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VwGH vom 20.01.2010, 2008/13/0042

VwGH vom 20.01.2010, 2008/13/0042

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hargassner und die Hofräte Dr. Fuchs und Dr. Pelant als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Unger, über die Beschwerde der L in G, vertreten durch Mag. Christian Pilz, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Tuchlauben 8, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Wien, als Finanzstrafbehörde zweiter Instanz vom , GZ. FSRV/0182-W/07, betreffend Ausübung unmittelbarer finanzstrafbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt durch Vorführung zur Einvernahme als Verdächtige am , zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von 1.286,40 EUR binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

In Entsprechung eines Vorführungsersuchens gemäß § 117 Abs. 2 FinStrG des Finanzamtes als Finanzstrafbehörde erster Instanz vom wurde die Beschwerdeführerin zur Vernehmung als Verdächtige in einem Finanzstrafverfahren beim Finanzamt am zwangsweise durch die Polizei vorgeführt. Lt. der "Niederschrift über die Vernehmung des Verdächtigen" vom , an der auch der Verteidiger der Beschwerdeführerin teilnahm, machte die Beschwerdeführerin dabei keine Angaben zu den an sie "zur Sache" gestellten Fragen.

Mit Bescheid vom leitete das Finanzamt sodann gegen die Beschwerdeführerin das Finanzstrafverfahren ein, weil der Verdacht bestehe, dass sie vorsätzlich

"1.) in Wahrnehmung der Angelegenheiten der Fa. H. Medizin GmbH. unter Verletzung der abgabenrechtlichen Offenlegungs- und Wahrheitspflicht gem. § 119 BAO, nämlich durch die Abgabe inhaltlich unrichtiger Steuererklärungen für 1997 bewirkt bzw, für 1999 zu bewirken versucht hat, dass Körperschaftsteuer 1997 in Höhe von S 162.490,-- (= EUR 11.808,--) verkürzt wurde sowie Umsatzsteuer für 1999 in Höhe von S 182.951,--

(= EUR 13.295,--) verkürzt werden sollte und

2.) in Wahrnehmung der Angelegenheiten der Fa. H. Verwaltungs GmbH. unter Verletzung der abgabenrechtlichen Offenlegungs- und Wahrheitspflicht gem. § 119 BAO, nämlich durch die Abgabe inhaltlich unrichtiger Steuererklärungen für 1997 bewirkt bzw. für 1999 zu bewirken versucht hat, dass Körperschaftsteuer für 1997 in Höhe von S 57.532,-- (= EUR 4.181,--) verkürzt wurde sowie Umsatzsteuer für 1999 in Höhe von

S 160.000,-- (= EUR 11,627,--) verkürzt werden sollte und hiermit die Finanzvergehen nach §§ 33 Abs. 1, 13 FinStrG

begangen hat."

Eine gegen den Einleitungsbescheid erhobene Administrativbeschwerde blieb erfolglos. Die gegen diese Beschwerdeentscheidung vom , GZ. FSRV/0181-W/07, an den Verwaltungsgerichtshof erhobene Beschwerde wurde mit dem hg. Erkenntnis vom , 2008/13/0057, als unbegründet abgewiesen.

Zur Vorführung vom erhob die Beschwerdeführerin mit dem am bei der belangten Behörde eingelangten Schriftsatz vom "Beschwerde wegen der Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt". Dieser Administrativbeschwerde (Maßnahmenbeschwerde) gab die belangte Behörde mit dem im gegenständlichen verwaltungsgerichtlichen Verfahren angefochtenen Bescheid keine Folge.

Nach einer Darstellung des Verfahrensganges führte die belangte Behörde im Erwägungsteil des angefochtenen Bescheides nach Gesetzeszitaten aus, mit Schreiben der Finanzbehörde erster Instanz vom betreffend Auskunftserteilung gemäß § 82 FinStrG sei gegenüber der Beschwerdeführerin der Verdacht auf Abgabenverkürzungen (§ 33 FinStrG), und zwar hinsichtlich Umsatzsteuer 1999 und Körperschaftsteuer 1997 und 1998 durch die Einreichung unrichtiger Steuererklärungen für die H. Verwaltungs GmbH und die H. Medizin GmbH, geäußert worden, wobei auf die Feststellungen in den Textziffern 20 der BP-Berichte vom (H. Verwaltungs GmbH) sowie vom (H. Medizin GmbH) verwiesen worden und die Beschwerdeführerin zur Stellungnahme bis zum aufgefordert worden sei.

