufungen betreffend Kommunalsteuer gerechtfertigt.
Gegen diese Aussetzungsbescheide ergriff der Beschwerdeführer den Rechtsbehelf der Vorstellung, in dem er die Ansicht vertrat, dass die Kommunalsteuerbescheide infolge der aufhebenden Berufungsentscheidung des unabhängigen Finanzsenates von Amts wegen aufzuheben wären. Die neuerliche Aussetzung entbehre einer Rechtsgrundlage, weil die seinerzeitige Bedingung "bis zur Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes" erfüllt sei.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Vorstellung des Beschwerdeführers als unbegründet ab. Im vorliegenden Fall sei die Zerlegung der Kommunalsteuerbemessungsgrundlage der Heeresforstverwaltung auf die Betriebsstättengemeinden, zu denen auch die Gemeinde X zähle, Gegenstand eines (neuerlich) beim zuständigen Finanzamt anhängigen Verfahrens. Der unabhängige Finanzsenat habe den erstinstanzlichen Bescheid nicht ersatzlos kassatorisch behoben, sondern die Sache dem Finanzamt zur neuerlichen Entscheidung übertragen. Es liege daher kein Sachverhalt vor, der dem Tatbestand des § 10 Abs. 6 letzter Halbsatz KommStG 1993 bzw. des § 218 Abs. 1 erster Satz, letzter Halbsatz NÖ AO 1977 zu unterstellen sei. Ebenso wie die Erlassung eines abgeleiteten Bescheides vor Erlassung des Grundlagenbescheides nicht rechtswidrig sei, hafte einem Kommunalsteuerbescheid alleine wegen der gemäß § 289 Abs. 1 erster Satz BAO unter Zurückverweisung an die Abgabenbehörde erster Instanz verfügten Aufhebung des Zerlegungsbescheides durch den unabhängigen Finanzsenat keine Rechtswidrigkeit an.
Die in Vorstellung gezogenen Aussetzungsbescheide bezeichneten für den Vorstellungswerber kontrollierbar und nachvollziehbar jenes Verfahren, dessen Ausgang von wesentlicher Bedeutung für die Entscheidung über die Berufungen sei. Schon allein aus Gründen der Prozessökonomie sei die Aussetzung nicht zu beanstanden. Dass der Aussetzung überwiegende Interessen des Vorstellungswerbers entgegenstünden, sei nicht hervorgekommen. Der allgemein gehaltene Hinweis, dass 3,5 % Aussetzungszinsen per anno zu entrichten seien, stelle keinen Nachweis eines der Aussetzung entgegenstehenden überwiegenden Interesses dar.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:
Ist wegen einer gleichen oder ähnlichen Rechtsfrage eine Berufung anhängig oder schwebt vor einem Gericht oder einer Verwaltungsbehörde ein Verfahren, dessen Ausgang von wesentlicher Bedeutung für die Entscheidung über die Berufung ist, so konnte die Entscheidung über diese gemäß § 211 Abs. 1 der im Beschwerdefall noch anzuwendenden NÖ Abgabenordnung 1977, LGBl. 3400, im Folgenden: NÖ AO, unter Mitteilung der hiefür maßgebenden Gründe ausgesetzt werden, sofern nicht überwiegende Interessen der Partei entgegenstehen.
Die Bestimmung entspricht § 281 Abs. 1 BAO (vgl. Abgabenordnung neu, Ritz/Rathgeber/Koran , 292).
Der Beschwerdeführer bringt vor, der angefochtene Aussetzungsbescheid widerspreche dem Spruch der früher ergangenen Aussetzungsbescheide. Die in den (seinerzeitigen) Aussetzungsbescheiden des Stadtrates der Gemeinde X formulierte Bedingung/Terminisierung "… bis zur Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes …" lasse sich nur so verstehen, dass mit Vorliegen des Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes die Aussetzung zu beenden und eine Entscheidung zu treffen sei.
