TEL.: +43 1 246 30-801  |  E-MAIL: support@lindeverlag.at
Suchen Hilfe
VwGH vom 26.02.2013, 2010/15/0077

VwGH vom 26.02.2013, 2010/15/0077

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höfinger und die Hofräte Dr. Zorn, Dr. Büsser, MMag. Maislinger und Mag. Novak als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Zaunbauer, über die Beschwerde des NA in P, vertreten durch Dr. Peter Kammerlander, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Kalchberggasse 12, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Graz, vom , Zl. RV/0698-G/08, betreffend Nachsicht, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von 610,60 EUR binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer verkaufte im Jahr 2005 eine Forstfläche und erzielte dabei einen Verkaufserlös von 1,100.240,18 EUR.

Der steuerpflichtige Veräußerungsgewinn von 461.769,90 EUR wurde gemäß § 37 Abs. 2 EStG 1988 gleichmäßig verteilt auf drei Jahre versteuert.

Der erste Teilbetrag (Einkommensteuer 2005) wurde mit Bescheid vom mit 61.080,81 EUR festgesetzt und vom Beschwerdeführer entrichtet. Vor Entrichtung der aus der Einkommensteuerfestsetzung für 2006 und 2007 resultierenden Steuerbelastung beantragte der Beschwerdeführer mit Eingabe vom die Nachsicht eines Teilbetrages in Höhe von 64.670,88 EUR "in Ausübung des der Behörde eingeräumten Ermessens und unter Berücksichtigung des Umstandes, dass von der auf den Veräußerungsgewinn entfallenden Steuer bereits rund 1/3 entrichtet" sei. Den verbleibenden (grundbücherlich sichergestellten) Restbetrag von 56.038,80 EUR werde der Beschwerdeführer durch den Verkauf eines (aufwändig renovierten) Unimog 2010 zu entrichten versuchen.

Im Antrag auf Nachsicht legte der Beschwerdeführer auch dar, dass der Veräußerungserlös wie folgt verwendet worden sei:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Veräußerungserlös
1,100.240,18 EUR
Bankschulden
- 483.813,30 EUR
Sonstige Ausgaben laut Aufstellung
- 566.161,11 EUR
Verbliebener Rest
50.265,77 EUR

Der Beschwerdeführer verfüge nach dem zu seiner Entschuldung vorgenommenen Verkauf des land- und forstwirtschaftlichen Betriebes über keine Einkünfte, aus denen er die noch offenen Steuerbeträge aufbringen könne. Zudem sei zu berücksichtigen, dass er seine 82-jährige auf dem Familienschloss lebende Mutter in der Weise betreue, dass er täglich für sie koche, Erledigungen tätige und notwendige Fahrten mit ihr unternehme. Das verbliebene Barvermögen werde wahrscheinlich noch drei bis vier Monate zur Bestreitung des Lebensunterhaltes ausreichen.

Mit Eingaben von , und ersuchte der Beschwerdeführer um weitere Nachsichten im Zusammenhang mit der Vorschreibung eines Säumniszuschlages und von Stundungszinsen.

Das Finanzamt wies die Anträge mit der Begründung ab, dass dem Beschwerdeführer vom Veräußerungserlös nach Abzug der Bankverbindlichkeiten ein Betrag von knapp 570.000 EUR verblieben sei, der bereits (ohne für die mögliche Steuerentrichtung vorzusorgen) für andere Zwecke verwendet worden sei, sodass eine Abgabennachsicht nicht gerechtfertigt erscheine.

Der Beschwerdeführer erhob Berufung, in der er einer ablehnenden Stellungnahme des BMF zur beantragten Nachsicht entgegentrat, wiederholend auf die Betreuung seiner Mutter hinwies und rügte, dass das Finanzamt die Frage nicht gewürdigt habe, wie er seinen Lebensunterhalt finanziere.

In der Folge forderte die belangte Behörde den Beschwerdeführer auf, unter Anführung konkreter Zahlen und belegmäßigem Nachweis seine derzeitigen Vermögens- und Einkommensverhältnisse ("Einkünfte aus selbständiger/nichtselbständiger Tätigkeit, aus Land- und Forstwirtschaft, Miet- oder Pachteinnahmen, Pflegegeld, Unterhalt, Notstandsbezug, etc.") offen zu legen.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung als unbegründet ab. Auf dem Abgabenkonto des Beschwerdeführers hafte derzeit ein Betrag von rund 137.000 EUR aus. Die gegenständlichen vier Anträge auf Nachsicht beträfen einen Teilbetrag von insgesamt 67.133,16 EUR und seien (ausschließlich) mit der wirtschaftlichen Notlage des Beschwerdeführers begründet worden.

