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VwGH vom 03.02.2020, Ra 2018/11/0237

VwGH vom 03.02.2020, Ra 2018/11/0237

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Schick und den Hofrat Dr. Grünstäudl sowie die Hofrätin Dr. Pollak als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Soyer, über die Revisionen des M H in N (Kroatien), vertreten durch Dr. Christian Stuppnig, Rechtsanwalt in 1030 Wien, Ditscheinergasse 3/12A, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Salzburg vom , Zlen. 405-7/581/1/19-2018, 405-7/583/1/19-2018 und 405-7/584/1/19- 2018, betreffend Übertretungen des LSD-BG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bürgermeister der Landeshauptstadt Salzburg), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird im angefochtenen Umfang, sohin nur insoweit, als es die Beschwerden des Revisionswerbers abweist und über dessen Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens abspricht, infolge Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Revisionswerber Aufwendungen in Höhe von jeweils EUR 1.346,40, insgesamt daher EUR 2.692,80, binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 Mit Straferkenntnissen der belangten Behörde vom wurde dem Revisionswerber und ZH vorgeworfen, sie hätten jeweils als handelsrechtliche Geschäftsführer und somit als gemäß § 9 VStG zur Vertretung nach außen berufene Organe der B doo mit Sitz in Kroatien zu verantworten, dass am auf einer näher bezeichneten Baustelle in S während der Entsendung dreier Arbeitnehmer nicht die notwendigen Arbeitsaufzeichnungen bereitgehalten worden seien. Deshalb hätten die beiden handelsrechtlichen Geschäftsführer jeweils eine Übertretung gemäß § 22 Abs. 1 iVm 28 Z 1 Lohn- und Sozialdumping-Bekämpfungsgesetz (LSD-BG) begangen. Es wurden über sie jeweils Geldstrafen (und Ersatzfreiheitsstrafen) verhängt und ein Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens vorgeschrieben.

Mit einem weiteren Straferkenntnis der belangten Behörde vom wurde (nur) dem Revisionswerber zur Last gelegt, er habe als handelsrechtlicher Geschäftsführer und somit als das gemäß § 9 VStG zur Vertretung nach außen berufene Organ der B doo zu verantworten, dass drei Arbeitnehmer zur Beschäftigung nach S entsandt worden seien, obwohl, wie am festgestellt worden sei, keine rechtzeitige ZKO-Meldung erstattet worden sei. Deshalb habe der Revisionswerber eine Übertretung gemäß § 19 und 26 Abs. 1 Z 1 LSD-BG begangen. Es wurden Geldstrafen (und Ersatzfreiheitsstrafen) verhängt und ein Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens vorgeschrieben.

2 Gegen diese Straferkenntnisse erhoben der Revisionswerber und ZH (insgesamt drei) Beschwerden, mit denen (unter anderem) eine Vereinbarung zwischen dem Revisionswerber und ZH, dem zweiten handelsrechtlichen Geschäftsführer, datiert mit , vorgelegt wurde, nach der ZH für sämtliche Angelegenheiten, die im Zusammenhang mit der Entsendung der kroatischen Mitarbeiter nach Österreich stünden, alleine verantwortlich sei. Dies gelte nicht nur, aber insbesondere auch, für die Einhaltung der mit der Entsendung im Zusammenhang stehenden, und sich aus dem österreichischen Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz (AVRAG) ergebenden "Formalitäten".

3 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Verwaltungsgericht die beiden Beschwerden des Revisionswerbers und die Beschwerde des ZH unter einem als unbegründet ab (I.), setzte die Kosten für das Beschwerdeverfahren unter einem mit jeweils EUR 600,-- fest (II.) und sprach aus, dass eine ordentliche Revision nicht zulässig sei (III.). Zur Verantwortlichkeit des Revisionswerbers für die Übertretungen wurde ausgeführt, sowohl der Revisionswerber als auch ZH seien Geschäftsführer der B doo und somit gemäß § 9 Abs. 1 VStG verwaltungsstrafrechtlich verantwortlich. Die mit den Beschwerden vorgelegte Vereinbarung reiche zwar "grundsätzlich" gemäß § 9 Abs. 2 VStG aus, ZH als verantwortlichen Beauftragten zu bestellen und im Gegenzug den Revisionswerber zu entlasten. Nach der lex specialis des § 24 Abs. 1 LSD-BG werde die Bestellung des verantwortlichen Beauftragten gemäß § 9 Abs. 2 und 3 VStG jedoch erst rechtswirksam, nachdem eine schriftliche Meldung entweder bei der Zentralen Koordinationsstelle oder beim zuständigen Träger der Krankenversicherung eingelangt sei. Da diese Meldung nicht erstattet worden sei, bleibe der Revisionswerber neben ZH verwaltungsstrafrechtlich verantwortlich.

