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VwGH vom 18.12.2015, 2013/02/0219

VwGH vom 18.12.2015, 2013/02/0219

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Beck und die Hofräte Dr. Lehofer und Dr. N. Bachler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Harrer, über die Beschwerde des B K in W, vertreten durch Dr. Tassilo Neuwirth, Dr. Alexander Neurauter und Dr. Martin Neuwirth, Rechtsanwälte in 1010 Wien, Petersplatz 3, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom , Zl. UVS-03/P/15/7330/2013-3, betreffend Übertretung der StVO 1960 (weitere Partei: Wiener Landesregierung), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Land Wien Aufwendungen in der Höhe EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde vom wurde der Beschwerdeführer für schuldig befunden, er habe am um 14.57 Uhr an einem näher umschriebenen Ort mit einem dem Kennzeichen nach bestimmten KFZ die im Ortsgebiet zulässige Höchstgeschwindigkeit vom 50 km/h überschritten, weil die Fahrtgeschwindigkeit 71 km/h betragen habe, wobei die Überschreitung mit einem Messgerät festgestellt worden sei. Der Beschwerdeführer habe dadurch eine Verwaltungsübertretung gemäß § 20 Abs. 2 StVO begangen; es wurde über ihn gemäß § 99 Abs. 3 lit. a StVO eine Geldstrafe in Höhe von EUR 70,-- (Ersatzfreiheitsstrafe: 35 Stunden) verhängt.

Begründend führte die belangte Behörde aus, dass der Beschwerdeführer die Begehung der ihm angelasteten Tat (Überschreitung der im Ortsgebiet zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h) unbestritten gelassen habe. Die Verwaltungsübertretung sei auf Grund der unbedenklichen Anzeige, wonach die mit einem Lasergeschwindigkeitsmessgerät festgestellte Geschwindigkeit unter Abzug des Toleranzwertes 71 km/h betragen habe, als erwiesen anzusehen.

Der Beschwerdeführer habe allerdings eingewandt, dass er den wegen derselben Tat mit Anonymverfügung vom verhängten Strafbetrag bereits am und somit fristgerecht durch Überweisung bezahlt habe, weshalb seine Bestrafung unzulässig sei.

Wie sich aus der vom Beschwerdeführer vorgelegten Überweisungsbestätigung in Verbindung mit der Mitteilung der Buchhaltungsabteilung der Landespolizeidirektion Wien zweifelsfrei ergebe, habe der Beschwerdeführer fristgerecht und unter Angabe der richtigen Identifikationsnummer nicht den mit der Anonymverfügung geforderten Strafbetrag von EUR 56,--, sondern den Betrag von EUR 57,-- zur Anweisung gebracht.

Die Zulässigkeit von Ermittlungen und Verfolgungshandlungen gegen den Täter einer Übertretung, für die eine Anonymverfügung erlassen wurde, sei gemäß § 49a Abs. 6 zweiter und dritter Satz iVm § 49a Abs. 7 VStG davon abhängig, ob der Strafbetrag mittels Beleges (Abs. 4) fristgerecht eingezahlt worden sei oder nicht. Grundsätzlich sei der mit Anonymverfügung vorgeschriebene Strafbetrag mit dem zur postalischen Einzahlung geeigneten, der Anonymverfügung (auch im vorliegenden Fall) beigegebenen Beleg einzuzahlen. Gemäß der durch die Novelle BGBl. I Nr. 158/1998 eingefügten Fiktion des letzten Satzes des § 49a Abs. 6 VStG gelte als fristgerechte Einzahlung des Strafbetrages mittels Beleges (Abs. 4) auch die Überweisung des Strafbetrages auf das im Beleg angegebene Konto, wenn der Überweisungsauftrag die automationsunterstützt lesbare, vollständige und richtige Identifikationsnummer des Beleges enthalte und der Strafbetrag dem Konto des Überweisungsempfängers fristgerecht gutgeschrieben werde.

Die zuletzt genannte Regelung betone zwar in erster Linie die Notwendigkeit der Anführung der vollständigen und richtigen Identifikationsnummer (wie auf dem Originalbeleg iSd Abs. 4) und der innerhalb der Zahlungsfrist erfolgten Gutschrift auf dem (auf dem Originalbeleg angegebenen) Empfängerkonto. Damit eine solche Überweisung der Einzahlung mittels Beleges (Abs. 4) entspreche bzw. gleichgehalten werden könne, müsse aber auch der Betrag der Überweisung mit dem auf dem Beleg angegebenen Strafbetrag übereinstimmen.

