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VwGH vom 19.07.2013, 2013/02/0101

VwGH vom 19.07.2013, 2013/02/0101

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Riedinger und die Hofräte Dr. Beck und Dr. N. Bachler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Farcas, über die Beschwerde der Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Vorarlberg vom , Zl. UVS-1-506/E11-2012, betreffend Übertretung der StVO 1960 (mitbeteiligte Partei: E in F/Deutschland, vertreten durch Ingo A. Hermann, Rechtsanwalt in D-77716 Haslach i. K./Deutschland, Hauptstraße 41a), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Begründung

Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft B. vom wurde der Mitbeteiligte für schuldig befunden, er habe am um 22.08 Uhr an einem näher genannten Ort ein dem Kennzeichen nach näher bestimmte Kfz in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand gelenkt; der Test am geeichten Alkomaten habe einen Alkoholgehalt der Atemluft von 0,44 mg/l ergeben. Der Mitbeteiligte habe dadurch eine Verwaltungsübertretung gemäß § 5 Abs. 1 i.V.m. § 99 Abs. 1b StVO 1960 begangen, weshalb über ihn eine Geldstrafe in Höhe von EUR 980.-- (Ersatzfreiheitsstrafe: 267 Stunden) verhängt wurde.

Gegen diesen Bescheid erhob der Mitbeteiligte Berufung.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom wurde der Berufung insofern Folge gegeben, als die verhängte Geldstrafe in Anwendung des § 20 VStG auf EUR 500.-- und die für den Fall der Uneinbringlichkeit festgesetzte Geldstrafe auf 130 Stunden herabgesetzt wurde.

In der Begründung dieses Bescheides wird u.a. ausgeführt, dass der festgestellte Sachverhalt vom Mitbeteiligten nicht bestritten werde. Der Mitbeteiligte habe ein Fahrzeug in alkoholisiertem Zustand gelenkt; er habe damit den Tatbestand einer Übertretung des § 99 Abs. 1b StVO 1960 erfüllt.

Im gegenständlichen Fall würden jedoch die Milderungsgründe die Erschwerungsgründe beträchtlich überwiegen, weil der Mitbeteiligte unbescholten und der Alkoholisierungsgrad nicht sehr hoch gewesen sei. Da somit der § 20 VStG über das außerordentliche Milderungsrecht anzuwenden sei, werde die Mindeststrafe unterschritten und die Geldstrafe auf EUR 500.-- sowie die für den Fall ihrer Uneinbringlichkeit festzusetzende Ersatzfreiheitsstrafe auf 130 Stunden herabgesetzt.

Der Mitbeteiligte habe der belangten Behörde im Rahmen seiner Berufung mitgeteilt, dass er einen Lohn von EUR 2.191,35 monatlich erhalte. Er sei verheiratet und habe zwei Kinder, für die er sorgepflichtig sei. Er habe näher bezeichnete regelmäßige Ausgaben zu begleichen, sodass ihm monatlich nur mehr ein Betrag in Höhe von ca. EUR 1.165,-- zur Verfügung stehe, wobei die Unterhaltsverpflichtungen bezüglich seiner Ehegattin und seiner beiden Kindern hier noch nicht berücksichtigt seien. Unter anderem auch aufgrund der dargelegten Einkommenssituation sei die Strafe zu reduzieren gewesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Amtsbeschwerde wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte.

Auch der Mitbeteiligte erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag auf kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

In der Amtsbeschwerde wird u.a. ausgeführt, die belangte Behörde argumentiere im Wesentlichen dahingehend, die Voraussetzungen für eine außerordentliche Milderung der Strafe lägen gemäß § 20 VStG vor, und nenne dabei die Unbescholtenheit, die niedrige Alkoholisierung und die Einkommensverhältnisse als Milderungsgründe, die damit die Erschwerungsgründe überwiegen würden.