Der Beschwerdeführer habe im Jahr 2005 seinen Forstbetrieb verkauft und dafür einen Kaufpreis von 1,100.240,18 EUR lukriert. Er lebe derzeit von Unterstützungsleistungen seiner eine Witwenpension beziehenden Mutter von rund 600 EUR monatlich sowie deren Pflegegeld von 442,90 EUR monatlich. Welche Einkünfte der Beschwerdeführer als selbständiger Landwirt (Pächter der Liegenschaft seiner Schwester) beziehe, sei nicht offen gelegt worden. Unterhaltspflichten bestünden derzeit nicht. Der Beschwerdeführer sei Eigentümer eines Grundstückes und bewohne allein das auf dieser Liegenschaft errichtete Haus. Die Liegenschaft sei im Jahr 1992 um rund 160.000 EUR erworben worden und repräsentiere nach eigenen Angaben des Beschwerdeführers einen Wert von rund 180.000 EUR. Im Grundbuch sei zu Gunsten des Finanzamtes ein Pfandrecht in Höhe von 56.038,80 EUR eingetragen. An Barvermögen besitze der Beschwerdeführer derzeit ca. 18.000 EUR (Rückkauf der Lebensversicherungen) sowie Münzen im Wert von rund

6.800 EUR. Neben den Abgabenschulden hafteten lediglich Verbindlichkeiten des Beschwerdeführers gegenüber seinem Steuerberater von ca. 2.700 EUR aus. Der Beschwerdeführer besitze drei Fahrzeuge, einen Pkw Audi, einen Land Rover samt Anhänger sowie einen Unimog.

Die Abgabenverbindlichkeiten könnten grundsätzlich aus dem vorhandenen Vermögen abgedeckt werden. Von einer persönlichen Unbilligkeit der Abgabenerhebung könne nicht ausgegangen werden, zumal der Beschwerdeführer nicht behauptet habe, dass die Veräußerung des Grundstückes einer Vermögensverschleuderung gleich komme und ihm auch ein Wohnungsrecht auf der von seiner Mutter und seinem Bruder bewohnten Liegenschaft (Schloss X) grundbücherlich eingeräumt sei. Auch das Barvermögen könne zumindest teilweise zur Abgabenentrichtung herangezogen werden. Die (bekannten) laufenden Einkünfte (monatliches Einkommen aus der Pflege der Mutter ca. 1.050 EUR, Einkünfte aus Landwirtschaft nicht bekannt) lägen über dem Richtsatz für das Existenzminimum.

Es sei aber auch der Ansicht des Finanzamtes zu folgen, dass selbst bei Bejahung des Vorliegens einer persönlichen Unbilligkeit im Rahmen der diesfalls zu treffenden Ermessensentscheidung eine Nachsicht aus Zweckmäßigkeitsgründen nicht zu vertreten wäre.

Der Beschwerdeführer habe zumindest seit Erstellung der Einkommensteuererklärung für 2005 (Beginn des Jahres 2007) von der ihn in drei Teilbeträgen treffenden Einkommensteuerbelastung Kenntnis gehabt und dennoch keine Vorsorge für die künftige Abgabenentrichtung getroffen. Vielmehr habe er im Jahr 2007 Ausgaben für die Reparatur des Unimog in Höhe von 58.536,82 EUR und 63.580 EUR sowie Zahlungen an nicht unterhaltsberechtigte Personen in beträchtlicher Höhe (zB an N 6.013 EUR, an V 9.159,94 EUR, an Mag. K 6.000 EUR, Mutter 7.009,83 EUR) geleistet und sämtliche einmaligen Geldzuflüsse in den Jahren 2008 und 2009 (zB aus dem Verkauf von Büchern 5.000 EUR, Rückerstattung der Kosten der Realteilung durch seine Schwester 7.000 EUR, etc.) nicht einmal anteilsmäßig zur Abgabenentrichtung verwendet, sondern privat verbraucht. Die vom Beschwerdeführer im Zuge der Eintragung des Pfandrechtes auf seiner Liegenschaft angekündigten Bemühungen, die Abgabenschuld abzutragen, seien bis dato, wohl in der Hoffnung, die nicht mit gleicher Vehemenz wie die Banken andrängende Abgabenbehörde werde sich mit der Zahlung eines Drittels ihrer Forderungen zufrieden geben, ohne Erfolg geblieben. Die letzte Zahlung auf dem Abgabenkonto datiere vom .

