VwGH vom 27.06.2012, 2008/13/0033

VwGH vom 27.06.2012, 2008/13/0033

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Heinzl und die Hofräte Dr. Fuchs, Dr. Nowakowski, Dr. Mairinger und Mag. Novak als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Farcas, über die Beschwerde der H Gesellschaft m.b.H. in S, vertreten durch Dr. Karlheinz Kux, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Himmelpfortgasse 20, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Wien, vom , Zlen. RV/1347-W/07, RV/1348-W/07, RV/1349-W/07, betreffend u. a. Körperschaftsteuer 1999 und 2000 sowie Haftung für Kapitalertragsteuer 2000-2002, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird insoweit, als darin über die Haftung für Kapitalertragsteuer und über die Körperschaftsteuer 1999 und 2000 abgesprochen wurde, wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Im Übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.286,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Zur Vorgeschichte des Beschwerdefalles ist auf das hg. Erkenntnis vom , 2005/15/0020, 0021, zu verweisen, mit dem die im ersten Rechtsgang erlassenen Bescheide der belangten Behörde vom 12. und wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes aufgehoben wurden.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde - nach ergänzenden Vorhalten an die Beschwerdeführerin - deren Berufungen in einer Reihe von Punkten uneingeschränkt und in anderen Punkten teilweise statt.

Die Beschwerdeführerin bekämpft diesen Bescheid "zur Gänze", nennt als einzigen verbliebenen Streitpunkt aber den Umstand, dass die dem Geschäftsführer der Beschwerdeführerin gewährte Abfertigung zu Unrecht nicht als Betriebsausgabe anerkannt worden sei. Damit im Zusammenhang wendet sich die Beschwerde auch gegen die Annahme einer verdeckten Ausschüttung im Ausmaß der Abfertigung und gegen die damit verbundene Heranziehung zur Haftung für Kapitalertragsteuer.

Im Vorerkenntnis wurde zur Abfertigung ausgeführt, bei Entstehung einer Abfertigungsverpflichtung schon im Jahr 1999 sei (trotz Auszahlung erst im Folgejahr) die entsprechende Betriebsausgabe bei der Gewinnermittlung für das Jahr 1999 und nicht bei jener für das Jahr 2000 zu berücksichtigen. Der Umstand, dass ein bereits 1999 entstandener Abfertigungsanspruch erst im Jahr 2000 zu einer Zahlung geführt habe, bewirke in einem solchen Fall, nämlich bei Bestehen eines Abfertigungsanspruches, aber keine verdeckte Ausschüttung, weshalb die auf den Zeitabstand gestützte Heranziehung der Beschwerdeführerin zur Haftung für Kapitalertragsteuer rechtswidrig gewesen sei. Zur Frage, ob ein Abfertigungsanspruch entstanden sei, verwies der Verwaltungsgerichtshof darauf, dass arbeitsrechtlich "eine Sperrminorität, aber auch eine Beteiligung ab 50 % einem Arbeitsverhältnis eines GmbH-Gesellschafters entgegen" stünde und die belangte Behörde keine klaren Feststellungen über die Entwicklung der Beteiligungsverhältnisse getroffen habe.

Die belangte Behörde und die Beschwerdeführerin gehen nun übereinstimmend davon aus, dass der Geschäftsführer der Beschwerdeführerin - bei Berücksichtigung eines Treuhandverhältnisses gegenüber Alfred K. - nie zu zumindest der Hälfte an der Gesellschaft beteiligt war, er jedenfalls seit September 1999 über eine Sperrminorität verfügte und die Frage, ob er einen Abfertigungsanspruch erwerben konnte, davon abhängt, ob letzteres auch schon davor der Fall war. Die belangte Behörde nimmt dies nur deshalb an, weil sie zur Beteiligung des Geschäftsführers auch einen Teil der Beteiligung seiner früheren Ehefrau Christine D. hinzurechnet, von dem die belangte Behörde annimmt, er sei vor seiner Abtretung an den Geschäftsführer im Zusammenhang mit der Scheidung der Ehe im Herbst 1999 treuhändig für ihn gehalten worden. Die Beschwerdeführerin bestreitet das.

