VwGH vom 31.01.2014, 2013/02/0244
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Riedinger und den Hofrat Mag. Dr. Köller sowie die Hofrätin Mag. Dr. Maurer-Kober als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Farcas, über die Beschwerde des Mag. Z in W, vertreten durch Poinstingl Partner Rechtsanwälte OG in 1060 Wien, Capistrangasse 8/8, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates im Land Niederösterreich vom , Zl. Senat-AM-12-0293, betreffend Übertretung der StVO (weitere Partei: Niederösterreichische Landesregierung), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.
Das Land Niederösterreich hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen, angefochtenen Bescheid wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, er habe am um 15:17 Uhr auf der A1 bei Straßenkilometer 134,380 in Fahrtrichtung Linz als Lenker eines dem Kennzeichen nach bestimmten Fahrzeuges die auf Grund des angebrachten Vorschriftzeichens "Geschwindigkeitsbeschränkung" erlaubte Höchstgeschwindigkeit von 80 km/h überschritten, die gefahrene Geschwindigkeit habe nach Abzug der Messtoleranz von 5% 136 km/h betragen. Er habe dadurch § 52 lit. a Z 10a StVO iVm § 99 Abs. 2e StVO übertreten, wofür über ihn eine Geldstrafe von EUR 450,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 189 Stunden) verhängt wurde.
In der Begründung wird der Gang des Verwaltungsstrafverfahrens dargestellt und zusammengefasst ausgeführt, auf der A1 sei eine Geschwindigkeitsbeschränkung - zunächst von 100 km/h und gleich danach von 80 km/h - (Verkehrsausleitung für Lkw) nach § 97 Abs. 5 StVO angeordnet und auf Überkopfwegweiser kundgemacht worden. Zudem seien wegen der Ausleitung vom linken zum rechten Fahrstreifen sukzessive Fahrverbote für Lkw über 3,5 t angeordnet worden. Gleichzeitig habe sich das Radar eingeschaltet, das den Beschwerdeführer in der 80 km/h-Zone mit 144 km/h geblitzt habe.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.
Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Der wesentliche - bereits im Verwaltungsstrafverfahren erhobene - Einwand in der Beschwerde geht dahin, dass eine Anordnung eines Organs der Straßenaufsicht gemäß § 97 Abs. 5 StVO nicht vorliege, die belangte Behörde habe dazu keinerlei Feststellungen getroffen. Für eine wirksame Geschwindigkeitsbeschränkung fehle es an der entsprechenden Anordnung.
§ 97 Abs. 5 StVO in der Fassung BGBl. I Nr. 92/1998 lautet:
"(5) Die Organe der Straßenaufsicht sind berechtigt, durch deutlich sichtbare oder hörbare Zeichen Fahrzeuglenker zwecks Lenker- oder Fahrzeugkontrolle, zwecks anderer, den Fahrzeuglenker oder eine beförderte Person betreffende Amtshandlungen oder zwecks Durchführung von Verkehrserhebungen (wie Verkehrszählungen u. dgl.) zum Anhalten aufzufordern. Der Fahrzeuglenker hat der Aufforderung Folge zu leisten. Bei solchen Amtshandlungen sind die Organe der Straßenaufsicht auch berechtigt, die aus Gründen der Verkehrssicherheit allenfalls notwendigen Verkehrsbeschränkungen (zB sogenannte Geschwindigkeitsrichter) anzuordnen und durch Straßenverkehrszeichen kundzumachen sowie eine allenfalls notwendige Regelung mit Lichtzeichen vorzunehmen. Für die Anwendung dieser Maßnahme gilt § 44b Abs. 2 bis 4."
§ 44b Abs. 2 bis 4 StVO in der hier maßgeblichen Fassung (vor Inkrafttreten der Novelle BGBl. I Nr. 39/2013 mit ) lautet:
"(2) Ist der Grund für die Veranlassung oder Maßnahme weggefallen, so hat das nach Abs. 1 tätig gewordene Organ oder dessen Dienststelle die Veranlassung oder Maßnahme unverzüglich aufzuheben.
(3) Von der Veranlassung oder Maßnahme und von deren Aufhebung ist die Behörde von der Dienststelle des nach Abs. 1 tätig gewordenen Organs unverzüglich zu verständigen. Die Behörde hat diese Verständigungen in einem Aktenvermerk (§ 16 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1950) festzuhalten.
