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VwGH vom 29.07.2020, Ra 2018/13/0037

VwGH vom 29.07.2020, Ra 2018/13/0037

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Nowakowski und die Hofräte MMag. Maislinger sowie Mag. Novak und die Hofrätinnen Dr. Reinbacher sowie Dr.in Lachmayer als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Karlovits, LL.M., über die Revision der I Z, in K, vertreten durch die Herbst Kinsky Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Dr. Karl-Lueger-Platz 5, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom , Zl. RV/7105152/2017, betreffend u.a. die Wiederaufnahme der Verfahren hinsichtlich Einkommensteuer 2011 und 2012 sowie die Aufhebung des Einkommensteuerbescheides 2013 gemäß § 299 BAO, zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird, soweit es die Wiederaufnahme der Verfahren hinsichtlich Einkommensteuer 2011 und 2012 betrifft, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Im Übrigen, somit hinsichtlich der Aufhebung des Einkommensteuerbescheides 2013 gemäß § 299 BAO, wird die Revision als unbegründet abgewiesen.

Der Bund hat der revisionswerbenden Partei Aufwendungen in der Höhe von € 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1Die Revisionswerberin, die als Vertragsbedienstete beim Bundesministerium für europäische und internationale Angelegenheiten angestellt und im September 2010 an die Österreichische Botschaft in X versetzt worden war, machte in den Erklärungen zur Arbeitnehmerveranlagung 2011, 2012 und 2013 Aufwendungen für Familienheimfahrten und doppelte Haushaltsführung geltend, die das Finanzamt - teils nach Durchführung von diesbezüglichen Vorhalteverfahren - zunächst als Werbungskosten berücksichtigte.

2Mit Schriftsatz vom hielt das Finanzamt der Revisionswerberin vor, dass ihre Lohnzettel der Jahre 2011 bis 2015 „sonstige steuerfreie Bezüge“ aufwiesen, und forderte sie auf, bekanntzugeben, „worum es sich bei diesen ‚sonstigen steuerfreien Bezügen‘ handelt“. Eine Bestätigung des Dienstgebers, dass für die auswärtige Dienstzuteilung keine Ersätze oder Zulagen geleistet würden, sei erforderlich.

3Die Revisionswerberin legte in Beantwortung des Fragenvorhalts vom u.a. ein E-Mail ihres Dienstgebers mit folgendem Inhalt vor:

„Bei den auf dem Lohnzettel angeführten ‚sonstigen steuerfreien Bezügen‘ handelt es sich um Aufwandsentschädigungen gemäß § 21a GehG 1956 (Auslandsverwendungszulage), die gemäß § 3 Abs. 1 Ziffer 8 EStG 1988 von der Einkommensteuer befreit sind.“

4Mit Bescheiden vom verfügte das Finanzamt - im Hinblick auf die bezogene Auslandsverwendungszulage - die Wiederaufnahme der Einkommensteuerverfahren für die Jahre 2011 und 2012 nach § 303 BAO und hob den Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2013 gemäß § 299 BAO auf. Gleichzeitig erließ es neue Einkommensteuerbescheide 2011 bis 2013, in welchen es die Aufwendungen für Familienheimfahrten und doppelte Haushaltsführung nicht mehr als Werbungskosten berücksichtigte.

5Die Revisionswerberin brachte mit Schriftsätzen vom und Beschwerden gegen die Wiederaufnahme der Verfahren hinsichtlich Einkommensteuer 2011 und 2012 ein, in welchen sie das Fehlen tauglicher Wiederaufnahmsgründe, eine fehlerhafte Ermessensübung durch das Finanzamt und einen Verstoß gegen den Grundsatz von Treu und Glauben rügte. Am brachte sie zudem gegen die Aufhebung des Einkommensteuerbescheides 2013 gemäß § 299 BAO eine Beschwerde ein, laut welcher dem Aufhebungsbescheid weder die Gründe für die Zulässigkeit der Aufhebung noch eine Abwägung der ermessensrelevanten Umstände, die für oder gegen eine Aufhebung sprächen, zu entnehmen seien.

