VwGH vom 30.04.2019, Ra 2018/12/0049
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zens, Hofrätin Mag.a Nussbaumer-Hinterauer, Hofrat Mag. Feiel sowie die Hofrätinnen MMag. Ginthör und Dr. Koprivnikar als Richterinnen und Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Kratschmayr, über die Revision des Magistrats der Stadt Wien gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichts Wien vom , VGW-171/053/3458/2016- 4, betreffend Verlust des Anspruchs auf Diensteinkommen nach § 32 Abs. 1 Dienstordnung 1994 (mitbeteiligte Partei: Ing. M M in E, vertreten durch Mag. Thomas Mödlagl, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Singerstraße 12/9), zu Recht erkannt:
Spruch
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Begründung
1 Der Mitbeteiligte stand bis zu seiner Ruhestandsversetzung mit als Fachbeamter des technischen Dienstes in einem öffentlich-rechtlichen Aktivdienstverhältnis zur Stadt Wien. 2 Vor seiner Ruhestandsversetzung hatte sich der Mitbeteiligte seit durchgehend im Krankenstand befunden. Zur Feststellung seiner Dienstfähigkeit forderte ihn die im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht belangte Behörde mit Schreiben vom auf, sich am einer amtsärztlichen Untersuchung zu unterziehen. Der Mitbeteiligte erschien nicht zum Untersuchungstermin.
3 Mit Schreiben der Dienstbehörde vom wurde dem Mitbeteiligten mitgeteilt, dass zu prüfen sei, ob er seit eigenmächtig und unentschuldigt dem Dienst ferngeblieben sei. Dazu wurde ihm die Möglichkeit einer Stellungnahme eingeräumt. Weiters wurde er aufgefordert, sich am in der Magistratsabteilung 15 einer amtsärztlichen Untersuchung zu unterziehen. Diesen Termin nahm der Mitbeteiligte wahr. Im Rahmen des Parteiengehörs gab er an, die Ladung vom nie erhalten und auch keine Benachrichtigung über einen Zustellversuch sowie die anschließende Hinterlegung im Postkasten vorgefunden zu haben.
4 Mit Bescheid vom sprach die im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht belangte Behörde aus, dass der Mitbeteiligte gemäß § 32 Abs. 1 Dienstordnung 1994 (DO 1994), LGBl Nr. 56/1994, für die Zeit vom bis den Anspruch auf sein Diensteinkommen verloren habe.
5 In der dagegen erhobenen Beschwerde brachte der Mitbeteiligte vor, dass er die Ladung zur amtsärztlichen Untersuchung am nicht erhalten habe. Sie sei ihm mangels Zurücklassung eines Benachrichtigungszettels auch nicht wirksam zugestellt worden.
6 Mit Bescheid vom wurde der Mitbeteiligte mit Ablauf des gemäß § 68a Abs. 1 Z 1 DO 1994 von Amts wegen in den Ruhestand versetzt.
7 Mit dem angefochtenen Erkenntnis vom behob das Verwaltungsgericht Wien - der Beschwerde gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG stattgebend - den angefochtenen Bescheid vom . Die Revision nach Art. 133 Abs. 4 B-VG erklärte es für unzulässig. 8 Rechtlich führte das Verwaltungsgericht zusammengefasst aus, die Anwendung des § 32 Abs. 1 DO 1994 setze voraus, dass ein Beamter eigenmächtig und unentschuldigt dem Dienst fernbleibe. Die Beurteilung dieser Frage hänge maßgeblich davon ab, ob das Vorbringen des Mitbeteiligten, die Ladung zur amtsärztlichen Untersuchung sei nicht wirksam zugestellt worden, den Tatsachen entspreche. Eine Klärung dieser Frage könne jedoch dahingestellt bleiben, weil mit rechtskräftiger Entscheidung vom ausgesprochen worden sei, dass eine dauernde Dienstunfähigkeit des Mitbeteiligten im Sinn einer länger als ein Jahr dauernden durchgehenden Dienstunfähigkeit, somit auch im Zeitraum vom bis vorgelegen sei. Im Hinblick auf diese "klare und eindeutige Beurteilung" sehe das Verwaltungsgericht Wien keine Grundlage dafür, diesen fraglichen Zeitraum nachträglich anders, also im Sinn einer ungerechtfertigten (nicht auf Dienstunfähigkeit beruhenden) Abwesenheit vom Dienst zu beurteilen.
