VwGH vom 23.10.2015, 2013/02/0170
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Beck und den Hofrat Mag. Dr. Köller sowie die Hofrätin Mag. Dr. Maurer-Kober als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Harrer, über die Beschwerde des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates für die Steiermark vom , Zl. UVS 30.12-66/2012-13, betreffend Zurückweisung einer Berufung in einer arbeitnehmerschutzrechtlichen Angelegenheit (mitbeteiligte Partei:
W, vertreten durch Dr. Arno Lerchbaumer, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Marburger Kai 47) zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.
Begründung
Mit Schreiben vom erstattete das "Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie, Verkehrs-Arbeitsinspektorat" nach § 12 Abs. 1 des damals noch in Geltung befindlichen Verkehrs-Arbeitsinspektionsgesetzes 1994 an den Magistrat der Stadt Graz eine Strafanzeige wegen insgesamt elf Übertretungen von arbeitnehmerschutzrechtlichen Vorschriften im Zusammenhang mit einem Arbeitsunfall, bei dem ein Arbeitnehmer der S.-Bahnen tödlich verunglückt war.
Mit Bescheid des Bürgermeisters der Stadt Graz (als Verwaltungsstrafbehörde erster Instanz) vom wurde von der Fortführung des Verwaltungsstrafverfahrens gegen den Mitbeteiligten bezüglich dieser zur Anzeige gebrachten Übertretungen arbeitnehmerschutzrechtlicher Vorschriften gemäß "§ 45 Abs. 1 lit. b VStG 1991" abgesehen und die Einstellung verfügt, weil der Beschuldigte die ihm zur Last gelegten Taten nicht begangen habe.
Mit Eingabe vom erhob das "Bundesministerium für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz, Verkehrs-Arbeitsinspektorat" Berufung, welche von einem näher genannten Mitarbeiter "Für den Bundesminister" elektronisch gezeichnet wurde.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates für die Steiermark vom wurde die Berufung in Ermangelung des Rechts zu ihrer Erhebung zurückgewiesen.
In der Begründung wird u.a. ausgeführt, das Bundesgesetz über die Verkehrs-Arbeitsinspektion - VAIG 1994, BGBl. Nr. 650/1994 idF BGBl. I Nr. 59/2011, sei aufgrund des Art. 59 des 2. Stabilitätsgesetzes 2012, BGBl. I Nr. 35/2012, mit Ablauf des außer Kraft getreten.
Das gegenständliche Verfahren sei ein Verwaltungsstrafverfahren, das bei Inkrafttreten des 2. Stabilitätsgesetzes 2012 (am ) anhängig gewesen sei, denn die Strafanzeige sei am eingebracht worden. Daher hätte die Berufung, die die Parteistellung des Berufungswerbers voraussetze, gemäß § 26 Abs. 7 Arbeitsinspektionsgesetz (ArbIG) vom zuständigen Arbeitsinspektorat eingebracht werden müssen. Die Berufung des "Verkehrs-Arbeitsinspektorates" sei jedoch zurückzuweisen, weil diesem seit das Recht zu deren Erhebung fehle.
Gegen diesen Bescheid erhob der Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz gemäß § 13 ArbIG Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof, in der er die Aufhebung wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit bzw. wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschiften beantragte.
Der Unabhängige Verwaltungssenat als (damals zuständige) belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsstrafverfahrens vor, erstattete eine Gegenschrift und beantragte die Abweisung der Beschwerde. Auch der Mitbeteiligte gab eine Gegenäußerung im gegenständlichen verwaltungsgerichtlichen Verfahren ab. Schließlich replizierte der beschwerdeführende Bundesminister auf die Gegenäußerung des Mitbeteiligten mit Schriftsatz vom .
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass gemäß § 79 Abs. 11 letzter Satz VwGG idF BGBl. I Nr. 122/2013, soweit durch das Verwaltungsgerichtsbarkeits-Übergangsgesetz, BGBl. I Nr. 33/2013, - wie vorliegend - nicht anderes bestimmt ist, in den mit Ablauf des beim Verwaltungsgerichtshof anhängigen Beschwerdeverfahren die bis zum Ablauf des geltenden Bestimmungen weiter anzuwenden sind.