6Das Finanzamt gab den Beschwerden gegen die Wiederaufnahme der Einkommensteuerverfahren 2011 und 2012 mit Beschwerdevorentscheidungen vom keine Folge und führte zur Begründung aus, im Zuge der Veranlagung 2014 sei hervorgekommen, dass die Revisionswerberin eine steuerfreie Auslandsverwendungszulage gemäß § 21a GehG erhalte, die zur Abdeckung der erhöhten Aufwendungen im Zusammenhang mit ihrem Auslandsaufenthalt bezahlt werde. Aufwendungen im Zusammenhang mit steuerfreien Einnahmen seien gemäß § 20 EStG 1988 nicht abziehbar. Aufgrund dieser bisher nicht bekannten Tatsache lägen die Voraussetzungen für eine amtswegige Wiederaufnahme vor.

7Die Beschwerde gegen die Aufhebung des Einkommensteuerbescheides 2013 gemäß § 299 BAO wies das Finanzamt mit Beschwerdevorentscheidung vom ab, weil es sich bei den als Werbungskosten geltend gemachten Aufwendungen für Familienheimfahrten und doppelte Haushaltsführung um Mehraufwendungen handle, die der Revisionswerberin aufgrund der Auslandsverwendung erwachsen seien. Es bestehe ein unmittelbarer wirtschaftlicher Zusammenhang zwischen den Aufwendungen und der steuerfreien Auslandsverwendungszulage, die als Ausgleich für die erhöhten Aufwendungen anlässlich der Auslandsverwendung gezahlt werde. Gemäß § 20 EStG 1988 seien Aufwendungen im Zusammenhang mit steuerfreien Einnahmen nicht abziehbar. Die beantragten Kosten für Familienheimfahrten und doppelte Haushaltsführung seien daher nicht zu berücksichtigen. Eine Gewissheit der Rechtswidrigkeit des aufgehobenen Bescheides liege somit vor.

8Die Revisionswerberin beantragte die Vorlage der Beschwerden an das Bundesfinanzgericht.

9Mit dem angefochtenen Erkenntnis, in dem es eine ordentliche Revision für unzulässig erklärte, gab das Bundesfinanzgericht den Beschwerden keine Folge und führte hinsichtlich der Wiederaufnahme zur Begründung aus, die Revisionswerberin habe in den Jahren 2011 und 2012 Aufwendungen für Familienheimfahrten (jeweils mit dem Höchstbetrag von 3.672 €) und doppelte Haushaltsführung (2011: 945,28 €; 2012: 629,97 €) geltend gemacht, obwohl diese mit steuerbefreiten „Auslandszulagen“ im Zusammenhang gestanden seien. Aus den dem Finanzamt übermittelten Lohnzetteln der Jahre 2011 und 2012 seien „weitere Bezüge“ in Höhe von 13.815,82 € (2011) und 13.508,30 € (2012) ersichtlich. Die Ermittlungen, die das Finanzamt vor Ergehen der Erstbescheide getätigt habe, hätten sich auf die berufliche Veranlassung der als Werbungskosten geltend gemachten Aufwendungen bezogen. Von der Revisionswerberin seien dementsprechend Angaben über ihren Wohnort/Dienstort und die Wohnungskosten in X gemacht worden. Den Umstand, dass die geltend gemachten Werbungskosten mit steuerfreien „Auslandszulagen“ in Zusammenhang stünden, habe die Revisionswerberin nicht offen gelegt. Daher könne dem Finanzamt nicht zur Last gelegt werden, dass es vor Ergehen der Erstbescheide keine weiteren Ermittlungen im Zusammenhang mit den in den Lohnzetteln als sonstige Bezüge ausgewiesenen Auslandsverwendungszulagen angestellt habe. Auch ein allfälliges Verschulden der Abgabenbehörde an der Nichtausforschung von Sachverhaltselementen stünde einer amtswegigen Wiederaufnahme der Verfahren grundsätzlich nicht entgegen (Hinweis auf ). Eine die Wiederaufnahme ausschließende vollständige Offenlegung der für die Besteuerung wesentlichen Grundlagen liege im gegenständlichen Fall nicht vor, weshalb die Voraussetzungen für die Wiederaufnahme der Einkommensteuerverfahren 2011 und 2012 vorlägen. Das Finanzamt habe die Wiederaufnahme der Verfahren auf die Nichtanerkennung der geltend gemachten Werbungskosten für Familienheimfahrten und doppelte Haushaltsführung in Höhe von insgesamt 4.617,28 € (2011) bzw. 4.301,97 € (2012) gestützt. Daraus ergäben sich Nachforderungen an Einkommensteuer in Höhe von 1.637 € für 2011 und 1.540 € für 2012. Diese Nachforderungen seien weder absolut noch relativ geringfügig. Demnach habe das Finanzamt auch das ihm eingeräumte Ermessen im Sinne der gesetzlichen Bestimmungen ausgeübt. Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes schütze der von der Revisionswerberin angeführte Grundsatz von Treu und Glauben nicht ganz allgemein das Vertrauen des Abgabepflichtigen auf die Rechtsbeständigkeit einer unrichtigen abgabenrechtlichen Beurteilung für die Vergangenheit. Die Behörde sei verpflichtet, von einer als rechtswidrig erkannten Verwaltungsübung abzugehen.

