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VwGH vom 27.06.2012, 2008/13/0038

VwGH vom 27.06.2012, 2008/13/0038

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Heinzl und die Hofräte Dr. Fuchs, Dr. Nowakowski, Dr. Mairinger und Mag. Novak als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Farcas, über die Beschwerde der D GmbH in W, vertreten durch Legenstein Partner Steuerberatungs KG in 2351 Wiener Neudorf, Brown Boveri Straße 8/9, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Wien, vom , Zl. RV/1464-W/02, miterledigt RV/1463- W/02, betreffend Umsatzsteuer 1995 und 1996, Körperschaftsteuer 1994 bis 1996 sowie Haftungsbescheid hinsichtlich Kapitalertragsteuer bis , zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird insoweit, als damit über Körperschaftsteuer und Kapitalertragsteuer entschieden wurde, wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Im Übrigen (Umsatzsteuer) wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.286,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Kostenmehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Die beschwerdeführende GmbH befasst sich mit der Verwertung von Liegenschaften. Am wurden in einer von ihrem Geschäftsführer verkauften Wohnung, mit deren Sanierung die Beschwerdeführerin von der Käuferin beauftragt worden war, zwei nicht angemeldete ausländische Arbeitskräfte angetroffen. Mit erstinstanzlichem Straferkenntnis des Magistrates der Stadt Wien vom wurde dem Geschäftsführer der Beschwerdeführerin zur Last gelegt, er habe als Vertreter der Beschwerdeführerin zu verantworten, dass diese als Auftraggeberin der Arbeiten fungiert habe, in deren Rahmen die beiden Arbeitskräfte unter Verstoß gegen das Ausländerbeschäftigungsgesetz beschäftigt worden seien. Mit Berufungsbescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom wurde dieses Strafverfahren eingestellt, weil die Berufungsbehörde auf Grund von Zeugenaussagen zu der Ansicht gelangte, die Beschwerdeführerin sei nicht als Auftraggeber eines Beschäftigers der beiden Arbeitskräfte, sondern selbst als deren Beschäftiger involviert gewesen und diesbezüglich sei Verjährung eingetreten.

Von September 1998 bis Februar 1999 fand bei der Beschwerdeführerin eine die Jahre 1994 bis 1996 betreffende Buch- und Betriebsprüfung statt. Im Bericht darüber vom wurde im Anschluss an eine Wiedergabe von Inhalten der Berufungsentscheidung vom die Auffassung vertreten, die Geschäftsbeziehungen der Beschwerdeführerin zu insgesamt neun ihrer Auftragnehmer seien nur zum Schein unterhalten und die der Beschwerdeführerin jeweils in Rechnung gestellten Arbeiten von Arbeitskräften erbracht worden, die von der Beschwerdeführerin selbst illegal beschäftigt worden seien. Die geltend gemachten Vorsteuern aus den Rechnungen dieser - meist in zeitlicher Nähe zur Rechnungslegung insolvent gewordenen - Auftragnehmer seien daher nicht anzuerkennen, der tatsächliche Aufwand der Beschwerdeführerin für die Entlohnung der Arbeitskräfte sei mit 50 % der verbuchten Nettoaufwendungen anzusetzen und die Differenz stelle eine verdeckte Ausschüttung an die Gesellschafter dar.

Auf der Grundlage dieses Berichtes erließ das Finanzamt einen Haftungsbescheid hinsichtlich Kapitalertragsteuer für den Prüfungszeitraum und (nach Wiederaufnahme der Verfahren) Bescheide über Umsatzsteuer 1995 und 1996 sowie Körperschaftsteuer 1994 bis 1996.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufungen der Beschwerdeführerin gegen diese Bescheide als unbegründet ab.

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Akten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen hat:

1. Umsatzsteuer:

Die belangte Behörde hat den auf der Grundlage von Rechnungen der neun strittigen Auftragnehmer geltend gemachten Vorsteuern die Anerkennung nicht nur im Hinblick auf die Annahme bloß zum Schein unterhaltener Geschäftsbeziehungen, sondern u.a. auch deshalb versagt, weil in allen strittigen Rechnungen die Angabe des Leistungszeitraums (§ 11 Abs. 1 Z 4 UStG 1994) gefehlt habe.