In der Beschwerde wird u.a. ausgeführt, der Gesetzgeber treffe in § 26 Abs. 7 ArbIG keine Regelung über ein im Einzelfall zuständiges Arbeitsinspektorat, das die Parteistellung des Verkehrs-Arbeitsinspektorates in Verwaltungsstrafverfahren ab wahrzunehmen hätte. Vielmehr lege § 26 Abs. 7 ArbIG nur fest, dass die Parteistellung des Verkehrs-Arbeitsinspektorates ab von der Arbeitsinspektion wahrzunehmen sei. Daraus sei nicht ableitbar, dass dem Verkehrs-Arbeitsinspektorat seit das Recht zur Erhebung einer Berufung fehlen könnte.
Gemäß § 26 Abs. 8 ArbIG oblägen die den Arbeitsinspektoraten zustehenden Aufgaben und Befugnisse hinsichtlich jener Betriebsstätten und Arbeitsstellen, die bis zum Ablauf des gemäß § 1 VAIG 1994 in den Wirkungsbereich der Verkehrs-Arbeitsinspektorate gefallen seien, abweichend von § 16 ArbIG dem Zentral-Arbeitsinspektorat. Diese Aufgaben und Befugnisse würden gemäß § 11 Abs. 3 ArbIG auch das Recht zur Erhebung von Berufungen in Verwaltungsstrafverfahren umfassen. Die Bestimmungen des § 26 Abs. 8 ArbIG seien vom Unabhängigen Verwaltungssenat überhaupt nicht erwähnt und somit in keiner Weise berücksichtigt worden.
Das Verkehrs-Arbeitsinspektorat sei laut Geschäftseinteilung des Bundesministeriums für Arbeit, Soziale und Konsumentenschutz (BMASK) organisatorisch ein Teil des Zentral-Arbeitsinspektorates in diesem Bundesministerium. Die beiden Abteilungen des Verkehrsarbeitsinspektorates seien aus dem Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie mit dem bisherigen Personal direkt ins Zentral-Arbeitsinspektorat des BMASK übernommen worden. Das nunmehrige "Kompetenzzentrum Verkehrs-Arbeitsinspektorat" umfasse die beiden näher genannten Abteilungen des Zentral-Arbeitsinspektorates.
Das Verkehrs-Arbeitsinspektorat habe im vorliegenden Verwaltungsstrafverfahren als zuständiger Fachbereich (Kompetenzzentrum) innerhalb des Zentral-Arbeitsinspektorates für den Bundesminister Berufung gegen den Einstellungsbescheid des Bürgermeisters der Stadt Graz vom erhoben. Die Regelung der Approbation sei eine Angelegenheit der inneren Organisation, die Regelung des § 26 Abs. 8 ArbIG werde dadurch nicht berührt; ebenso werde die Zuständigkeit des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz als Organ mit gesetzlich zugeordneter monokratischer Entscheidungsbefugnis dadurch nicht tangiert.
§ 26 Abs. 7 und 8 ArbIG i.d.F. der Novelle BGBl. I Nr. 35/2012 lauten:
"(7) Die Parteistellung des Verkehrs-Arbeitsinspektorates in Verwaltungsstrafverfahren und Verwaltungsverfahren, die im Zeitpunkt des Inkrafttretens des 2. Stabilitätsgesetzes 2012, BGBl. I Nr. 35/2012 , anhängig sind, ist ab von der Arbeitsinspektion wahrzunehmen. In den beim Verwaltungsgerichtshof mit Ablauf des gemäß § 16 VAIG 1994 anhängigen Verfahren tritt der Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz an die Stelle der Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie.
(8) Hinsichtlich jener Betriebsstätten und Arbeitsstellen, die bis zum Ablauf des gemäß § 1 VAIG 1994 in den Wirkungsbereich des Verkehrs-Arbeitsinspektorates gefallen sind, obliegen abweichend von § 16 bis zur Neuregelung des Gegenstandes durch eine Verordnung nach § 14 Abs. 4 die nach diesem Bundesgesetz den Arbeitsinspektoraten zustehenden Aufgaben und Befugnisse dem Zentral-Arbeitsinspektorat."
Gemäß § 25 Abs. 7 ArbIG sind diese Bestimmungen mit in Kraft getreten.
Zutreffend weist der beschwerdeführende Bundesminister darauf hin, dass die Zuständigkeiten der Verkehrs-Arbeitsinspektion aufgrund der speziellen Übergangsbestimmung des § 26 Abs. 8 ArbIG vorübergehend (siehe die in dieser Bestimmung enthaltene Verordnungsermächtigung) auf das Zentral-Arbeitsinspektorat übergegangen sind.