9 Die Unzulässigkeit der Revision begründete das Verwaltungsgericht ohne Bezugnahme auf den konkreten Fall mit dem Fehlen einer grundsätzlichen Rechtsfrage.
10 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die außerordentliche Revision der vor dem Verwaltungsgericht belangten Behörde. Diese sieht die Zulässigkeit ihrer Revision im Wesentlichen im Fehlen von Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs zu den in Frage stehenden Bestimmungen des § 31 Abs. 2 und 4 DO 1994, wenn der Beamte zu einem späteren Zeitpunkt wegen dauernder Dienstunfähigkeit gemäß § 68a Abs. 1 Z 1 DO 1994 in den Ruhestand versetzt worden sei. Zudem habe das Verwaltungsgericht die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs zum durchaus vergleichbaren § 51 Abs. 2 Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979 (BDG 1979), BGBl Nr. 333/1979, unberücksichtigt gelassen. 11 Der Mitbeteiligte erstattete eine Revisionsbeantwortung.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
12 Die Revision ist zulässig. Sie ist auch berechtigt. 13 Die maßgeblichen Bestimmungen der Dienstordnung 1994 (DO 1994), LGBl 56/1994, § 31 in der Fassung LGBl 20/2009, § 32 und 68a in der Fassung LGBl 49/2013, lauten (auszugsweise):
"Abwesenheit vom Dienst
§ 31. (1) Ist der Beamte durch Krankheit, Unfall oder einen anderen wichtigen, seine Person betreffenden Grund verhindert, den Dienst zu versehen, so hat er dies dem Vorgesetzten unverzüglich zu melden. Der Beamte hat den Grund für die Dienstverhinderung unverzüglich zu bescheinigen, wenn es der Vorgesetzte verlangt oder wenn die Dienstverhinderung länger als drei aufeinanderfolgende Kalendertage dauert. Die Dienstverhinderung durch Krankheit oder Unfall ist durch eine ärztliche Bestätigung oder durch eine Aufenthaltsbestätigung einer Krankenanstalt zu bescheinigen.
(2) Ein wegen Krankheit, Unfall oder gemäß § 62 vom Dienst abwesender Beamter hat sich auf Verlangen des Magistrats einer ärztlichen Untersuchung zu unterziehen, an dieser Untersuchung, sofern es ihm zumutbar ist, mitzuwirken und sich gegebenenfalls einer zumutbaren Krankenbehandlung zu unterziehen. Wurde auf Grund der ärztlichen Untersuchung die Dienstfähigkeit des Beamten durch einen Amtsarzt bescheinigt, so darf abweichend von Abs. 1 eine innerhalb der darauffolgenden vier Monate eintretende Dienstverhinderung wegen Krankheit nur durch einen Amtsarzt bescheinigt werden. Der Magistrat hat den Beamten unverzüglich nach Einlangen der Meldung über die Dienstverhinderung durch einen Amtsarzt untersuchen zu lassen.
...
(4) Kommt der Beamte den sich aus Abs. 1 bis 3 ergebenden Verpflichtungen nicht nach, so gilt die Abwesenheit vom Dienst nicht als gerechtfertigt.
...
