VwGH vom 25.04.2013, 2010/15/0118
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höfinger sowie Senatspräsident Dr. Zorn, Hofrätin Dr. Büsser und Hofräte MMag. Maislinger und Mag. Novak als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Zaunbauer, über die Beschwerde des Finanzamtes Innsbruck gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Innsbruck, vom , Zl. RV/0602-I/08, betreffend u.a. Körperschaftsteuer 2004 bis 2006 (mitbeteiligte Partei: H GmbH, I), zu Recht erkannt:
Spruch
Soweit der angefochtene Bescheid Körperschaftsteuer 2004 bis 2006 betrifft, wird er wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Begründung
Die mitbeteiligte Partei ist eine GmbH. Sie betreibt zwei, einander gegenüberliegende Selbstbedienungstankstellen an einer stark frequentierten Transitroute. Die zweite dieser Tankstellen hat sie erst mit Kaufvertrag vom um den Gesamtkaufpreis von 1.772.000 EUR erworben.
Im genannten Kaufvertrag wurde festgehalten, dass der Kaufpreis zu einem Anteil von 252.000 EUR auf Grund und Boden, einem Anteil von 597.000 EUR auf abnutzbare Wirtschaftsgüter und einem Anteil von 950.000 EUR auf "Goodwill" entfalle. Im Kaufvertrag wurde auch geregelt, dass der Verkäuferin ein Rückkaufsrecht zustehe, wobei bei einem allfälligen Rückkauf wiederrum der "Goodwill" abzulösen sei. Dabei sei der Preis für den "Goodwill" auch künftighin in Abhängigkeit vom Literumsatz der Tankstelle zu berechnen.
Die Mitbeteiligte aktivierte in der Handelsbilanz zum den "Goodwill" mit 950.000 EUR und schrieb ihn unter Zugrundelegung einer Nutzungsdauer von zehn Jahren ab. Für Zwecke der Ermittlung des steuerlichen Gewinnes legte sie eine Nutzungsdauer von 15 Jahren zu Grunde und nahm entsprechende außerbilanzmäßige Korrekturen vor.
Im Zuge einer bei der Mitbeteiligten durchgeführten abgabenbehördlichen Prüfung vertrat der Prüfer die Auffassung, der mit dem Kaufpreis abgegoltene Mehrwert ("Goodwill") sei laut Vertrag vom erzielten Treibstoffliterumsatz abhängig. Dieser Umsatz eines Selbstbedienungstankstellenbetriebes sei wiederum von der örtlichen Lage abhängig. Einziges Kriterium für die Bezahlung eines Mehrwertes sei die gute Lage, also der Standort des Tankstellenbetriebes. Der Standort eines Unternehmens finde aber im Wert des Grund und Bodens seinen Niederschlag, nicht hingegen im Firmenwert. Die Mitbeteiligte habe Umstände, die auf einen Firmenwert schließen ließen, wie Kundenstock, Auftragsbestand oder besondere Qualität der Belegschaft, nicht nachweisen können.
Bei Erlassung der Körperschaftssteuerbescheide 2003 bis 2006 folgte das Finanzamt der Ansicht des Prüfers.
In der Berufung gegen diese Bescheide brachte die Mitbeteiligte vor, der Firmenwert ("Goodwill") ergebe sich u. a. aus dem guten Ruf des Unternehmens, aus dem Bekanntheitsgrad der Firma, dem Kundenstock, den guten Geschäftsbeziehungen, den Lieferantenkontakten, der Qualität der Mitarbeiter, der innerbetrieblichen Organisation, etc. Die Lage des Unternehmens könne den Firmenwert erhöhen, wobei hier jedoch eine Abgrenzung zum Wert von Gebäuden, Grund und Boden vorzunehmen sei. Im gegenständlichen Fall lägen die firmenwertbestimmenden Faktoren bei der Übernahme einer bestehenden Tankstelle im guten Ruf und im Kundenstock, im Bekanntheitsgrad einer Tankstelle der betreffenden Treibstoffmarke bzw. in dieser Marke und dem Markenauftritt.