Mit dem 2. Stabilitätsgesetz 2012 wurden das Verkehrs-Arbeitsinspektorat und die Arbeitsinspektion zusammengeführt; die Verkehrs-Arbeitsinspektion wurde in die Arbeitsinspektion eingegliedert (vgl. Erl zur RV 1685 BlgNR 24. GP 60).
Nach § 14 des mit dem 2. Stabilitätsgesetz 2012 aufgehobenen Verkehrs-Arbeitsinspektionsgesetzes - VAIG 1994 kam dem Verkehrs-Arbeitsinspektorat im Rahmen seines Wirkungsbereiches in Verwaltungsstrafverfahren wegen Übertretung von Vorschriften, die dem Schutz der Arbeitnehmer dienen, Parteistellung (Abs. 1) sowie das Recht der Berufung zu (Abs. 3). Die mit § 26 Abs. 8 ArbIG vom Verkehrs-Arbeitsinspektorat auf das Zentral-Arbeitsinspektorat übergeleiteten Zuständigkeiten umfassten daher - bis zur Erlassung der in § 26 Abs. 8 ArbIG vorgesehenen Verordnung - auch das Recht zur Erhebung von Berufungen in Verwaltungsstrafverfahren.
Dem steht - entgegen der Ansicht des Unabhängigen Verwaltungssenates - auch § 26 Abs. 7 ArbIG nicht entgegen. Dieser Überleitungsbestimmung zufolge war die Parteistellung des Verkehrs-Arbeitsinspektorates in bei Inkrafttreten des 2. Stabilitätsgesetzes 2012 anhängigen Verwaltungs- und Verwaltungsstrafverfahren ab von der Arbeitsinspektion wahrzunehmen. Parteistellung und Berufungsrecht der Arbeitsinspektion in Verwaltungsstrafverfahren war nach § 11 Abs. 1 und Abs. 3 ArbIG idF vor dem jedoch vom zuständigen Arbeitsinspektorat wahrzunehmen. Das zuständige Arbeitsinspektorat im vorliegenden Fall wiederum ist gemäß § 26 Abs. 8 ArbIG das Zentral-Arbeitsinspektorat. Aus einer Zusammenschau von § 26 Abs. 7 und 8 ArbIG ergibt sich somit, dass für den übergeleiteten Wirkungsbereich des Verkehrs-Arbeitsinspektorates dem Zentral-Arbeitsinspektorat das Berufungsrecht zukam.
Das Zentral-Arbeitsinspektorat untersteht, wie der beschwerdeführende Bundesminister ausführt, organisatorisch der Sektion "Arbeitsrecht und Zentral-Arbeitsinspektorat" des Bundesministeriums für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz und umfasste nach der Überleitung auch das Verkehrs-Arbeitsinspektorat, welches in Form von zwei Abteilungen im Rahmen des "Kompetenzzentrums Verkehrs-Arbeitsinspektorat" in diese Sektion eingegliedert wurde.
Auch die folgenden Erläuterungen zu § 26 Abs. 7 und 8 ArbIG idF des 2. Stabilitätsgesetzes 2012 führen dazu aus (Erl zur RV 1685 BlgNR 24.GP, 62 f.):
"Auf Grund des Bundesministeriengesetzes wird das Verkehrsarbeitsinspektorat als Gruppe in die Sektion Arbeitsrecht und Zentral-Arbeitsinspektorat des Bundesministeriums für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz übernommen werden. Die Übergangsbestimmung dient dazu, die Kontinuität der Arbeitsaufsicht über die Verkehrsbetriebe sicherzustellen."
Die namens des Bundesministers durch die nach dem Bundesministeriengesetz eingerichtete Fachabteilung des Bundesministeriums für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz "Verkehrs-Arbeitsinspektorat" erhobene Berufung war daher zulässig.
Die durch den angefochtenen Bescheid vorgenommene Zurückweisung der von dieser Fachabteilung namens des Bundesministers erhobenen Berufung erweist sich somit als rechtswidrig.
Der angefochtene Bescheid war daher wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.
Die Kostenentscheidung gründet auf den §§ 47 ff VwGG i.V.m. der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455/2008, welche gemäß § 3 Z 1 der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014, BGBl. II Nr. 518/2013 idF BGBl. II Nr. 8/2014 im Beschwerdefall weiterhin anzuwenden ist.
Wien, am