10In dem das Jahr 2013 betreffenden Aufhebungsbescheid habe das Finanzamt die Voraussetzungen des § 299 BAO dargelegt. Hinsichtlich der inhaltlichen Rechtswidrigkeit sei auf die Begründung des (neuen) Einkommensteuerbescheides 2013 und zur Frage der Ermessensübung auf die „nicht bloß geringfügige Auswirkung“ verwiesen worden. Im den bisherigen Einkommensteuerbescheid 2013 ersetzenden Bescheid sei dargelegt worden, aus welchen Gründen die in der Erklärung zur Arbeitnehmerveranlagung 2013 geltend gemachten Kosten für Familienheimfahrten und doppelte Haushaltsführung nicht als Werbungskosten anerkannt werden könnten. Aus der Begründung der miteinander verbundenen Bescheide sei daher erkennbar, worauf das Finanzamt die Aufhebung gestützt habe. Die Nichtanerkennung der Kosten für Familienheimfahrten und doppelte Haushaltsführung in Höhe von insgesamt 4.414,96 € habe eine Nachforderung an Einkommensteuer in Höhe von 1.611 € zur Folge, die weder absolut noch relativ geringfügig sei. Das Finanzamt habe daher auch das ihm eingeräumte Ermessen im Sinne der gesetzlichen Bestimmungen ausgeübt.

11Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision, in der zu deren Zulässigkeit ausgeführt wird, die Abweisung der gegen die Wiederaufnahme der Verfahren gerichteten Beschwerden mit der Begründung, dass die Tatsache des Bezugs einer Auslandsverwendungszulage durch die Revisionswerberin neu hervorgekommen sei, stütze sich im Wesentlichen auf zwei aktenwidrig angenommene Umstände betreffend die Art der Darstellung der Zulage auf dem Lohnzettel und den Inhalt eines Ergänzungsersuchens der belangten Behörde vom . In den Revisionsgründen wird dazu näher ausgeführt, dem Finanzamt sei spätestens auf Grund des Ergänzungsschreibens 2013 bekannt, dass die Revisionswerberin als Vertragsbedienstete des Bundes im relevanten Zeitraum (2011 bis 2013) im Ausland verwendet worden sei. Aus der Verwendung im Ausland ergebe sich von Gesetzes wegen ein Anspruch auf Gewährung einer Auslandsverwendungszulage (§ 22a VBG iVm § 21a GehG und § 1 ff AVV). Auch der tatsächliche Bezug der Auslandsverwendungszulage sei dem Finanzamt bekannt gewesen: „Aus dem (als Beilage zum Ergänzungsschreiben 2013 [Anm.: Vorhaltsbeantwortung der Revisionswerberin vom ]) vorgelegten Versetzungsdekret geht ausdrücklich hervor, dass die Revisionswerberin für die Dauer ihrer Dienstverwendung in [X] (dem Grunde nach) ‚Auslandszulagen und -zuschüsse inklusive allfälliger Nebengebühren‘ erhielt. Der tatsächliche Bezug der Auslandsverwendungszulage (und deren Höhe) ist auch den Lohnzetteln zu entnehmen, welche die erhaltene (gemäß § 3 Abs. 1 Z 8 EStG steuerfreie) Auslandsverwendungszulage als ‚sonstige steuerfreie Bezüge‘ ausweisen.“