Der Betriebsprüfer nahm zur Berufung Stellung und verwies dabei darauf, dass die Mitbeteiligte Lieferscheinkunden bloß in vernachlässigbarer Größenordnung betreue. Die gegenständliche Tankstelle befinde sich nicht auf einer Schwerverkehr-Transitroute, somit seien auch Umsätze mit internationalen Tankkarten, welche im Frächtergewerbe als Zahlungsmöglichkeit Verwendung fänden, von untergeordneter Bedeutung. Der Bekanntheitsgrad sei im gegenständlichen Fall ein vernachlässigbarer Faktor. Die Mitbeteiligte habe keine Marke erworben, die Marke verbleibe vielmehr beim Konzern der betreffenden Mineralölfirma, welche der Mitbeteiligten für den Treibstoffverkauf an der Tankstelle Provisionen gutschreibe. Logistik, Belieferung und Preisgestaltung an der in Rede stehenden Tankstelle seien allgemein "betriebsüblich" und begründeten keinen Firmenwert.
Mit dem angefochtenen Bescheid entschied die belangte Behörde über die Berufung. Sie anerkannte, dass der im Kaufvertrag vom ausgewiesene Betrag von 950.000 EUR die Anschaffungskosten eines - auf den Zeitraum vom 15 Jahren abzuschreibenden - Firmenwertes darstellte. Im Hinblick auf den Kauf der Tankstelle zum anerkannte sie jedoch Abschreibungen erst ab dem Jahre 2004.
Zur Begründung führte die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid aus, der Prüfer habe im Prüfungsbericht festgehalten, dass firmenwertbegründende Umstände, wie Kundenstock, Auftragsbestand oder Qualität der Belegschaft im gegenständlichen Fall nicht hätten nachgewiesen werden können. Der Kundenstock könne sich nicht in einem Firmenwert niederschlagen, weil sich der Kundenstock einer Selbstbedienungstankstelle nur aus der Lage ergebe. Der Betrieb liege an einer Urlaubertransitstrecke. Auftragsbestände lägen bei einem Tankstellenbetrieb nicht vor. Die Qualität des Personals bzw. die Betreuung der Kunden durch das Personal sei bei einer Selbstbedienungstankstelle von untergeordneter Bedeutung. Das Personal - es bestehe nur aus einer Kassiererin - sei nicht in der Lage, den Kunden beim Betanken, Warten des Kfz oder Einkaufen im Shop zu betreuen. Nach Ansicht des Prüfers seien daher die als Firmenwertabschreibung gewinnmindernd abgesetzten Beträge (2003: 31.666,64 EUR; 2004:
79.166,64 EUR; 2005: 63.333,27 EUR) zu stornieren. Die Mitbeteiligte habe in der Berufung vorgebracht, die Ansicht der Außenprüfung, wonach der Treibstoffumsatz allein den Mehrwert bestimmt habe, sei nicht zutreffend. Die Geschäftsführung und damit die persönliche Firmenwertkomponente (persönliche unternehmerische Fähigkeit und Leistung des Rechtsvorgängers) stellten bei einer Tankstelle die überwiegend den Firmenwert bestimmenden Faktoren dar. Die Zuordnung des Firmenwertes zum nichtabnutzbaren Grund und Boden sei daher nicht korrekt, die Vornahme einer Abschreibung somit gerechtfertigt.
In Punkt VI. des Kaufvertrages vom sei dem Verkäufer der Tankstelle das Recht des Wiederkaufs gemäß § 1068 ABGB bis zum eingeräumt worden. Als Wiederkaufspreis sei ein Betrag vereinbart worden, der sich wie folgt zusammensetze: 225.000 EUR zuzüglich 4 % p.a. Zinsen für die Liegenschaft und zusätzlich ein Betrag in Höhe des Buchwertes der sonstigen vorhandenen Wirtschaftsgüter. Außerdem sei ein "Goodwill" zu bezahlen, wobei dieser durch die Multiplikation einer durchschnittlichen Treibstoff-Jahresverkaufsmenge mit einem bestimmten Eurocent-Betrag festgelegt werde.
Firmenwert sei jener Wert des Betriebes, der nicht den einzelnen betrieblich eingesetzten Wirtschaftsgütern zugeordnet werden könne, sondern sich als Mehrwert über den Substanzwert der einzelnen materiellen und immateriellen Wirtschaftsgüter ergebe. Die Lage des Unternehmens könne den Firmenwert erhöhen, wobei jedoch eine Abgrenzung zum Wert von Grund und Boden sowie Gebäuden etc. vorzunehmen sei.