Das Schreiben vom habe eine Verfolgungshandlung im Sinne des § 14 Abs. 3 FinStrG dargestellt, mit welcher die Beschwerdeführerin unter Hinweis auf die Feststellungen der angesprochenen Prüfungsberichte als Verdächtige eines bestimmten Finanzvergehens bezeichnet worden sei. Im Rahmen der schriftlichen Rechtfertigung vom habe sich die Beschwerdeführerin auch zu dieser konkreten Anschuldigung schriftlich geäußert, sodass davon ausgegangen werden könne, dass ihr der Tatvorwurf bekannt gewesen sei. Dem Vorbringen der Beschwerdeführerin, wonach die Veranlassung der "zwangsweisen Vorführung zur Verdächtigtenvernehmung" ohne konkreten Tatvorwurf erfolgt und somit der Bestimmung des § 117 Abs. 1 FinStrG zuwider gehandelt worden sei, könne somit nicht gefolgt werden. Auch aus dem Antrag der Beschwerdeführerin vom auf Einstellung der Erhebungen könne geschlossen werden, dass ihr die zur Last gelegte Tat bekannt gewesen sei.

Auch die Vorladung vom , mit der die Beschwerdeführerin für den vorgeladen worden sei, habe als Zweck der Vorladung den "Verdacht der Abgabenverkürzung (§ 33 FinStrG) in Wahrnehmung der Angelegenheiten der Fa. H. Verwaltungs GmbH (StNr. (xxx)/9557) sowie der Fa. H. Medizin GmbH (StNr. (xxx)/9532) betreffend Umsatzsteuer 1999 und Körperschaftsteuer 1997 und 1998" mit dem Hinweis auf die zugrunde liegenden Betriebsprüfungsberichte enthalten.

Wegen einer von der Beschwerdeführerin telefonisch vorgebrachten urlaubsbedingten Abwesenheit am sei unter Ladungsverzicht ein neuer Termin für den vereinbart worden. Zu diesem Termin sei die Beschwerdeführerin nicht erschienen und habe auch keine Gründe genannt, weshalb es ihr wegen Krankheit, Behinderung oder eines sonstigen begründeten Hindernisses im Sinne des § 117 Abs. 2 FinStrG nicht möglich gewesen wäre, zur Einvernahme als Verdächtige zu erscheinen (das von der Beschwerdeführerin ins Treffen geführte Schreiben vom , mit dem die Vollmachtserteilung an ihren nunmehrigen Vertreter bekannt gegeben und die Verlegung der "Tagsatzung" wegen eines Urlaubs vom bis beantragt worden sei, stelle keinen tauglichen Entschuldigungsgrund für das "Nichterscheinen der Bf. zu der von ihr selbst vereinbarten Verdächtigtenvernehmung am dar").

Mit Vorladung vom sei die Beschwerdeführerin neuerlich zur Vernehmung für den vorgeladen worden. Diese Vorladung habe auch im Sinne des § 117 Abs. 2 FinStrG den Hinweis enthalten, dass erforderlichenfalls die zwangsweise Vorführung veranlasst werde. Entgegen dem Vorbringen der Beschwerdeführerin sei die Vorladung gemäß § 56 Abs. 3 FinStrG i.V.m. § 103 BAO ungeachtet der Zustellvollmacht zu Recht der Beschwerdeführerin persönlich zugestellt worden. Aus dem Schreiben des Verteidigers vom , mit dem unter Verweis auf das Fehlen eines substanziellen Tatvorwurfes und auf "die nicht nachvollziehbare Vollständigkeit des Aktes" die Einstellung des Finanzstrafverfahrens beantragt worden sei, sei zudem ersichtlich, dass der Verteidiger ohnedies auch von dem Vorladungstermin am Kenntnis gehabt habe, "zumal er diese Vorladung als rechtsunwirksam bezeichnete". Gründe nach § 117 Abs. 2 FinStrG, welche die Beschwerdeführerin gehindert hätten, der unter Androhung der Vorführung persönlich zugestellten Ladung zu entsprechen, habe das Schreiben vom nicht enthalten. Die einseitige Erklärung des Verteidigers der Beschwerdeführerin, eine zugegangene Ladung als rechtsunwirksam zu erachten, könne die Anordnung der Behörde, zum Vorladungstermin persönlich zu erscheinen, nicht außer Kraft setzen. Die Anordnungsbefugnis der Finanzstrafbehörde erster Instanz zur Vorführung zur Verdächtigenvernehmung habe sich erst durch das "Nichterscheinen der Bf. zum Vorladungstermin am ergeben".

