VwGH vom 23.01.2019, Ra 2018/11/0216
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Rigler und die Hofräte Dr. Schick, Dr. Grünstäudl und Mag. Samm sowie die Hofrätin Dr. Pollak als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Soyer, über die Revision des G R in S, vertreten durch Dr. Georg Peterlunger, Rechtsanwalt in 5020 Salzburg, Schanzlgasse 8, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Salzburg vom , Zl. 405-7/543/1/14-2018, betreffend Übertretungen des Lohn- und Sozialdumping-Bekämpfungsgesetzes - LSD-BG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bürgermeister der Landeshauptstadt Salzburg), zu Recht erkannt:
Spruch
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufgehoben.
Der Bund hat dem Revisionswerber Aufwendungen in Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1 Mit dem angefochtenen, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung ergangenen Erkenntnis erkannte das Landesverwaltungsgericht Salzburg, insoweit das Straferkenntnis der belangten Behörde vom bestätigend, den Revisionswerber schuldig, er habe es als Inhaber/Betreiber des Gewerbebetriebs R. mit Standort in Salzburg und somit als Dienstgeber zu verantworten, dass der Salzburger Gebietskrankenkasse (SGKK) nicht bis spätestens die erforderlichen Unterlagen wie Geschäftsbücher, Belege und sonstige Aufzeichnungen (Lohnkonten, Arbeitsaufzeichnungen, Reisekosten, Finanzbuchhaltung, Kassabücher, Journale, Jahresabschlüsse, Dienst- bzw. Lehrverträge, Meldungen etc.) für den Zeitraum 2012 bis 2016 für näher genannte 20 Arbeitnehmer übermittelt bzw. zur Einsichtnahme vorgelegt worden seien, obwohl er zur Übermittlung bzw. Bereithaltung der erforderlichen Unterlagen aufgefordert worden sei.
2 Der Revisionswerber habe damit § 14 Abs. 2 iVm. § 27 Abs. 1 LSD-BG verletzt, weshalb gemäß § 27 Abs. 1 erster Strafrahmen LSD-BG pro betroffenem Arbeitnehmer eine Geldstrafe (Ersatzfreiheitsstrafe) verhängt werde. Der Revisionswerber wurde weiters verpflichtet, einen Beitrag zu den Kosten des Verfahrens zu leisten.
3 Unter einem sprach das Verwaltungsgericht gemäß § 25a VwGG aus, dass die Revision an den Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig sei.
4 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende, vom Verwaltungsgericht gemeinsam mit den Akten des Verfahrens vorgelegte (außerordentliche) Revision.
5 Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Revision in dem gemäß § 12 Abs. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
6 1. Das LSD-BG, BGBl. I Nr. 44/2016 idF. BGBl. I Nr. 64/2017 lautet (auszugsweise):
"Feststellung von Übertretungen durch den Träger der
Krankenversicherung
§ 14. (1) Stellt der zuständige Träger der
Krankenversicherung im Rahmen seiner Tätigkeit fest, dass
1. der Arbeitgeber einem dem ASVG unterliegenden
Arbeitnehmer oder
2. der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer, der seinen
gewöhnlichen Arbeitsort in Österreich hat, ohne dem ASVG zu unterliegen, oder
3. der Auftraggeber nach dem Heimarbeitsgesetz 1960 dem nach § 4 Abs. 1 Z 7 ASVG versicherten Heimarbeiter
nicht zumindest das ihm nach Gesetz, Verordnung oder Kollektivvertrag in Österreich unter Beachtung der jeweiligen Einstufungskriterien zustehende Entgelt im Sinne des § 29 Abs. 1 leistet, gilt § 13 Abs. 4 bis 6 mit der Maßgabe, dass an die Stelle des Kompetenzzentrums LSDB der zuständige Träger der Krankenversicherung tritt.
(2) Der zuständige Träger der Krankenversicherung ist berechtigt, in die für die Tätigkeit nach Abs. 1 erforderlichen Unterlagen Einsicht zu nehmen und Ablichtungen dieser Unterlagen anzufertigen. Auf Verlangen haben Arbeitgeber die erforderlichen Unterlagen oder Ablichtungen zu übermitteln, wobei die Unterlagen oder Ablichtungen bis zum Ablauf des der Aufforderung zweitfolgenden Werktages abzusenden sind. Für die Übermittlung gebührt kein Ersatz der Aufwendungen.
