VwGH vom 25.04.2019, Ra 2018/11/0217

VwGH vom 25.04.2019, Ra 2018/11/0217

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Rigler und den Hofrat Dr. Grünstäudl sowie die Hofrätin Dr. Pollak als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Soyer, über die Revision des D G in V (Spanien), vertreten durch die CMS Reich-Rohrwig Hainz Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Gauermanngasse 2, gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichts Wien vom , Zl. VGW- 041/075/12129/2017-3, in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom , Zl. VGW-041/V/075/11693/2018-1, betreffend Übertretungen des AVRAG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Magistrat der Stadt Wien), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Revisionswerber Aufwendungen in Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wurde der Revisionswerber als nach außen zur Vertretung befugter der E. Sociedad Limitada (mit Sitz in Spanien) der Übertretung des § 7d Abs. 1 Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz (AVRAG) schuldig erkannt, weil es diese Gesellschaft als Arbeitgeberin unterlassen habe, für vierzehn namentlich genannte, zur fortgesetzten Arbeitsleistung nach Österreich entsendete und am in einem näher bezeichneten Hotelbetrieb in Wien als Zimmermädchen oder Reinigungskraft beschäftigte ausländische Arbeitnehmerinnen "jene Unterlagen gemäß § 7d Abs. 1 leg. cit., die zur Überprüfung des den Arbeitnehmern nach den österreichischen Rechtsvorschriften gebührenden Entgelts erforderlich (Lohnunterlagen)" sind, in deutscher Sprache zur Überprüfung durch die Behörde am Arbeitsort bereitzuhalten.

Gemäß § 7i Abs. 4 Z 1 iVm § 7d Abs. 1 AVRAG wurden über den Revisionswerber im angefochtenen Erkenntnis (in der durch den eingangs zitierten Beschluss vom berichtigten Fassung) 14 Geldstrafen, und zwar je nach betroffener Arbeitnehmerin in Höhe von entweder EUR 3.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 1 Woche) oder EUR 2.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 4 Tage), verhängt.

Weiters wurde über den Kostenbeitrag des Revisionswerbers zum Strafverfahren entschieden (10 % der Geldstrafen gemäß § 64 VStG) und die Haftung der E. Sociedad Limitada gemäß § 9 Abs. 7 VStG ausgesprochen.

Schließlich wurde gemäß § 25a VwGG ausgesprochen, dass eine ordentliche Revision gegen diese Entscheidung nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig sei.

2 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende

außerordentliche Revision. Die belangte Behörde hat auf eine Revisionsbeantwortung verzichtet.

3 Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die Revision ist aus den von ihr ins Treffen geführten

Gründen zulässig und begründet:

Der Revisionswerber bringt gegen das angefochtene Erkenntnis

(u.a.) vor, das Verwaltungsgericht habe die ihm angelastete Tat entgegen der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (Hinweis u. a. auf ) nicht in so konkretisierter Umschreibung vorgeworfen, dass er zum einen im ordentlichen Verwaltungsstrafverfahren in die Lage versetzt wurde, auf den konkreten Tatvorwurf bezogene Beweise anzubieten und eben diesen Tatvorwurf zu widerlegen, und zum anderen der Spruch geeignet ist, ihn als die beschuldigte (bestrafte) Person rechtlich davor zu schützen, wegen desselben Verhaltens nochmals zur Verantwortung gezogen zu werden. Diese Rechtsschutzüberlegungen seien nach dem zitierten Erkenntnis auch für die Prüfung der Frage anzustellen, ob eine taugliche Verfolgungshandlung iSd § 32 Abs. 2 VStG gesetzt worden sei. 4 Bezogen auf den gegenständlichen Tatvorwurf bedeute dies, dass die Unterlagen, deren Nichtbereithaltung dem Revisionswerber angelastet werde, konkret hätten bezeichnet werden müssen. Dem werde der gegenständliche Spruch nicht gerecht, weil mit diesem lediglich (pauschal) das Fehlen jener Lohnunterlagen, "die zur Überprüfung des gebührenden Entgelts erforderlich sind", angelastet werde.

5 Der Verwaltungsgerichtshof hat - im Zusammenhang mit einer Übertretung des § 7d Abs. 1 AVRAG - im Beschluss vom , Ra 2017/11/0301, wie folgt ausgeführt:

"Ausgehend von der Zielrichtung des Konkretisierungsgebots des § 44a Z 1 VStG (nach ständiger Judikatur hat die Tatumschreibung so präzise zu sein, dass der Beschuldigte seine Verteidigungsrechte wahren kann und er nicht der Gefahr einer Doppelbestrafung ausgesetzt ist; vgl. nur etwa , mwN) sind die an die Tatumschreibung zu stellenden Erfordernisse nicht nur von Delikt zu Delikt, sondern auch nach den jeweils gegebenen Begleitumständen in jedem einzelnen Fall unterschiedlich zu beurteilen (vgl. nur etwa , mwN). Eine derartige - notwendigerweise einzelfallbezogene - Beurteilung ist im Regelfall (wenn sie auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage erfolgte und in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurde) nicht revisibel (vgl. nur etwa , , Ro 2015/07/0041, , Ra 2017/11/0024)."