4 Gegen dieses Erkenntnis erhob der Revisionswerber zwei außerordentliche Revisionen (die zur hg. Zl. Ra 2018/11/0237 protokollierte, soweit seine Beschwerde gegen das erstgenannte Straferkenntnis, die zur hg. Zl. Ra 2018/11/0238 protokollierte, soweit seine Beschwerde gegen das zweitgenannte Straferkenntnis abgewiesen wurde), zu deren Zulässigkeit jeweils vorgebracht wird, dass es an Rechtsprechung zu § 24 Abs. 1 LSD-BG fehle. Das Verwaltungsgericht verkenne, dass diese Bestimmung mit den § 23 ArbIG und § 28 AuslBG fast wortwörtlich ident sei. Zu diesen Bestimmungen habe der Verwaltungsgerichtshof jedoch bereits ausgesprochen, dass eine Mitteilung zur Wirksamkeit der Bestellung eines verantwortlichen Beauftragten nur dann notwendig sei, wenn ein "sonstiger verantwortlicher Beauftragter", nicht aber, wenn ein "verantwortliches Vertretungsorgan" bestellt werde. 5 Die belangte Behörde erstattete Revisionsbeantwortungen.

6 Der Verwaltungsgerichtshof hat über die wegen ihres persönlichen, rechtlichen und sachlichen Zusammenhangs zur gemeinsamen Entscheidung verbundenen Revisionen erwogen:

Die Revisionen sind aus dem in ihnen jeweils angeführten Grund zulässig und begründet.

7 Das Lohn- und Sozialdumping-Bekämpfungsgesetz (LSD-BG) BGBl. I Nr. 44/2016 idF BGBl. I Nr. 64/2017 lautet auszugsweise:

"Meldepflicht bei Entsendung oder Überlassung aus einem EU-Mitgliedstaat oder EWR-Staat oder der Schweizerischen Eidgenossenschaft

§ 19. (1) Arbeitgeber und Überlasser mit Sitz in einem EU-Mitgliedstaat oder EWR-Staat oder der Schweizerischen Eidgenossenschaft haben die Beschäftigung von nach Österreich entsandten Arbeitnehmern und nach Österreich überlassenen Arbeitskräften zu melden. Die Meldung hat für jede Entsendung oder Überlassung gesondert zu erfolgen. Nachträgliche Änderungen bei den Angaben gemäß Abs. 3 oder Abs. 4 sind unverzüglich zu melden. Ein Beschäftiger, der einen Arbeitnehmer zu einer Arbeitsleistung nach Österreich entsendet, gilt in Bezug auf die Meldepflichten nach diesem Absatz und den Abs. 2 und 3 als Arbeitgeber.

...

