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VwGH vom 27.03.2015, 2013/02/0167

VwGH vom 27.03.2015, 2013/02/0167

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Beck und die Hofräte Mag. Dr. Köller, Dr. Lehofer, Dr. Bachler sowie die Hofrätin Mag. Dr. Maurer-Kober als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Farcas-Hutchinson, über die Beschwerde der Marktgemeinde M in O, vertreten durch Dr. Gernot Gasser und Dr. Sonja Schneeberger, Rechtsanwälte in 9900 Lienz, Beda-Weber-Gasse 1, gegen den Bescheid der Tiroler Landesregierung vom , Zl. IIB2-2- 1-7-131/6-2013, betreffend Zurückweisung von Anträgen in einer Angelegenheit nach der StVO 1960, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die beschwerdeführende Partei hat dem Land Tirol Aufwendungen in Höhe von EUR 57,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Schriftsatz vom stellte die beschwerdeführende Partei folgende Anträge an die Bezirkshauptmannschaft Lienz:

"1. Die BH Lienz wolle im Interesse der Verkehrssicherheit (vgl. § 43 StVO) 'Maßnahmen zur Verkehrssicherheit' treffen.

2. Die BH Lienz wolle feststellen, dass die Marktgemeinde

M in O zur Erlassung einer Verordnung gemäß § 43 StVO für den Proßeggklammweg als Straße im Sinne des § 1 der StVO nicht zuständig ist.

3. Die BH Lienz wolle feststellen, dass sie zur Erlassung einer Verordnung gemäß § 43 StVO für den Proßeggklammweg als Straße im Sinne des § 1 der StVO zuständig ist.

4. Die BH Lienz wolle feststellen, dass der Proßeggklammweg als Straße im Sinne des § 1 der StVO gilt.

5. Die BH Lienz wolle feststellen, dass die Marktgemeinde

M in O eine Maßnahme im Sinne des § 43 StVO für den Proßeggklammweg als Straße im Sinne des § 1 der StVO nicht über den Umweg (Kompetenzanmaßung!) des § 18 TGO vorwegnehmen darf und dass derartige Schritte von der BH Lienz als Aufsichtsbehörde zu maßregeln wären."

Diese Anträge wurden von der Bezirkshauptmannschaft Lienz als unzulässig zurückgewiesen. Begründend führte sie aus, dass aus dem Anbringen zu Punkt 1 für die Behörde nicht hervorgegangen sei, was die beschwerdeführende Partei als Antragstellerin von der Behörde an Handlungen erwartet habe. Aus diesem Grund sei ein Verbesserungsauftrag ergangen, welchem jedoch seitens der beschwerdeführenden Partei als Antragstellerin nicht nachgekommen worden sei. In den von der beschwerdeführenden Partei getätigten Eingaben sei kein Eingehen auf den Verbesserungsauftrag erfolgt.

Hinsichtlich der Anträge 2 bis 5 führte die erstinstanzliche Behörde aus, dass Gegenstand eines Feststellungsbescheides grundsätzlich nur die Feststellung eines Rechtes oder Rechtsverhältnisses sein könne, nicht aber die Feststellung von Tatsachen, sofern das Gesetz nicht ausdrücklich eine solche Feststellung vorsehe. Darüber hinaus könne die Behörde weder über die Anwendbarkeit eines Gesetzes oder einer gesetzlichen Bestimmung und ihrer Auslegung noch über das Vorliegen oder Nichtvorliegen der Anspruchsvoraussetzungen im Spruch entscheiden. Die rechtliche Qualifikation eines Sachverhaltes könne ebenfalls nicht Gegenstand eines Feststellungsbescheides sein.

Die dagegen erhobene Berufung der beschwerdeführenden Partei wurde von der belangten Behörde mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid als unbegründet abgewiesen. Die belangte Behörde begründete die Abweisung im Wesentlichen mit einem Hinweis auf die in der Begründung des Bescheides der erstinstanzlichen Behörde dargelegte Rechtsansicht.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Antrag, diesen infolge Rechtswidrigkeit seines Inhaltes, in eventu infolge Rechtswidrigkeit aufgrund Verletzung von Verfahrensvorschriften kostenpflichtig aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine als Gegenschrift bezeichnete Äußerung, in welcher sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte. Die beschwerdeführende Partei replizierte auf die Äußerung der belangten Behörde und erstattete eine weitere Äußerung.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Gemäß § 79 Abs. 11 VwGG sind - soweit wie im vorliegenden Fall durch das Verwaltungsgerichtsbarkeits-Übergangsgesetz, BGBl. I Nr. 33/2013, nicht anderes bestimmt ist - in den mit Ablauf des beim Verwaltungsgerichtshof anhängigen Beschwerdeverfahren die bis zum Ablauf des geltenden Bestimmungen weiter anzuwenden.