12Im Vorbringen zur Zulässigkeit der Revision wird ferner - auch im Hinblick auf die Aufhebung des das Jahr 2013 betreffenden Bescheides gemäß § 299 BAO - ausgeführt, dass die Tatsache des Bezuges der Auslandsverwendungszulage allein für die Begründung der Wiederaufnahme des Verfahrens bzw. der Rechtswidrigkeit des aufzuhebenden Bescheides nicht genüge, weil nach der Rechtsprechung die Feststellungen hinzutreten müssten, „dass erstens (1.) die als Werbungskosten geltend gemachten Aufwendungen der Revisionswerberin mit (gewährten Komponenten) der Auslandsverwendungszulage in unmittelbarem wirtschaftlichem Zusammenhang stehen und zweitens (2.) die gesamten mit (den gewährten Komponenten) der Auslandsverwendungszulage in unmittelbarem wirtschaftlichem Zusammenhang stehenden besonderen Kosten der Revisionswerberin (einschließlich jene, welche als besondere Privatkosten oder im Lichte des § 20 Abs. 2 EStG nicht als Werbungskosten geltend gemacht wurden!) durch die (gewährten Komponenten der) Auslandsverwendungszulage gedeckt wären“. Diese Umstände habe die belangte Behörde nicht festgestellt.

13Vom Finanzamt wurde - nach Einleitung des Vorverfahrens - keine Revisionsbeantwortung erstattet.

14Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

15Die Revision ist zulässig und, soweit sie die Wiederaufnahme der Verfahren hinsichtlich Einkommensteuer 2011 und 2012 betrifft, auch begründet.

16Gemäß § 22a Vertragsbedienstetengesetz 1948 (VBG 1948) sind die § 21 bis 21h GehG sowie die zu ihrer Durchführung erlassenen Verordnungen auf den an einen im Ausland gelegenen Dienstort versetzten Vertragsbediensteten anzuwenden.

17Nach § 21 Gehaltsgesetz 1956 (GehG 1956) hat der Beamte, solange er einer im Ausland gelegenen Dienststelle zur dauernden Dienstleistung zugewiesen ist und dort wohnen muss, nach Maßgabe der § 21a bis 21h Anspruch auf den Ersatz der besonderen Kosten, die ihm durch die Verwendung im Ausland notwendigerweise entstehen oder entstanden sind.

18Der mit Auslandsverwendungszulage überschriebene § 21a GehG 1956 in der für die Streitjahre maßgeblichen Fassung lautet:

„§ 21a. Dem Beamten gebührt eine Auslandsverwendungszulage, bestehend aus

1.einem Grundbetrag,

2.einem Funktionszuschlag nach Maßgabe seiner dauernden dienstlichen Verwendung,

3.einem Zonenzuschlag nach Maßgabe der kürzesten geographischen Entfernung seines ausländischen Dienst- und Wohnortes von Wien, sofern diese Entfernung mehr als 200 Kilometer beträgt und der Dienstort nicht als Grenzort im Sinne des § 25 der Reisegebührenvorschrift 1955, BGBl. Nr. 133, gilt,

4.einem Klimazuschlag, wenn die klimatischen Verhältnisse am ausländischen Dienst- und Wohnort wesentlich von denen in Wien abweichen,

5.einem Härtezuschlag, wenn am ausländischen Dienst- und Wohnort im Vergleich zu Wien dauernd besonders schwierige Lebensverhältnisse in Form von politischer oder kultureller Isolation, Umweltbelastung, Sicherheits-, Versorgungs- oder Infrastrukturmängeln vorliegen,

6.einem Krisenzuschlag auf die begrenzte Dauer außerordentlicher Ereignisse am ausländischen Dienst- und Wohnort wie Krieg, Bürgerkrieg, Aufruhr und Terror sowie Katastrophen, wenn diese Ereignisse dem Beamten zusätzliche besondere Kosten verursachen,

7.einem Ehegattenzuschlag, solange sich der Ehegatte bei gemeinsamer Haushaltsführung mit dem Beamten ständig am ausländischen Dienst- und Wohnort aufhält, und

8.einem Kinderzuschlag für jedes Kind [...] des Beamten, für das er gemäß § 4 Anspruch auf Kinderzuschuss hat, solange es sich ständig am ausländischen Dienst- und Wohnort des Beamten aufhält.“

19Der Grundbetrag und die Zuschläge gemäß § 21a Z 2 bis 6 GehG 1956 stehen - wie sich aus § 21g Abs. 2 GehG 1956 ergibt - Beamten oder Vertragsbediensteten des Bundes ohne gesonderte Antragstellung zu.

