VwGH vom 06.07.2020, Ra 2018/13/0074
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Nowakowski und die Hofräte MMag. Maislinger sowie Mag. Novak und die Hofrätinnen Dr. Reinbacher sowie Dr.in Lachmayer als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Karlovits, LL.M., über die Revision des M in S, vertreten durch die Eurax Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaft m.b.H. in 1090 Wien, Nußdorferstraße 10-12/4, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom , Zl. RV/7102963/2012, betreffend Umsatz- und Einkommensteuer für das Jahr 2006, zu Recht erkannt:
Spruch
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1Der Revisionswerber vermietete seit 2001 eine Liegenschaft an die E-GmbH. Er war vom bis zum gemeinsam mit einem weiteren Geschäftsführer oder einem Prokuristen bei der E-GmbH als handelsrechtlicher Geschäftsführer vertretungsbefugt. Einziger Gesellschafter der E-GmbH im Jahr 2006 war die C-GmbH, deren selbständig vertretungsbefugter Geschäftsführer der Revisionswerber im Zeitraum vom bis zum gewesen ist. Im Zeitraum bis hielt er 36,75% der Anteile an der C-GmbH. Bei der C-GmbH war noch ein weiterer Gesellschaftergeschäftsführer selbständig vertretungsbefugt, der einen geringfügig höheren Anteil als der Revisionswerber (38%) an der C-GmbH hielt.
2Beim Revisionswerber wurde für die Jahre 2006 bis 2008 eine Außenprüfung betreffend Umsatz- und Einkommensteuer durchgeführt. Im Bericht über das Ergebnis der Außenprüfung wurde unter dem Punkt Forderungsverzicht ausgeführt, dass für das Jahr 2006 der E-GmbH vom Revisionswerber EUR 147.628,83 für Miete und Energiekosten in Rechnung gestellt wurden. Seitens des Revisionswerbers sei mit der Begründung der Abwendung einer sonst notwendigen Insolvenz und zur nachhaltigen Sanierung der E-GmbH ein unwiderruflicher Forderungsverzicht zum für diese Beträge ausgesprochen worden.
Nach Ansicht der Betriebsprüfung seien dem Revisionswerber die Mieteinnahmen und Energiekosten bereits durch die Verbuchung bei der E-GmbH zugeflossen, weshalb es sich bei dem späteren Verzicht um keinen Forderungsverzicht handle. Durch seine gesellschaftsrechtliche Stellung bei der Muttergesellschaft (Geschäftsführer, Gesellschafter mit einem Beteiligungsausmaß von 36,75%) sei es ihm „sicherlich möglich gewesen“, über diese Beträge auch zu verfügen. Es sei jedenfalls von einer Einkommensverwendung bereits zugeflossener Beträge des Abgabepflichtigen auszugehen. Selbst wenn die Beträge nicht im Zeitpunkt der Verbuchung zugeflossen wären, sei der Zufluss spätestens durch den Forderungsverzicht erfolgt.
3Das Finanzamt folgte der Ansicht der Betriebsprüfung und erließ nach Wiederaufnahme der Verfahren betreffend Umsatz- und Einkommensteuer für das Jahr 2006 neue (vorläufige) Sachbescheide für die Umsatz- und Einkommensteuer des Jahres 2006.
4In der fristgerecht erhobenen Berufung brachte der Revisionswerber vor, die Mieten für das gesamte Jahr 2006 seien aufgrund massiver wirtschaftlicher Schwierigkeiten seitens der E-GmbH nicht ausbezahlt worden. Er habe daraufhin Ende 2006 als indirekter Gesellschafter zur Sanierung der E-GmbH auf die ausstehenden Mieten verzichtet. Die Sanierung der E-GmbH sei von der finanzierenden Bank betrieben worden, welche in ihrer schriftlichen Fortbestandsprognose zur Weiterfinanzierung der E-GmbH den Forderungsverzicht als unabdingbar zur Aufrechterhaltung der Finanzierung der Gesellschaft angesehen habe. Die E-GmbH sei 2006 illiquid gewesen, die Rechnungen seien auf ein „normales“ Kreditorenkonto gebucht worden. Die tatsächliche Verfügung sei damit ausgeschlossen; zudem sei er (bei der E-GmbH) nicht selbständig vertretungsbefugt gewesen. Der Revisionswerber habe die Beträge auch tatsächlich nicht vereinnahmt. Da die Forderung im Zeitpunkt des Verzichts nicht werthaltig gewesen sei, sei die gesellschaftsrechtlich veranlasste Maßnahme mit Null zu bewerten.
5Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesfinanzgericht die - nunmehr als Beschwerde zu behandelnde - Berufung als unbegründet ab. Nach Wiedergabe des Verfahrensganges führte es aus, dass bei Leistungsabrechnungen eines Gesellschafters gegenüber seiner Kapitalgesellschaft nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes für die Frage des Zuflusses insbesondere zwei mögliche zuflussbegründende Umstände zu unterscheiden seien. Zum einen sei auf den Gutschriftszeitpunkt auf dem Verrechnungskonto durch die Kapitalgesellschaft abzustellen, wenn die GmbH zahlungsfähig ist. Zum anderen könne bei einem Mehrheitsgesellschafter ein Zufluss auch bereits vorliegen, sobald die Forderung fällig ist, vorausgesetzt die GmbH ist nicht zahlungsunfähig.
Wenn die Außenprüfung ausführe, durch seine gesellschaftsrechtliche Stellung bei der C-GmbH (Geschäftsführer, Gesellschafter mit einem Beteiligungsausmaß von 36,75%) sei es dem Revisionswerber sicherlich möglich gewesen, über Gutschriften zu seinen Gunsten zu verfügen, so komme dem Berechtigung zu, da er als selbständig vertretungsbefugter Geschäftsführer und Gesellschafter der Muttergesellschaft C-GmbH über Gutschriften zu seinen Gunsten auf dem Verrechnungskonto bei der E-GmbH verfügen könne. Der Revisionswerber als Geschäftsführer der C-GmbH hätte den Auftrag erteilen können, die zu seinen Gunsten verbuchten Gutschriften bei der E-GmbH auszuzahlen.
6Die in Rechnung gestellten Leistungen betreffend Mieten und Energiekosten seien jeweils am Monatsanfang fällig gewesen. Die Rechnungen seien von der E-GmbH monatlich gebucht worden. Die E-GmbH sei im Jahr 2006 weder zahlungsunfähig noch illiquid gewesen. Der Fortbestehensprognose vom könnten keine Aussagen hinsichtlich einer mangelnden Zahlungsfähigkeit für den Zeitraum Jänner bis Juni 2006 entnommen werden. Der Bilanz der E-GmbH zum sei hinsichtlich des Vorliegens einer Überschuldung im Sinne des Insolvenzrechts zu entnehmen, dass das Kapital zwar negativ war, aber keine Insolvenzgefahr bestand, weil positive Ertragsaussichten vorlagen.
7Zum Zeitpunkt des Forderungsverzichtes sei keine Forderung mehr vorgelegen, es liege vielmehr eine Verfügung über bereits zugeflossene Beträge vor, womit von einer Einkommensverwendung (Einlage) des Revisionswerbers auszugehen sei.
8Hinsichtlich der Umsatzsteuer für das Jahr 2006 führte das Bundesfinanzgericht aus, dass die Mieten und Energiekosten in den einzelnen Monaten des Jahres 2006 zugeflossen seien und somit auch im Jahr 2006 der Umsatzsteuer zu unterziehen gewesen seien.
9Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die außerordentliche Revision, die zu ihrer Zulässigkeit vorbringt, das Bundesfinanzgericht habe die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu Mehrheitsgesellschafter-Geschäftsführern herangezogen, obwohl der Revisionswerber ein Minderheitsgesellschafter sei. Zudem werde die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu Verrechnungskonten der Entscheidung zugrunde gelegt, obwohl die revisionsgegenständlichen Beträge auf einem Kreditorenkonto gebucht worden seien. Die Liquiditätslage der E-GmbH sei darüber hinaus aus nicht ausreichenden Unterlagen (Abgabenerklärungen und entsprechende Bilanzen) festgestellt worden.
10Das Finanzamt erstattete nach Einleitung des Vorverfahrens eine Revisionsbeantwortung.
11Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
12Die Revision ist zulässig und begründet.
13Bei der Ermittlung von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung kommt es grundsätzlich auf den Zu- und Abfluss an. Nach § 19 EStG 1988 sind Einnahmen in jenem Kalenderjahr bezogen, in dem sie dem Steuerpflichtigen zugeflossen sind (vgl. ). Ein Betrag ist gemäß § 19 Abs. 1 EStG 1988 dann als zugeflossen anzusehen, wenn der Empfänger über ihn tatsächlich und rechtlich verfügen kann (vgl. ).
14Bei Leistungsabrechnungen eines Gesellschafter-Geschäftsführers gegenüber seiner Kapitalgesellschaft sind nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes für die Frage deren Zuflusses - abgesehen von der Zuleitung des Barbetrages - insbesondere zwei mögliche zuflussbegründende Umstände zu unterscheiden, die beide für sich einen Zufluss beim Gesellschafter-Geschäftsführer bewirken können und daher getrennt zu prüfen sind, wobei der frühere Zeitpunkt den Zufluss bewirkt.
15Zum einen ist auf den Gutschriftszeitpunkt durch die Kapitalgesellschaft abzustellen. Nimmt eine Kapitalgesellschaft eine Gutschrift zu Gunsten ihres Geschäftsführers etwa auf dem Verrechnungskonto vor, geht die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes von einem Zufluss aus, wenn die GmbH zahlungsfähig ist. Der Geschäftsführer einer Kapitalgesellschaft hat grundsätzlich die tatsächliche Verfügungsmacht über die zu seinen Gunsten ausgestellten Gutschriften (vgl. ; , 2000/15/0039, VwSlg 7653/F).
16Dabei kommt es entgegen der Ansicht in der Revision nicht darauf an, ob die Gutschrift auf einem Verrechnungskonto oder einem Kreditorenkonto verbucht wird, sondern ob der Geschäftsführer die Befugnis hat, die Auszahlung gutgeschriebener Beträge zu verfügen oder selbst durchzuführen (etwa weil er eine Zeichnungsberechtigung oder eine Bankvollmacht für ein Bankkonto der Gesellschaft hat). Wirtschaftliche Überlegungen, aus denen der Geschäftsführer die Auszahlung an sich nicht vorgenommen hat, sind dabei von keiner Bedeutung (vgl. , mwN).
17Soweit die Revision zur Frage der Verbuchung auf einem Verrechnungskonto das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes (richtig:) vom , 2002/13/0175, anführt, ist darauf hinzuweisen, dass in jenem Verfahren seitens der belangten Behörde lediglich auf den Lohnaufwand, der in der Buchhaltung erfasst war, verwiesen wurde, es aber keine Feststellungen gab, ob die betreffenden Beträge tatsächlich dem damaligen Beschwerdeführer auch zugeflossen oder zumindest als Verbindlichkeit der Gesellschaft gegenüber ihrem Geschäftsführer gutgeschrieben worden waren.
18Der zweite zuflussbegründende Fall betrifft einen Steuerpflichtigen, der gleichzeitig Mehrheitsgesellschafter jener GmbH ist, die sein Schuldner ist. Die Rechtsprechung nimmt in diesem Fall einen Zufluss auch bereits an, sobald die Forderung fällig ist, vorausgesetzt die GmbH ist nicht zahlungsunfähig (vgl. ; , 2002/13/0175). Für die Beurteilung der Zahlungsfähigkeit ist es dabei ausreichend, wenn der Kapitalgesellschaft die Kreditwürdigkeit zur Aufnahme von Fremdmitteln zukommt (vgl. ).
