VwGH vom 25.05.2011, 2008/13/0003
Beachte
Serie (erledigt im gleichen Sinn):
2008/13/0002 E
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Heinzl und die Hofräte Dr. Fuchs, Dr. Nowakowski, Dr. Mairinger und Mag. Novak als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Unger, über die Beschwerde der K GmbH in S, vertreten durch Dkfm. Dr. Wilfried Schlick, Wirtschaftsprüfer und Steuerberater in 1170 Wien, Oberwiedenstraße 1, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Wien, vom , GZ. RV/1758-W/06, betreffend Körperschaftsteuer für das Jahr 2002, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Im Unternehmen der beschwerdeführenden GmbH, die ihren Gewinn nach einem vom Kalenderjahr abweichenden Wirtschaftsjahr zum Bilanzstichtag 31. März ermittelt, fand im Jahr 2005 eine abgabenbehördliche Prüfung statt. Streitpunkt im verwaltungsgerichtlichen Verfahren bildet die vom Prüfer bei der Ermittlung der Körperschaftsteuerbemessungsgrundlage für das Jahr 2002 vorgenommene Hinzurechnung in Höhe von rund 1,9 Mio. EUR im Zusammenhang mit der steuerfreien Auflösung der Abfertigungsrückstellung nach § 124b Z 68 EStG 1988 (Tz 14 iVm Punkt 14 der Niederschrift über die Schlussbesprechung vom ).
In dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid hielt die belangte Behörde im Erwägungsteil nach einer Darstellung der Rechtslage fest, dass die Anwendung der Übergangsbestimmungen des § 124b Z 68 EStG 1988 strittig sei. Außer Streit stehe, dass am Ende des letzten vor dem endenden Wirtschaftsjahres ( bis ) von der Beschwerdeführerin eine steuerrechtliche Abfertigungsrückstellung (in Höhe von rund 10,4 Mio. EUR) gebildet worden sei. Nach Ansicht des Betriebsprüfers sei dieser Rückstellungsbetrag erst nach Verrechnung mit den tatsächlich "im darauf folgenden Wirtschaftsjahr bis ausbezahlten Abfertigungsansprüchen zum Bilanzstichtag auf eine als versteuert geltende Rücklage zu übertragen" gewesen. Die Beschwerdeführerin stehe demgegenüber auf dem Standpunkt, dass der Gesamtbetrag der Abfertigungsrückstellung zum Bilanzstichtag (in Höhe von rund 9,7 Mio. EUR) auf eine als versteuert geltende Rücklage übertragen werden könne. Die bereits vor diesem Bilanzstichtag im Wirtschaftsjahr 2002 tatsächlich ausbezahlten Abfertigungsansprüche "seien im Gesamtbetrag der Abfertigungsrückstellung zum Bilanzstichtag gar nicht mehr enthalten und könnten daher auch nicht mehr berücksichtigt werden".
Nach Ansicht der belangten Behörde gehe aus der Bestimmung des § 124b Z 68 EStG 1988 insgesamt hervor, dass Grundlage für die steuerfreie Übertragung der Abfertigungsrückstellung der Gesamtbetrag der am Ende des der Übertragung vorangehenden Wirtschaftsjahres bestehenden Abfertigungsrückstellung sei. Diese rechtliche Beurteilung führe zu dem Ergebnis, dass Basis für die von der Beschwerdeführerin zum Bilanzstichtag vorgenommene steuerfreie Übertragung der Abfertigungsrückstellung die zum Bilanzstichtag steuerrechtlich gebildete Abfertigungsrückstellung gewesen sei. Diese zum Bilanzstichtag gebildete Abfertigungsrückstellung könne nach der Bestimmung des § 124b Z. 68 lit. a EStG 1988 nur insoweit steuerfrei übertragen werden, als nicht die zugrunde liegenden Abfertigungsansprüche ausbezahlt worden seien. Damit habe der Betriebsprüfer zu Recht den Teil der zum Bilanzstichtag steuerrechtlich gebildeten Abfertigungsrückstellung ausgeschieden, der auf die tatsächlich von der Beschwerdeführerin "im Wirtschaftsjahr der steuerfreien Übertragung der Abfertigungsrückstellung ausbezahlten Abfertigungen entfallen ist". Die vom Finanzamt in Entsprechung der Ansicht des Betriebsprüfers vorgenommene Hinzurechnung im Körperschaftsteuerbescheid für das Jahr 2002 in Höhe von rund 1,9 Mio. EUR habe somit dem Gesetz entsprochen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die dagegen erhobene Beschwerde nach - unter Verzicht auf die Erstattung einer Gegenschrift erfolgter - Aktenvorlage ohne Kostenantrag durch die belangte Behörde erwogen:
Im Zuge der Einführung der so genannten "Abfertigung neu" kam es im Rahmen des Betrieblichen Mitarbeitervorsorgegesetzes (BMVG), BGBl. I Nr. 100/2002 (ausgegeben am ), zu steuerlichen Begleitmaßnahmen. In der Bestimmung des § 124b Z 68 EStG 1988 wurde in diesem Zusammenhang die Möglichkeit geschaffen, die nach § 14 Abs. 1 EStG 1988 gebildete Abfertigungsrückstellung steuerfrei auf das Kapitalkonto oder eine als versteuert geltende Rücklage zu übertragen.
