VwGH vom 24.04.2013, 2013/03/0020
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Handstanger und Mag. Samm als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Zeleny, über die Beschwerde des K L in R, Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch Dr. Dieter Brandstätter, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Schöpfstraße 19a, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenats in Tirol vom , Zl uvs-2012/17/1294-2, betreffend Übertretungen des Gefahrgutbeförderungsgesetzes, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde dem Beschwerdeführer als dem Verantwortlichen des Unternehmens L Transporte in R (teilweise in Abänderung des erstinstanzlichen Straferkenntnisses) zur Last gelegt, er habe es als Beförderer von Gefahrgut unterlassen, sich im Rahmen des § 7 Abs 1 des Gefahrgutbeförderungsgesetzes, BGBl I Nr 145/1998 (GGBG), durch eine Sichtprüfung zu vergewissern, dass (1.) die Fahrzeuge und die Ladung keine offensichtlichen Mängel, keine Undichtheiten oder Risse aufwiesen, und dass keine Ausrüstungsteile fehlten, zumal die Ladung nicht vorschriftsmäßig gesichert gewesen sei, und dass ferner (2.) die für die Fahrzeuge vorgeschriebenen Großzettel (Placards) und Kennzeichnungen angebracht seien (die vorgeschriebene orangefarbene Kennzeichnung habe gefehlt); schließlich habe er es (3.) unterlassen, sich zu vergewissern, dass die vorgeschriebenen Unterlagen in der Beförderungseinheit mitgeführt würden (der Gefahrgutlenkerausweis sei nicht mitgeführt worden, der Besitz eines gültigen ADR-Scheines habe nicht nachgewiesen werden können).
Dadurch habe der Beschwerdeführer (zu 1.) § 37 Abs 2 Z 8 iVm
§ 7 Abs 1 und § 13 Abs 1a Z 3 GGBG, ferner (zu 2.) § 37 Abs 2 Z 8 iVm § 7 Abs 1 und § 13 Abs 1a Z 6 GGBG und schließlich (zu 3.)
§ 37 Abs 2 Z 8 iVm § 7 Abs 1 und § 13 Abs 1a Z 2 GGBG übertreten. Über den Beschwerdeführer wurde zu 1. eine Geldstrafe in der Höhe von EUR 110,-- (Ersatzfreiheitsstrafe: 36 Stunden), zu 2. eine Geldstrafe in der Höhe von EUR 750,-- (Ersatzfreiheitsstrafe: 180 Stunden) und zu 3. eine Geldstrafe in der Höhe von EUR 750,-- (Ersatzfreiheitsstrafe: 180 Stunden) gemäß § 37 Abs 2 lit b GGBG verhängt.
Begründend wurde festgehalten, dass nach der Anzeige der Autobahnpolizeiinspektion Schönberg im Stubaital vom der Lenker der in Rede stehenden Beförderungseinheit (eines Sattelzugfahrzeuges samt Anhänger) um 10.15 Uhr bei der Hauptmautstelle Schönberg in Fahrtrichtung Süden einer Fahrzeug- und Lenkerkontrolle unterzogen worden sei. Dabei sei festgestellt worden, dass die Beförderungseinheit mit folgenden gefährlichen Gütern beladen gewesen sei:
"UN 1263 FARBE 3, III, (D/E)
Fass I Kanister 1627,8 Netto + Fass 206,08 Netto UN 1263 FARBZUBEHÖRSTOFFE 3, II, (D/E) Fass / Kanister 1957,5 Netto
UN 3108 ORGANISCHES PEROXID TYP E, FEST
(Dipenzoylperoxid) 5.2, (D)
