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VwGH vom 27.11.2014, 2013/03/0022

VwGH vom 27.11.2014, 2013/03/0022

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Thienel und die Hofräte Dr. Handstanger, Dr. Lehofer, Mag. Nedwed und Mag. Samm als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Zeleny, über die Beschwerde der A KG in G, vertreten durch Dr. Gerhard Hackenberger und Mag. Jürgen Greilberger, Rechtsanwälte in 8010 Graz, Kaiserfeldgasse 27/IV, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes der Steiermark vom , Zl FA18E-81.60-135/2011-19, betreffend Verlängerung einer eisenbahnrechtlichen Bauausführungsfrist und Erlöschen einer eisenbahnrechtlichen Baugenehmigung, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird, soweit die eisenbahnrechtliche Baugenehmigung der Bezirkshauptmannschaft Leibnitz für die Errichtung einer Anschlussbahn für erloschen erklärt wird, wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde aufgehoben.

Im Übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

Der Bund hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen vierzehn Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit erstinstanzlichem Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Leibnitz vom wurde der Antrag der beschwerdeführenden Partei auf Verlängerung einer für die Errichtung einer näher bezeichneten Anschlussbahn bestimmten Bauvollendungsfrist abgewiesen.

Die dagegen erhobene Berufung der beschwerdeführenden Partei wurde mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid der belangten Behörde abgewiesen. Weiters hat die belangte Behörde mit dem angefochtenen Bescheid auch die eisenbahnrechtliche Baugenehmigung für die Errichtung der gegenständlichen Anschlussbahn für erloschen erklärt.

Begründend führte die belangte Behörde aus, dass mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Leibnitz vom die eisenbahnrechtliche Baugenehmigung für die Errichtung einer Anschlussbahn erteilt und gleichzeitig eine Bauvollendungsfrist bis zum bestimmt worden sei. Mit Bescheid vom sei die Bauvollendungsfrist bis zum verlängert worden. Mit Eingabe vom habe die beschwerdeführende Partei um eine weitere Verlängerung der Bauvollendungsfrist bis zum angesucht.

Im gegenständlichen Fall werde die Errichtung der Anschlussbahn von der Umsetzung eines weiteren wirtschaftlichen Großprojektes, nämlich der Errichtung des Logistikzentrums, abhängig gemacht. Die beschwerdeführende Partei habe im Verfahren darzulegen versucht, dass sich das genehmigte Bauprojekt zur Errichtung der gegenständlichen Anschlussbahn aus mehreren Gründen, welche die Umsetzung des mit dem gegenständlichen Bauprojekt verbundenen Logistikzentrums beträfen, verzögert habe. Dadurch sei es noch nicht zur Umsetzung der Anschlussbahn gekommen. Die beschwerdeführende Partei verkenne jedoch hierbei, dass die Verzögerung bei der Errichtung des genehmigten Eisenbahnbauprojektes nicht im rechtlichen Zusammenhang mit den Schwierigkeiten in Bezug auf das geplante Logistikzentrum zu sehen sei. Der Umstand, dass die Errichtung einer Anschlussbahn für die Antragstellerin in einem wirtschaftlichen Zusammenhang mit anderen Großprojekten verstanden werde, sei zwar nachvollziehbar, spiele aber für die behördliche Beurteilung der Fristverlängerung zur Errichtung des Anschlussbahnprojektes keine Rolle, da die Eisenbahnanlage als eigenständige technische Einrichtung zu verstehen sei. Die Verzögerung bei der Errichtung des Logistikzentrums sei jedenfalls unabhängig von der fristgerechten Umsetzungsverpflichtung des eisenbahnrechtlichen Konsenswerbers zu sehen.

Des weiteren habe die beschwerdeführende Partei selbst eingeräumt, dass es zu einer für das Eisenbahnbauprojekt relevanten Änderung einer ÖNORM gekommen sei. Zwar werde von der beschwerdeführenden Partei die Ansicht vertreten, dass sich die Parameter innerhalb der zulässigen Werte befänden und sich die geänderten Umgrenzungslinien auf Bedienungsräume, Randräume und Seitenräume nicht auswirkten. Genau diese Feststellungen in Bezug auf die geänderte ÖNORM erforderten nach Ansicht der belangten Behörde jedoch eine entsprechende Anpassung des eisenbahnbaulichen Einreichprojekts sowie eine behördliche Beurteilung im Rahmen eines entsprechenden Bewilligungsverfahrens, in welchem die Rechte Dritter zu wahren und Parteivorbringen aufzunehmen seien und insgesamt ein neues Ermittlungsverfahren Grundlage einer eisenbahnbehördlichen Entscheidung sei.

Gleiches gelte auch für die Änderung hinsichtlich der Sicherung der Eisenbahnkreuzungsübergänge, welche ursprünglich durch § 4 EKVO 1961 geregelt worden sei. Diese rechtliche Bestimmung sei mittlerweile durch die neue Eisenbahnkreuzungsverordnung 2012 ersetzt worden. Daher seien auch die beiden projektgemäß vorgesehenen Eisenbahnkreuzungen nach den neuen Bestimmungen zu beurteilen und das Bauprojekt sei an diese anzupassen, sowie die Konsensfähigkeit des Projektes durch die zuständige Behörde zu prüfen. Auch aus diesem Grund sei daher eine Fristverlängerung für die eisenbahnrechtliche Baubewilligung der gegenständlichen Anschlussbahn nicht möglich.