Die Bestimmung des § 124b Z 68 EStG 1988 in der Fassung des BMVG lautete:
"Wurde am Ende des letzten vor dem endenden Wirtschaftsjahres eine Abfertigungsrückstellung gebildet, gilt Folgendes:
a) Der Gesamtbetrag der Abfertigungsrückstellung kann, soweit die zugrunde liegenden Abfertigungsansprüche nicht an eine MV-Kasse übertragen werden oder eine Abfertigung ausbezahlt wird, im folgenden Wirtschaftsjahr auf das Kapitalkonto oder auf eine als versteuert geltende Rücklage steuerfrei übertragen werden.
b) Erfolgt eine Übertragung im Sinne der lit. a, kann der Steuerpflichtige ab dem Wirtschaftsjahr der Übertragung keine Abfertigungsrückstellung bilden.
c) Treten nach einer Übertragung im Sinne der lit. a Verpflichtungen zur Auszahlung von Abfertigungen im Sinne des § 14 Abs. 1 Z 1 und 2 ein oder erfolgt eine Übertragung der Abfertigungsansprüche an eine MV-Kasse, sind die entstehenden Aufwendungen (Ausgaben) gleichmäßig verteilt auf fünf Jahre abzusetzen.
Die lit. a bis c gelten sinngemäß für steuerfreie Beträge nach § 14 Abs. 6."
Nach dieser Regelung des § 124b Z 68 EStG 1988 in der Fassung des BMVG war die steuerneutrale Übertragung der Abfertigungsrückstellung nur im Wirtschaftsjahr 2003 möglich (vgl. RV 1131 BlgNR 21. GP 68, sowie z.B. Bruckner , ÖStZ 2002/788, S. 449). Dieses Übertragungsjahr 2003 war im § 124b Z 68 lit. a EStG 1988 mit dem "folgenden Wirtschaftsjahr" angesprochen, wobei sich im Zusammenhalt mit dem Einleitungssatz des § 124b Z 68 leg. cit. als Übertragungsgegenstand die zum Ende des vorangehenden (vor dem endenden) Wirtschaftsjahres 2002 bestehende Abfertigungsrückstellung ergab. Von dieser Abfertigungsrückstellung waren nach § 124b Z 68 lit. a leg. cit. die im Wirtschaftsjahr 2003 an eine MV-Kasse geleisteten bzw. an Arbeitnehmer ausbezahlten Abfertigungsansprüche in Abzug zu bringen und erst der (gesamte) verbleibende Rest war auf das Kapitalkonto bzw. Rücklagenkonto übertragbar. Ab dem Wirtschaftsjahr 2003, also dem Wirtschaftsjahr der Übertragung im Sinne des § 124b Z 68 lit. b leg. cit., war die Bildung einer Abfertigungsrückstellung mit steuerlicher Wirksamkeit nicht mehr möglich (vgl. z.B. Binder/Schifko , SWK-H 26/2002, S 693).