Ein Aussetzungsbescheid gemäß § 281 BAO verliert seine Rechtswirksamkeit mit dem Eintritt des Zeitpunktes, bis zu welchem die Aussetzung verfügt wurde (vgl. die hg. Beschlüsse vom , 90/15/0090, und 90/15/0165). Nichts anderes gilt für Aussetzungsbescheide gemäß § 211 NÖ AO. Mit Ergehen des hg. Erkenntnisses vom , 2003/13/0089, haben die (früheren) Aussetzungsbescheide vom und vom ihre Wirksamkeit verloren. Von diesem Zeitpunkt an lief eine neue sechsmonatige Frist iSd § 27 VwGG für die Einbringung einer Säumnisbeschwerde (vgl. Ritz , BAO4, § 281 Tz. 24).
Die Aussetzung der Berufungsentscheidung dient der Prozessökonomie und soll verhindern, dass die gleiche Rechtsfrage nebeneinander in zwei Verfahren erörtert werden muss (vgl. Ritz , aaO, Tz. 1). Haben Aussetzungsbescheide durch Abschluss des Verfahrens, das Anlass zur Aussetzung war, ihre Wirksamkeit verloren, ohne dass das abgeschlossene Verfahren die erhoffte rechtliche Klärung erbracht hat, ist vor dem Hintergrund dieses Gesetzeszweckes die Erlassung eines neuerlichen Aussetzungsbescheides nicht ausgeschlossen. Da die seinerzeitigen Aussetzungsbescheide ihre Wirksamkeit verloren haben, kann entgegen dem Beschwerdeeinwand auch keine von ihnen ausgehende Bindungswirkung einer neuerlichen Aussetzung entgegenstehen.
Weiters vertritt der Beschwerdeführer die Ansicht, dass "mit der Kassation der erstinstanzlichen Zerlegungsbescheide die Voraussetzungen für die Erlassung der abgeleiteten Kommunalsteuerbescheide nicht mehr gegeben waren" und die bekämpften Kommunalsteuerbescheide aus diesem Grund sowohl nach § 218 NÖ AO als auch nach § 10 Abs. 6 KommStG 1993 aufzuheben gewesen wären.
§ 218 Abs. 1 und 2 NÖ AO lauteten:
"(1) Ist ein Bescheid von einem Feststellungsbescheid abzuleiten, so ist er ohne Rücksicht darauf, ob die Rechtskraft eingetreten ist, im Fall der nachträglichen Abänderung, Aufhebung oder Erlassung des Feststellungsbescheides von Amts wegen durch einen neuen Bescheid zu ersetzen oder, wenn die Voraussetzungen für die Erlassung des abgeleiteten Bescheides nicht mehr vorliegen, aufzuheben. Mit der Änderung oder Aufhebung des abgeleiteten Bescheides kann gewartet werden, bis die Abänderung oder Aufhebung des Feststellungsbescheides oder der nachträglich erlassene Feststellungsbescheid rechtskräftig geworden ist.
(2) Ist ein Bescheid von einem Abgaben-, Meß-, Zerlegungs- oder Zuteilungsbescheid abzuleiten, so gilt Abs. 1 sinngemäß."
§ 10 Abs. 6 KommStG 1993 sieht vor, dass ein Kommunalsteuerbescheid, der von einem Zerlegungs- oder Zuteilungsbescheid abzuleiten ist, im Falle der nachträglichen Abänderung, Aufhebung oder Erlassung des Zerlegungs- oder Zuteilungsbescheides von Amts wegen von der Gemeinde durch einen neuen Kommunalsteuerbescheid zu ersetzen oder, wenn die Voraussetzungen für die Erlassung eines abgeleiteten Kommunalsteuerbescheides nicht mehr vorliegen, aufzuheben ist.