...
Vereitelungshandlungen im Zusammenhang mit der Lohnkontrolle
§ 27. (1) Wer die erforderlichen Unterlagen entgegen den § 12 Abs. 1 Z 3 nicht übermittelt, begeht eine Verwaltungsübertretung und ist von der Bezirksverwaltungsbehörde für jeden Arbeitnehmer mit Geldstrafe von 500 Euro bis 5 000 Euro, im Wiederholungsfall von 1 000 Euro bis 10 000 Euro zu bestrafen. Ebenso ist zu bestrafen, wer entgegen den § 14 Abs. 2 oder 15 Abs. 2 die Unterlagen nicht übermittelt.
(2) Wer entgegen § 12 Abs. 1 den Zutritt zu den Betriebsstätten, Betriebsräumen und auswärtigen Arbeitsstätten oder Arbeitsstellen sowie den Aufenthaltsräumen der Arbeitnehmer und das damit verbundene Befahren von Wegen oder die Erteilung von Auskünften verweigert oder die Kontrolle sonst erschwert oder behindert, begeht eine Verwaltungsübertretung und ist von der Bezirksverwaltungsbehörde mit einer Geldstrafe von 1 000 Euro bis 10 000 Euro, im Wiederholungsfall von 2 000 Euro bis 20 000 Euro zu bestrafen.
(3) Wer die Einsichtnahme in die Unterlagen nach den § 21 Abs. 1 oder 22 verweigert, begeht eine Verwaltungsübertretung und ist für jeden Arbeitnehmer von der Bezirksverwaltungsbehörde mit einer Geldstrafe von 1 000 Euro bis 10 000 Euro, im Wiederholungsfall von 2 000 Euro bis 20 000 Euro zu bestrafen.
(4) Ebenso ist nach Abs. 3 zu bestrafen, wer als Arbeitgeber entgegen § 14 Abs. 2 die Einsichtnahme in die Unterlagen verweigert.
..."
7 2. Die Revision ist aus den in ihr näher genannten Gründen
zulässig.
8 3. Die Revision ist auch begründet.
9 3.1.1. Das Verwaltungsgericht legt dem angefochtenen Erkenntnis folgende Sachverhaltsfeststellung zugrunde:
10 Der Revisionswerber, der über eine Gewerbeberechtigung als Baumeister (an näher genanntem Standort in Salzburg) verfüge, habe im Zeitraum von 2012 bis 2016 namentlich genannte Arbeitnehmer beschäftigt, die in näher angegebenen Zeiträumen bei der SGKK gemeldet gewesen seien. Schriftliche Verträge seien nicht abgeschlossen worden, Arbeitszeit und Lohn seien mündlich vereinbart worden. Handschriftliche Notizen habe der Revisionswerber auf Albanisch in ein von ihm geführtes Buch eingetragen. Die Anmeldung der Arbeitnehmer sei durch eine Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungskanzlei durchgeführt worden.
11 Das Verwaltungsgericht führt weiter wörtlich aus:
"Mit Schreiben vom , dem Steuerberater des Beschwerdeführers zugestellt am , forderte die SGKK für den Zeitraum von bis die Vorbereitung zur Einsichtnahme folgender Unterlagen auf:
Dienstverträge oder Dienstzettel für alle Dienstnehmer lückenlose Arbeitsaufzeichnungen i(m) Original Aufzeichnungen der Fehlzeiten (Urlaub, Krankheit, sonstige Abwesenheitszeiten)
Reisekostenaufzeichnungen (Taggeld, Übernachtungskosten, Kilometergelder)"
Als letzter Tag "für die Erfüllung der Auskunftspflicht" sei der mitgeteilt worden. Mit E-mail vom habe der Steuerberater des Revisionswerbers der zuständigen Prüferin der SGKK mitgeteilt, dass es für den genannten Zeitraum keine der genannten Unterlagen gäbe und diese daher nicht vorgelegt werden könnten.
