VwGH vom 29.01.2014, 2013/03/0028

VwGH vom 29.01.2014, 2013/03/0028

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Thienel und die Hofräte Dr. Handstanger und Dr. Lehofer als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Zeleny, über die Beschwerde des 1.) M S, und der 2.) E S, beide in S, beide vertreten durch Dr. Peter Kammerlander, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Kalchberggasse 12, gegen den Bescheid der Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie vom , Zl BMVIT-220.100/0034-IV/SCH2/2012, betreffend Enteignung nach dem Hochleistungsstreckengesetz und dem Eisenbahn-Enteignungsentschädigungsgesetz (mitbeteiligte Partei:

Ö AG in W, vertreten durch Fellner Wratzfeld Partner Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Schottenring 12), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufgehoben.

Der Bund hat den beschwerdeführenden Parteien Aufwendungen in der Höhe von insgesamt EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

A. Angefochtener Bescheid

1. Mit Bescheid der belangten Behörde vom , Zl BMVIT-820.288/0017-IV/SCH2/2011, wurde der mitbeteiligten Partei die Genehmigung nach dem dritten Abschnitt des Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetzes 2000 (UVP-G 2000) zur Verwirklichung des Vorhabens "Semmering-Basistunnel neu" von km 75,561 bis km 118,112 der ÖBB-Strecke Wien-Süd - Spielfeld/Straß unter Mitanwendung der im Bescheid genannten materiellen Genehmigungsbestimmungen erteilt. Diese Genehmigung umfasste - infolge der Mitanwendung der materiellen Genehmigungsbestimmungen des Eisenbahngesetzes 1957, BGBl I Nr 60/1957 (EisbG) - auch die Erteilung der eisenbahnrechtlichen Baubewilligung gemäß den §§ 31 ff leg cit zur Errichtung des genannten Vorhabens.

2. Mit Eingabe vom beantragte die mitbeteiligte Partei - gestützt auf die §§ 2 und 6 des Hochleistungsstreckengesetzes, BGBl Nr 135/1989 (HlG), und des § 2 des Eisenbahn-Enteignungsentschädigungsgesetzes, BGBl Nr 71/1954 (EisbEG) - beim Landeshauptmann von Steiermark hinsichtlich der im gemeinsamen Eigentum der Beschwerdeführer stehenden Liegenschaften EZ 21 KG 60506 F und EZ 22 KG 60506 F die zwangsweise Einräumung einer Reihe von näher beschriebenen dauerhaften und vorübergehenden Dienstbarkeiten. Begründend führte die mitbeteiligte Partei insbesondere aus, dass mit Bescheid vom die eisenbahnrechtliche Baubewilligung für die Errichtung des "Semmering-Basistunnel neu" erteilt worden sei. Zur Errichtung, zum Betrieb und zur Erhaltung des "Semmering-Basistunnels neu" sei die dauerhafte Enteignung im Wege von im Antrag näher beschriebenen Dienstbarkeiten und die vorübergehende Beanspruchung gewisser Flächen auf den im Antrag bezeichneten Grundstücken erforderlich.

3. Mit Bescheid des Landeshauptmannes von Steiermark vom wurde dem Antrag der mitbeteiligten Partei entsprochen und die (dauerhafte bzw vorübergehende) Einräumung von näher beschriebenen Dienstbarkeiten auf den Liegenschaften EZ 21 KG 60506 F und EZ 22 KG 60506 F verfügt, wobei die vorübergehende Einräumung der Dienstbarkeiten "auf Baudauer für das Projekt" und die Unterlassung bestimmter Maßnahmen bezogen auf den "Vertragsgegenstand" angeordnet wurde.

4. Mit dem - aufgrund der Berufung der Beschwerdeführer ergangenen - angefochtenen Bescheid wurde der erstinstanzliche Bescheid dahingehend abgeändert, dass die Wortfolge "Bestimmungen des Vertragsgegenstandes" im Spruch des erstinstanzlichen Bescheides durch die Wortfolge "Bestimmung der antragsgegenständlichen Grundflächen" ersetzt wurde. Ferner wurde der erstinstanzliche Bescheid insoweit modifiziert, als die vorübergehende Einräumung der Dienstbarkeiten auf den Liegenschaften EZ 21 KG 60506 F und EZ 22 KG 60506 F "auf die Baudauer von zehn Jahren für das Projekt ab Inanspruchnahme der Grundstücke durch die (mitbeteiligte Partei)" erfolgte. Im Übrigen wurde die Berufung der Beschwerdeführer als unbegründet abgewiesen.

