VwGH vom 31.01.2014, 2013/02/0239
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Riedinger und den Hofrat Mag. Dr. Köller sowie die Hofrätin Mag. Dr. Maurer-Kober als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Farcas, über die Beschwerde des DI S in N, vertreten durch die Tinzl und Frank Rechtsanwältepartnerschaft, Mag. Michael Tinzl, Mag. Albert Frank und Mag. Michael Schönlechner, 6020 Innsbruck, Museumstraße 21, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Vorarlberg vom , Zl. UVS-1-193/E3-2013, betreffend Übertretung der StVO (weitere Partei: Vorarlberger Landesregierung), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Land Vorarlberg Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde den Beschwerdeführer für schuldig erachtet, er habe am um 23:25 Uhr in S, J-Parkplatz, Höhe B-Straße 93, ein dem Kennzeichen nach näher bestimmtes Fahrzeug in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand in Betrieb genommen, wobei der Test am geeichten Alkomaten einen Alkoholgehalt der Atemluft von 0,81 mg/l ergeben habe. Er habe dadurch § 99 Abs. 1 lit. a StVO iVm § 5 Abs. 1 StVO übertreten, weshalb über ihn eine Geldstrafe in der Höhe von EUR 1.600,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 336 Stunden) verhängt wurde.
In der Begründung gab die belangte Behörde den Inhalt der Berufung des Beschwerdeführers wieder, wonach es sich bei dem Parkplatz der Firma J in S um einen Privatparkplatz handle, der mit einem allgemeinen Halte- und Parkverbot, ausgenommen für Mitarbeiter der Firma J., ausgeschildert sei. Der Parkplatz verfüge über eine einzige Zufahrt, bei der das genannte Verkehrsschild deutlich erkennbar aufgestellt sei. Es handle sich sohin um einen eingeschränkten und genau definierten Personenkreis, der die Erlaubnis habe, Fahrzeuge auf dem gegenständlichen Parkplatz abzustellen. Im weiteren Sinne gehöre der Parkplatz zum Werksgelände der Firma J, die die Grundstücksfläche von der Marktgemeinde S in Pacht genommen und das alleinige Verfügungsrecht über die Nutzung des Grundstücks habe. Eine andere Nutzung des Parkplatzes sei völlig unrealistisch. Zum gegenständlichen Zeitpunkt sei das Fahrzeug des Beschwerdeführers das einzige gewesen, das auf dem Parkplatz abgestellt gewesen sei. Der Beschwerdeführer habe nicht die Absicht gehabt, sein Fahrzeug in Bewegung zu setzen; er habe wegen seiner Alkoholisierung im Büro der Firma J übernachten wollen. Er habe sein Fahrzeug kurzfristig gestartet, weil er in seinem Fahrzeug sein Mobiltelefon einige Minuten habe aufladen und gleichzeitig von seiner Musikanlage einige Musikstücke auf sein Smartphone habe überspielen wollen. Er habe den Motor wieder abgestellt, bevor die Meldungsleger eingeschritten seien bzw. bevor er das Herannahen der Polizei wahrgenommen habe.
Weiter gab die belangte Behörde unter anderem die Angaben des Beschwerdeführers in der von ihr durchgeführten mündlichen Verhandlung wieder, die im Wesentlichen dem Inhalt seiner Berufung entsprachen und stellte fest, dass der Beschwerdeführer zum angegebenen Zeitpunkt das Fahrzeug in Betrieb genommen habe. In der folgenden rechtlichen Beurteilung trug die belangte Behörde die Feststellung nach, der gegenständliche Parkplatz sei nicht abgeschrankt gewesen, sodass jedermann dort hineinfahren oder hineinlaufen habe können. Auch das Polizeifahrzeug habe ungehindert auf diesen Parkplatz zufahren können. Erkennbar folgte die belangte Behörde im Übrigen den Angaben des Beschwerdeführers (sowie des Meldungslegers) und nahm diese Angaben als erwiesen an.
In rechtlicher Hinsicht vertrat die belangte Behörde die Ansicht, bei dem Parkplatz handle es sich um eine Straße mit öffentlichem Verkehr im Sinne des § 1 Abs. 1 StVO, weshalb eine Bestrafung gemäß § 5 Abs. 1 StVO wegen der beim Beschwerdeführer festgestellten Alkoholbeeinträchtigung zulässig gewesen sei.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.
Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
In erster Linie beschäftigt sich die Beschwerde mit der rechtlichen Beurteilung der belangten Behörde, die den in Rede stehenden Parkplatz als Straße mit öffentlichem Verkehr gewertet hat und vertritt zusammengefasst die Ansicht, es gebe auf dem Parkplatz keinen Fußgängerverkehr und der Betreiber des Parkplatzes habe durch das Anbringen einer entsprechenden Verbotstafel klar den Willen artikuliert, dass der Parkplatz nicht für jedermann benützbar sei. Die Parkfläche stünde im Rahmen des Fußgänger- und Fahrzeugverkehrs nicht jedermann offen.