1 Kiste 10,80 Netto".
Die verwendeten Verspannungen seien dermaßen gespannt gewesen, dass es zu einer Verformung bzw Beschädigung des Versandstückes gekommen sei. Mehrere Kisten aus Pappe seien durch Zurrgurte beschädigt gewesen. Mehrere Palletten mit Gefahrgut seien nicht durch geeignete Mittel gesichert gewesen. Die Beförderungseinheit sei nicht mit orangefarbenen Tafeln als Gefahrgut gekennzeichnet gewesen. Der Lenker hätte keine Gefahrgutlenkerausbildung gehabt. Er habe den Besitz eines gültigen ADR-Scheines nicht nachweisen können. Das in Rede stehende Unternehmen sei telefonisch am kontaktiert worden, um eine Kopie des ADR-Scheines zu faxen, es habe sich aber nicht mehr gemeldet. In der Gefahrgutdeklaration sei eindeutig ausgeführt, dass vorliegend 3.840,100 kg an Gefahrgut zu transportieren gewesen sei, in dieser Deklaration sei auch festgehalten: "Tafel setzen!". Auf den Lichtbildern sei aber zu sehen, dass die Warntafel geschlossen gewesen sei, dass das Ladegut nicht gesichert gewesen sei, und dass Verpackungen durch die Verzurrung verformt gewesen seien. Eine Anfrage der Erstbehörde bei dem in Rede stehenden Unternehmen habe ergeben, dass der Beschwerdeführer der Geschäftsführer dieses Unternehmen sei. Nach § 9 Abs 1 VStG sei strafrechtlich verantwortlich, wer zur Vertretung nach Außen bestellt sei. Die wirksame Bestellung eines verantwortlich Beauftragten gemäß § 9 Abs 2 VStG liege nicht vor, weil in der vorgelegten Bestellung das GGBG nicht als ausdrücklich abgegrenztes Rechtsgebiet für die bestellte M L als verantwortliche Beauftragte genannt worden sei; die Überwälzung der verwaltungsstrafrechtlichen Verantwortung seitens des Beschwerdeführers auf M L sei daher vorliegend nicht möglich.
Die dem Beschwerdeführer zur Last gelegten Übertretungen seien zweifelsfrei festgestellt worden. Zum einen habe er es unterlassen, sich zu vergewissern, ob der Lenker den Gefahrgutausweis mit sich geführt habe. Er habe sich ferner nicht vergewissert, dass die für die Fahrzeuge vorgeschriebenen Großzettel und Kennzeichnungen angebracht worden seien, und der Beschwerdeführer hat es schließlich verabsäumt sich zu vergewissern, dass die Ladungssicherung ordnungsgemäß durchgeführt worden sei. Dem Beschwerdeführer werde daher fahrlässiges Verhalten zur Last gelegt. Die verhängten Geldstrafen stellten jeweils die Mindeststrafe dar.
2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes, in eventu wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsstrafverfahrens vor, sah jedoch von der Erstattung einer Gegenschrift ab.
3. Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
3.1. Der Beschwerdeführer macht geltend, dass er für die ihm angelasteten Übertretungen zufolge der der Behörde bei der mündlichen Verhandlung am vorgelegten Bestellung der für die Einhaltung ua der Bestimmungen des GGBG verantwortlichen Beauftragten M L iSd § 9 Abs 2 VStG nicht gemäß § 9 Abs 1 VStG verwaltungsstrafrechtlich verantwortlich sei.
3.2. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs ist, um von einem verantwortlichen Beauftragten iSd § 9 VStG sprechen zu können, gemäß § 9 Abs 2 iVm Abs 4 VStG eine nachweisliche Zustimmung der zum verantwortlichen Beauftragten bestellten Person erforderlich. Diese Bestellung wirkt erst ab dem Zeitpunkt, zu dem der Behörde die Zustimmung der zum verantwortlichen Beauftragten bestellten Person nachgewiesen ist. Mit dem Einlangen des Zustimmungsnachweises bei der Behörde tritt ihr gegenüber der namhaft gemachte verantwortliche Beauftragte in rechtswirksamer Weise als Adressat der Verwaltungsstrafnorm an die Stelle des zur Vertretung nach Außen Berufenen. Die Berufung auf einen verantwortlichen Beauftragten ist daher nur dann zulässig, wenn bei der Behörde spätestens während des Verwaltungsstrafverfahrens ein - aus der Zeit vor der Begehung der dem Beschuldigten angelasteten Übertretung stammender - Zustimmungsnachweis eines derartigen verantwortlichen Beauftragten einlangt (vgl ; ). Die Wichtigkeit der Übernahme der verwaltungsstrafrechtlichen Verantwortlichkeit erfordert es, dass die Bestellung zum verantwortlichen Beauftragten und die damit übereinstimmende Zustimmung so erklärt wird, dass kein Zweifel an deren Inhalt entsteht (vgl ; , mwH).