Die Abwägung von Billigkeits- und Zweckmäßigkeitsüberlegungen könne nicht zu Gunsten des Beschwerdeführers ausfallen, weil es nicht sachgerecht sei, die finanzielle Unterstützung von (nicht unterhaltsberechtigten) Familienmitgliedern, sowie Privatausgaben (Kauf zweier Fahrzeuge, Reparatur eines weiteren Fahrzeuges, Bau eines Carports 2006 137.899,69 EUR, 2007 insgesamt 122.116,82 EUR) durch die Nachsicht von Abgaben zu finanzieren und somit auf die übrigen Abgabepflichtigen zu überwälzen. Daran vermöge auch der vom Beschwerdeführer hervorgehobene Umstand, dass er seine Mutter pflege, nichts zu ändern. Statistisch habe jede vierte Familie in Österreich einen alten oder behinderten Menschen zu betreuen. Die alternative Unterbringung der Mutter in einem Pflegeheim wäre nicht vom Beschwerdeführer zu finanzieren. Darüber hinaus würden gesetzliche Unterhaltsverpflichtungen der Geschwister des Beschwerdeführers sowie die Verpflichtung des ebenfalls im (Familien)Schloss wohnenden Bruders des Beschwerdeführers bestehen, der Mutter eine monatliche Versorgungsrente zu leisten.

Da der Beschwerdeführer mit dem Veräußerungserlös die Bankverbindlichkeiten zur Gänze abgedeckt und den restlichen Kaufpreis für private Ausgaben verwendet habe, würde sich die beantragte Teilnachsicht im Übrigen ausschließlich zu Gunsten der anderen Gläubiger auswirken, die nicht auf Forderungen verzichtet hätten.

Dagegen wendet sich die vorliegende Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat nach Aktenvorlage und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde sowie einer Replik des Beschwerdeführers auf die Gegenschrift erwogen:

Fällige Abgabenschuldigkeiten können gemäß § 236 Abs. 1 BAO auf Antrag des Abgabepflichtigen ganz oder zum Teil durch Abschreibung nachgesehen werden, wenn ihre Einhebung nach der Lage des Falles unbillig wäre.

Die Unbilligkeit im Sinn des § 236 BAO kann persönlicher oder sachlicher Natur sein.

Im Verwaltungsverfahren stand - nach ausdrücklichem Vorhalt der belangten Behörde - ausschließlich die persönliche Unbilligkeit in Streit. Die Abgabenbehörde hat im Rahmen ihrer amtswegigen Ermittlungspflicht nur die vom Nachsichtswerber geltend gemachten Gründe zu prüfen (vgl. mit weiterem Nachweis das hg. Erkenntnis vom , 2006/16/0007). Daher sind jene Ausführungen, die sich mit der unterschiedlichen Besteuerung von Land- und Forstwirten befassen, von vornherein nicht geeignet, eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufzuzeigen.

Gemäß § 2 der zu § 236 BAO ergangenen Verordnung BGBl. II Nr. 435/2005 liegt eine persönliche Unbilligkeit insbesondere vor, wenn die Einhebung die Existenz des Abgabepflichtigen gefährdete oder mit außergewöhnlichen wirtschaftlichen Auswirkungen verbunden wäre.

Die belangte Behörde hat eine persönlich bedingte Unbilligkeit verneint. Dem Beschwerdeführer wäre bei den gegebenen Vermögens- und Einkommensverhältnissen eine Abgabenentrichtung zumutbar; selbst bei Bejahung einer persönlichen Unbilligkeit sei im Rahmen der Ermessensentscheidung eine Nachsicht aus Zweckmäßigkeitsgründen nicht zu gewähren.

Der Beschwerdeführer bringt vor, die belangte Behörde habe die Vermögenssituation insoweit aktenwidrig angenommen, als das ihm grundbücherlich eingeräumte Wohnrecht (an Teilen des Familienschlosses) mit begrenzt gewesen und daher zwischenzeitlich erloschen sei. Zudem habe die belangte Behörde zu Unrecht nur gegenüber dem Steuerberater bestehende Schulden angenommen, während der Beschwerdeführer erklärt habe, dass er seinem Sohn rund 6.128 EUR schulde, weil er dessen Sparbuchguthaben für eigene Zwecke verwendet habe.