Zuletzt verweist die belangte Behörde auf § 31g Eisenbahngesetz 1957, wonach für den Fall, dass die Frist ohne zwingende Gründe nicht eingehalten werde, die eisenbahnrechtliche Baugenehmigung von der Behörde für erloschen zu erklären sei. Da die erstinstanzliche Behörde dies unterlassen habe, sei der Spruch in diesem Punkt zu ergänzen gewesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Antrag, diesen wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes, wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften bzw wegen Unzuständigkeit der belangten Behörde kostenpflichtig aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in welcher sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Gemäß § 79 Abs 11 VwGG sind - soweit wie im vorliegenden Fall durch das Verwaltungsgerichtsbarkeits-Übergangsgesetz, BGBl I Nr 33/2013, nicht anderes bestimmt ist - in den mit Ablauf des beim Verwaltungsgerichtshof anhängigen Beschwerden die bis zum Ablauf des geltenden Bestimmungen weiter anzuwenden.

2. Die hier maßgeblichen Bestimmungen des Eisenbahngesetzes 1957 (EisbG), in der Fassung BGBl I Nr 125/2006, lauten:

"§ 31. Für den Bau oder die Veränderung von Eisenbahnanlagen und nicht ortsfesten eisenbahnsicherungstechnischen Einrichtungen ist die eisenbahnrechtliche Baugenehmigung erforderlich.

(...)

§ 31g. In der eisenbahnrechtlichen Baugenehmigung ist eine angemessene Frist vorzuschreiben, innerhalb der das Bauvorhaben auszuführen und im Falle seiner Ausführung in Betrieb zu nehmen ist. Die Behörde kann auf rechtzeitig gestellten Antrag diese Frist verlängern. Wird die Frist ohne zwingende Gründe nicht eingehalten, so hat die Behörde die eisenbahnrechtliche Baugenehmigung für erloschen zu erklären."

3. Die beschwerdeführende Partei bringt zunächst vor, die belangte Behörde sei für die Erlöschungserklärung unzuständig gewesen. Es könne nicht argumentiert werden, dass die Erlöschungserklärung ein "Adhäsionsgegenstand" zur Abweisung des Verlängerungsansuchens sei; tatsächlich knüpfe die Rechtsfolge der bescheidmäßigen Erlöschungserklärung ausschließlich daran an, dass die Bauausführungsfrist abgelaufen sei. Es bestehe daher nur eine indirekte Verbindung zwischen Fristerstreckungsantrag und Erlöschungsantrag insofern, als für den Fall, dass einem Fristerstreckungsantrag rechtskräftig stattgegeben werde, naturgemäß keine Erlöschungserklärung erfolgen könne, zumal die Bauausführungsfrist nicht abgelaufen wäre.

4. Mit diesem Vorbringen zeigt die beschwerdeführende Partei eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf.

§ 31g EisbG bestimmt unter anderem, dass die Bauausführungsfrist aufgrund eines rechtzeitig gestellten Antrages verlängert werden kann. Weiters legt § 31g letzter Satz EisbG fest, dass die Behörde bei Nichteinhaltung der Frist die Baugenehmigung für erloschen zu erklären hat. Entgegen der Auffassung der belangten Behörde handelt es sich bei der Erlöschungserklärung nicht um einen integralen Bestandteil der Entscheidung über eine Fristverlängerung, zumal ein Fristverlängerungsantrag "rechtzeitig" - das heißt innerhalb der noch offenen Frist für die Ausführung des Bauvorhabens - gestellt werden muss, sodass auch eine Entscheidung der Behörde in der Regel noch vor dem Ende der Frist erfolgen kann (im Beschwerdefall datiert der erstinstanzliche Bescheid vom , die Frist endete am ); zu diesem Zeitpunkt kann aber noch nicht darüber entschieden werden, ob die Frist ohne zwingende Gründe nicht eingehalten wurde.

Tatsächlich hat die erstinstanzliche Behörde ausschließlich über den Fristverlängerungsantrag der beschwerdeführenden Partei entschieden; dieser Antrag war auch (alleiniger) Gegenstand des Verfahrens vor der belangten Behörde. Indem die belangte Behörde die eisenbahnrechtliche Baugenehmigung der Bezirkshauptmannschaft Leibnitz für die Errichtung einer Anschlussbahn vom für erloschen erklärt hat, hat sie damit die Sache des Berufungsverfahrens - das ist grundsätzlich die Angelegenheit, die den Inhalt des Spruchs der Behörde erster Instanz gebildet hat (vgl das hg Erkenntnis vom , 2010/03/0109) - überschritten und den angefochtenen Bescheid insoweit mit Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde belastet.