3.3 Im Beschwerdefall hat der Beschwerdeführer bei der mündlichen Verhandlung eine mit datierte Vereinbarung zwischen dem Beschwerdeführer und M L vorgelegt, die von beiden gefertigt wurde. Danach wurde die Genannte "mit sofortiger Wirkung als verantwortliche Beauftragte gemäß § 9 VStG im Betrieb" des besagten Unternehmens bestellt. Nach dieser Vereinbarung gehört "zu ihrem eigenverantwortlichen Wirkungsbereich … der Fahrzeugtransit, insbesondere durch Österreich, die Disposition der Fahrer und der Fahrzeuge, worüber sie eine Anordnungsbefugnis hat. Damit im Zusammenhang ist sie auch in verwaltungsstrafrechtlicher Hinsicht verantwortlich, alle internationalen und nationalen Gesetze, insbesondere die österreichischen Gesetze einzuhalten, insbesondere die Straßenverkehrsordnung, das KFG, das Arbeitszeitgesetz und Arbeitsruhegesetz, Beladungsvorschriften, Ladungssicherungsvorschriften, Ausstattungsvorschriften, das Güterbeförderungsgesetz etc., insbesondere auch alle einschlägigen EU-Richtlinien. Ausdrücklich ist M L mit ihrer Bestellung als verantwortliche Beauftragte einverstanden. Sie erklärt auch, für einen sachlich abgegrenzten Bereich im Unternehmen … ausschließlich und mit Anordnungsbefugnis gegenüber Mitarbeitern und Fahrern verantwortlich zu sein und für die Einhaltung sämtlicher Verwaltungsvorschriften, die im Zusammenhang mit dem Transit von LKWs in Europa, insbesondere durch Österreich, zu beachten sind, verantwortlich zu sein, insbesondere in strafrechtlicher Hinsicht. Ihr wurde ausdrücklich § 9 VStG … zur Kenntnis gebracht und übernimmt sie in dieser Hinsicht die verwaltungsstrafrechtliche Haftung und Verantwortung."
Die Anführung der österreichischen Gesetze in dieser Bestellungsurkunde ist auf dem Boden der Rechtsprechung nur eine demonstrative Aufzählung, die die Verantwortung der verantwortlichen Beauftragten nicht auf diese Gesetze einzugrenzen vermag (vgl , und ua). Da die gegenständlich bestellte Person bezüglich der Einhaltung der österreichischen Gesetze für den genannten Sachbereich als verantwortliche Beauftragte in verwaltungsstrafrechtlicher Hinsicht bestellt wurde, kann entgegen der belangten Behörde nicht gesagt werden, dass diese Bestellung die Bestimmungen des GGBG nicht erfassen würde. Der Behörde wurde zudem sowohl der räumliche Geltungsbereich der Bestellung als auch das Erfordernis der entsprechenden Anordnungsbefugnis der zur verantwortlich beauftragten bestellten Person iSd § 9 Abs 4 VStG nachgewiesen. Die Bestellung der Genannten zur verantwortlichen Beauftragten umfasst somit auch die Verantwortlichkeit für die Einhaltung des GGBG.
Im Hinblick auf die wirksame Bestellung einer verantwortlichen Beauftragten wäre der Beschwerdeführer nur unter den Voraussetzungen des § 9 Abs 6 VStG verantwortlich, das heißt, wenn er die Tat vorsätzlich nicht verhindert hätte. Solches hat die belangte Behörde jedoch nicht angenommen.
3.4. Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufzuheben.
3.5. Die Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs 2 Z 3 VwGG unterbleiben.
3.6. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet auf §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl II Nr 455.
Wien, am