12 Im Zuge der GPLA-Prüfung durch die SGKK habe es Kontakte zwischen dem Revisionswerber und dem Steuerberater gegeben, wobei der Revisionswerber dem Steuerberater auch mitgeteilt habe, dass er "Aufzeichnungen auf Schmierzettel oder in einem Buch durchgeführt" habe, "welches im Anschluss danach weggeworfen wird".
13 3.1.2. In seiner rechtlichen Beurteilung führte das Verwaltungsgericht aus, gemäß § 14 Abs. 2 LSD-BG sei der zuständige Krankenversicherungsträger berechtigt, in die für die Tätigkeit nach Abs. 1 erforderlichen Unterlagen Einsicht zu nehmen und Abschriften dieser Unterlagen anzufertigen. Auf Verlangen hätten Arbeitgeber die erforderlichen Unterlagen oder Ablichtungen derselben zu übermitteln, wobei diese bis zum Ablauf des der Aufforderung zweitfolgenden Werktags abzusenden seien. Von dieser Ermächtigung habe die SGKK Gebrauch gemacht. Das Schreiben der SGKK vom sei als Verlangen iSd. § 14 Abs. 2 LSD-BG zu verstehen. Da dieser Aufforderung bis nicht entsprochen worden sei, liege eine Verwaltungsübertretung iSd.
§ 27 Abs. 1 LSD-BG vor. Mit seiner Verantwortung, keine Arbeitsaufzeichnungen geführt zu haben und diese somit auch nicht vorlegen zu können, könne der Revisionswerber nichts gewinnen. "Dies" entbinde "ihn nicht von der entsprechenden Verpflichtung die Aufzeichnungen vorzulegen".
14 3.2. Das Verwaltungsgericht übersieht, dass eine Übertretung gemäß § 14 Abs. 2 iVm. § 27 Abs. 1 LSD-BG wegen Nichtübermittlung abverlangter Unterlagen von vornherein nur dann vorliegen kann, wenn eine Aufforderung zur Übermittlung überhaupt stattgefunden hat. Aus den oben wiedergegebenen Sachverhaltsfeststellungen ergibt sich freilich nicht, dass diese Voraussetzung erfüllt ist. Das Verwaltungsgericht bezieht sich zwar auf ein Schreiben der SGKK vom , aus dem festgestellten Inhalt dieses Schreibens ergibt sich aber nicht, dass der Revisionswerber auch ausdrücklich zur Übermittlung der Unterlagen an die SGKK aufgefordert worden wäre, wie dies § 14 Abs. 2 zweiter Satz LSD-BG verlangt (nach der Aktenlage lautete der entscheidende Satz im Schreiben der SGKK vom wie folgt: "Aus diesem Grund werden Sie ersucht, folgende Unterlagen für alle Dienstnehmer innerhalb einer Woche für den Zeitraum von - zur Einsicht vorzubereiten: ..."). Dass das erwähnte Schreiben keine Aufforderung iSd. § 14 Abs. 2 zweiter Satz LSD-BG darstellt, ergibt sich auch aus dem vom Verwaltungsgericht zitierten Satz, wonach als letzter Termin zur Erfüllung der Auskunftspflicht der vorgemerkt werde. Läge eine Aufforderung zur Übermittlung der Unterlagen iSd. § 14 Abs. 2 zweiter Satz LSD-BG vor, so ergäbe sich die Frist zur Erfüllung der Übermittlungspflicht schon aus dieser Bestimmung selbst, wonach die angeforderten Unterlagen spätestens bis zum Ablauf des der Aufforderung zweitfolgenden Werktags abzusenden sind.
15 Eine Verletzung der Verpflichtung, die einschlägigen Unterlagen über Aufforderung zu übermitteln, kann demnach nicht vorliegen.
16 3.3. Das angefochtene Erkenntnis war aus diesen Erwägungen gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufzuheben.
17 4. Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die § 47 ff VwGG iVm. der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.
Wien, am
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ECLI: | ECLI:AT:VWGH:2019:RA2018110216.L00 |
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