VwGH vom 27.06.2012, 2008/13/0044

VwGH vom 27.06.2012, 2008/13/0044

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Heinzl und die Hofräte Dr. Fuchs, Dr. Nowakowski, Dr. Mairinger und Mag. Novak als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Farcas, über die Beschwerde der A GmbH in W, vertreten durch Exinger GmbH Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaft in 1013 Wien, Renngasse 1, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Wien, vom , Zl. RV/2237-W/06, miterledigt RV/0280-W/07, betreffend Umsatzsteuer 2000 bis 2004, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin betreibt eine Abfalldeponie in Wien. Die Genehmigung der Betriebsanlage erfolgte mit Bescheid des Magistratischen Bezirksamts vom . In den Jahren 2000 bis 2004 trug die Beschwerdeführerin Aufschließungskosten für Grundstücke außerhalb des Betriebsgeländes, die nur zum Teil in ihrem Eigentum standen und, soweit dies der Fall war, in der Folge von ihr veräußert wurden. Eine betriebliche Nutzung der Grundstücke war nicht vorgesehen. Strittig ist der Vorsteuerabzug hinsichtlich dieser Aufschließungskosten.

Die Beschwerdeführerin machte im Verwaltungsverfahren geltend, sowohl auf Teilen des Betriebsgeländes der Deponie als auch in räumlicher Nähe dazu (auf einem Teil der in den Streitjahren aufgeschlossenen Grundstücke) hätten sich Siedlungen von Kleingärtnern befunden und die Aufschließung der schon bisher außerhalb des Betriebsgeländes gelegenen Siedlungsflächen sowie dort zur Verfügung gestellter Ersatzflächen für die vom Betriebsgelände abzusiedelnden Siedler auf Kosten der Beschwerdeführerin habe auf Vereinbarungen beruht, die der Erlangung der Betriebsanlagengenehmigung vorausgegangen seien und dazu beigetragen hätten, die Zustimmung der Siedler herbeizuführen.

Die belangte Behörde folgte dieser Darstellung nicht. Sie verwies u.a. auf das Fehlen sowohl einer zeitnahen als auch, nachträglich, einer inhaltlich klaren Dokumentation der behaupteten Vereinbarungen, auf den Zeitabstand zwischen der Betriebsanlagengenehmigung und dem Beginn der Aufschließungsarbeiten und auch darauf, dass sich diese zu einem nicht unerheblichen Teil auch auf Grundflächen außerhalb des Betriebsgeländes bezogen, die ohne Zusammenhang mit der Umsiedlung von Siedlern auf dem Betriebsgelände von der Beschwerdeführerin erworben worden waren. Die anschließende Umwidmung dieser Flächen, so die belangte Behörde, habe einen Großteil der Aufschließungskosten kompensiert. Das Interesse an den Aufschließungsmaßnahmen sei ausschließlich auf Seiten der Stadt Wien gelegen gewesen, die sich der Beschwerdeführerin zur Finanzierung bedient habe, für deren Betrieb diese Finanzierung aber nicht Voraussetzung gewesen sei. Da die Aufschließungskosten entgegen den Behauptungen der Beschwerdeführerin kein Mittel zur Realisierung des Geschäftszwecks der Beschwerdeführerin gewesen seien, habe es sich nicht im Sinne des § 12 Abs. 1 Z 1 UStG 1994 um Leistungen für ihr Unternehmen gehandelt, sodass kein Vorsteuerabzug zustehe.

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Akten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen hat:

Unter dem Gesichtspunkt der "unrichtigen rechtlichen Beurteilung" macht die Beschwerdeführerin zunächst geltend, die belangte Behörde, die den Fall rechtlich anders beurteilt habe als das Finanzamt, habe gegen das "Gebot einer Zurückverweisung (§ 289 Abs. 1 erster Satz BAO)" verstoßen. Diese Bestimmung sieht vor, dass die Abgabenbehörde zweiter Instanz die Berufung durch Aufhebung des erstinstanzlichen Bescheides und allfälliger Berufungsvorentscheidungen unter Zurückverweisung der Sache an die Abgabenbehörde erster Instanz erledigen "kann", wenn Ermittlungen (§ 115 Abs. 1 BAO) unterlassen wurden, bei deren Durchführung ein anders lautender Bescheid hätte erlassen werden oder eine Bescheiderteilung hätte unterbleiben können. Dadurch, dass die belangte Behörde es im vorliegenden Fall selbst unternahm, die ihrer Ansicht nach noch erforderlichen Ermittlungen durchzuführen, wurde die Beschwerdeführerin aber nicht in ihren Rechten verletzt.