5. Die beschwerdeführende Partei bringt weiters vor, sie habe in ausreichender Deutlichkeit nachgewiesen, dass zwischen der Erlassung des Bewilligungsbescheides und der Beendigung des (fast ein Jahr dauernden) Berufungsverfahrens nur absolut marginale technische und normative Änderungen stattgefunden hätten. Die belangte Behörde habe keine Feststellungen zu diesem Thema getroffen, weil sie nach Ansicht der beschwerdeführenden Partei davon ausgehe, dass jede noch so kleine diesbezügliche Änderung nicht im Rahmen eines Fristverlängerungsverfahrens dahingehend zu überprüfen sei, ob etwa der Stand der Technik oder das gesetzliche Umfeld sich soweit verändert habe, dass der ursprünglichen Baugenehmigung der Boden entzogen sei oder es nur um unwesentliche Belange gehe.

Schließlich führt die beschwerdeführende Partei aus, die Behörde argumentiere damit, dass die Verlängerungsmöglichkeit der Bauausführung gemäß § 31g Eisenbahngesetz 1957 nur auf die Eisenbahnanlage selbst abstelle, nicht aber auf Projekte, in die die Eisenbahnanlage eingebettet sei. Die belangte Behörde übersehe dabei, "dass gerade Anschlussbahnen und dergleichen per se überhaupt keinen Sinn machen", sondern die Sinnhaftigkeit der Anlage darin liege, Infrastruktur für eine Industrie- oder Gewerbeanlage bzw ein Industrie- und Gewerbegebiet herzustellen, wobei insbesondere Rechtsmaterien des Raumordnungsrechts eng mit derartigen Infrastrukturbauvorhaben verzahnt seien. Aus Sicht der beschwerdeführenden Partei würde man dem Gesetzgeber unterstellen, dass er die Vorschrift des § 31g Eisenbahngesetz 1957 wirklichkeitsfremd in dem Sinne verstanden wissen wolle, dass bei der Ausführungsfrist und allfälligen Verlängerungen dieser Frist in keiner Weise auf das Umfeld, welches mit der Anlage aufgeschlossen werden soll, Rücksicht zu nehmen sei.

6. Zu diesem Vorbringen ist festzuhalten, dass die von der beschwerdeführenden Partei genannten Gründe, weshalb es zu einer Verzögerung der Bauausführung der Anschlussbahn gekommen sei, nicht das konkret genehmigte Eisenbahnbauvorhaben betreffen. Sie beziehen sich vielmehr ausschließlich auf ein von der Eisenbahn verschiedenes Projekt, nämlich die Errichtung eines Logistikzentrums. Die Verzögerung der Bauausführung ist demnach - wie auch aus dem Beschwerdevorbringen hervorgeht - auf wirtschaftliche Überlegungen der beschwerdeführenden Partei zurückzuführen, die die Anschlussbahn nicht errichten wollte, bevor die Errichtung des mit ihr aufzuschließenden Logistikzentrums hinreichend fortgeschritten war.

Die bei Erteilung der Baubewilligung vorgeschriebene angemessene Bauausführungsfrist gemäß § 31g EisbG kann jedoch nur aus Gründen, die mit der Ausführung des Eisenbahnbauvorhabens in notwendigem Zusammenhang stehen (wie etwa nicht von der beschwerdeführenden Partei zu verantwortenden Verzögerungen bei Grundeinlöseverfahren oder bei der Erteilung weiterer erforderlicher Bewilligungen für das Eisenbahnbauvorhaben) und die auch bei der Festlegung der ursprünglichen Bauausführungsfrist berücksichtigt werden könnten, verlängert werden. Der Wunsch eines Bewilligungsinhabers, aus wirtschaftlichen Erwägungen mit dem Bau der Eisenbahn zuzuwarten, rechtfertigt für sich keine Verlängerung der Bauausführungsfrist gemäß § 31g EisbG, würde dies doch gerade zur Ermöglichung einer gleichsam auf Vorrat gehaltenen Bewilligung führen, die mit der verpflichtend festzulegenden Bausausführungsfrist vermieden werden sollte.

Dass der Bauausführung innerhalb der - bereits einmal verlängerten - Frist mit der Ausführung des Eisenbahnbauvorhabens in notwendigem Zusammenhang stehende Hindernisse entgegengestanden wären, hat die beschwerdeführende Partei nicht vorgebracht. Es kommt daher im vorliegenden Fall auch nicht mehr darauf an, ob bzw inwiefern seit Erteilung der Bewilligung rechtliche oder technische Änderungen eingetreten sind, die zu einer Neubeurteilung des Eisenbahnbauvorhabens führen könnten.

7. Der angefochtene Bescheid war daher, soweit mit ihm die eisenbahnrechtliche Baugenehmigung der Bezirkshauptmannschaft Leibnitz für die Errichtung der Anschlussbahn für erloschen erklärt wird, gemäß § 42 Abs 2 Z 2 VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde aufzuheben. Im Übrigen war die Beschwerde gemäß § 42 Abs 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl II Nr 455, welche gemäß § 3 Z 1 der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014, BGBl II Nr 518/2013 idF BGBl II Nr 8/2014 im Beschwerdefall weiterhin anzuwenden ist.

Wien, am

Fundstelle(n):
ZAAAE-78449