VwGH vom 30.05.2012, 2008/13/0035

VwGH vom 30.05.2012, 2008/13/0035

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Heinzl und die Hofräte Dr. Fuchs, Dr. Nowakowski, Dr. Mairinger und Mag. Novak als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Farcas, über die Beschwerde der H in W, vertreten durch Mag. Benedikt Suhsmann, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Helferstorferstraße 4/12, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Wien, vom , Zl. RV/3117-W/07, betreffend Rückzahlung gemäß § 239 BAO und Abrechnung, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin stellte am den - in den vorgelegten Akten nicht enthaltenen - Antrag auf Rückzahlung eines auf ihrem Steuerkonto X entstandenen Guthabens. Das Finanzamt wies diesen Antrag mit Bescheid vom ab und führte dazu aus, das Guthaben sei "gemäß § 215 Abs. 1 der Bundesabgabenordnung zur (teilweisen) Tilgung Ihrer anderen Abgabenschuldigkeiten zu verwenden. Auf die Ihnen zugegangene Buchungsmitteilung wird verwiesen."

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung der Beschwerdeführerin gegen den Bescheid vom - den die belangte Behörde als Abrechnungsbescheid im Sinne des § 216 BAO deutete - als unbegründet ab. Sie führte dazu aus, strittig sei, ob das auf dem Abgabenkonto X aus der Einkommensteuerveranlagung 2004 entstandene Guthaben in Höhe von rund EUR 400,-- zur Tilgung der auf dem Abgabenkonto Y der Beschwerdeführerin aushaftenden Abgabenschuldigkeiten (für eine dort seit fällige Gewerbesteuer 1988) zu verwenden gewesen sei, und setzte sich mit dem von der Beschwerdeführerin dagegen ins Treffen geführten Argument auseinander, hinsichtlich des Rückstandes auf dem Abgabenkonto Y seien von April 1997 bis zur Umbuchung im November 2006 keine Einbringungsmaßnahmen erfolgt, sodass das Recht zur Einhebung dieses Rückstandes gemäß § 238 BAO verjährt gewesen sei.

Diesem Argument hielt die belangte Behörde im Anschluss an einen Hinweis auf die bis April 1997 erfolgte Einhebung von Beträgen auf Grund des das Konto Y betreffenden Rückstandsausweises folgende Ausführungen entgegen:

"Infolge dieser Vollstreckungsmaßnahmen begann somit die Verjährungsfrist mit Ablauf des Jahres 1997 erneut zu laufen und wurde durch die am erfolgte Erhebung der wirtschaftlichen Verhältnisse der Bw., welche auch persönlich angetroffen wurde, neuerlich unterbrochen, sodass sie mit Ablauf des Jahres 2000 erneut zu laufen begann. Vor Ablauf der Verjährungsfrist (mit Ende des Jahres 2005) wurde laut Aktenlage am eine Abfrage an die Grundstücksdatenbank insoferne getätigt, als durch Eingabe des Namens der Bw. in das Personenverzeichnis für alle Bundesländer Österreichs versucht wurde, allfälliges Grundvermögen der Bw. - wohl zwecks Einbringung der aushaftenden Abgabenschuldigkeiten - festzustellen. Weiters beantragte das Finanzamt mit Bericht vom an das Bundesministerium für Finanzen die Abweisung eines von der Bw. beim Bundesministerium für Finanzen eingebrachten Nachsichtsansuchens."

Daraus schloss die belangte Behörde, die behauptete Einhebungsverjährung bezüglich des Rückstandes auf dem Abgabenkonto Y sei nicht eingetreten.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Akten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen hat:

Die belangte Behörde ist von einer zweimaligen Unterbrechung der fünfjährigen Verjährungsfrist des § 238 Abs. 1 BAO durch Maßnahmen im Sinne des § 238 Abs. 2 BAO ausgegangen, wobei es beider Unterbrechungen bedarf, wenn das Recht zur Einhebung des Rückstandes auf dem Abgabenkonto Y im Zeitpunkt der Umbuchung nicht verjährt gewesen sein soll. Die Unterbrechungshandlungen wurden der Beschwerdeführerin im Verwaltungsverfahren nicht vorgehalten, weshalb die Beschwerde mit dem Vorbringen, die Erhebung der wirtschaftlichen Verhältnisse der Beschwerdeführerin im Juli 2000 sei "in keinerlei Zusammenhang mit den Einbringungsmaßnahmen" gestanden, nicht gegen das Neuerungsverbot im verwaltungsgerichtlichen Verfahren verstößt. Ein Zusammenhang mit dem Rückstand auf dem Abgabenkonto Y ist angesichts des in der Gegenschrift thematisierten Umstandes, dass das Erhebungsprotokoll nur die Steuernummer X trägt (zu der damals ebenfalls ein Rückstand aushaftete), auch aus den Akten nicht ableitbar und im angefochtenen Bescheid jedenfalls nicht nachvollziehbar festgestellt. Die belangte Behörde verweist in der Gegenschrift auf eine zwei Tage später verfasste Stellungnahme des Finanzamtes zu einem (auch in der Beschwerde erwähnten, aber nicht vorliegenden) Nachsichtsansuchen der Beschwerdeführerin, in der neben dem Rückstand auf dem Abgabenkonto X auch der auf dem Abgabenkonto Y erwähnt ist, und versucht daraus die Unterbrechungswirkung der Erhebung in Bezug auf den Rückstand auf dem Abgabenkonto Y abzuleiten. Hierauf ist schon mangels Erwähnung dieser Stellungnahme im angefochtenen Bescheid nicht weiter einzugehen, wobei aber auch weder dargelegt wird noch aktenkundig ist, dass sich das Nachsichtsansuchen, dem das Finanzamt mit dieser Stellungnahme entgegen trat, auf das Abgabenkonto Y bezog.

Damit erübrigt sich schon mangels ausreichender Feststellungen zur Unterbrechungshandlung im Juli 2000 eine Auseinandersetzung mit der Grundbuchsabfrage vom September 2005. Dass diese "wohl" zwecks Einbringung der aushaftenden Abgabenschuldigkeiten - gemeint: auch auf dem Abgabenkonto Y - erfolgt sei, würde zur Annahme der ihr von der belangten Behörde beigemessenen Wirkung aber ebenfalls nicht ausreichen.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Wien, am