§ 218 NÖ AO lässt es - wie § 295 BAO - zu, dass mit der Abänderung oder Aufhebung des abgeleiteten Bescheides bis zur Rechtskraft des Grundlagenbescheides zugewartet werden kann. Diese der Behörde eingeräumte Befugnis trägt Prinzipien der Verfahrensökonomie Rechnung, weil nach Eintreten der Rechtskraft (nach ungenütztem Ablauf der Rechtsmittelfrist oder nach abschließender Entscheidung im Berufungsverfahren) endgültig gewiss ist, in welcher Weise der abgeleitete Bescheid zu ändern und im Falle einer gegenüber dem Erstbescheid geänderten Fassung des Grundlagenbescheides nur ein einziger Änderungsschritt im Folgeverfahren erforderlich ist, nämlich der nach Eintreten der Rechtskraft des Grundlagenbescheides, dem sodann ein hohes Maß an Endgültigkeit beigemessen werden kann (vgl. zu § 295 BAO Stoll , BAO, 2861).
Wird der Grundlagenbescheid wie im Beschwerdefall von der Berufungsbehörde unter Zurückverweisung der Sache an die Abgabenbehörde erster Instanz gemäß § 289 Abs. 1 BAO aufgehoben, kann keine Rede davon sein, dass das dem abgeleiteten Bescheid vorgelagerte Verfahren damit seinen Abschluss gefunden hat. Im Lichte der eindeutigen Zielsetzung des § 218 NÖ AO (wie auch des § 295 BAO) ist im Falle der Zurückverweisung der Sache an die Abgabenbehörde erster Instanz erst das Ergehen des Ersatzbescheides und dessen Rechtskraft als jenes Ereignis zu verstehen, das die Verpflichtung der Behörde zur Anpassung abgeleiteter Bescheide auslöst (zur gebotenen Auslegung der Gesetzesvorschrift an ihrer klaren Zielsetzung siehe auch Potacs , Auslegung im öffentlichen Recht, Baden-Baden 1994, 252 f).
Zuständig für Maßnahmen gemäß § 218 NÖ AO (nunmehr § 295 BAO) ist die Abgabenbehörde erster Instanz.
Im Beschwerdefall geht es nicht um ein Vorgehen nach der angeführten Bestimmung, sondern um die Entscheidung über Berufungen gegen Kommunalsteuerbescheide. Billigt man der Abgabenbehörde erster Instanz im Sinne der obigen Ausführungen zu, bei Zurückverweisung der Sache an die Abgabenbehörde erster Instanz gemäß § 289 Abs. 1 BAO mit einer Anpassung abgeleiteter Bescheide zuzuwarten, kann für die Abgabenbehörde zweiter Instanz grundsätzlich nichts anderes gelten (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom , 92/13/0088).
Gegen den Standpunkt des Beschwerdeführers sprechen aber auch jene Bestimmungen, die das Berufungsrecht gegen abgeleitete Bescheide einschränken:
§ 197 Abs. 1 und 2 NÖ AO bestimmte (ebenso wie § 252 Abs. 1 und 2 BAO), dass abgeleitete Bescheide nicht mit der Begründung angefochten werden können, dass die im Feststellungs- oder Zerlegungsbescheid getroffenen Entscheidungen unzutreffend sind. Einwendungen gegen im Grundlagenbescheid getroffene Feststellungen sollen nur im Verfahren betreffend den Grundlagenbescheid vorgebracht werden können. Werden sie im Rechtsmittel gegen den abgeleiteten Bescheid vorgebracht, so ist die Berufung als unbegründet abzuweisen (vgl. Ritz , aaO, § 252 Tz. 3).
Vor diesem Hintergrund entstünde ein Systembruch, würde man im Sinne des Beschwerdevorbringens verlangen, dass nach Aufhebung der erstinstanzlichen Zerlegungsbescheide unter Zurückverweisung der Sache an die Abgabenbehörde erster Instanz - also während des weiteren Laufes des Zerlegungsverfahrens - nunmehr eine Stattgabe der Berufung gegen die abgeleiteten Bescheide erfolgen müsste, wiewohl die strittige Rechtsfrage der sachlichen Abgabepflicht des Beschwerdeführers keine Verneinung erfahren hat.
Die Beschwerde zeigt somit auch unter diesem Gesichtspunkt keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf. Sie war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.
Wien, am