Die vom Beschwerdeführer aufgezeigten Begründungsmängel des angefochtenen Bescheides treffen zu, allerdings hat die belangte Behörde die persönliche Unbilligkeit auch mit Hinblick auf die (unklaren) Einkommensverhältnisse des Beschwerdeführers verneint. Schon die offen gelegten Einkünfte aus der Betreuung seiner Mutter ermöglichten im Zusammenhalt mit vorhandenem Barvermögen eine (ratenweise) Abgabenentrichtung. Die Einkünfte des Beschwerdeführers aus Land- und Forstwirtschaft seien unbekannt.

Der Beschwerdeführer hat über Vorhalt der belangten Behörde erklärt, er sei seit dem Verkauf seines Liegenschaftsanteils mit Pächter der (land- und forstwirtschaftlichen) Liegenschaft seiner Schwester. Den Land Rover brauche er für Arbeiten im Wald der Schwester. In der Beschwerde wird gerügt, die belangte Behörde habe die in diesem Zusammenhang angefallenen Kosten (neben Aufwendungen für den Land Rover insbesondere Pflichtbeiträge zur Sozialversicherung der Bauern) zu Unrecht als "Privatausgaben" bezeichnet. Die Verwertung der (selbst bewohnten) Liegenschaft sei dem Beschwerdeführer auch deswegen nicht zumutbar, weil er mit dem Wegfall der Liegenschaft die Unterbringungsmöglichkeit für seine Fahrzeuge und aller sonstigen auf der Liegenschaft untergebrachten Werkzeuge und Fahrnisse verlöre. Da diese Maschinen und Geräte Grundlage für die Ausführung von Forstarbeiten seien, ginge damit auch die Möglichkeit zur Einkunftserzielung verloren. Die Veräußerung der (vom Beschwerdeführer bewohnten) Liegenschaft würde sohin die Zerstörung der Erwerbsgrundlage bedeuten.

Im Nachsichtsverfahren ist es Sache des Nachsichtswerbers, im Sinne der ihn treffenden Mitwirkungspflicht einwandfrei und unter Ausschluss jeglichen Zweifels das Vorliegen jener Umstände darzutun, auf die die Nachsicht gestützt werden kann (vgl. aus der ständigen Rechtsprechung etwa das hg. Erkenntnis vom , 2002/15/0155).

Gegenständlich hat der Beschwerdeführer keinerlei Angaben zu dem von der Schwester gepachteten Betrieb gemacht. Schon deshalb ist im Beschwerdefall nicht zu erkennen, dass die belangte Behörde von einer persönlichen Unbilligkeit der Einhebung der Abgaben hätte ausgehen müssen.

Auch ist der Beurteilung der belangten Behörde beizupflichten, dass selbst bei Bejahung einer Unbilligkeit der Einhebung im Rahmen der dann zu treffenden Ermessensentscheidung die mangelnde Vorsorge des Beschwerdeführers für die aus dem Verkauf der Waldflächen resultierende Einkommensteuerbelastung gegen die Gewährung einer Abgabennachsicht spricht. Die von der belangten Behörde in diesem Zusammenhang angestellten Erwägungen waren sachgerecht.

Soweit der Beschwerdeführer rügt, dass Ausgaben, die vor Einbringung der Anträge auf Nachsicht im März, April, Mai und Juni 2008 getätigt worden seien, nicht in die (Ermessens)Entscheidung mit hätten einfließen dürfen, kann ihm nicht gefolgt werden. Dass der Beschwerdeführer seine Anträge auf Abgabennachsicht erst gestellt hat, als der Erlös aus der Veräußerung des Betriebes weitgehend verbraucht war, spricht nicht für eine Interessensabwägung zu Gunsten des Beschwerdeführers, weil die belangte Behörde eine Vielzahl von Ausgaben (wie beispielsweise jene für die Renovierung eines Oldtimers von rund 89.000 EUR) ins Treffen führen konnte, für die eine zwingende Notwendigkeit auch nach dem Beschwerdevorbringen nicht zu erkennen ist. Eine solche Ermessensübung überschreitet die vom Gesetz vorgegebenen Schranken nicht.

Die Beschwerde erweist sich daher insgesamt als unbegründet und war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Von der beantragten Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 6 VwGG abgesehen werden.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am