6 Dem zitierten Beschluss, Ra 2017/11/0301, lag der Vorwurf einer Übertretung des § 7d Abs. 1 AVRAG zugrunde, der dadurch gekennzeichnet war, dass der Arbeitgeber zwar einzelne, aber nicht sämtliche der in der letztgenannten Bestimmung aufgezählten Lohnunterlagen bereitgehalten hatte bzw. zum Bereithalten mancher Lohnunterlagen im Kontrollzeitpunkt fallbezogen noch gar nicht verpflichtet war. Vor diesem Hintergrund hielt der Verwaltungsgerichtshof die Auffassung, die noch fehlenden "Lohnunterlagen" iSd § 7d Abs. 1 AVRAG hätten im Spruch des Straferkenntnisses präzisiert werden müssen, weil der Verpflichtete sonst im Unklaren über den eigentlichen Tatvorwurf bliebe, für vertretbar.

7 Unter dem Gesichtspunkt dieser Rechtschutzüberlegungen (vgl. auch das bereits zitierte Erkenntnis, Ra 2016/03/0048, Rn 14) hat der Verwaltungsgerichtshof daher im Erkenntnis vom heutigen Tag, Ra 2018/11/0141 (auf die dort dargestellte Rechtslage wird, weil sie auch gegenständlich maßgebend ist, gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen), in einem Fall, in welchem sämtliche der in § 7d Abs. 1 AVRAG genannten Lohnunterlagen in deutscher Sprache fehlten bzw. nicht am Arbeitsort bereitgehalten wurden, ausgesprochen, dass in einer solchen Konstellation eine Präzisierung (Aufzählung) der Lohnunterlagen im Spruch des Straferkenntnisses gemäß § 44a VStG nicht geboten ist, weil sie unter den genannten Umständen weder zum Schutz vor Doppelbestrafung noch zur ausreichenden Verteidigung des Revisionswerbers erforderlich ist.

8 Der vorliegende Revisionsfall gleicht jedoch der dem zitierten hg. Erkenntnis, Ra 2017/11/0301, zugrunde liegenden Fallkonstellation, weil nach den Feststellungen im angefochtenen Erkenntnis (Seite 9 ff.) im Kontrollzeitpunkt am Arbeitsort einige der in § 7d Abs. 1 AVRAG genannten Lohnunterlagen hinsichtlich einer Reihe von Arbeitnehmerinnen sehr wohl bereitgehalten wurden. Daher hätte dem Revisionswerber jedenfalls hinsichtlich dieser Arbeitnehmerinnen angelastet werden müssen, konkret welche der in der letztgenannten Bestimmung aufgezählten Lohnunterlagen in Bezug auf welche der von ihm beschäftigten Arbeitnehmerinnen fehlten, um ihn in die Lage zu versetzen, den jeweiligen Tatvorwurf zu widerlegen.

9 Das angefochtene Erkenntnis erweist sich aber auch in Bezug auf jene (unter Pkt. 1, 3, 4, 9 und 12 angeführten) Arbeitnehmerinnen als rechtswidrig, hinsichtlich welcher nach den Feststellungen keine der in § 7d Abs. 1 AVRAG aufgezählten Lohnunterlagen am Arbeitsort bereitgehalten wurden. Nach der Tatumschreibung (Spruch des vom Verwaltungsgericht insoweit bestätigten Straferkenntnisses) seien diese Arbeitnehmerinnen zum Tatzeitpunkt am Arbeitsort (Hotelbetrieb) in Wien beschäftigt gewesen. Dies steht jedoch mit den Feststellungen des angefochtenen Erkenntnisses (Seite 9 ff.) im Widerspruch, wonach diese Arbeitnehmerinnen im Kontrollzeitpunkt nicht mehr nach Österreich entsendet und hier nicht mehr beschäftigt gewesen seien.

10 Bei diesem Ergebnis erübrigt sich ein näheres Eingehen auf das weitere Revisionsvorbringen, es bestehe eine erhebliche Diskrepanz zwischen der Höhe der verhängten Geldstrafen und der Höhe der verhängten Ersatzfreiheitsstrafen, die das Verwaltungsgericht nicht näher begründet habe (vgl. dazu das zitierte Erkenntnis Ra 2018/11/0141).

11 Das angefochtene Erkenntnis war somit wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben. 12 Die Kostenentscheidung gründet sich auf die § 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am

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ECLI:
ECLI:AT:VWGH:2019:RA2018110217.L00

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