Die Konsequenz der beabsichtigten und unmittelbar bevorstehenden Vorführung gemäß § 117 Abs. 2 FinStrG sei der Beschwerdeführerin zu Handen ihres Verteidigers mit Schreiben der Finanzstrafbehörde erster Instanz vom ("dem Verteidiger per Fax zugestellt am 27. September, 09.52 Uhr") noch einmal mitgeteilt worden. In Kenntnis der bevorstehenden Vorführung gemäß § 117 Abs. 2 FinStrG wegen Nichtbefolgung des Vorladungstermines am habe es die Beschwerdeführerin in der Folge weiterhin unterlassen, ihr persönliches Erscheinen vor der Finanzstrafbehörde erster Instanz anzubieten bzw. einen eventuellen neuerlichen Vorladungstermin zu vereinbaren. Vielmehr seien in der Folge "in einem Antrag vom auf Einstellung der Erhebungen, in einem Befangenheitsantrag sowie in einer Dienstaufsichtsbeschwerde umfangreiche und auch in der gegenständlichen Beschwerde" aufgezeigte Verfahrensmängel bzw. Mängel in der Aktenführung behauptet worden, auf die aber nur insoweit einzugehen gewesen sei, als sie in Bezug auf die gegenständliche Maßnahmenbeschwerde Entscheidungsrelevanz hätten.

Der Beschwerdeführerin sei - wie erwähnt - mit Verfolgungshandlung gemäß § 14 Abs. 3 FinStrG vom die zur Last gelegte Tat konkret bekannt gegeben und auch "der Verdacht in Richtung Abgabenhinterziehung gemäß § 33 FinStrG dezidiert geäußert" worden.

Die Beschwerdeführerin habe der Ladung für den keine Folge geleistet, ohne durch Krankheit, Behinderung oder ein sonstiges begründetes Hindernis entscheidend abgehalten worden zu sein. Die Vorführung zur Vernehmung als Verdächtige am sei somit zu Recht erfolgt, zumal diese zur Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes, insbesondere zur Klärung der bestrittenen subjektiven Tatseite, geboten erschienen sei, "dies umso mehr, als das schriftliche Vorbringen der Bf. sich allein auf das Aufzeigen von Mängel in der Aktenführung bzw. von Verfahrensmängel beschränkte, jedoch nicht geeignet war, von vornherein das Vorliegen des Verdachtes einer Abgabenhinterziehung gemäß § 33 FinStrG zu beseitigen".

Da gemäß § 160 Abs. 2 FinStrG über Maßnahmenbeschwerden ohne mündliche Verhandlung zu entscheiden sei, habe dem Antrag der Beschwerdeführerin auf Durchführung einer öffentlichen Verhandlung nicht Folge geleistet werden können.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die dagegen erhobene Beschwerde nach Aktenvorlage und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:

Die Finanzstrafbehörde erster Instanz hat gemäß § 82 Abs. 1 FinStrG die ihr gemäß § 80 oder 81 zukommenden Verständigungen und Mitteilungen darauf zu prüfen, ob genügende Verdachtsgründe für die Einleitung eines Finanzstrafverfahrens gegeben sind. Die Prüfung ist nach den für die Feststellung des maßgebenden Sachverhaltes im Untersuchungsverfahren geltenden Bestimmungen vorzunehmen. Ergibt diese Prüfung, dass die Durchführung des Strafverfahrens nicht in die Zuständigkeit des Gerichtes fällt, so hat die Finanzstrafbehörde erster Instanz nach Abs. 3 leg. cit. das Strafverfahren einzuleiten. Für die Einleitung des Finanzstrafverfahrens genügt es, wenn gegen den Verdächtigen genügend Verdachtsgründe vorliegen, die die Annahme rechtfertigen, dass er als Täter eines Finanzvergehens in Frage kommt. Es geht bei der Prüfung, ob tatsächlich genügend Verdachtsgründe im Sinne des § 82 Abs. 1 FinStrG für die Einleitung des Finanzstrafverfahrens gegeben sind, nicht darum, schon jetzt die Ergebnisse des förmlichen Finanzstrafverfahrens gleichsam vorwegzunehmen, sondern lediglich darum, ob die bisher der Finanzstrafbehörde zugekommenen Mitteilungen für einen Verdacht ausreichen oder nicht (vgl. aus der ständigen Rechtsprechung etwa die hg. Erkenntnisse vom , 2007/15/0228, vom , 2008/15/0011, und vom , 2007/15/0142).