Ins Leere geht, wie die belangte Behörde in ihrer Gegenschrift richtig anmerkt, auch die Behauptung eines "inneren Widerspruchs des angefochtenen Bescheides", der nach Meinung der Beschwerdeführerin darin liegt, dass die Aufschließungskosten für Zwecke der Körperschaftsteuer als Betriebsausgaben gewertet worden seien. Über Körperschaftsteuer wurde mit dem angefochtenen Bescheid nicht abgesprochen.

Davon abgesehen bekämpft die Beschwerdeführerin den angefochtenen Bescheid - auch unter der Überschrift "Zu kurz geratene Rechtsansicht" - vor allem auf der Tatsachenebene. So wird zwar allgemein darauf verwiesen, dass auch Hilfs- und Nebentätigkeiten zu den steuerpflichtigen Umsätzen gehörten und es nicht auf die Gesetzmäßigkeit des Tuns ankomme, aber sachverhaltsbezogen wird nur den Schlüssen entgegen getreten, die die belangte Behörde aus der von ihr festgestellten "Nahebeziehung" der Beschwerdeführerin zur Stadt Wien gezogen habe.

Die Beschwerdeführerin hatte sich in ihrer Vorhaltsbeantwortung vom bei der Argumentation mit einer älteren Entscheidung der belangten Behörde u.a. als Gesellschaft bezeichnet, an der "die öffentliche Hand nicht beteiligt" sei, während die belangte Behörde aus dem Umstand, dass "zumindest" ein Gesellschafter der Beschwerdeführerin im überwiegenden Eigentum der Stadt Wien stehe, "ein Naheverhältnis" ableitete. Dass die belangte Behörde dies zum "tragenden Argument" ihrer Entscheidung gemacht und der Beschwerdeführerin unterstellt habe, sie habe um dieses "Naheverhältnisses" willen fast drei Millionen Euro "ohne jegliche Gegenleistung" als "freiwillige Spende" geradezu "in den Sand gesetzt", geht aus dem angefochtenen Bescheid jedoch nicht hervor. Im Vordergrund der Erwägungen der belangten Behörde stand die Auseinandersetzung mit der ihres Erachtens unglaubwürdigen Behauptung, die Übernahme der Aufschließungskosten habe den Deponiebetrieb ermöglichen oder seine Aufnahme zumindest beschleunigen sollen. Die belangte Behörde ging davon aus, dass erst nach erfolgter Betriebsanlagengenehmigung eine (nicht offen gelegte) Vereinbarung über die Finanzierung der Aufschließungen getroffen wurde, die "im Zusammenhang mit der im Gegenzug von der Stadt Wien abgegebenen Verpflichtung zur Umwidmung von von der Bw. erworbenen Grundstücken stand". Auf das Ausmaß der Beteiligung des von der belangten Behörde erwähnten Gesellschafters der Beschwerdeführerin kommt es dabei nicht an. Da die belangte Behörde entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin nicht davon ausgegangen ist, dieser Gesellschafter habe der Beschwerdeführerin seinen Willen aufgezwungen, wird mit dem in der Beschwerde enthaltenen Hinweis auf das dafür nicht ausreichende Ausmaß seiner Beteiligung auch kein relevanter Verstoß gegen das in der Beschwerde in diesem Zusammenhang noch ins Treffen geführte Überraschungsverbot aufgezeigt.

Unter dem Gesichtspunkt der behaupteten Rechtswidrigkeit wegen Verletzung von Verfahrensvorschriften rügt die Beschwerde zunächst das "Fehlen einer geschlossenen Sachverhaltsdarstellung". Ein "Streifzug durch den angefochtenen Bescheid" ergebe, dass der erste Teil der Entscheidungsgründe nur den Verfahrensverlauf darstelle und die anschließenden Erwägungen einen "bunten Mix aus Sachverhaltselementen, Beschäftigung mit unserem Vorbringen, Beweiswürdigung und eigener Beurteilung durch die belangte Behörde" enthielten. Dass diesem "Mix" nicht nur keine "geschlossene", sondern auch keine gedanklich geordnete Darstellung des zugrunde gelegten Sachverhalts zu entnehmen sei, erläutert die Beschwerde nur mit dem "Beispiel", es sei nicht einmal ansatzweise begründet worden, weshalb die Beschwerdeführerin ein "Vermögen" von mehreren Millionen Euro "vernichtet haben" sollte. Diese Rüge steht einerseits im Widerspruch zur Behauptung, die belangte Behörde habe dies mit dem von ihr aufgezeigten "Naheverhältnis" begründet, und verfehlt andererseits ihr Ziel, weil eine solche Vermögensvernichtung im angefochtenen Bescheid nicht angenommen wurde.