(4) Unbeschadet der Bestimmungen des Abs. 2 hat die Behörde von der Dienststelle des nach Abs. 1 tätig gewordenen Organs die Aufhebung der Veranlassung oder Maßnahme zu verlangen, wenn der Grund dafür weggefallen ist oder die Veranlassung oder Maßnahme gesetzwidrig oder sachlich unrichtig ist."
§ 16 AVG in der Fassung BGBl. I Nr. 5/2008 lautet:
"§ 16. (1) Amtliche Wahrnehmungen, mündliche oder telefonische Anbringen oder sonstige Mitteilungen an die Behörde, mündliche oder telefonische Belehrungen, Aufforderungen, Anordnungen und sonstige Äußerungen, schließlich Umstände, die nur für den inneren Dienst der Behörde in Betracht kommen, sind, wenn nicht anderes bestimmt ist und kein Anlass zur Aufnahme einer Niederschrift besteht, erforderlichenfalls in einem Aktenvermerk kurz festzuhalten.
(2) Der Aktenvermerk ist vom Amtsorgan unter Beisetzung des Datums zu unterschreiben; wurde der Aktenvermerk elektronisch erstellt, kann an die Stelle dieser Unterschrift ein Verfahren zum Nachweis der Identität (§ 2 Z 1 E-GovG) des Amtsorgans und der Authentizität (§ 2 Z 5 E-GovG) des Aktenvermerks treten."
Nach dieser Rechtslage bedarf es für die Wirksamkeit einer durch Straßenverkehrszeichen kundgemachten Verkehrsbeschränkung (vgl. § 97 Abs. 5 Satz 3 StVO) gemäß der entsprechenden Anordnung eines Organs der Straßenaufsicht einer unverzüglichen Verständigung der Behörde durch das Organ der Straßenaufsicht (§ 44b Abs. 3 StVO) und des Festhaltens dieser Verständigung in einem dem § 16 AVG entsprechenden Aktenvermerk (§ 44b Abs. 3 StVO iVm § 16 AVG).
Die belangte Behörde hat sich mit dem Einwand des Beschwerdeführers, eine Anordnung eines Organs der Straßenaufsicht gemäß § 97 Abs. 5 StVO sei nicht erteilt worden, nicht auseinander gesetzt und hat dazu keine Feststellungen getroffen.
In der Gegenschrift führt die belangte Behörde aus, die Anordnung der Geschwindigkeitsbeschränkung werde durch das im erstinstanzlichen Akt einliegende "Ausleitprotokoll" dokumentiert. Tatsächlich findet sich in den vorgelegten Verwaltungsakten ein als "Meldung über Ausleitung" bezeichnetes Schreiben der Autobahnpolizeiinspektion A an die BH A vom , in dem zur festgestellten Tatzeit passende Ausleitungen gemeldet wurden. Dieses Schreiben ist allerdings weder im erstinstanzlichen Akt eingeordnet noch findet sich ein Hinweis darauf in der Aktenübersicht. Es ist vielmehr den Verwaltungsakten nur beigelegt und trägt den handschriftlichen Vermerk "Beilage 2". Es kann demnach nicht davon ausgegangen werden, dass dieses Schreiben während des Verwaltungsstrafverfahrens Bestandteil der Verwaltungsakten und somit dem Beschwerdeführer zugänglich gewesen ist.
Zudem ist dem Akteninhalt auch kein Hinweis auf einen Aktenvermerk der Behörde über die Verständigung von der konkreten Maßnahme zu entnehmen, der wiederum Voraussetzung für die ordnungsgemäße Kundmachung der Verkehrsbeschränkung ist.
Ohne Rücksicht auf die angeführten Voraussetzungen und ohne diese festgestellt zu haben, hat die belangte Behörde in Verkennung der Rechtslage der Bestrafung des Beschwerdeführers eine ordnungsgemäß kundgemachte Geschwindigkeitsbeschränkung zugrunde gelegt, weshalb der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufzuheben war.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht gemäß §§ 3 und 4 VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014 idF BGBl. II Nr. 8/2014 auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008. Das Mehrbegehren war abzuweisen, weil die Umsatzsteuer in den pauschalierten Ersatzbeträgen bereits enthalten ist.
Wien, am