Durch das Hochwasserentschädigungs- und Wiederaufbau-Gesetz 2002 (HWG 2002), BGBl. I Nr. 155/2002 (ausgegeben am ), erhielt § 124b Z 68 EStG 1988 im Einleitungssatz und in der lit. a die im Beschwerdefall anzuwendende Fassung. Durch diese Gesetzesnovelle trat im Einleitungssatz des § 124b Z 68 EStG 1988 an die Stelle des Datums "" das Datum "". Die lit. a leg. cit. lautete in der Neufassung:
"a) Der Gesamtbetrag der Abfertigungsrückstellung kann, soweit nicht die zugrunde liegenden Abfertigungsansprüche ausbezahlt werden, im ersten vor dem endenden Wirtschaftsjahr auf das Kapitalkonto oder auf eine als versteuert geltende Rücklage steuerfrei übertragen werden. Erfolgt in diesem Wirtschaftsjahr keine Übertragung, so kann der Gesamtbetrag der am Ende dieses Wirtschaftsjahres bestehenden Abfertigungsrückstellung, soweit nicht die zugrunde liegenden Abfertigungsansprüche ausbezahlt oder an eine MV-Kasse übertragen werden, im folgenden Wirtschaftsjahr auf das Kapitalkonto oder auf eine als versteuert geltende Rücklage steuerfrei übertragen werden. Dies gilt auch, wenn im handelsrechtlichen Jahresabschluss weiterhin eine Rückstellung für Abfertigungen (§ 198 Abs. 8 Z 4 lit. a des Handelsgesetzbuches) gebildet wird."
Durch die Gesetzesnovelle des HWG 2002 sollten die Zeiträume, in denen eine steuerneutrale Übertragung (Auflösung) von Abfertigungsrückstellungen möglich war bzw. in denen (in § 14 Abs. 1 EStG 1988) der Rückstellungssatz von 50 % auf 47,5 bzw. 45 % abgesenkt wurde, um ein Jahr vorgezogen werden (vgl. AB 1285 BlgNR 21. GP 7). Die Abfertigungsrückstellungen sollten einerseits bereits im Jahr 2002 steuerfrei aufgelöst werden können, andererseits sollte die steuerfreie Auflösung in zwei Jahren, nämlich in den Jahren 2002 und 2003 möglich sein (vgl. StProt NR 21. GP 115.S./105).
Dass durch diese Vorverlagerung der Übertragungsmöglichkeit in das Wirtschaftsjahr 2002 die Regelungstechnik gegenüber der bisherigen (durch die Gesetzesnovelle des HWG 2002 in den zweiten Satz des § 124b Z 68 lit. a EStG 1988 verschobenen) Vorschrift für das Wirtschaftsjahr 2003 geändert worden und dem Steuerpflichtigen - wie dies der Beschwerdeführerin offenbar vorschwebt - für das Wirtschaftsjahr 2002 eine Übertragungsmöglichkeit insofern eingeräumt worden wäre, als nicht nur die Abfertigungsrückstellung des vorangegangenen Wirtschaftsjahres 2001 (nach Verrechnung mit im Wirtschaftsjahr 2002 ausbezahlten Abfertigungsansprüchen), sondern die in dem "vor dem endenden" Wirtschaftsjahr 2002 gebildete Rückstellung bereits im Wirtschaftsjahr 2002 steuerfrei übertragen werden könnte, ist nicht zu erkennen. Wenn die Beschwerdeführerin zur Stützung ihres Standpunktes vorbringt, von wesentlicher Bedeutung sei ihrer Meinung nach "der Wortlaut des Gesetzes, da hinsichtlich der steuerfreien Übertragung der Rückstellung für Abfertigungen in Punkt a) des § 124 b) Z 68 des EStG ausdrücklich gesagt wird, dass die steuerfreie Übertragung ' im ersten vor dem endenden Wirtschaftsjahr' erfolgen kann", lässt sie den Konnex zum Einleitungssatz des § 124b Z 68 EStG 1988 idF HWG 2002 ("Wurde am Ende des letzten vor dem endenden Wirtschaftsjahres eine Abfertigungsrückstellung gebildet, …") außer Acht, der auch sprachlich eine Verbindung mit der für das vorangegangene Wirtschaftsjahr gebildeten Abfertigungsrückstellung herstellt (vgl. dazu, dass der Steuerpflichtige von der durch das HWG 2002 eröffneten Option für die Veranlagung 2002 nur hinsichtlich der gesamten, "in der vorangegangenen Bilanz" ausgewiesenen Abfertigungsrückstellung Gebrauch machen konnte, auch Zorn in Hofstätter/Reichel, EStG III, § 14 Tz 14/2).
Es entsprach somit der Rechtslage, dass die belangte Behörde die Berechnung der steuerfreien Übertragung der Abfertigungsrückstellung durch den Betriebsprüfer auf Basis der zum Bilanzstichtag (Ende des abweichenden Wirtschaftsjahres 2000/2001) gebildeten Abfertigungsrückstellung bestätigt hat (vgl. in diesem Sinne etwa auch Grünberger , SWK-H 9/2003, S 295 und S 298).
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Wien, am