Die belangte Behörde stellte dazu im angefochtenen Bescheid im Wesentlichen fest, mit Abtretungs- und Kaufvertrag von Dezember 1988 hätten der Geschäftsführer der Beschwerdeführerin eine Beteiligung von 25 % und seine damalige Ehefrau Christine D. eine Beteiligung von 75 % an der Gesellschaft erworben. Der neu gefasste Gesellschaftsvertrag von 1990 habe für Beschlüsse der Generalversammlung das Erfordernis einer Stimmenmehrheit von mindestens 70 % (bei Änderungen des Gesellschaftsvertrages: 85 %) der abgegebenen Stimmen vorgesehen.

Ab seien der Geschäftsführer der Beschwerdeführerin zu 75 % und Christine D. nur mehr zu 25 % an der Gesellschaft beteiligt gewesen. Mit Notariatsakt von diesem Tag habe Alfred K. ein von Christine D. schon 1991 an ihn gerichtetes Abtretungsanbot über einen 50 % des Stammkapitals entsprechenden Geschäftsanteil angenommen, wozu im Notariatsakt u. a. festgehalten worden sei, Christine D. habe den betreffenden Geschäftsanteil von Anfang an treuhändig für Alfred K. gehalten und dieser wolle einen Wechsel in der Person des Treuhänders vornehmen. Mit Notariatsakt vom selben Tag sei zwischen Alfred K. und dem Geschäftsführer der Beschwerdeführerin ein Treuhandvertrag geschlossen worden, in dem festgehalten worden sei, der Geschäftsführer der Beschwerdeführerin sei am Stammkapital von S 500.000,-- mit einer Stammeinlage von S 375.000,-- beteiligt (75 % des Stammkapitals) und habe einen Teil davon, der einer Stammeinlage von S 250.000,-- entspreche (50 % des Stammkapitals) nicht für eigene Rechnung, sondern (zu ergänzen: mit einem nicht vorgelegten notariellen Abtretungsvertrag zwischen ihm und Alfred K. vom selben Tag) als Treuhänder für Alfred K. erworben.

Seit seien der Geschäftsführer der Beschwerdeführerin zu 94,5 % und Christine D. zu 5,5 % an der Gesellschaft beteiligt. Im Scheidungsvergleich vom selben Tag zwischen dem Geschäftsführer der Beschwerdeführerin und Christine D. sei (von der belangten Behörde nicht festgestellt:

als Teil einer Klausel, wonach weitere, nicht genannte Vermögensgegenstände demjenigen verbleiben, in dessen Besitz und Verfügung sie sich bereits befinden) festgehalten worden, Christine D. habe von ihrer Beteiligung an der Gesellschaft "bereits" 19,5 %, bezogen auf das gesamte Stammkapital, an den Geschäftsführer der Beschwerdeführerin abgetreten.

Zur Beteiligung von 25 %, die von Christine D. bis Jänner 1999 zusammen mit der treuhändig für Alfred K. gehaltenen Beteiligung im Ausmaß von 50 % und danach noch bis zu ihrer Reduktion auf 5,5 % im September 1999 gehalten worden sei, führte die belangte Behörde in der Darstellung des Verfahrensganges u. a. aus, der Geschäftsführer der Beschwerdeführerin habe bei seiner Einvernahme am angegeben, Christine D. habe ihre ursprüngliche Beteiligung von 75 % für Alfred K. und ihn selbst gehalten. Im Erwägungsteil des angefochtenen Bescheides kommt diese Aussage in der der Beschwerdeführerin mit Faxschreiben vom von der belangten Behörde u.a. vorgehaltenen Niederschrift ("Meine Ex-Gattin hielt bis zur Scheidung im Jahr

1999 die Anteile ... für K. und mich") nicht mehr vor.

Die belangte Behörde stützt sich nur auf einen Notariatsakt vom , mit dem Christine D. an den Geschäftsführer der Beschwerdeführerin das dreißig Jahre lang gültige Anbot gerichtet habe, ihm von ihrem Geschäftsanteil von 75 % (entsprechend S 350.000,-- des Stammkapitals von S 500.000,--) einen Geschäftsanteil in der Höhe von 19,5 % des Stammkapitals um einen Abtretungspreis von S 1,-- abzutreten.

Dieses "Abtretungsanbot", so die belangte Behörde, sei "in Wirklichkeit eine Treuhandvereinbarung", und es sei "erwiesen", dass der Geschäftsführer der Beschwerdeführerin "seit der wirtschaftliche Eigentümer" der am an ihn abgetretenen Beteiligung im Ausmaß von 19,5 % des Stammkapitals gewesen sei, weshalb er schon vor dieser Abtretung über eine Sperrminorität im Ausmaß von mehr als 31 % verfügt habe, nicht Arbeitnehmer der Beschwerdeführerin gewesen sei und keinen Abfertigungsanspruch erworben habe.