Der Verwaltungsgerichtshof habe in seiner Rechtsprechung mehrfach zum Ausdruck gebracht, dass der gute Standort eines Betriebes seinen wertmäßigen Niederschlag regelmäßig nicht im Firmenwert, sondern im Wert des dem Betrieb dienenden Grund und Bodens finde. Nach der davon abweichenden und überzeugenden Ansicht der Literatur könne der Standort allerdings ausnahmsweise dann Teil des Firmenwertes sein, wenn der Vorteil nicht bereits Verkehrsgeltung habe und sich deshalb im Wert des Grund und Bodens nicht niederschlage, sondern Teil der Unternehmensplanung oder betriebsspezifisch sei, wie zum Beispiel der Standortvorteil einer Blumenhandlung bei einem Friedhof (Hinweis auf Doralt, EStG,§ 8 Tz 49; Jakom, EStG,§ 8 Tz 47; Bertl/Fraberger, RWZ 1998, 270).
Der Rechtsansicht, wonach der Standortvorteil eines Unternehmens zum Wert des Grund und Bodens und nicht zum Firmenwert gehöre, folge die belangte Behörde nicht. Dafür sprächen gerade auch die Ausführungen des Verwaltungsgerichtshofes in dem (dennoch nicht spannungsfreien) Erkenntnis vom , 92/14/0048, zum EStG 1972, wonach die Konkurrenzsituation im Falle von Supermärkten bzw. auf deren Areal befindlichen Tankstellen in der Regel die Geschäftsführung und damit die persönliche Firmenwertkomponente zum werbestimmenden Faktor mache.
Die Vornahme einer AfA im Sinne des § 8 Abs. 3 EStG 1988 sei daher im gegenständlichen Fall zulässig. Die AfA betrage in den Jahren 2004 bis 2006 jeweils 63.333,27 EUR. Im Hinblick auf die erst mit erfolgte Inbetriebnahme der Tankstelle sei für das Jahr 2003 keine Abschreibung des Firmenwertes vorzunehmen.
Gegen diesen Bescheid wendet sich die Beschwerde des Finanzamtes. Das Finanzamt ficht den Bescheid insoweit an, als er für den Kaufpreisanteil von 950.000 EUR eine Firmenwertabschreibung anerkennt. Die Anfechtung umfasst sohin den angefochtenen Bescheid nur insoweit, als er über Körperschaftsteuer 2004 bis 2006 abspricht.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Beim Erwerb eines Betriebes kommt ein Firmenwert zum Ansatz, soweit der Kaufpreis (einschließlich der vom Käufer übernommenen Lasten) den Teilwert der (anderen) erworbenen Aktiva des Betriebes übersteigt (vgl. das hg. Erkenntnis vom , 2004/13/0148). Wie die Vertragsparteien des Kaufvertrages den Gesamtkaufpreis auf die einzelnen Komponenten aufteilen, bindet dabei die Behörde nicht.
Die Ermittlung des Firmenwertes erfolgt durch eine Differenzrechnung: Soweit der Kaufpreis für das Unternehmen die Teilwerte der einzelnen Wirtschaftsgüter übersteigt ergibt sich als Unterschied der Firmenwert (vgl. Doralt/Mayr, EStG14, § 6 Tz 397; Doralt, EStG12, § 8 Tz 42). Dabei wird die gute Lage einer Liegenschaft insofern zu berücksichtigen sein, als sie sich in einem erhöhten Verkehrswert niederschlägt (vgl. das hg. Erkenntnis vom , 88/13/0099).
Gemäß § 6 Z 1 EStG 1988 gilt der Firmenwert bei Gewerbetreibenden - im Unterschied zur Rechtslage des EStG 1972 (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom , 92/14/0048) - stets als abnutzbar.
Welche Wirtschaftsgüter die Mitbeteiligte mit dem Kaufvertrag vom erworben hat, wie sich der Kaufpreis auf die einzelnen Wirtschaftsgüter verteilt und ob ein Kaufpreisanteil bzw. gegebenenfalls welcher Anteil des Kaufpreises auf einen Firmenwert entfällt, ist eine Tatfrage. Der Verweis auf allgemeine Ausführungen in Literaturbeiträgen kann die Sachverhaltsfeststellung nicht ersetzen.
Mangels entsprechender Feststellungen über den Wert der einzelnen, im Unternehmenskauf erworbenen Wirtschaftsgüter (auch des Bodens) ist es für den Verwaltungsgerichtshof nicht nachprüfbar, ob ein Teil des Kaufpreises auf einen Firmenwert entfällt. Ein Firmenwert wäre gemäß § 6 Z 1 EStG 1988 jedenfalls abnutzbar.
Der angefochtene Bescheid ist somit, weil es ihm an den erforderlichen Sachverhaltsfeststellungen mangelt, mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften belastet. Er war daher - im Anfechtungsumfang, also hinsichtlich Körperschaftssteuer 2004 bis 2006 - gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 VwGG aufzuheben.
Wien, am