19Entscheidend für die Annahme eines Zuflusses von Gesellschafter-Geschäftsführerbezügen bereits mit deren Fälligkeit ist nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes das Vorliegen eines beherrschenden Einflusses des Gesellschafter-Geschäftsführers auf die schuldnerische Gesellschaft über deren Gesellschafterversammlung (vgl. ) und damit ein besonderes Naheverhältnis zwischen Gläubiger und Schuldner. Der Mehrheitsgesellschafter, der auch Gläubiger der Gesellschaft ist, hätte es sonst in der Hand, den Gewinn der Gesellschaft zu kürzen, ohne die entsprechenden Beträge selbst versteuern zu müssen (vgl. ).
20Aus welchen Umständen sich ein solcher beherrschender Einfluss auf die Gesellschaft ergibt, ist nicht wesentlich. Bei Fehlen einer eigenen Mehrheitsbeteiligung kann sich ein beherrschender Einfluss eines Gesellschafters und Gläubigers auch aus einem Naheverhältnis zu anderen Anteilsinhabern ergeben, womit sich insgesamt ein entsprechendes Stimmgewicht in der Gesellschafterversammlung ergibt (vgl. ).
21Für den vorliegenden Fall bedeutet dies Folgendes:
22Der Revisionswerber war im revisionsgegenständlichen Zeitraum indirekter Minderheitsgesellschafter der E-GmbH, wodurch die Judikatur zum Mehrheitsgesellschafter nicht zur Anwendung gelangen kann. Dass zwischen dem Revisionswerber und den anderen Gesellschaftern der C-GmbH ein auf andere Weise begründetes Naheverhältnis bestanden habe, das insgesamt zu einem entsprechenden Stimmgewicht in der Gesellschafterversammlung geführt hätte, wurde von der belangten Behörde nicht behauptet und ist im Verfahren auch nicht hervorgekommen.
23Darauf, dass der Revisionswerber als Geschäftsführer der E-GmbH während eines Teils des Streitjahres die Verfügungsmacht über die ihm gutgeschriebenen Beträge gehabt hätte und deshalb von einem Zufluss auszugehen wäre, hat sich das Bundesfinanzgericht nicht gestützt.
24Das Bundesfinanzgericht stützt sich vielmehr darauf, dass die Verfügungsbefugnis über die gutgeschriebenen Beträge deshalb vorgelegen sei, weil der Revisionswerber selbständig vertretungsbefugter Geschäftsführer der Muttergesellschaft gewesen ist und als solcher in Vertretung der Alleingesellschafterin der E-GmbH eine Weisung betreffend die Auszahlung der Beträge hätte erteilen können. Es kann dahingestellt bleiben, ob diesem Gedankengang zu folgen und die dargestellte Rechtsprechung auf den vorliegenden Fall übertragbar wäre, wenn der Revisionswerber Alleingesellschafter oder der einzige alleinvertretungsberechtigte Geschäftsführer der Alleingesellschafterin der schuldnerischen Gesellschaft gewesen wäre. Weder das eine noch das andere liegt im Revisionsfall vor, womit die aus seiner Stellung bei der Muttergesellschaft resultierenden Möglichkeiten des Revisionswerbers zur Einflussnahme auf die Geschäftsführung der EGmbH jedenfalls nicht ausreichten, um sie der Verfügungsmacht eines Geschäftsführers der schuldnerischen GmbH selbst gleichzuhalten.
25Das Bundesfinanzgericht hat somit die Rechtslage verkannt, weshalb das angefochtene Erkenntnis wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben war.
26Von der von der revisionswerbenden Partei beantragten Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 6 VwGG abgesehen werden.
27Die Kostenentscheidung stützt sich auf die § 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.
Wien, am
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ECLI: | ECLI:AT:VWGH:2020:RA2018130074.L00 |
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