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Akten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen hat:

Bei der Beurteilung der strittigen Frage, ob ein Abfertigungsanspruch bestand, hatte die belangte Behörde, wie in ihren Erwägungen an einer Stelle auch richtig zum Ausdruck kommt, nach Gesichtspunkten nicht des Einkommensteuerrechts, sondern des Arbeitsrechts zu prüfen, ob der Geschäftsführer der Beschwerdeführerin Arbeitnehmer war. Dass dies nicht zutraf, wenn Christine D. den im September 1999 - mit einem Abtretungsvertrag, über dessen Inhalte die Beschwerdeführerin im Verfahren Behauptungen aufstellte, den sie aber nicht vorlegte - an den Geschäftsführer der Beschwerdeführerin abgetretenen Geschäftsanteil von 19,5 % des Stammkapitals treuhändig für ihn gehalten hatte, gesteht auch die Beschwerde zu (vgl. insoweit aus der arbeitsrechtlichen Judikatur etwa ).

Die belangte Behörde sieht im Abtretungsanbot von 1989 kein Indiz dafür, dass Christine D. den später an den Geschäftsführer der Beschwerdeführerin abgetretenen Teil ihrer Beteiligung an der Gesellschaft 1988 schon als seine Treuhänderin erworben habe (vgl. in diesem Zusammenhang , und , 9 Ob 138/06v, zur Verneinung der Notariatsaktpflicht bei der sogenannten Erwerbstreuhand), wie dies in Bezug auf ihre für Alfred K. gehaltene Beteiligung der Fall gewesen sein soll. Stattdessen meint die belangte Behörde, das notarielle Anbot vom April 1989 sei "in Wirklichkeit eine Treuhandvereinbarung" gewesen, solche Vereinbarungen seien "im Gegensatz zu Abtretungsanboten" geeignet, "wirtschaftliches Eigentum" zu begründen, und der Geschäftsführer der Beschwerdeführerin sei "seit " der "wirtschaftliche Eigentümer" des später an ihn abgetretenen Anteils gewesen. Diese Deutung des Anbots vom April 1989 als "Vereinbarung" ist nicht nachvollziehbar, weil Christine D. das im Notariatsakt festgehaltene Anbot, seiner Rechtsnatur entsprechend, ohne Mitwirkung des Geschäftsführers der Beschwerdeführerin errichtet hat. Beweiswürdigende Schlüsse auf eine außerhalb des Notariatsakts getroffene Treuhandvereinbarung in zeitlicher Nähe zum sind dem angefochtenen Bescheid nicht entnehmbar und der belangten Behörde auch deshalb nicht zu unterstellen, weil sie den Behauptungen der Beschwerdeführerin über die Beschränkungen, denen eine Annahme des Anbots nach dem Willen der Parteien unterworfen gewesen sei, mit dem Argument entgegen tritt, dass "jede Vereinbarung über GmbH-Anteile notariatsaktpflichtig" sei. Für die von der belangten Behörde angenommene Entstehung eines Treuhandverhältnisses am fehlt im angefochtenen Bescheid dann aber jede Grundlage.

Die Begründung der belangten Behörde für die Annahme eines der Arbeitnehmereigenschaft des Geschäftsführers und damit auch der Entstehung eines Abfertigungsanspruches entgegenstehenden Treuhandverhältnisses ist daher nicht schlüssig, wobei es dem Verwaltungsgerichtshof gemäß § 41 Abs. 1 VwGG verwehrt ist, mittels eigener beweiswürdigender Erwägungen - etwa durch Rückgriff auf die Aussage des Geschäftsführers der Beschwerdeführerin und Würdigung des Kontexts der Erwähnung der Abtretung im Scheidungsvergleich - neue Feststellungen an die Stelle des von der belangten Behörde angenommenen Sachverhalts treten zu lassen.

Der angefochtene Bescheid war daher insoweit, als ihm die Annahme eines im April 1989 entstandenen Treuhandverhältnisses zwischen Christine D. und dem Geschäftsführer der Beschwerdeführerin zugrunde liegt, gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Im Übrigen war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Wien, am