Die Zahlung eines höheren Strafbetrages könne auch dann nicht als fristgerechte Einzahlung des Strafbetrages mittels Beleges gelten, wenn - wie im vorliegenden Fall - dieser Betrag innerhalb der Zahlungsfrist dem Konto der Behörde gutgeschrieben worden sei. Dies ergebe sich schon daraus, dass § 49a Abs. 6 VStG von der Überweisung "des Strafbetrages", nämlich des konkret vorgeschriebenen Strafbetrages, spreche. Auch der Normzweck der eindeutigen und automationsunterstützten Identifizierbarkeit und Zuordenbarkeit der Zahlung zur Anonymverfügung spreche für dieses Ergebnis. Wenn zur richtigen Identifikationsnummer ein falscher Betrag überwiesen werde, sei eine konkrete elektronische Zuordnung des Strafbetrages zur Identifikationsnummer eben nicht möglich.

Da im vorliegenden Fall ein höherer Strafbetrag (EUR 57,-- anstatt EUR 56,--) und damit ein anderer als der konkret vorgeschriebene Betrag durch Überweisung bezahlt worden sei, sei eine der Einzahlung des Strafbetrages mittels Beleges (Abs. 4) entsprechende Überweisung "des Strafbetrages" nicht erfolgt, sodass die Anonymverfügung mangels ordnungsgemäßer Einzahlung des Strafbetrages gegenstandslos geworden sei und die Erstbehörde zur Verfolgung des Täters und zur Erlassung des angefochtenen Straferkenntnisses berechtigt gewesen sei.

Werde die Anonymverfügung gegenstandslos, folge daraus, dass ihr für das in der Folge eingeleitete Verwaltungsstrafverfahren auch unter dem Gesichtspunkt der Höhe der sodann festgesetzten Geldstrafe keine rechtliche Bedeutung zukomme. Die Behörde habe in einem solchen Fall so vorzugehen als ob eine Anonymverfügung niemals erlassen worden wäre. Der nicht ordnungsgemäß eingezahlte Strafbetrag sei allerdings gemäß § 49a Abs. 9 VStG zurückzuzahlen oder anzurechnen. Die Erstbehörde habe im vorliegenden Straferkenntnis den eingezahlten Strafbetrag angerechnet.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend gemacht wird.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Auf den vorliegenden, mit Ablauf des beim Verwaltungsgerichtshof anhängigen Beschwerdefall sind nach § 79 Abs. 11 letzter Satz VwGG die bis zum Ablauf des geltenden Bestimmungen weiter anzuwenden.

§ 49a Abs. 4 bis 9 VStG lautet in der für den Beschwerdefall maßgebenden Fassung BGBl. I Nr. 158/1998 wie folgt:

"(4) Der Anonymverfügung ist ein zur postalischen Einzahlung des Strafbetrages geeigneter Beleg beizugeben. Der Beleg hat eine Identifikationsnummer zu enthalten, die automationsunterstützt gelesen werden kann. § 50 Abs. 5 gilt sinngemäß.

(5) Die Anonymverfügung ist einer Person zuzustellen, von der die Behörde mit Grund annehmen kann, daß sie oder ein für sie gemäß § 9 verantwortliches Organ den Täter kennt oder leicht feststellen kann.

(6) Die Anonymverfügung ist keine Verfolgungshandlung. Gegen sie ist kein Rechtsmittel zulässig. Sie wird gegenstandslos, wenn nicht binnen vier Wochen nach Ausfertigung die Einzahlung des Strafbetrages mittels Beleges (Abs. 4) erfolgt. Ist die Anonymverfügung gegenstandslos geworden, so hat die Behörde gemäß § 34 vorzugehen. Als fristgerechte Einzahlung des Strafbetrages mittels Beleges (Abs. 4) gilt auch die Überweisung des Strafbetrages auf das im Beleg angegebene Konto, wenn der Überweisungsauftrag die automationsunterstützt lesbare, vollständige und richtige Identifikationsnummer des Beleges enthält und der Strafbetrag dem Konto des Überweisungsempfängers fristgerecht gutgeschrieben wird.

(7) Wird der Strafbetrag mittels Beleges (Abs. 4) fristgerecht eingezahlt, so hat die Behörde von der Ausforschung des unbekannten Täters endgültig Abstand zu nehmen und jede Verfolgungshandlung zu unterlassen.