Versäumung des Dienstes
§ 32. (1) Ein Beamter, der eigenmächtig und unentschuldigt dem Dienst fernbleibt, verliert für die Zeit einer solchen Abwesenheit den Anspruch auf sein Diensteinkommen. Der Beamte verliert den Anspruch auf sein Diensteinkommen auch für die Zeit, die er infolge Haft oder Freiheitsentzuges wegen eines strafrechtlich zu ahndenden Verhaltens oder auf Grund eines Tätigkeitsverbotes gemäß § 220b des Strafgesetzbuches - StGB, BGBl. Nr. 60/1974, dem Dienst fern war. Auf die zu seinem Haushalt gehörenden schuldlosen Angehörigen (§ 1 Abs. 7 der Pensionsordnung 1995) ist für die Zeit, für die das Diensteinkommen entfällt, § 55 der Pensionsordnung 1995 anzuwenden. Dem Beamten kann zur Vermeidung eines nicht wiedergutzumachenden Schadens ein zur Vermeidung dieses Schadens angemessener Unterhaltsbeitrag zuerkannt werden. Dieser darf zusammen mit der Leistung an den anderen Ehegatten oder eingetragenen Partner den Monatsbezug nicht übersteigen, auf den der Beamte jeweils Anspruch hätte. Führt das Verfahren zu keiner Verurteilung, so sind die Monatsbezüge unter Aufrechnung des Geleisteten nachzuzahlen.
...
Versetzung in den Ruhestand von Amts wegen
§ 68a. (1) Der Beamte ist von Amts wegen in den Ruhestand zu
versetzen, wenn er
1. dauernd dienstunfähig ist oder
2. ...
(2) Der Beamte ist dauernd dienstunfähig, wenn er infolge seiner gesundheitlichen Verfassung seine dienstlichen Aufgaben nicht erfüllen und auch auf keinem anderen mindestens gleichwertigen Arbeitsplatz verwendet werden kann, dessen Aufgaben er - allenfalls nach Durchführung ihm zumutbarer Aus-, Fortbildungs- oder Umschulungsmaßnahmen - nach seiner gesundheitlichen Verfassung zu erfüllen imstande ist, und die Wiedererlangung der Dienstfähigkeit innerhalb eines Jahres ab Beginn der Dienstunfähigkeit nicht zu erwarten ist oder er länger als ein Jahr dienstunfähig war.
(3) Bei Berechnung der einjährigen Dauer der Dienstunfähigkeit gelten dazwischen liegende, im Urlaub gemäß § 45 und 46 zugebrachte Zeiten oder Zeiten erbrachter Dienstleistungen im Ausmaß von weniger als vier zusammenhängenden Wochen nicht als Unterbrechung.
..."
14 Die revisionswerbende Partei bringt zur Begründung ihrer Revision im Wesentlichen vor, dass sich das Verwaltungsgericht mit dem Einwand des Mitbeteiligten, dass ihm die Ladung zur amtsärztlichen Untersuchung am nicht wirksam zugestellt worden sei, nicht auseinandergesetzt habe. Die vom Verwaltungsgericht angenommene "Heilung" der stattgefundenen Verletzung der Mitwirkungspflicht durch die nachfolgende Versetzung in den Ruhestand verkenne, dass es in dem gegenständlichen Verfahren nicht darum gehe, ob der Mitbeteiligte im Zeitraum vom bis tatsächlich dienstunfähig gewesen sei oder nicht, sondern darum, ob er seiner Pflicht, sich einer amtsärztlichen Untersuchung zu unterziehen, nachgekommen sei oder nicht, aus diesem Grund eigenmächtig und unentschuldigt vom Dienst ferngeblieben sei und deshalb den Anspruch auf sein Diensteinkommen verloren habe.