Bereithaltung von Lohnunterlagen

§ 22. (1) Arbeitgeber im Sinne der § 3 Abs. 2, 8 Abs. 1 oder 19 Abs. 1 haben während der Dauer der Beschäftigung (im Inland) oder des Zeitraums der Entsendung insgesamt (§ 19 Abs. 3 Z 6) den Arbeitsvertrag oder Dienstzettel im Sinne der Richtlinie 91/533 des Rates über die Pflicht des Arbeitgebers zur Unterrichtung des Arbeitnehmers über die für seinen Arbeitsvertrag oder sein Arbeitsverhältnis geltenden Bedingungen, Lohnzettel, Lohnzahlungsnachweise oder Banküberweisungsbelege, Lohnaufzeichnungen, Arbeitszeitaufzeichnungen und Unterlagen betreffend die Lohneinstufung zur Überprüfung des dem entsandten Arbeitnehmer für die Dauer der Beschäftigung nach den österreichischen Rechtsvorschriften gebührenden Entgelts in deutscher Sprache, ausgenommen den Arbeitsvertrag, am Arbeits(Einsatz)ort bereitzuhalten oder diese den Abgabebehörden oder der Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungskasse unmittelbar vor Ort und im Zeitpunkt der Erhebung in elektronischer Form zugänglich zu machen, auch wenn die Beschäftigung des einzelnen Arbeitnehmers in Österreich früher geendet hat. Der Arbeitsvertrag ist entweder in deutscher oder in englischer Sprache bereitzuhalten. Bei innerhalb eines Arbeitstages wechselnden Arbeits(Einsatz)orten sind die Lohnunterlagen am ersten Arbeits(Einsatz)ort bereitzuhalten oder in elektronischer Form zugänglich zu machen. Ein Beschäftiger, der einen Arbeitnehmer zu einer Arbeitsleistung nach Österreich entsendet, gilt in Bezug auf die Verpflichtung nach dieser Bestimmung als Arbeitgeber.

§ 21 Abs. 2 findet sinngemäß Anwendung.

...

Verantwortliche Beauftragte

§ 24. (1) Die Bestellung von verantwortlichen Beauftragten

gemäß § 9 Abs. 2 und 3 VStG für die Einhaltung dieses

Bundesgesetzes wird erst rechtswirksam, nachdem

1. bei der Zentralen Koordinationsstelle durch Arbeitgeber im

Sinne § 3 Abs. 2, 8 Abs. 1 oder 19 Abs. 1, durch einen

Beschäftiger im Sinne des § 19 Abs. 1 letzter Satz oder durch

Überlasser mit Sitz im Ausland, oder

2. beim zuständigen Träger der Krankenversicherung durch

Arbeitgeber oder Beschäftiger mit Sitz im Inland

eine schriftliche Mitteilung über die Bestellung samt einem

Nachweis der Zustimmung des Bestellten eingelangt ist. Dies gilt

nicht für die Bestellung von verantwortlichen Beauftragten auf

Verlangen der Behörde gemäß § 9 Abs. 2 VStG. Eingegangene

Mitteilungen nach Z 1 sind an das Kompetenzzentrum LSDB,

eingegangene Mitteilungen nach den Z 1 und 2 für den Baubereich

(Abschnitt I oder § 33d BUAG) sind auch an die Bauarbeiter-Urlaubs-

und Abfertigungskasse weiterzuleiten.

...

Verstöße im Zusammenhang mit den Melde- und Bereithaltungspflichten bei Entsendung oder Überlassung

§ 26. (1) Wer als Arbeitgeber oder Überlasser im Sinne des § 19 Abs. 1

1. die Meldung oder die Meldung über nachträgliche Änderungen bei den Angaben (Änderungsmeldung) entgegen § 19 nicht, nicht rechtzeitig oder nicht vollständig erstattet oder ...

...

begeht eine Verwaltungsübertretung und ist von der Bezirksverwaltungsbehörde für jeden Arbeitnehmer mit Geldstrafe von 1.000 Euro bis 10.000 Euro, im Wiederholungsfall von 2.000 Euro bis 20.000 Euro zu bestrafen.

...

Nichtbereithalten der Lohnunterlagen

§ 28. Wer als

1. Arbeitgeber entgegen § 22 Abs. 1 oder Abs. 1a die Lohnunterlagen nicht bereithält, oder

...

begeht eine Verwaltungsübertretung und ist von der Bezirksverwaltungsbehörde für jeden Arbeitnehmer mit einer Geldstrafe von 1 000 Euro bis 10 000 Euro, im Wiederholungsfall von 2 000 Euro bis 20 000 Euro, sind mehr als drei Arbeitnehmer betroffen, für jeden Arbeitnehmer mit einer Geldstrafe von 2 000 Euro bis 20 000 Euro, im Wiederholungsfall von 4 000 Euro bis 50 000 Euro zu bestrafen."

