VwGH vom 27.05.2015, 2013/02/0179
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Beck und den Hofrat Mag. Dr. Köller sowie die Hofrätin Mag. Dr. Maurer-Kober als Richter, unter Beiziehung der Schriftführerin Mag. Farcas-Hutchinson, über die Beschwerde des P in W, vertreten durch Mag. Thomas Breite, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Wollzeile 17/16, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom , Zl. UVS- 03/P/44/4735/2010-6, betreffend Übertretung des KFG (weitere Partei: Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie),
Spruch
I. zu Recht erkannt:
Der angefochtene Bescheid wird in seinem Straf- und Kostenausspruch wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben. II. den Beschluss gefasst:
Im Übrigen (hinsichtlich des Schuldspruches) wird die Behandlung der Beschwerde abgelehnt.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Wien, Polizeikommissariat Brigittenau, vom wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, er habe es als Zulassungsbesitzer eines dem Kennzeichen nach näher bestimmten Kraftfahrzeugs unterlassen, der Behörde auf ihr schriftliches Verlangen vom , zugestellt am (Beginn der Abholfrist), innerhalb der Frist von zwei Wochen ordnungsgemäß Auskunft zu erteilen, wer dieses Kfz am um 19.32 Uhr an einem näher genannten Ort gelenkt habe.
Er habe dadurch § 103 Abs. 2 KFG verletzt, weshalb über ihn gemäß § 134 Abs. 2 KFG eine Geldstrafe in Höhe von EUR 120,-- (Ersatzfreiheitsstrafe: zwei Tage) verhängt wurde.
Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Berufung.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom wurde der Berufung keine Folge gegeben.
In der Begründung des angefochtenen Bescheides wird u.a. ausgeführt, es sei trotz der in der Berufung ausschließlich behaupteten unrichtigen rechtlichen Beurteilung am eine öffentliche mündliche Verhandlung abgeführt worden. Der Beschwerdeführer sei zur Verhandlung, in welcher der gesamte Akteninhalt verlesen worden sei, nicht erschienen. Die Berufungsentscheidung sei im Anschluss an die Verhandlung mündlich verkündet worden.
In der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde macht der Beschwerdeführer inhaltliche Rechtswidrigkeit sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsstrafverfahrens vor, verzichtete auf eine Gegenschrift und beantragte die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Zu Spruchpunkt I:
In der Beschwerde wird u.a. gerügt, der Berufungsbescheid sei in der mündlichen Verhandlung vom verkündet worden. Die schriftliche Ausfertigung vom sei dem Beschwerdeführer aber erst am , somit mehr als zwei Jahre und 5 Monate nach der Verkündung, zugestellt worden. Die Behörde habe, indem sie diesen Umstand unberücksichtigt gelassen habe, das Gesetz bei der Strafbemessung in einer dem Art. 6 Abs. 1 EMRK widersprechenden Weise angewendet.
Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits mehrfach ausgesprochen, dass das Gesetz bei der Strafbemessung in einer dem Art. 6 EMRK widersprechenden Weise angewendet wurde, wenn eine überlange Verfahrensdauer nicht festgestellt und strafmildernd bewertet wurde. Die Frage der Angemessenheit der Verfahrensdauer ist dabei an Hand der besonderen Umstände des Einzelfalles, insbesondere der Schwierigkeit des Falles, des Verhaltens der Partei und der staatlichen Behörden im betreffenden Verfahren und der Bedeutung der Sache für die Partei zu beurteilen. Die maßgebliche Frist beginnt, sobald die Partei durch offizielle Mitteilung oder auch in sonstiger Weise in Kenntnis gesetzt wird, dass gegen sie wegen des Verdachts, eine strafbare Handlung begangen zu haben, Ermittlungen mit dem Ziel strafrechtlicher Verfolgung durchgeführt werden (vgl. zum Ganzen das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2009/02/0329, m.w.N.).
Die im vorliegenden Fall gegebene Verfahrensdauer - vor allem aber die Dauer zwischen Verkündung der Berufungsentscheidung und Zustellung des angefochtenen Bescheides - ist nicht mehr als angemessen im Sinne des Art. 6 Abs. 1 EMRK zu qualifizieren (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2010/09/0209).
Der angefochtene Bescheid war daher im Umfang des Straf- und des Kostenausspruches gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufzuheben.
Zu Spruchpunkt II:
Gemäß § 33a VwGG in der (im vorliegenden Fall zufolge § 79 Abs. 11 letzter Satz VwGG i.d.F. BGBl. I Nr. 122/2013 weiterhin anzuwendenden) Fassung der Novelle BGBl. I Nr. 51/2012 kann der Verwaltungsgerichtshof die Behandlung einer Beschwerde gegen einen Bescheid eines unabhängigen Verwaltungssenates durch Beschluss ablehnen, wenn die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil der Bescheid von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird, in Verwaltungsstrafsachen außerdem nur dann, wenn eine Geldstrafe von höchstens EUR 1.500,-- verhängt wurde.
Die Voraussetzungen für eine Ablehnung der Behandlung der vorliegenden Beschwerde nach dieser Gesetzesstelle sind erfüllt. Es wurde keine EUR 1.500,-- übersteigende Geldstrafe verhängt. Die Fällung einer Sachentscheidung über die Beschwerde hängt von keiner Rechtsfrage ab, der grundsätzliche Bedeutung zukommt.
Insofern der Beschwerdeführer insbesondere auch Strafbarkeitsverjährung einwendet, ist ihm entgegenzuhalten, dass nach der ständigen hg. Rechtsprechung die Verjährungsfristen durch die Verkündung eines Bescheides auch in Abwesenheit der Parteien gewahrt werden, sofern die Parteien ordnungsgemäß geladen waren (vgl. die bei Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze II, 2. Aufl., S. 592 unter E 78 zu § 31 VStG angeführte Judikatur). Dass die Ladung des Beschwerdeführers zu der von der belangten Behörde am durchgeführten mündlichen Verhandlung nicht ordnungsgemäß erfolgt sei, wird in der Beschwerde nicht behauptet; auch nach der Aktenlage gibt es keine Anhaltspunkte, dass die für diese Verhandlung erfolgte Ladung der Parteien nicht ordnungsgemäß erfolgt wäre.
Die Kostenentscheidung gründet auf den §§ 47 ff VwGG i.V.m. der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455/2008, welche gemäß § 3 Z 1 der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014, BGBl. II Nr. 518/2013 idF BGBl. II Nr. 8/2014 im Beschwerdefall weiterhin anzuwenden ist.
Wien, am