Diesem Argument begegnet die Beschwerde nur mit dem allgemein gehaltenen Hinweis, bei "einem Großteil der angesprochenen Fakturen" gebe es von der belangten Behörde eingesehene "bzw." im Prüfakt aufliegende Rahmenverträge, die "auch ein Zeitgerüst hinsichtlich der Erbringung der geforderten Leistungen beinhalten". Die belangte Behörde sei "nie positiv darauf eingegangen".

Mit diesem pauschalen Hinweis ohne konkrete Bezugnahme auch nur auf einen einzigen Rahmenvertrag und eine einzige Rechnung, in der etwa auf einen solchen Vertrag als "anderen Beleg" im Sinne des § 11 Abs. 2 UStG 1994 hingewiesen worden sei, wird das im Übrigen nicht bestrittene, für die angefochtene Entscheidung in diesem Punkt ausreichende Argument der belangten Behörde, die strittigen Rechnungen hätten keine Angabe des Leistungszeitraums enthalten, nicht entkräftet und weder ein relevanter Verfahrensmangel noch eine inhaltliche Rechtswidrigkeit aufgezeigt.

In Bezug auf die Entscheidung über die Umsatzsteuer war die Beschwerde schon deshalb und ohne Auseinandersetzung mit den übrigen von der belangten Behörde angenommenen Rechnungsmängeln gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

2. Körperschaft- und Kapitalertragsteuer:

Die belangte Behörde ist in ihren durch wechselnde Abkürzungen ohne Abkürzungsverzeichnis und Vermischung der Ausführungen zur Körperschaftsteuer mit denen zur Umsatzsteuer gekennzeichneten Erwägungen (Seite 39 bis 80 des angefochtenen Bescheides) dem Ansatz der Betriebsprüferin gefolgt, aus den Geschäftsbeziehungen der Beschwerdeführerin eine Gruppe behaupteter Auftragnehmer herauszufiltern, zu denen die Geschäftsbeziehungen - im Gegensatz zu denen mit anderen Auftragnehmern - nur zum Schein unterhalten worden seien. Die als solche nicht strittigen Leistungen hätten in diesen Fällen von der Beschwerdeführerin selbst illegal beschäftigte, unbekannte Arbeitskräfte erbracht und die Rechnungen der behaupteten Auftragnehmer seien "Scheinfakturen bzw. Deckungsrechnungen zur Verschleierung von Schwarzarbeitereinsätzen".

Diesen Annahmen liegt als Ausgangspunkt zugrunde, dass einer der beiden am angetroffenen ausländischen Arbeiter gegenüber dem Meldungsleger sinngemäß angab, er sei vom

Geschäftsführer der Beschwerdeführerin "angestellt" worden. Der Geschäftsführer der Beschwerdeführerin erklärte bei seiner späteren Einvernahme, mit der Sanierung der betreffenden Wohnung sei im Frühjahr 1996 die S. GmbH beauftragt worden, deren Geschäftsführer für ihn seit Juli 1996 aber nicht mehr erreichbar gewesen sei. Stattdessen habe "sein offensichtlicher Vertreter" Milic P. die Geschäfte und Arbeiten weitergeführt und ihm auch "die Neugründung einer eigenen Firma", nämlich der B. KEG, "belegt".

Die B. KEG, deren Eintragung ins Firmenbuch nach Abschluss des aktenkundigen Gesellschaftsvertrages mangels Entlohnung des beauftragten Rechtsanwaltes nicht zustande kam, und die S. GmbH sind zwei der neun strittigen Auftragnehmer, wobei die strittigen Rechnungen des Jahres 1996 (im Fall der S. GmbH ist auch eine des Jahres 1995 streitgegenständlich) aber zu einem überwiegenden Teil nicht die Wohnungssanierung betreffen, auf die sich die Amtshandlung am bezog.