20Gemäß § 1 der Verordnung der Bundesregierung über Kostenersätze auf Grund von Auslandsverwendungen von Beamten und Vertragsbediensteten des Bundes (Auslandsverwendungsverordnung), BGBl. II Nr. 107/2005, werden - soweit nichts anderes bestimmt ist - die Auslandsverwendungszulage und die Zuschüsse, die gemäß § 21g Abs. 4 Z 1 GehG 1956 in Pauschalbeträgen festzusetzen sind, in Werteinheiten festgesetzt, wobei eine Werteinheit im Jahr 2011 dem Betrag von 65,99 €, im Jahr 2012 dem Betrag von 67,94 € und im Jahr 2013 dem Betrag von 69,74 € entsprochen hat.

21In § 2 der Auslandsverwendungsverordnung werden sodann die Anzahl der Werteinheiten für den Grundbetrag (§ 21a Z 1 GehG 1956) und diverse Zuschläge (§ 21a Z 3 bis Z 8 GehG 1956) der Auslandsverwendungszulage bestimmt und die Höhe der in § 21a Z 2 GehG 1956 angeführten Funktionszuschläge in Euro festgelegt.

22Gemäß § 303 Abs. 1 lit. b BAO idF BGBl. I Nr. 14/2013 kann ein durch Bescheid abgeschlossenes Verfahren auf Antrag einer Partei oder von Amts wegen wiederaufgenommen werden, wenn Tatsachen oder Beweismittel im abgeschlossenen Verfahren neu hervorgekommen sind und die Kenntnis dieser Umstände allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens einen im Spruch anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätte.

23Das Finanzamt verfügte die Wiederaufnahme der Verfahren hinsichtlich Einkommensteuer 2011 und 2012 mit der Begründung, erst im Zuge der Veranlagung 2014 sei hervorgekommen, dass die Revisionswerberin eine steuerfreie Auslandsverwendungszulage gemäß § 21a GehG 1956 erhalten habe, die zur Abdeckung der in den Jahren 2011 und 2012 als Werbungskosten geltend gemachten erhöhten Aufwendungen im Zusammenhang mit ihrem Auslandsaufenthalt bezahlt worden sei. Dem Finanzamt insoweit folgend ging auch das Bundesfinanzgericht davon aus, dass die Revisionswerberin vor Ergehen der Erstbescheide nur Angaben über ihren Wohnort/Dienstort und die Wohnungskosten in X gemacht und den Umstand, dass die geltend gemachten Werbungskosten mit steuerfreien Auslandszulagen in Zusammenhang stünden, nicht offen gelegt habe.

24Dem hält die Revision zu Recht entgegen, dass dem Finanzamt bereits vor Ergehen der Erstbescheide bekannt gewesen sei, dass die Revisionswerberin in den Jahren 2011 und 2012 als Vertragsbedienstete des Bundes an einen im Ausland gelegenen Dienstort versetzt worden war, woraus sich gemäß § 22a VBG 1948 iVm § 21 GehG 1956 ein Anspruch auf den Bezug einer steuerfreien Auslandsverwendungszulage ergibt. Der Anspruch auf durch die Auslandsverwendung bedingte Zulagen war in dem von der Revisionswerberin vorgelegten Versetzungsdekret auch ausdrücklich erwähnt. Ihr tatsächlicher Bezug war - worauf in der Revision ebenfalls hingewiesen wird - den Lohnzetteln der Revisionswerberin für die Jahre 2011 und 2012 zu entnehmen, in denen - abweichend von der Feststellung des Bundesfinanzgerichts - nicht „weitere Bezüge“ sondern „sonstige steuerfreie Bezüge“ in Höhe von 13.815,82 € (2011) und 13.508,30 € (2012) ausgewiesen waren.