(8) Die Anonymverfügung darf weder in amtlichen Auskünften erwähnt noch bei der Strafbemessung im Verwaltungsstrafverfahren berücksichtigt werden. Jede über Abs. 5 und 6 hinausgehende Verknüpfung von Daten mit jenen einer Anonymverfügung im automationsunterstützten Datenverkehr ist unzulässig. Die Daten einer solchen Anonymverfügung sind spätestens sechs Monate nach dem Zeitpunkt, in dem sie gegenstandslos geworden oder die Einzahlung des Strafbetrages erfolgt ist, physisch zu löschen.

(9) Wird der Strafbetrag nach Ablauf der in Abs. 6 bezeichneten Frist oder nicht mittels Beleges (Abs. 4) bezahlt und weist der Beschuldigte die Zahlung im Zuge des Verwaltungsstrafverfahrens nach, so ist der Strafbetrag zurückzuzahlen oder anzurechnen."

Die erläuternden Bemerkungen (1167 BlgNR XX. GP, 42) führen zu den durch die Novelle BGBl. I Nr. 185/1998 geänderten Bestimmungen der §§ 49a Abs. 4 und 49a Abs. 6 wie folgt aus:

"Die Änderungen sollen zunächst die Zahlung von mit Anonymverfügung oder Organstrafverfügung verhängten Geldstrafen im Überweisungsverkehr (insbesondere mit Tele-Banking) ermöglichen. Da die Geldstrafe eine 'Bringschuld' ist, sind sämtliche mit der Einschaltung eines Dritten (des Kreditinstitutes) verbundenen Risiken des Überweisungsverkehrs der Sphäre des Beanstandeten (und Auftraggebers der Überweisung) zuzurechnen. Übermittlungsfehler, Irrtümer, Unterbrechungen, Auslassungen oder Störungen irgendwelcher Art, die dazu führen, daß der Strafbetrag nicht fristgerecht auf dem Konto der Behörde einlangt, gehen zu seinen Lasten, und zwar auch dann, wenn ihn daran kein Verschulden trifft. Auch die mit der Überweisung allenfalls verbundenen Kosten sind vom Auftraggeber zu tragen. Wer diese Kosten und Risiken nicht in Kauf nehmen will, dem steht es frei, sich weiterhin des 'zur postalischen Einzahlung geeigneten Beleges' (Erlagscheines) zu bedienen und den Strafbetrag bar einzuzahlen. ..."

Im Lichte der vorstehenden Gesetzesmaterialien erweist sich die von der belangten Behörde eingenommene Rechtsansicht als zutreffend:

Die Regelung des § 49a Abs. 6 VStG liegt im Interesse der Verwaltungsökonomie.

Wird von der durch § 49a Abs. 6 VStG ermöglichten Bezahlung - wie im Beschwerdefall - durch Telebanking Gebrauch gemacht, trägt der Auftraggeber der Überweisung sämtliche Risiken des Überweisungsverkehrs. Wie die zitierten Materialien nämlich ausführen, gehen sämtliche "Übermittlungsfehler, Irrtümer, Unterbrechungen, Auslassungen oder Störungen irgendwelcher Art" zulasten des Auftraggebers.

Der Beschwerdeführer war daher gehalten, neben der richtigen Identifikationsnummer auch die "Überweisung des Strafbetrages", nämlich des vorgeschriebenen Strafbetrages, vorzunehmen. Die Zahlung eines höheren Strafbetrages kann daher - ebenso wie die Zahlung eines niedereren Strafbetrages - nicht "als fristgerechte Einzahlung des Strafbetrages" iSd § 49a Abs. 6 VStG gelten.

Der Normzweck der Verwaltungsvereinfachung rechtfertigt die Tatsache, dass die Kontrolle der Einzahlung des mit Anonymverfügung verhängten Strafbetrages bei Einsatz von elektronischen Datenverarbeitungsanlagen erst dann wesentlich vereinfacht ist, wenn die Angabe der richtigen Identifikationsnummer erfolgt und der richtige Strafbetrag eingezahlt wird.

Entgegen den Beschwerdeausführungen bestehen gegen die Bestimmung des § 49a Abs. 6 VStG schon deswegen keine verfassungsrechtlichen Bedenken, weil - wie die Materialien ausführen - es weiterhin jedem Auftraggeber, der die Risiken des Überweisungsverkehrs nicht tragen will, freisteht, sich weiterhin des "zur postalischen Einzahlung geeigneten Beleges" (Erlagscheines) zu bedienen und den Strafbetrag bar einzuzahlen.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm § 79 Abs. 11 VwGG und § 3 der VwGH-Aufwandersatzverordnung, BGBl. II Nr. 518/2013 idF BGBl. II Nr. 8/2014, iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Wien, am