Der niedrige Alkoholisierungsgrad könne nicht als Milderungsgrund gewertet werden, habe doch schon der Gesetzgeber durch die Gliederung der Absätze in § 99 StVO 1960 mit ihren unterschiedlichen Strafrahmen, insbesondere für Alkoholdelikte eine entsprechende Gewichtung vorgenommen (vgl. die Erkenntnisse des ZI. 2002/11/0113 und vom , Zl. 2004/02/0005). Mit einem erwiesenen Alkoholgehalt von 0,44 mg/l in der Atemluft liege der Mitbeteiligte ohnehin im mit mindestens 800 EUR und höchstens 3.700 EUR niedrigsten Strafrahmen für Alkoholdelikte (vgl. § 99 Abs. 1b StVO 1960). Ebenso sei es als verfehlt zu betrachten, wenn Umstände, die für den Tatbestand oder den Strafsatz relevant seien, auch noch als Strafzumessungsgründe berücksichtigt würden (vgl. das Erkenntnis des Zl. 2004/02/0037).

Weiters führe die belangte Behörde die dargelegte Einkommenssituation als (Milderungs-)grund für die Reduzierung der Strafe an. Bei der Vollziehung des § 20 VStG komme es allerdings nicht auf die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse an (vgl. das Erkenntnis des Zl. 2002/02/0276).

Im Ergebnis liege somit nur ein Milderungsgrund, die Unbescholtenheit, vor; dies alleine spreche aber noch nicht für ein Überwiegen der Milderungsgründe (vgl. das Erkenntnis des Zl. 2004/02/0298), sodass die rechtlichen Voraussetzungen für die Anwendung des § 20 VStG nicht vorlägen.

Überwiegen die Milderungsgründe die Erschwerungsgründe beträchtlich oder ist der Beschuldigte ein Jugendlicher, so kann nach § 20 VStG die Mindeststrafe bis zur Hälfte unterschritten werden.

Die belangte Behörde vertritt in der Gegenschrift die Rechtsansicht, der vorliegende Fall sei jenem gleichgelagert, der dem hg. Erkenntnis vom , Zl. 92/02/0280, zugrunde gelegen sei, zumal auch im vorliegenden Beschwerdefall der Alkoholgehalt der Atemluft 0,44 mg/l betragen habe, die Tat keine nachteiligen Folgen nach sich gezogen habe, der Mitbeteiligte bei einer Verkehrskontrolle angehalten worden und nicht in einen Verkehrsunfall verwickelt gewesen sei und auch unbescholten gewesen sei.

Dem ist entgegenzuhalten, dass sich die Rechtslage in der Zwischenzeit erheblich durch Einführung von abgestuften Mindest- und Höchststrafen (vgl. § 99 Abs. 1, 1a und 1b StVO 1960) - je nach Grad der Alkoholisierung - geändert hat und auch schon ab einer Alkoholisierung von 0,25 mg/l Alkoholgehalt der Atemluft bzw. 0,5 Promille Blutalkoholgehalt die Strafbarkeit eines Kfz-Lenkers gegeben ist (vgl. § 14 Abs. 8 i.V.m. § 37a FSG).

Zutreffend wird in der Beschwerde unter Bezugnahme auf das sog. Doppelverwertungsverbot darauf verwiesen, dass nach der hg. Judikatur Umstände, die für den Tatbestand oder den Strafsatz relevant sind, nicht auch noch zusätzlich als Strafzumessungsgründe berücksichtigt werden dürfen (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2004/02/0037, m.w.N.). Da der Grad der Alkoholisierung nunmehr für den jeweils anzuwendenden Strafsatz relevant ist, liegt ein Verstoß gegen das Doppelverwertungsverbot vor.

Was die im angefochtenen Bescheid ins Treffen geführten Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse anlangt, so kommt es darauf bei der Vollziehung des § 20 VStG nicht an (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2005/02/0086, m.w.N.).

Es ist daher, wie in der Beschwerde zutreffend ausgeführt wird, nur noch der Milderungsgrund der Unbescholtenheit des Mitbeteiligten zu berücksichtigen, dem bei einer Übertretung wie der gegenständlichen jedoch kein solches Gewicht beigemessen werden kann, dass - selbst bei Fehlen von Erschwerungsgründen -

§ 20 VStG anzuwenden wäre; es kann nämlich keine Rede davon sein, dass die Milderungsgründe die Erschwerungsgründe beträchtlich überwiegen (vgl. das zu einer Übertretung des § 5 Abs. 1 i.V.m.

§ 99 Abs. 1a StVO 1960 ergangene hg. Erkenntnis vom , Zl. 2004/02/0298, m.w.N.).

Aus den dargelegten Gründen war daher der angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Wien, am