Schließlich und vor allem wirft die Beschwerdeführerin der belangten Behörde eine "unzureichende Sachverhaltsaufklärung" und "einseitige Beweiswürdigung" vor.

Unter dem ersten dieser beiden Gesichtspunkte wird zunächst an den Hinweis der belangten Behörde auf die schwache rechtliche Position der ("wilden") Siedler angeknüpft, deren mangelnde "Zustimmung zur Deponiebetreibung" nach Ansicht der belangten Behörde nur Verzögerungen des Genehmigungsverfahrens bewirkt haben würde. Wenn die Beschwerde in diesem Zusammenhang ausführt, die Abwehr solcher Verzögerungen sei ein "evident unternehmerisches Ziel", so setzt sie sich dabei aber über die Feststellung der belangten Behörde hinweg, dass "die strittige Vereinbarung erst nach der Genehmigung des Deponiebetriebes abgeschlossen wurde". Es folgen Wiederholungen der schon erörterten Argumente betreffend die "in den Sand gesetzten" Millionen und die vermeintliche Annahme eines beherrschenden Einflusses eines Minderheitsgesellschafters und schließlich - im zentralen Punkt des Zeitabstandes zwischen Betriebsanlagengenehmigung und Aufschließungsarbeiten - die Rüge, es sei unerwähnt geblieben, dass die Beschwerdeführerin mit den abzusiedelnden Siedlern "bereits weit vor der gewerberechtlichen Bewilligung in Verhandlungen gestanden" sei und ihnen ihre Grundanteile "in den Jahren 1991 bis 1995 abgekauft" habe. Zum damit verbundenen Hinweis, bei Verträgen seien "schriftliche Unterlagen nicht unbedingt erforderlich", ist aber anzumerken, dass die Beschwerdeführerin auch über Zeitpunkte und Inhalte mündlicher Vereinbarungen im Vorfeld der Betriebsanlagengenehmigung kein präzises Vorbringen erstatten konnte. Als "Beweis" wurde in der bereits erwähnten Vorhaltsbeantwortung - abgesehen von noch zu erörternden nachträglichen Schreiben - der Umstand ins Treffen geführt, dass die "Errichtung der Infrastruktur" stattgefunden habe. Daraus folge, "dass hier eine Verpflichtung gegenüber der Stadt Wien und der Siedler bestand".

In den Erwägungen der belangten Behörde kommt auch vor, dass die Stadtbaudirektion die Frage der belangten Behörde nach einer gesetzlichen Ermächtigung für eine Überwälzung der öffentlichen Hand obliegender Aufwendungen auf Private in ihrem Antwortschreiben vom unbeantwortet gelassen habe. Die Beschwerdeführerin - die an anderer Stelle auf die Irrelevanz der "Gesetzmäßigkeit des Tuns" verweist - führt dazu aus, es wäre "Aufgabe der belangten Behörde gewesen, die fehlenden Informationen durch Hartnäckigkeit (zB in Form eines neuerlichen Vorhalts, allenfalls unter Androhung einer Zwangsstrafe gemäß § 111 BAO) einzufordern". Was sich auf diese Weise ergeben hätte und welche zielführenden Beweisanträge der Beschwerdeführerin die belangte Behörde allenfalls übergangen habe, wird jedoch nicht dargelegt, sodass im Zusammenhang mit dem Schreiben vom schon aus diesem Grund kein relevanter Verfahrensmangel vorliegt.

Der Beweiswürdigung der belangten Behörde hält die Beschwerde in ihrem letzten Abschnitt eine mit und somit kurz vor Abschluss der die Jahre 2000 bis 2003 betreffenden Außenprüfung bei der Beschwerdeführerin datierte, für die Beschwerdeführerin, einen Siedlerverein und die Stadtbaudirektion unterzeichnete "Sachverhaltsdarstellung" folgenden Inhalts entgegen:

"In Anlehnung an div. Gespräche, unter anderem dokumentiert im Schreiben (...) an Stadt Wien, Stadtbaudirektion vom , wird bestätigt, dass die im Betreff angeführten Infrastrukturmaßnahmen wie Straßen-, Wasser- und Kanalherstellung als Auflage für die Projektgenehmigung Deponie (...) durchgeführt wurden."