Bei einer dritten das Jahr 1996 betreffenden Auftragnehmerin, der FH. GmbH, bei zwei das Jahr 1995 betreffenden Auftragnehmerinnen, der GI. GmbH und der PSM. GmbH, und bei einer das Jahr 1994 betreffenden Auftragnehmerin, der Si. GmbH, wurden Barzahlungen von Milic P. quittiert. Bei den drei übrigen, im Vergleich zu den zuletzt genannten mit erheblich höheren Beträgen involvierten Auftragnehmerinnen, der PM. GmbH und der AB. GmbH (jeweils 1995) sowie der MB. GmbH (1994), wurde dies nicht festgestellt. Die Gemeinsamkeit aller dieser behaupteten Vertragspartner - mit Ausnahme der von Milic P. und einem Mitgesellschafter gegründeten, aber nie eingetragenen B. KEG - besteht aus der Sicht der belangten Behörde, abgesehen von der zum Teil auch gegebenen Verbindung durch Milic P., vor allem darin, dass diese zunächst jeweils eingetragenen Gesellschaften mit beschränkter Haftung meist in zeitlicher Nähe zu den strittigen Rechnungen zahlungsunfähig wurden oder geworden waren und auch nicht über die für die Arbeiten erforderliche Zahl (angemeldeter) Arbeitnehmer verfügten. Die Häufung dieser Fälle, so die belangte Behörde, spreche nach dem "allgemeinen menschlichen Erfahrungsgut" dagegen, dass mit diesen behaupteten Auftragnehmern "reelle Geschäfte" gemacht worden seien.

Die daraus abgeleitete, der Entscheidung über Körperschaft- und Kapitalertragsteuer zugrundeliegende Annahme, es seien illegal beschäftigte Arbeitnehmer der Beschwerdeführerin selbst und nicht etwa ihrer behaupteten Auftragnehmer gewesen, die in diesen Fällen jeweils die Arbeit verrichtet hätten, lässt sich nicht darauf gründen, dass es den behaupteten Auftragnehmern an (angemeldeten) Arbeitskräften fehlte, weil dies nach den Annahmen der belangten Behörde auch auf die Beschwerdeführerin zutraf, und hätte trotz der Amtshandlung im August 1996, auf die sich die belangte Behörde vor allem stützte, eine Auseinandersetzung mit den von der Beschwerdeführerin unter Beweis gestellten Zahlungsflüssen erfordert. Im Fall der nicht zur Eintragung gekommenen B. KEG (nach Ansicht der belangten Behörde eine "offensichtliche Scheinfirma"), an die auch mittels Verrechnungsschecks gezahlt wurde, hat die belangte Behörde ausgeführt, die "diesbezüglichen Zahlungen" seien solche "an die Schwarzarbeiter" gewesen, die "gemäß UVS und auch nach Ansicht des UFS der Bw. zuzurechnen sind", und ein allenfalls auf den Namen der KEG lautendes Bankkonto ändere nichts an deren Nichtexistenz mangels Eintragung (Seite 45 und 47 des angefochtenen Bescheides). Auch zur FH. GmbH, GI. GmbH, Si. GmbH und PSM. GmbH, bei denen Milic P. Zahlungen der Beschwerdeführerin quittierte, führte die belangte Behörde aus, es habe sich "bei gegenständlichen Aufwendungen um von der Bw. an von ihr eingestellte Schwarzarbeiter gezahlte 'Schwarzarbeiterlöhne'" gehandelt (Seite 52 und 53 des Bescheides). Zur S. GmbH heißt es im angefochtenen Bescheid (Seite 56), es sei "auch hinsichtlich der bezüglich der Fa. S vorliegenden Aufwendungen offenkundig Barzahlung" erfolgt, was mit der auch hier wiederholten Annahme, es seien "die Schwarzarbeiter direkt von der Bw. eingestellt worden", in diesem Fall nicht ausdrücklich in Beziehung gebracht wird. Bar erfolgten nach den Feststellungen der belangten Behörde auch "die Zahlungen" an den Geschäftsführer der PM. GmbH im Rahmen der zu dieser Gesellschaft unterhaltenen "Scheinfirmen-Beziehung" (Seite 58). Wie sich die Gesamtheit dieser Zahlungsflüsse mit der Annahme vereinbaren lässt, die als solche unstrittigen Leistungen seien nicht von den behaupteten Auftragnehmern erbracht worden und ein Leistungsaustausch mit diesen habe nicht stattgefunden, ist dem angefochtenen Bescheid ebenso wenig zu entnehmen wie der Grund für ihre Vereinbarkeit mit der nachfolgenden Schätzung des "Lohnaufwandes der Schwarzarbeiter" der Beschwerdeführerin mit der Hälfte des geltend gemachten "Fremdleistungsnettoaufwandes". Dem angefochtenen Bescheid ist im Besonderen nicht entnehmbar, dass die (zum Teil auch unbaren) Zahlungen nach Meinung der belangten Behörde in Wahrheit gar nicht stattgefunden hätten, sie nur einen Bruchteil der Rechnungsbeträge ausgemacht hätten oder Rückflüsse der an Milic P. und andere Zahlungsempfänger geleisteten Beträge an die Beschwerdeführerin angenommen worden seien.