2. § 43 StVO lautet - soweit für den Beschwerdefall relevant -

wie folgt:

"(1) Die Behörde hat für bestimmte Straßen oder Straßenstrecken oder für Straßen innerhalb eines bestimmten Gebietes durch Verordnung

a) wenn ein Elementarereignis bereits eingetreten oder nach den örtlich gewonnenen Erfahrungen oder nach sonst erheblichen Umständen mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist, die zum Schutze der Straßenbenützer oder zur Verkehrsabwicklung erforderlichen Verkehrsverbote oder Verkehrsbeschränkungen zu erlassen;

(...)"

Zuständige Behörde für die Erlassung von Verordnungen und Bescheiden nach der StVO ist gemäß § 94b Abs. 1 lit. b StVO die Bezirksverwaltungsbehörde, sofern der Akt der Vollziehung nur für den betreffenden politischen Bezirk wirksam werden soll und sich nicht die Zuständigkeit der Gemeinde oder - im Gebiet einer Gemeinde, für das die Landespolizeidirektion zugleich Sicherheitsbehörde erster Instanz ist - der Landespolizeidirektion ergibt.

Gemäß § 94c StVO kann die Landesregierung durch Verordnung von der Bezirksverwaltungsbehörde zu besorgende Angelegenheiten (§ 94b), die nur das Gebiet einer Gemeinde betreffen, wenn und insoweit dies im Interesse der Zweckmäßigkeit, Raschheit und Einfachheit gelegen ist, dieser Gemeinde übertragen.

Verordnungen nach § 43, mit denen Beschränkungen für das Halten und Parken, ein Hupverbot, ein Benützungsverbot für Radfahranlagen durch Rollschuhfahrer oder Geschwindigkeitsbeschränkungen erlassen werden, sind, sofern sie nur für das Gebiet der betreffenden Gemeinde wirksam werden und sich auf Straßen, die weder als Autobahnen, Autostraßen, Bundesstraßen oder Landesstraßen gelten noch diesen Straßen gleichzuhalten sind, beziehen, gemäß § 94d Z 4 StVO von der Gemeinde im eigenen Wirkungsbereich zu erlassen.

3. Die Beschwerde wendet sich zunächst gegen die Abweisung der Berufung gegen die von der erstinstanzlichen Behörde vorgenommene Zurückweisung des Antrags 1 der beschwerdeführenden Partei, wonach die Bezirkshauptmannschaft Lienz Maßnahmen zur Verkehrssicherheit im Sinne des § 43 StVO treffen solle. Die beschwerdeführende Partei macht geltend, dass der Verwaltungsgerichtshof bereits in zahlreichen Fällen erkannt habe, was unter "Maßnahmen der Verkehrssicherheit" zu verstehen sei. Der diesbezügliche Antrag sei daher unmissverständlich gewesen. Der Zuständigkeitsstreit zur Verordnungserlassung nach § 43 StVO betreffend Maßnahmen zur Verkehrssicherheit für die konkrete Straße sei zudem seit mehr als fünf Jahren Streitpunkt zwischen der beschwerdeführenden Partei und der erstinstanzlichen Behörde. Der ergangene Mängelbehebungsauftrag sei daher nicht berechtigt gewesen.

4. Es kann dahingestellt bleiben, ob der erstinstanzlichen Behörde hätte bekannt sein müssen, auf welche konkreten Maßnahmen im Sinne des § 43 StVO der Antrag der beschwerdeführenden Partei abzielte, weil die beschwerdeführende Partei durch die Zurückweisung des Antrags jedenfalls nicht in Rechten verletzt sein konnte. § 43 Abs. 1 lit. a StVO (ausschließlich auf diese Bestimmung bezieht sich die beschwerdeführende Partei in ihrer Beschwerde) verpflichtet die - nach dem XII. Abschnitt der StVO zu bestimmende - Behörde dazu, unter den dort näher genannten Voraussetzungen durch Verordnung die zum Schutze der Straßenbenützer oder zur Verkehrsabwicklung erforderlichen Verkehrsverbote oder Verkehrsbeschränkungen zu erlassen. Ein Antragsrecht für die Erlassung einer derartigen Verordnung ist im Gesetz nicht vorgesehen.

Es besteht daher kein subjektives Recht der beschwerdeführenden Partei auf Erlassung einer Verordnung im Sinne des § 43 Abs. 1 lit. a StVO (vgl. - zu Verordnungen nach § 43 Abs. 4 StVO - die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 0053/79, und vom , Zl. 82/03/0125, sowie zu § 43 Abs. 2 StVO das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2009/02/0239), sodass die beschwerdeführende Partei durch die Bestätigung der Zurückweisung des Antrages nicht in ihren subjektiv-öffentlichen Rechten verletzt werden konnte.

