VwGH vom 10.10.2014, 2013/02/0265
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Riedinger und die Hofräte Dr. Lehofer und Dr. N. Bachler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Farcas-Hutchinson, über die Beschwerde des B in N, vertreten durch Dr. Georg Huber, Rechtsanwalt in 6332 Kufstein, Josef-Egger-Straße 8, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich vom , Zl VwSen- 167125/15/Kei/AK/CG, betreffend Übertretungen des KFG 1967 (weitere Partei: Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufgehoben.
Der Bund hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde der Beschwerdeführer zweier Übertretungen des KFG für schuldig erkannt. Er habe am um 20:48 Uhr an einem näher bezeichneten Ort in Oberösterreich einen nach den Kennzeichen bestimmten Sattelzug gelenkt, obwohl zwei bei der Bewilligung gemäß § 104 Abs 9 KFG "mit Bescheid des Amtes der Salzburger Landesregierung" (richtig: der Landeshauptfrau von Salzburg) vom vorgeschriebene Auflagen nicht erfüllt worden seien. Der Beschwerdeführer habe auf der Fahrt den vorgeschriebenen Gewichtsnachweis für den Transport nicht mitgeführt und er habe die Fahrt trotz schlechter Sichtverhältnisse (starker Nebel - Sichtweite nur ca 33 m) durchgeführt. Er habe dadurch jeweils gegen § 104 Abs 9 und § 104 Abs 2 lit f KFG verstoßen. Über den Beschwerdeführer wurden wegen dieser Übertretungen Geldstrafen in der Höhe von jeweils EUR 80,-- (Ersatzfreiheitsstrafe von jeweils 16 Stunden) verhängt.
In der Begründung des angefochtenen Bescheides gibt die belangte Behörde zunächst den Spruch des erstinstanzlichen Straferkenntnisses auszugsweise wieder. Nach einem Hinweis auf die durchgeführte mündliche Verhandlung und die dabei gehörten Personen (drei Zeugen und ein Sachverständiger) hält die belangte Behörde - ohne gesonderte Sachverhaltsfeststellungen - fest, sie zweifle "nach Durchführung der Ermittlungen nicht am Vorliegen des Sachverhaltes, der durch die im Spruch des gegenständlichen Straferkenntnisses angeführten, als erwiesen angenommenen Taten (§ 44a Z 1 VStG), zum Ausdruck gebracht wird." Diese Beurteilung stütze sich auf die in der Verhandlung gemachten Aussagen der als Zeugen vernommenen Polizeibeamten, die durch den technischen Sachverständigen in der Verhandlung gemachten gutachterlichen Ausführungen sowie die ebenfalls in der Verhandlung erörterten Aktenunterlagen. Den in der Verhandlung gemachten Aussagen der als Zeugen vernommenen Polizeibeamten werde eine hohe Glaubwürdigkeit beigemessen. Dies stütze sich darauf, dass diese Aussagen unter Wahrheitspflicht gemacht worden seien und dass die Zeugen als öffentlich-rechtliche Bedienstete im Fall einer wahrheitswidrigen Aussage zusätzlich zu strafrechtlichen Konsequenzen auch dienstrechtliche Konsequenzen zu gewärtigen hätten. Das in der Verhandlung gemachte Gutachten des technischen Sachverständigen sei schlüssig. Es werde auch darauf hingewiesen, dass die Zeugin S (die als Polizeibeamtin die Amtshandlung durchgeführt habe) in der mit ihr vor der erstinstanzlichen Behörde aufgenommenen Niederschrift angegeben habe, dass die Polizeibeamten ebenfalls die Strecke, die der Sattelzug gefahren sei, befahren hätten und auf der ganzen Stelle Nebel feststellbar gewesen sei; die Sicht habe "von einem Leitpflock zum anderen" gereicht, so dass eine Sichtweite von 33 m gegeben gewesen sei.
Die belangte Behörde sah damit die objektiven Tatbestände der dem Beschwerdeführer vorgeworfenen Verwaltungsübertretungen als verwirklicht an. Hinsichtlich des Verschuldens wurde Fahrlässigkeit angenommen, ein Rechtfertigungs- oder Schuldausschließungsgrund liege nicht vor.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die gegenständliche Beschwerde mit dem Antrag, diesen wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften kostenpflichtig aufzuheben.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine als Gegenschrift bezeichnete Äußerung, in der sie auf die Begründung des angefochtenen Bescheides verweist und die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Gemäß § 79 Abs 11 VwGG sind - soweit wie im vorliegenden Fall durch das Verwaltungsgerichtsbarkeits-Übergangsgesetz, BGBl I Nr 33/2013, nicht anderes bestimmt ist - in den mit Ablauf des beim Verwaltungsgerichtshof anhängigen Beschwerdeverfahren die bis zum Ablauf des geltenden Bestimmungen weiter anzuwenden.
2. Gemäß § 102 Abs 1 KFG darf ein Kraftfahrzeuglenker ein Kraftfahrzeug erst in Betrieb nehmen, wenn er sich, soweit dies zumutbar ist, davon überzeugt hat, dass das von ihm zu lenkende Kraftfahrzeug und ein mit diesem zu ziehender Anhänger sowie deren Beladung den hiefür in Betracht kommenden Vorschriften entsprechen.
Gemäß § 102 Abs 5 lit e KFG hat der Lenker Bescheide über kraftfahrrechtliche Bewilligungen, die zur Verwendung des Fahrzeugs auf Straßen mit öffentlichem Verkehr erforderlich sind (§ 101 Abs 5, § 104 Abs 5 lit d, Abs 7 und 9 KFG) auf Fahrten mitzuführen und den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes oder der Straßenaufsicht auf Verlangen zur Überprüfung auszuhändigen.