25Die Wiederaufnahme der Verfahren hinsichtlich Einkommensteuer 2011 und 2012 stützt sich demnach nicht auf neu hervorgekommene Tatsachen oder Beweismittel. Das angefochtene Erkenntnis erweist sich daher, soweit es die Wiederaufnahme der Verfahren hinsichtlich Einkommensteuer 2011 und 2012 betrifft, als mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet.

26Den das Jahr 2013 betreffenden Revisionsausführungen, die Aufhebung eines Einkommensteuerbescheides gemäß § 299 BAO setze die Gewissheit der Rechtswidrigkeit des Bescheides voraus, die im vorliegenden Fall nicht gegeben sei, weil sich die steuerfreie Auslandsverwendungszulage aus verschiedenen Komponenten zusammensetze und für jede Komponente gesondert zu prüfen wäre, ob die Komponente zu den geltend gemachten Aufwendungen in unmittelbarem wirtschaftlichem Zusammenhang stehe, ist zu entgegnen, dass die Auslandsverwendungszulage gemäß § 21a GehG 1956 aus einem Grundbetrag und diversen Zuschlägen besteht. Der Grundbetrag stellt einen pauschalierten Ersatz von nicht näher spezifizierten besonderen Kosten, die einem Beamten oder Vertragsbediensteten des Bundes durch die Verwendung im Ausland notwendigerweise entstehen oder entstanden sind, dar. Er steht daher - auch für den Fall, dass die Auslandsverwendungszulage in die einzelnen Komponenten aufgeteilt und ein sachlicher Zusammenhang (Zweckbestimmung) zwischen den steuerfreien Ersätzen und den tatsächlichen Aufwendungen gefordert wird (siehe dazu etwa Kofler/Wurm in Doralt/Kirchmayer/Mayr/Zorn, EStG20, § 20 Tz 152/1) - auch mit den von der Revisionswerberin geltend gemachten Aufwendungen für Familienheimfahrten und doppelte Haushaltsführung in unmittelbarem wirtschaftlichem Zusammenhang, was dem Abzug dieser Aufwendungen gemäß § 20 Abs. 2 EStG 1988 insoweit entgegen steht. Von der Rechtswidrigkeit des aufgehobenen Bescheides, in dem eine Berücksichtigung der nicht steuerpflichtigen Einnahmen zur Gänze unterblieben war, ist schon deshalb mit Gewissheit auszugehen. Dem Finanzamt und dem Bundesfinanzgericht sind auch keine Fehler bei der Ermessensübung vorwerfbar, zumal im vorliegenden Fall allein der der Revisionswerberin im Jahr 2013 gebührende Grundbetrag von 557,92 € monatlich (acht Werteinheiten zu je 69,74 €) bzw. 6.695,04 € jährlich schon weit höher war als die von der Revisionswerberin für dieses Jahr insgesamt geltend gemachten Werbungskosten. Der Aufhebung dennoch entgegenstehende Ermessensgesichtspunkte zeigt die Revision nicht auf. Die im Verfahren vorgebrachten Argumente etwa zur unterbliebenen oder auch unzumutbaren Sammlung von Belegen zwecks Gegenverrechnung mit den Zulagen oder zur Verausgabung der Einkünfte richten sich in Wahrheit gegen die mit dem Abzugsverbot des § 20 Abs. 2 EStG 1988 geschaffene Rechtslage und betreffen nicht die zu treffende Ermessensentscheidung, ob die erst nachträgliche Erkenntnis der Rechtswidrigkeit der ursprünglichen Entscheidung deren Beibehaltung und somit ein anderes Ergebnis als eine von vornherein rechtmäßige Arbeitnehmerveranlagung rechtfertigt.

27Das angefochtene Erkenntnis war daher, soweit es die Wiederaufnahme der Einkommensteuerverfahren 2011 und 2012 betrifft, gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben. Im Übrigen, somit hinsichtlich der Aufhebung des Einkommensteuerbescheides 2013 gemäß § 299 BAO, war die Revision gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

28Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die § 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am

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ECLI:
ECLI:AT:VWGH:2020:RA2018130037.L00

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