5. Hinsichtlich der Abweisung der Berufung gegen die Zurückweisung der übrigen Anträge ist die beschwerdeführende Partei der Ansicht, dass die belangte Behörde von einer falschen Rechtsmeinung ausgegangen sei. Es könne auch eine Verpflichtung Gegenstand eines Feststellungsbescheides sein. Die diesbezüglichen Feststellungsanträge der beschwerdeführenden Partei seien darauf gerichtet gewesen, zu klären, ob eine "Rechtsverletzung" der beschwerdeführenden Partei zur Verordnungserlassung nach § 43 Abs. 1 StVO oder auch nach § 18 TGO bestehe. Die Beschwerdeführerin habe im Verfahren darauf hingewiesen, dass die Antragstellung insbesondere zur Abwehr von Amtshaftungsansprüchen wegen ungeklärter Sach- und Rechtslage erfolge. Einerseits sei von der erstinstanzlichen Behörde die "Tatsache", dass es sich beim gegenständlichen Weg um eine Straße handle, negiert worden. Auf der anderen Seite stütze sie sich in ihrer rechtlichen Begründung wieder darauf, dass nur "Tatsachen" einem Feststellungsbescheid zugeführt werden könne. Die von der erstinstanzlichen Behörde vertretene und von der belangte Behörde bestätigte Rechtsansicht sei erfolgt, ohne dass zuvor in einem Ermittlungsverfahren die Tatsachenfeststellung getroffen wurde, dass es sich bei dem gegenständlichen Weg tatsächlich um eine Straße handle. Des Weiteren habe sich weder die erstinstanzliche Behörde noch die belangte Behörde damit auseinandergesetzt, ob die beantragte Erlassung als Feststellungsbescheid im Sinne der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes im öffentlichen Interesse gelegen wäre oder ob sie für die beschwerdeführende Partei ein notwendiges Mittel zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung darstelle, wie dies von der beschwerdeführenden Partei mehrfach dargetan worden sei.

6. Zu diesem Vorbringen ist zunächst festzuhalten, dass das Anliegen der beschwerdeführenden Partei, durch Anträge auf Feststellung, dass die Bezirkshauptmannschaft Lienz zur Erlassung einer Verordnung gemäß § 43 StVO betreffend den Proßeggklammweg zuständig, die beschwerdeführende Partei hingegen nicht zuständig sei (Anträge 2 und 3), darauf gerichtet ist, eine Klärung der behördlichen Zuständigkeit für die Vollziehung einer Bestimmung der StVO im Hinblick auf eine bestimmte Straße herbeizuführen. Die beschwerdeführende Partei macht damit aber kein ihr eingeräumtes subjektives öffentliches Recht geltend, sodass sich die von der belangten Behörde vorgenommene Abweisung der Berufung gegen die Zurückweisung der Anträge durch die erstinstanzliche Behörde nicht als rechtswidrig erweist. Dasselbe gilt hinsichtlich des Antrags 5, der ebenfalls auf eine Klärung der behördlichen Zuständigkeit der beschwerdeführenden Partei in Abgrenzung zur Zuständigkeit der Bezirkshauptmannschaft Lienz gerichtet war.

7. Mit ihrem vierten Antrag beantragte die beschwerdeführende Partei die Feststellung, dass der Proßeggklammweg als Straße im Sinne des § 1 StVO gelte. Auch dieser Antrag wurde von der erstinstanzlichen Behörde im Ergebnis zurecht zurückgewiesen. Auch wenn die beschwerdeführende Partei diesen Antrag nicht als Behörde, sondern als Straßenerhalterin und damit Trägerin von Privatrechten gestellt haben sollte (was aus den Verfahrensakten nicht eindeutig zu entnehmen ist), käme ihr schon deshalb kein rechtliches Interesse an der beantragten Feststellung zu, weil sie selbst nachdrücklich (auch in der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof) darauf hinweist, dass es sich beim gegenständlichen Weg um eine Gemeindestraße im Sinne des Tiroler Straßengesetzes - und damit um eine öffentliche Straße (vgl. § 6 Z 2 Tiroler Straßengesetz) - handelt. Öffentliche Straßen im Sinne des Straßenrechts sind aber in jedem Fall Straßen mit öffentlichem Verkehr im Sinne des § 1 Abs. 1 StVO (vgl. auch Pürstl , StVO13, Anm. 3 zu § 1).

8. Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455, welche gemäß § 3 Z 1 der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014, BGBl. II Nr. 518/2013 idF BGBl. II Nr. 8/2014 im Beschwerdefall weiterhin anzuwenden ist. Da sich die als Gegenschrift bezeichnete Äußerung der belangten Behörde auf Verweise auf andere Dokumente beschränkte, war dem Land Tirol kein Schriftsatzaufwand, sondern lediglich der Aufwandersatz für die Aktenvorlage zuzusprechen.

Wien, am