15 Die revisionswerbende Partei ist mit diesen Ausführungen im Recht.
16 Gemäß § 31 Abs. 2 DO 1994 hat sich ein wegen Krankheit vom Dienst abwesender Beamter auf Verlangen des Magistrats einer ärztlichen Untersuchung zu unterziehen und an dieser Untersuchung, sofern es ihm zumutbar ist, mitzuwirken. Kommt der Beamte diesen Verpflichtungen nicht nach, so gilt die Abwesenheit vom Dienst gemäß § 31 Abs. 4 DO 1994 als nicht gerechtfertigt. 17 Der Verwaltungsgerichtshof hat in diesem Zusammenhang bereits wiederholt ausgesprochen, dass die Verweigerung der zumutbaren Mitwirkung an einer ärztlichen Untersuchung dann vorliegt, wenn eine solche ärztliche Untersuchung von der Behörde wirksam angeordnet wurde und dem Beamten die Mitwirkung an der ärztlichen Untersuchung - mangels hinreichenden Entschuldigungsgrundes - objektiv zumutbar gewesen ist (siehe , zu § 31 Dienstpragmatik der Landesbeamten 1972, (NÖ) LGBl. 2200; , zu § 51 BDG 1979). Eine Verletzung dieser Mitwirkungspflicht wird vom Gesetzgeber als ein Fall einer nicht gerechtfertigten Abwesenheit vom Dienst eingestuft, weil der Nachweis, ob die geltend gemachte bescheinigte krankheitsbedingte Abwesenheit tatsächlich gerechtfertigt war, aus Gründen, die in der Sphäre des Beamten liegen, von der Dienstbehörde nicht geführt werden kann (; , 98/12/0139; ua). Durch die in Rede stehende Gesetzesbestimmung wird eine unwiderlegliche gesetzliche Vermutung (Fiktion) begründet. Vor diesem Hintergrund kommt es auf die Frage, ob die Abwesenheit des Beamten vom Dienst objektiv aus gesundheitlichen Gründen gerechtfertigt war, nicht an (vgl. in diesem Zusammenhang etwa auch ).
18 Der Mitbeteiligte wendete gegen die Annahme eines eigenmächtigen und unentschuldigten Fernbleibens vom Dienst zwischen und ein, dass ihm die Ladung zur amtsärztlichen Untersuchung für den nicht zugekommen sei. Mit diesem Vorbringen setzte sich das Verwaltungsgericht nicht auseinander. Dies wäre jedoch geboten gewesen.
19 Sollte dem Mitbeteiligten die Ladung zur amtsärztlichen Untersuchung nämlich tatsächlich nicht zugegangen sein, konnte er von dem Untersuchungstermin am naturgemäß nichts wissen. Abgesehen davon, dass der Termin von der Dienstbehörde in diesem Fall nicht wirksam angeordnet gewesen wäre, wäre das Fernbleiben des Mitbeteiligten von diesem Untersuchungstermin unter diesen Umständen jedenfalls nicht als eigenmächtig zu beurteilen.
20 Die Frage der Wirksamkeit der Anordnung der amtsärztlichen Untersuchung am ist hier - anders als das Verwaltungsgericht meinte - aber deshalb entscheidungswesentlich, weil nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs - die insoweit auch auf die Dienstordnung 1994 umgelegt werden kann (siehe dazu ) - aufgrund der gesetzlichen Bestimmungen, sofern der Beamte eigenmächtig und unentschuldigt dem Dienst fernbleibt, eine unwiderlegliche gesetzliche Vermutung einer nicht gerechtfertigten Abwesenheit vom Dienst besteht, weshalb es auf die Frage, ob die Abwesenheit des Beamten vom Dienst objektiv aus gesundheitlichen Gründen gerechtfertigt war, nicht ankommt. Daraus folgt aber auch, dass allein aus dem Umstand, dass der Mitbeteiligte in der Folge nach § 68a Abs. 1 Z 1 DO 1994 wegen dauernder Dienstunfähigkeit in den Ruhestand versetzt wurde, nicht geschlossen werden kann, dass die - an eine allfällige Verletzung der Mitwirkungspflicht anschließende - Abwesenheit vom Dienst in dem hier relevanten Zeitraum gerechtfertigt war. Ein solcher Schluss kann insbesondere auch nicht aus der Bestimmung des § 68a Abs. 3 DO 1994 gezogen werden. Überdies erwuchs nur der Spruch, nicht aber die Begründung des Ruhestandsversetzungsbescheids in Rechtskraft. Maßgeblich für die Beantwortung der hier relevanten Frage ist ausschließlich, ob der Mitbeteiligte seiner Mitwirkungspflicht, nämlich die (erste) amtsärztliche Untersuchung wahrzunehmen, nachkommen konnte. 21 Wegen des auf einem Rechtsirrtum beruhenden Fehlens von Feststellungen hinsichtlich der Gründe für das Unterbleiben einer Untersuchung am war das angefochtene Erkenntnis daher wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.
Wien, am
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ECLI: | ECLI:AT:VWGH:2019:RA2018120049.L00 |
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