Das angeschlossene Schreiben der Beschwerdeführerin vom enthält - ohne jede Bezugnahme auf einen Zusammenhang mit der sechs Jahre zuvor erteilten Betriebsanlagengenehmigung - die Ankündigung der Aufschließungsarbeiten "durch und zu Lasten der" Beschwerdeführerin im Zusammenhang mit deren Liegenschaftskäufen und Widmungsfragen.

Die Beschwerdeführerin meint auch im Zusammenhang mit der "Sachverhaltsdarstellung", einer "öffentlichen Urkunde", es wäre "Aufgabe" der belangten Behörde gewesen, "den Verfasser dazu konkret zu befragen und im angefochtenen Bescheid Auskunft auch über das Motiv für die (vermeintliche) Falschbezeugung zu geben". Dem steht entgegen, dass der Satzteil "als Auflage für die Projektgenehmigung" in der gemeinsamen, insgesamt sehr kurzen "Sachverhaltsdarstellung" durch den unstrittigen, bei der Würdigung dieser Urkunde im angefochtenen Bescheid hervorgehobenen Umstand, dass es keine Bescheide mit derartigen Auflagen gab, zweifelsfrei widerlegt ist, die Motive für die Mitunterfertigung der Urkunde durch die Stadtbaudirektion nicht entscheidungserheblich sind und die Beschwerdeführerin auch zu keiner Zeit in der Lage war, ihre Behauptungen über das Zustandekommen einer der Betriebsanlagengenehmigung vorangegangenen oder mit ihr verknüpften "Auflage" zu präzisieren.

Der Argumentation der belangten Behörde mit dem Zeitabstand zwischen Betriebsanlagengenehmigung und Aufschließungsarbeiten hält die Beschwerdeführerin schließlich noch entgegen, der "aus dem Römischen Recht stammende Gedanke der clausula rebus sic stantibus" habe "schon längst Einzug auch in das öffentliche Recht gehalten", womit die Beschwerdeführerin unter Hinweis auf § 294 BAO und die "vergleichbare Regelung" in § 13 "GewO 1973" auf die Möglichkeit eines Widerrufs der Betriebsanlagengenehmigung bei "vereinbarungswidrigem" Verhalten der Beschwerdeführerin abzielt. Hierauf braucht schon deshalb nicht weiter eingegangen zu werden, weil es sich bei dem damit bekämpften Satz in der Begründung des angefochtenen Bescheides nur um ein Eventualargument für den Fall handelt, dass man "den Angaben der (Beschwerdeführerin) nach Vorliegen einer Auflage" folge.

Dass der strittige Vorsteuerabzug der Beschwerdeführerin auch ausgehend von den Sachverhaltsannahmen der belangten Behörde zustünde, versucht die Beschwerde - abgesehen von den erwähnten, nicht sachverhaltsbezogenen Bemerkungen über Hilfs- und Nebentätigkeiten und die Frage der "Gesetzmäßigkeit des Tuns" - nicht darzulegen. In dieser Hinsicht genügt daher der Hinweis, dass sich der von der belangten Behörde beurteilte Sachverhalt von demjenigen des hg. Erkenntnisses vom , 2007/15/0176, in dem es um die aus unternehmerischen Gründen erfolgte Umlegung einer schon bestehenden Straße im Zuge der Vergrößerung eines Einkaufszentrums ging, und auch von den Fällen der Betriebsansiedlungs- und ähnlichen Gesellschaften, die Aufschließungskosten übernehmen und auf ihre Kunden überwälzen (vgl. dazu die Darstellung des Meinungsstandes bei Ruppe/Achatz , UStG4, § 12 Tz 109, sowie das hg. Erkenntnis vom , 2008/15/0299), unterscheidet und der Ansicht der belangten Behörde, bei der von ihr angenommenen Fallgestaltung habe es sich nicht um Leistungen für das Unternehmen der Beschwerdeführerin (d.h. für dessen wirtschaftlichen Bereich, vgl. die Judikaturhinweise in RdW 2009/540, 550) gehandelt, keine vom Verwaltungsgerichtshof von Amts wegen aufzugreifende Rechtswidrigkeit anhaftet.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Wien, am