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VwGH vom 28.04.2015, 2013/02/0119

VwGH vom 28.04.2015, 2013/02/0119

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Beck und den Hofrat Mag. Dr. Köller sowie die Hofrätin Mag. Dr. Maurer-Kober als Richter, unter Beiziehung der Schriftführerin Mag. Farcas-Hutchinson, über die Beschwerde des Mag. P in W, vertreten durch Mag. Helmut Rieger, Rechtsanwalt in 1070 Wien, Siebensterngasse 42 - 44, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates im Land Niederösterreich, Außenstelle Wiener Neustadt, vom , Zl. Senat-NK-11- 1200, betreffend Übertretung der StVO (weitere Partei: Niederösterreichische Landesregierung), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Das Land Niederösterreich hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom wurde der Beschwerdeführer für schuldig erkannt, er habe am um 17.35 Uhr an einem näher genannten Ort auf der A 2 einen dem Kennzeichen nach näher bestimmten Pkw gelenkt und dabei die aufgrund des angebrachten Vorschriftszeichens "Geschwindigkeitsbeschränkung" erlaubte Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h überschritten (115 km/h gefahrene Geschwindigkeit nach Abzug von 5 % Messtoleranz).

Er habe dadurch eine Übertretung des § 52 lit. a Z. 10a iVm § 99 Abs. 3 lit. a StVO begangen, weshalb über ihn eine Geldstrafe in Höhe von EUR 50,-- (Ersatzfreiheitsstrafe: 23 Stunden) verhängt wurde.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschiften geltend gemacht werden.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

In der Beschwerde wird u.a. gerügt, die belangte Behörde habe es unterlassen, eine öffentliche mündliche Verhandlung anzuberaumen und damit den Beschwerdeführer davon ausgeschlossen, zum Ergebnis des Ermittlungsverfahrens Stellung zu nehmen. Diese Vorgangsweise sei rechtswidrig. Die belangte Behörde habe damit die Ermittlung des maßgeblichen Sachverhaltes verhindert.

Bereits mit diesem Vorbringen zeigt der Beschwerdeführer das Vorliegen eines wesentlichen Verfahrensmangels auf.

Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass gemäß § 79 Abs. 11 letzter Satz VwGG idF BGBl. I Nr. 122/2013, soweit durch das Verwaltungsgerichtsbarkeits-Übergangsgesetz, BGBl. I Nr. 33/2013, - wie vorliegend - nicht anderes bestimmt ist, in den mit Ablauf des beim Verwaltungsgerichtshof anhängigen Beschwerdeverfahren die bis zum Ablauf des geltenden Bestimmungen weiter anzuwenden sind.

§ 51e VStG in der Fassung vor der Novelle BGBl. I Nr. 33/2013 lautet auszugsweise:

"(1) Der unabhängige Verwaltungssenat hat eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

...

(3) Der unabhängige Verwaltungssenat kann von einer Berufungsverhandlung absehen, wenn

...

3. im angefochtenen Bescheid eine 500 EUR nicht übersteigende Geldstrafe verhängt wurde oder ...

und keine Partei die Durchführung einer Verhandlung beantragt hat. Der Berufungswerber hat die Durchführung einer Verhandlung in der Berufung zu beantragen. Etwaigen Berufungsgegnern ist Gelegenheit zu geben, einen Antrag auf Durchführung einer Verhandlung zu stellen. Ein Antrag auf Durchführung einer Verhandlung kann nur mit Zustimmung der anderen Parteien zurückgezogen werden.

...

(5) Der unabhängige Verwaltungssenat kann von der Durchführung (Fortsetzung) einer Verhandlung absehen, wenn die Parteien ausdrücklich darauf verzichten. Ein solcher Verzicht kann bis zum Beginn der (fortgesetzten) Verhandlung erklärt werden.

..."

Im vorliegenden Beschwerdefall ist zwar die Voraussetzung einer EUR 500,-- nicht übersteigenden Geldstrafe nach § 51e Abs. 3 Z 3 VStG erfüllt, jedoch durfte die belangte Behörde die Unterlassung eines Antrages durch den im Berufungsverfahrens anwaltlich nicht vertretenen Beschwerdeführer auf Durchführung einer mündlichen Berufungsverhandlung nicht als konkludenten Verzicht auf eine solche werten. Vom Vorliegen eines schlüssigen Verzichts kann nämlich insbesondere dann nicht ausgegangen werden, wenn eine unvertretene Partei weder über die Möglichkeit einer Antragstellung belehrt wurde, noch Anhaltspunkte dafür bestehen, dass sie von dieser Möglichkeit hätte wissen müssen (vgl. die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 2012/02/0221, und vom , Zl. 2006/09/0110).

Nach der Aktenlage wurde der Beschwerdeführer nicht (weder mit der Rechtsmittelbelehrung des erstinstanzlichen Straferkenntnisses, noch durch die belangte Behörde) über die Möglichkeit einer derartigen Antragstellung belehrt. Dafür, dass er sonst von dieser Möglichkeit hätte wissen müssen, ergeben sich keine Anhaltspunkte.

Die belangte Behörde hat daher zu Unrecht von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung abgesehen.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben, ohne dass auf das weitere Beschwerdevorbringen näher einzugehen war.

Die Kostenentscheidung gründet auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455/2008, welche gemäß § 3 Z 1 der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014, BGBl. II Nr. 518/2013 idF BGBl. II Nr. 8/2014 im Beschwerdefall weiterhin anzuwenden ist.

Wien, am

Fundstelle(n):
CAAAE-78192