8 § 7j AVRAG idF BGBl. I Nr. 94/2014 lautete auszugsweise:

"Bestellung von verantwortlichen Beauftragten

§ 7j. (1) Die Bestellung von verantwortlichen Beauftragten gemäß § 9 Abs. 2 und 3 VStG für die Einhaltung dieses Bundesgesetzes wird erst rechtswirksam, nachdem

1. bei der Zentralen Koordinationsstelle für die Kontrolle der illegalen Beschäftigung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz und dem Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz des Bundesministeriums für Finanzen durch Arbeitgeber/innen im Sinne der § 7, 7a oder 7b oder Überlasser/innen mit Sitz im Ausland, oder

2. beim zuständigen Träger der Krankenversicherung durch Arbeitgeber/innen oder Beschäftiger/innen mit Sitz im Inland

eine schriftliche Mitteilung über die Bestellung samt einem Nachweis der Zustimmung des/der Bestellten eingelangt ist. Dies gilt nicht für die Bestellung von verantwortlichen Beauftragten auf Verlangen der Behörde gemäß § 9 Abs. 2 VStG. Eingegangene Mitteilungen nach Z 1 sind an das Kompetenzzentrum LSDB, eingegangene Mitteilungen nach den Ziffern 1 und 2 für den Baubereich (Abschnitt I oder § 33d des BUAG) sind auch an die Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungskasse weiterzuleiten.

..."

9 § 9 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (VStG) in der Fassung BGBl. I Nr. 3/2008 lautet auszugsweise:

"Besondere Fälle der Verantwortlichkeit

§ 9. (1) Für die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften durch juristische Personen oder eingetragene Personengesellschaften ist, sofern die Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmen und soweit nicht verantwortliche Beauftragte (Abs. 2) bestellt sind, strafrechtlich verantwortlich, wer zur Vertretung nach außen berufen ist.

(2) Die zur Vertretung nach außen Berufenen sind berechtigt und, soweit es sich zur Sicherstellung der strafrechtlichen Verantwortlichkeit als erforderlich erweist, auf Verlangen der Behörde verpflichtet, aus ihrem Kreis eine oder mehrere Personen als verantwortliche Beauftragte zu bestellen, denen für das ganze Unternehmen oder für bestimmte räumlich oder sachlich abgegrenzte Bereiche des Unternehmens die Verantwortung für die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften obliegt. Für bestimmte räumlich oder sachlich abgegrenzte Bereiche des Unternehmens können aber auch andere Personen zu verantwortlichen Beauftragten bestellt werden.

..."

10 Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits ausgesprochen, dass § 7j Abs. 1 AVRAG dahin auszulegen ist, dass das Wirksamwerden einer Bestellung eines Beauftragten nach § 9 Abs. 2 erster Satz VStG nicht zusätzlich vom Einlangen einer Meldung, hier bei der Zentralen Koordinationsstelle, abhängt (siehe zur näheren Begründung, auf die gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird, , mwN). Die Bestimmung des § 24 Abs. 1 LSD-BG ist (mit Ausnahme der verwiesenen Bestimmungen in Abs. 1 Z 1 leg. cit.) wortident mit jener des § 7j Abs. 1 AVRAG. Die erwähnte Auslegung des § 7j Abs. 1 AVRAG trifft daher mangels gegenteiliger Anhaltspunkte (insbesondere im Gesetzeswortlaut, aber auch in den Gesetzesmateralien) auch auf § 24 Abs. 1 LSD-BG zu. 11 Da das Verwaltungsgericht somit irrig davon ausgegangen ist, das Wirksamwerden der Bestellung des ZH nach § 9 Abs. 2 erster Satz VStG hänge von einer Meldung bei der Zentralen Koordinationsstelle ab, war das angefochtene Erkenntnis bereits aus diesem Grund gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben, womit sich ein Eingehen auf das Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union vom , C-64/18 u.a., Maksimovic, erübrigte (vgl. ).

12 Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die § 47 VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014. Wien, am

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ECLI:
ECLI:AT:VWGH:2020:RA2018110237.L00

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