Gemäß § 1 Abs. 1 StVO gilt dieses Bundesgesetz für Straßen mit öffentlichem Verkehr. Als solche gelten Straßen, die von jedermann unter den gleichen Bedingungen benützt werden können.
Nach der ständigen Rechtsprechung kann eine Straße dann von jedermann unter den gleichen Bedingungen benützt werden, wenn sie nach dem äußeren Anschein zur allgemeinen Benützung freisteht. Für die Widmung als Straße mit öffentlichem Verkehr ist ein Widmungsakt nicht erforderlich und es kommt auch nicht auf die Eigentumsverhältnisse am Straßengrund an, d.h. also nicht darauf, ob die betreffende Landfläche ganz oder teilweise im Privateigentum steht (vgl. das Erkenntnis vom , Zl. 2010/02/0120).
Unter Benützung für jedermann unter den gleichen Bedingungen ist zu verstehen, dass irgendeine denkbare Benützung im Rahmen des Fußgänger- und Fahrzeugverkehrs jedermann offen stehen muss. Der Begriff der Benützung unter den gleichen Bedingungen kann nicht so ausgelegt werden, dass die Einschränkung einer Benützungsart auf einen bestimmten Personenkreis allein der Straße den Charakter einer öffentlichen Verkehrsfläche entzöge (vgl. die Erkenntnisse vom , Zl. 98/02/0343 und vom , Zl. 2001/02/0008).
Bei einem nicht abgeschrankten Kundenparkplatz eines Kaufhauses, vor dem ein Schild mit der Aufschrift "Privatstraße" aufgestellt ist, handelt es sich um eine Straße mit öffentlichem Verkehr gemäß § 1 Abs. 1 StVO (vgl. das Erkenntnis vom , Zl. 2002/03/0223). Aus dem Umstand, dass eine Straße nur von einer bestimmten Gruppe von Verkehrsteilnehmern benutzt wird, kann ebenfalls nicht geschlossen werden, dass es sich um eine Straße ohne öffentlichen Verkehr handelt (vgl. das Erkenntnis vom , Zl. 2006/03/0009, mwN).
Der Hinweis "Privatgrund Halten und Parken verboten" kann nichts daran ändern, dass jene Fläche, auf welcher das Fahrzeug des Beschwerdeführers im Zeitpunkt der an ihn ergangenen Aufforderung zur Ablegung der Atemluftprobe gestanden ist, zumindest befahren werden durfte, weshalb nicht davon auszugehen ist, dass jegliche Benützung derselben durch die Allgemeinheit verboten war. Es handelte sich also bei dem Tatort, objektiv gesehen, um eine "Straße mit öffentlichem Verkehr" im Sinne des § 1 Abs. 1 StVO (vgl. das Erkenntnis vom , Zl. 90/18/0182).
Angesichts dieser Rechtsprechung kann der belangten Behörde nicht entgegen getreten werden, wenn sie den vorliegenden Parkplatz, den auch die vom Beschwerdeführer mit der Beschwerde vorgelegten Lichtbilder anschaulich zeigen, und der bei der Einfahrt weder über eine Abschrankung noch über einen Hinweis auf eine Zugangs- oder Zufahrtsbeschränkung verfügt (das Halte- und Parkverbot ist keine solche), somit von jedermann befahren werden konnte und durfte, als "Straße mit öffentlichem Verkehr" im Sinne des § 1 Abs. 1 StVO gewertet hat. Weder der Umstand, dass dort nur Mitarbeiter des genannten Unternehmens halten und parken durften, noch die Einzäunung des Parkplatzes auf drei Seiten konnten die Möglichkeit des Begehens oder Befahrens durch jedermann einschränken oder hindern.
Soweit der Beschwerdeführer auf Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes, die sich mit dem Zweck von Straßen zur Raumüberwindung beschäftigen, - ohne solche konkret anzuführen - Bezug nimmt, handelt es dabei um schon auf der Sachverhaltsebene nicht mit dem vorliegenden Fall vergleichbare Fälle (etwa im Erkenntnis vom , Zl. 2003/02/0073, benützt der dortige Beschwerdeführer mit seinem Fahrzeug eine nicht dem Verkehr gewidmete Wiese, auf der ein Festzelt steht).
Zu der vom Beschwerdeführer zu seinen Gunsten ins Treffen geführten Bestimmung des § 99 Abs. 5 StVO, wonach nicht bestraft wird, wer aus freien Stücken beim Versuch der Inbetriebnahme des Fahrzeuges die Ausführung aufgibt, ist anzumerken, dass als Inbetriebnahme bereits das Starten des Motors gilt (vgl. das Erkenntnis vom , Zl. 92/02/0184), somit ein Versuch des Beschwerdeführers, dessen Ausführung er aus freien Stücken aufgeben hätte können, nicht mehr vorgelegen ist; durch das Ingangsetzen des Motors wurde das Fahrzeug schon ("vollendet") in Betrieb genommen (vgl. das Erkenntnis vom , Zl. 2004/02/0045).
Die Beschwerde war daher als unbegründet abzuweisen.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht gemäß § 3 VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014 idF BGBl. II Nr. 8/2014 auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.
Wien, am