Gemäß § 104 Abs 2 lit f dürfen Anhänger mit Kraftwagen nur gezogen werden, wenn bei Bewilligungen gemäß § 104 Abs 9 zweiter Satz KFG erteilte Auflagen erfüllt werden.
§ 104 Abs 9 KFG lautet auszugsweise wie folgt:
"Das Ziehen von Anhängern oder das Verwenden von Sattelkraftfahrzeugen ist, wenn die für die Summe der Gesamtgewichte oder die für die größte Länge oder die für die Summe der Gesamtgewichte und für die größte Länge festgesetzten Höchstgrenzen überschritten werden, nur mit Bewilligung des Landeshauptmannes zulässig, in dessen örtlichem Wirkungsbereich die Anhänger gezogen oder die Sattelkraftfahrzeuge verwendet werden sollen. (...)
Soweit dies nach den Erfordernissen der Verkehrs- und Betriebssicherheit nötig ist, ist die Bewilligung nur unter den entsprechenden Auflagen oder zeitlichen, örtlichen oder sachlichen Einschränkungen der Gültigkeit zu erteilen. § 36 lit. c, § 39 Abs. 3 und § 40 Abs. 4 sind sinngemäß anzuwenden. (...)"
Gemäß § 40 Abs 4 KFG ist das Verfahren bei sinngemäßer Anwendung dieser Bestimmung gemäß § 104 Abs 9 KFG auf Antrag von dem Landeshauptmann zu führen, in dessen örtlichem Wirkungsbereich die Fahrt angetreten wird oder das Fahrzeug in das Bundesgebiet eingebracht wird. Der das Verfahren führende Landeshauptmann hat das Einvernehmen mit den übrigen betroffenen Landeshauptmännern herzustellen.
3. Der Beschwerdeführer bringt zunächst vor, dass der Bescheid der Landeshauptfrau von Salzburg vom , auf den der Strafbescheid verweise, nicht an den Beschwerdeführer gerichtet gewesen sei. Er könne daher nicht direkt gegen die Auflagen dieses Bescheids verstoßen, der sich nicht an ihn richte.
4. Es trifft zu, dass der Bescheid der Landeshauptfrau von Salzburg, mit dem - im Einvernehmen (unter anderem) mit dem Landeshauptmann von Oberösterreich - die Bewilligung gemäß § 104 Abs 9 KFG erteilt wurde, nicht an den Beschwerdeführer, sondern an einen Transportunternehmer ergangen ist. Dieser ist Bescheidadressat und hat für die Einhaltung der in dieser Ausnahmebewilligung vorgeschriebenen Auflagen - auch verwaltungsstrafrechtlich - einzustehen.
Dennoch wirkt sich die Ausnahmebewilligung auch auf die den Beschwerdeführer als Kraftfahrzeuglenker treffenden Pflichten aus. Die nach § 102 KFG bestehende Verpflichtung des Kraftfahrzeuglenkers, sich davon zu überzeugen, dass das von ihm zu lenkende Kraftfahrzeug und ein mit diesem zu ziehender Anhänger sowie deren Beladung den hiefür in Betracht kommenden Vorschriften entsprechen, umfasst auch die Verpflichtung, sich vom Vorliegen aller Voraussetzungen zu überzeugen, die in einer Ausnahmebewilligung gemäß § 104 Abs 9 KFG für das Ziehen eines Anhängers verlangt werden, und das Fahrzeug nur dann in Betrieb zu nehmen, wenn die für die Summe der Gesamtgewichte oder die für die größte Länge oder die für die Summe der Gesamtgewichte und für die größte Länge festgesetzten Höchstgrenzen nicht überschritten werden. Auch bei den in der Ausnahmebewilligung nach § 104 Abs 9 KFG festgelegten Auflagen handelt es sich nämlich um im Sinne des § 102 Abs 1 KFG in Betracht kommende Vorschriften für das zu lenkende Kraftfahrzeug und den zu ziehenden Anhänger sowie dessen Beladung.
Der Beschwerdeführer als Kraftfahrzeuglenker hätte das Kraftfahrzeug daher nicht in Betrieb nehmen dürfen, wenn die in der Ausnahmebewilligung vorgeschriebene Mindestsichtweite nicht gegeben war oder wenn der vorgeschriebene Gewichtsnachweis nicht vorlag und daher nicht mitgeführt werden konnte. Es ist auch nicht zu erkennen, dass dem Beschwerdeführer als Kraftfahrzeuglenker die Überprüfung des Vorliegens dieser beiden Voraussetzungen nicht zumutbar gewesen wäre. Dem Beschwerdeführer ist daher auch nicht darin zu folgen, dass (allein) der Begleitfahrer für die Einhaltung der Auflagen verantwortlich wäre.
5. Die belangte Behörde hat als Verwaltungsvorschrift, die durch die Tat verletzt worden ist (§ 44a Z 2 VStG) jedoch § 104 Abs 9 und § 104 Abs 2 KFG, statt richtig § 102 Abs 1 KFG angegeben. Sie hat dadurch den angefochtenen Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet, sodass dieser gemäß § 42 Abs 2 Z 1 VwGG aufzuheben war. Auf die gerügten Verfahrensmängel war bei diesem Ergebnis nicht mehr einzugehen.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl II Nr 455, welche gemäß § 3 Abs 1 der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014, BGBl II Nr 518/2013 idF BGBl II Nr 8/2014 im Beschwerdefall weiterhin anzuwenden ist.
Wien, am
Fundstelle(n):
EAAAE-78336