Davon abgesehen sind die Schlüsse der belangten Behörde von der in einer Anzeige erwähnten Äußerung eines ausländischen Arbeiters am und der Nichteintragung der von Milic P. mit einem Mitgesellschafter gegründeten KEG auf das Vorliegen bloß zum Schein unterhaltener Geschäftsbeziehungen mit den neun strittigen Auftragnehmern aber schon deshalb nicht ausreichend nachvollziehbar, weil die dabei auch tragenden Ausführungen der belangten Behörde über die Verhältnisse einzelner dieser Auftragnehmer in Bezug auf jedes der drei strittigen Jahre zu widersprüchlich sind.

So wird etwa zur MB. GmbH (1994) ausgeführt, es sei "laut Handelsgerichtsbeschluss vom der Beschluss der Konkursabweisung mangels Vermögens sowie die Auflösung der Gesellschaft beschlossen" worden und "somit" habe es sich "bereits zum um eine aufgelöste Gesellschaft" gehandelt, wobei aus dem Vorbringen der Beschwerdeführerin, dies sei erst am eingetragen worden, "nichts gewonnen werden" könne. Daraus wird abgeleitet, "laut Ansicht des UFS" habe es sich "zur Zeit der Rechnungsausstellungen" - die zum Teil aber im Zeitraum Juli bis September 1994 erfolgten - um eine schon "rechtlich nicht mehr existente, bzw. (auch offiziell) nicht mehr tätige" Firma gehandelt (Seite 54 des Bescheides).

Zur AB. GmbH (1995) wird zunächst der Aktenlage folgend referiert, mit Gerichtsbeschluss vom sei der Konkurs eröffnet und mit Gerichtsbeschluss vom sei er mangels Kostendeckung aufgehoben worden. Dazu wird auch aus einem Bericht des Masseverwalters zitiert (Seite 10). In den Erwägungen heißt es, ein Großteil der strittigen Rechnungen (die aus den Monaten Mai bis Oktober 1995 stammen) sei "nach Konkurseröffnung bzw. Konkursabweisung mangels Vermögens ausgestellt" und es sei "nicht einmal ein Masseverwalter bestellt", sondern die Firma "sofort im Firmenbuch gelöscht" worden "nach Konkursabweisung mangels Vermögens" (Seite 59; auf Seite 60 kommt wieder der Masseverwalter vor).

Bei der S. GmbH (1995 und 1996) habe das Finanzamt schon am die Löschung im Firmenbuch beantragt. Sowohl dieser Antrag "als auch der vom " seien vom Handelsgericht abgewiesen worden, "da die Vermögenslosigkeit der Firma nicht nachgewiesen werden konnte. Erst der Antrag vom war erfolgreich" (Seite 9). In den Erwägungen wird zunächst hervorgehoben, alle berufungsgegenständlichen Rechnungen seien nach dem ersten Löschungsantrag des Finanzamtes ausgestellt worden, wobei auf das Schicksal dieses Antrags nicht eingegangen wird (Seite 56). Auf der nächsten Seite zieht die belangte Behörde den Schluss, "dass auch hinsichtlich der Firma S GmbH lediglich Scheingeschäfte berufungsanhängig sind, da die Fakturen bereits nach dem Beschluss der Abweisung des Konkursantrages mangels Vermögens der Firma ausgestellt wurden". Aus der Abweisung eines Löschungsantrages, weil die Vermögenslosigkeit nicht erwiesen sei, wird so die Abweisung eines Konkursantrages, weil Vermögenslosigkeit vorliege.

Ein Bescheid, der in Bezug auf den zugrunde gelegten Sachverhalt so gravierende Begründungsmängel aufweist, hält der Schlüssigkeitsprüfung durch den Verwaltungsgerichtshof nicht stand, weshalb der angefochtene Bescheid insoweit, als er auf der Annahme bloß zum Schein unterhaltener Geschäftsbeziehungen beruht, gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben war.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008. Das Mehrbegehren findet in diesen Vorschriften keine Deckung.

Wien, am