Nach der für das Untersuchungsverfahren geltenden Bestimmung des § 117 Abs. 2 FinStrG kann ein Beschuldigter, der einer Vorladung, mit der sein persönliches Erscheinen ausdrücklich gefordert wurde, nicht entsprochen hat, ohne durch Krankheit, Behinderung oder ein sonstiges begründetes Hindernis am Erscheinen abgehalten zu sein, zwangsweise vorgeführt werden, wenn dies zur Feststellung des maßgebenden Sachverhaltes (§ 115) geboten ist.

Im Beschwerdefall wurde die Beschwerdeführerin bereits im Rahmen der Prüfung des maßgeblichen Sachverhaltes hinsichtlich des Vorliegens genügender Verdachtsgründe für die Einleitung eines Finanzstrafverfahrens nach § 82 Abs. 1 FinStrG unter Anwendung der Bestimmung des § 117 Abs. 2 FinStrG zwangsweise vorgeführt. Dass dies auch im Sinne dieser Bestimmung zur Feststellung des maßgebenden Sachverhaltes geboten gewesen wäre, wird im angefochtenen Bescheid mit der "Klärung der bestrittenen subjektiven Tatseite" begründet, "dies umso mehr, als" das schriftliche Vorbringen der Beschwerdeführerin nicht geeignet gewesen sei, von vornherein das Vorliegen des Verdachtes einer Abgabenhinterziehung gemäß § 33 FinStrG zu beseitigen.

Waren aber auf Grund der Aktenlage (auch des schriftlichen Vorbringens der Beschwerdeführerin) die Verdachtsmomente hinsichtlich der zur Last gelegten Abgabenhinterziehung nicht ausgeräumt (oder widerlegt, vgl. dazu etwa das hg. Erkenntnis vom , 98/13/0160), ist nicht erkennbar, weshalb nicht bereits deshalb ein Sachverhalt vorlag, der zur Einleitung des Finanzstrafverfahrens nach § 82 FinStrG genügte. Weshalb die - auch einen Eingriff in die persönliche Freiheit darstellende - zwangsweise Vorführung der Beschwerdeführerin zur Vernehmung am im Sinne des § 117 Abs. 2 FinStrG dennoch geboten gewesen sein sollte, wird damit im angefochtenen Bescheid nicht tauglich begründet.

Der angefochtene Bescheid war damit bereits deshalb wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben, ohne dass auf das Beschwerdevorbringen weiter einzugehen war. Soweit die Beschwerde auch verfassungsrechtliche Fragen berührt, ist auf die insoweit nicht gegebene Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. Art. 133 Z 1 B-VG) und im Übrigen auch auf den Ablehnungsbeschluss des Verfassungsgerichtshofes vom , B 324/08, zu der an ihn erhobenen (Parallel ) Beschwerde gegen den angefochtenen Bescheid hinzuweisen. Von der Durchführung der vor dem Verwaltungsgerichtshof beantragten Verhandlung konnte nach § 39 Abs. 2 Z 6 VwGG Abstand genommen werden, zumal mit dem angefochtenen Bescheid auch (noch) nicht über die "Stichhaltigkeit" einer Anklage i.S. des Art. 6 MRK entschieden wurde.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455. Die Abweisung des Mehrbegehrens betrifft den über den Pauschbetrag für Schriftsatzaufwand lt. dieser Verordnung (§ 1 Abs. 1 Z 1 lit. a) hinausgehenden Mehrbetrag und die Umsatzsteuer, die in dieser Schriftsatzpauschale ebenfalls bereits enthalten ist.

Wien, am