In der Begründung des angefochtenen Bescheides legte die belangte Behörde dar, dass sie an die Feststellungen ihres (rechtskräftigen) Genehmigungsbescheides vom gebunden sei und dass sich aus diesem Bescheid ergeben würde, dass die Errichtung des Eisenbahnprojekts "Semmering-Basistunnel neu" dem öffentlichen Interesse diene und dieses die entgegenstehenden Interessen überwiege. Der Eigentümer einer durch den bescheidmäßigen Bau selbst in Anspruch genommenen Liegenschaft könne im Enteignungsverfahren, wenn der Baugenehmigungsbescheid rechtskräftig geworden sei, nicht mehr einwenden, die Inanspruchnahme liege nicht im öffentlichen Interesse, sie sei nicht notwendig, um dem Gebot des allgemeinen Besten zu entsprechen. Somit ergebe sich, dass über das Vorliegen des allgemeinen Besten (des öffentlichen Interesses an der Verwirklichung des gegenständlichen Bauvorhabens) bereits mit dem Genehmigungsbescheid der belangten Behörde vom rechtskräftig abgesprochen worden sei. Überdies hielt die belangte Behörde ausdrücklich fest, dass ungeachtet des Umstandes, dass die mitbeteiligte Partei insbesondere im Rahmen der teilkonzentrierten Verfahren bei den Landeshauptmännern von Niederösterreich und Steiermark noch weiterer Genehmigungen bedürfe, um ihr Baurecht für die einzelnen Projektteile im vollen Umfang ausüben zu können, der Bescheid der belangten Behörde vom die für das Vorhaben "Semmering-Basistunnel neu" erforderliche Grundinanspruchnahme (unter anderem) hinsichtlich der Beschwerdeführer umfasse und damit die Grundlage für das gegenständliche Enteignungsverfahren bilde. Ferner führt die belangte Behörde im Zusammenhang mit der Abänderung des Spruches des erstinstanzlichen Bescheides aus, dass das Vorbringen der Beschwerdeführer in ihrer Berufung, wonach sich der Spruch eines Enteignungsbescheides nicht auf "Bestimmungen des Vertragsgegenstandes" beziehen könne, berechtigt sei. Aus dem Verwaltungsakt ergebe sich, dass sich die Bezeichnung "Vertragsgegenstand" mehrfach in dem dem gegenständlichen Enteignungsverfahren zu Grunde liegenden Antrag der mitbeteiligten Partei finde. Die mitbeteiligte Partei habe jedoch im Rahmen der mündlichen Verhandlung (vor der erstinstanzlichen Behörde) diese Bezeichnung korrigiert. Der erstinstanzliche Bescheid sei daher dahingehend zu berichtigen gewesen, dem diesbezüglichen Berufungsvorbringen der Beschwerdeführer sei damit auch Rechnung getragen worden.

B. Zum Beschwerdeverfahren

Gegen diesen Bescheid erhoben die Beschwerdeführer zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der die Behandlung der Beschwerde mit Beschluss vom , B-22/13-9, ablehnte und sie gemäß Art 144 Abs 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof zur weiteren Entscheidung abtrat.

Im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof begehren die Beschwerdeführer die Aufhebungen des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Die belangte Behörde erstattete ebenso wie die mitbeteiligte Partei eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

C. Erwägungen

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem nach § 12 Abs 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

1. Nach § 79 Abs 11 letzter Satz VwGG sind - soweit durch das Verwaltungsgerichtsbarkeits-Übergangsgesetz, BGBl I Nr 33/2013 (VwGbk-ÜG), nichts anderes bestimmt ist - in den mit Ablauf des beim Verwaltungsgerichtshof anhängigen Beschwerdeverfahren die bis zum Ablauf des geltenden Bestimmungen weiter anzuwenden. Das gilt auch für das vorliegende, bereits seit Februar 2013 anhängige Beschwerdeverfahren, zumal nicht erkennbar ist, dass diesbezüglich durch das VwGbk-ÜG etwas anderes bestimmt würde (vgl § 4 leg cit).

2. Mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , 2011/03/0160, 0162, 0164, 0165, wurde der Bescheid der belangten Behörde vom , Zl BMVIT- 820.288/0017-IV/SCH2/2011, mit dem der mitbeteiligten Partei die Genehmigung nach dem dritten Abschnitt des UVP-G 2000 zur Verwirklichung des Vorhabens "Semmering-Basistunnel neu" von km 75,561 bis km 118,112 der ÖBB-Strecke Wien-Süd - Spielfeld/Straß unter Mitanwendung näher genannter materieller Genehmigungsbestimmungen erteilt wurde, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufgehoben. Folglich gehört auch die mit diesem Bescheid erteilte eisenbahnrechtliche Baubewilligung zur Errichtung des genannten Vorhabens nicht mehr dem Rechtsbestand an.

3. Damit gleicht der vorliegende Beschwerdefall - sowohl hinsichtlich des Sachverhaltes als auch in Ansehung der maßgeblichen Rechtslage - jenem Fall, der dem hg Erkenntnis vom heutigen Tag, Zl 2013/03/0004, zu Grunde liegt. Auf dieses Erkenntnis wird nach § 43 Abs 2 VwGG verwiesen.

4. Der angefochtene Bescheid erweist sich daher aus den in diesem Erkenntnis genannten Erwägungen als mit Rechtswidrigkeit seines Inhalts belastet, weswegen er gemäß § 42 Abs 2 Z 1 VwGG (in der im Beschwerdefall aufgrund des § 79 Abs 11 letzter Satz VwGG noch maßgeblichen Fassung vor der Novelle BGBl I Nr 33/2013) aufzuheben war.

5. Die Kostenentscheidung gründet auf §§ 47 ff iVm (in seiner im Beschwerdefall maßgeblichen Fassung vor der Novelle BGBl I Nr 33/2013) iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl II Nr 455 (vgl § 79 Abs 11 VwGG iVm § 3 der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014, BGBl II Nr 518/2013 idF BGBl II Nr 8/2014). Das Mehrbegehren war abzuweisen, weil in den genannten Rechtsgrundlagen lediglich ein Schriftsatzaufwand in der Höhe von EUR 1.106,40 seine Deckung findet und in diesem Betrag überdies die Umsatzsteuer bereits inkludiert ist (). Ebensowenig bieten die zitierten Bestimmungen eine Grundlage für die Zuerkennung eines "Streitgenossenzuschlages" ().

6. Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte nach § 39 Abs 2 Z 4 VwGG abgesehen werden, § 39 Abs 2 Z 6 VwGG stand dem nicht entgegen. Auch diesbezüglich wird gemäß § 43 Abs 2 VwGG auf das hg Erkenntnis vom heutigen Tag, Zl 2013/03/0004, verwiesen.

Wien, am