VwGH vom 13.12.2018, Ra 2018/11/0209
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Rigler und die Hofräte Dr. Schick, Dr. Grünstäudl und Mag. Samm sowie die Hofrätin Dr. Pollak als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Soyer, über die Revision des Bundesministers für Landesverteidigung in 1090 Wien, Roßauer Lände 1, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom , W136 2104470-2/6E, betreffend Ausnahmegenehmigung zum Besitz von Kriegsmaterial (mitbeteiligte Partei: Ing. W O in B, vertreten durch Dr. Franz Haunschmidt, Dr. Georg Minichmayr, Mag. Georg J. Tusek und Mag. Peter Breiteneder, Rechtsanwälte in 4020 Linz, Promenade 25b), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Revision wird als unbegründet abgewiesen
Begründung
1 Mit hg. Erkenntnis vom , 2009/11/0249, wurde der Bescheid der belangten Behörde (nunmehrige Revisonswerberin) vom , mit dem der Antrag des Mitbeteiligten auf Erteilung einer Ausnahmebewilligung zum Besitz eines näher bezeichneten (bereits demilitarisierten) Radpanzers gemäß den § 10 und 18 Abs. 2 und 5 Waffengesetz 1996 (WaffG) iVm. § 1 Abschnitt II lit. a der Verordnung der Bundesregierung vom betreffend Kriegsmaterial, BGBl. Nr. 624, abgewiesen worden war, wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
In den Entscheidungsgründen dieses Erkenntnisses wurde ausgeführt, dass der demilitarisierte Radpanzer entsprechend dem Antrag des Mitbeteiligten als Versuchsträger für die Entwicklung neuer Getriebe- und Antriebskomponenten dienen und nach den Angaben des Mitbeteiligten für Erprobungen auf dem Firmengelände und auf offiziell ausgewiesenen Erprobungsstrecken (eventuell auf Truppenübungsplätzen) verwendet werden solle. Soweit die Revisionswerberin gegen die Erteilung der beantragten Ausnahmebewilligung gemäß § 18 Abs. 2 WaffG das Bestehen gewichtiger sicherheitspolizeilicher Interessen ins Treffen geführt habe (der gegenständliche Radpanzer verfüge über keine großflächigen Windschutz- und Seitenscheiben und der teilweise Ersatz der Panzerung durch dünnes Blech sei äußerlich nicht erkennbar, sodass dieser im Missbrauchsfall von Sicherheitskräften nicht bzw. nur unter Schwierigkeiten außer Gefecht zu setzen sei), hätte sie sich im Rahmen der Gewichtung dieses sicherheitspolizeilichen Interesses auch mit dem Einwand des Mitbeteiligten auseinander setzen müssen, dass vom gegenständlichen Radpanzer keine höheren Gefahren ausgingen als von zivilen Kraftfahrzeugen in gepanzerter Ausführung, die für den Verkehr auf öffentlichen Straßen zugelassen seien.
Selbst wenn man mit der Revisionswerberin im Rahmen der Abwägung der gegenläufigen Interessen davon ausgehe, dass der Besitz des Mitbeteiligten am gegenständlichen Radpanzer infolge der genannten Bauart zu einer unverhältnismäßigen Beeinträchtigung des öffentlichen Sicherheitsinteresses führe, so hätte sich die Revisionswerberin im Hinblick auf § 18 Abs. 3 WaffG vor der Versagung der Ausnahmebewilligung mit der Frage auseinandersetzen müssen, ob die zu schützenden Interessen nicht auch durch eine Einschränkung der Ausnahmebewilligung durch Befristung oder Auflagen iSd. letztgenannten Bestimmung gewahrt werden können, so etwa durch die Vorschreibung des Einbaus von Windschutz- und Seitenscheiben oder durch eine Beschränkung des Verwendungsortes des Radpanzers etwa ausschließlich innerhalb des Betriebsgeländes des Mitbeteiligten.
2 Mit Ersatzbescheid der Revisionswerberin vom wurde der obgenannte Antrag (der sich nach dem Vorbringen des Mitbeteiligten alternativ auch auf einen anderen, abgesehen vom Motor aber im Wesentlichen baugleichen unbewaffneten Radpanzer bezog) neuerlich abgewiesen.
3 Das Verwaltungsgericht gab der dagegen vom Mitbeteiligten erhobenen Beschwerde mit Beschluss vom Folge, behob den angefochtenen Bescheid und verwies die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurück. Weiters sprach es aus, dass eine ordentliche Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.
Das Verwaltungsgericht begründete seine Entscheidung im Wesentlichen damit, dass die Revisionswerberin die bereits im ersten Rechtsgang unterlassenen Ermittlungen erneut "nur ansatzweise" durchgeführt und nur ungeeignete Ermittlungsschritte getätigt habe. Auch im zweiten Rechtsgang habe sie es unterlassen, Ermittlungen zur Vorschreibung möglicher Auflagen zwecks Reduzierung der Gefährlichkeit des Radpanzers anzustellen, sondern habe lediglich den Mitbeteiligten aufgefordert, Änderungen betreffend den Ballistikschutz vorzuschlagen und habe dazu die - mit dem zitierten Vorerkenntnis im Widerspruch stehende - Rechtsauffassung vertreten, dass sie nicht zur Prüfung, unter welchen Auflagen die in Rede stehende Ausnahmebewilligung erteilt werden könne, verpflichtet sei, zumal diese im WaffG weder näher bestimmt noch vorgezeichnet seien.
4 Die dagegen erhobene Amtsrevision wurde mit dem , zurückgewiesen.
In diesem Beschluss wurde bezüglich des Revisionsvorbringens, es fehle Rechtsprechung zur Notwendigkeit und zum Umfang der Ermittlungspflicht, inwieweit der gegenständliche Radpanzer von seinem Gefährdungspotential mit jenem gepanzerter ziviler Fahrzeuge vergleichbar sei, auf die bindenden Ausführungen im Vorerkenntnis, 2009/11/0249, verwiesen. Dem Verwaltungsgericht wurde beigepflichtet, dass die Revisionswerberin im Rahmen ihrer amtswegigen Ermittlungspflicht keinerlei geeignete Schritte gesetzt habe, um die nach dem zitierten hg. Erkenntnis, 2009/11/0249, fehlenden Beurteilungen vornehmen zu können (so etwa durch Einholung eines Sachverständigengutachtens über Art und Umfang des gegebenen Gefahrenpotenzials des Radpanzers und die technischen Möglichkeiten zur Reduzierung desselben).
5 Mit Bescheid vom wies die Revisionswerberin das Ansuchen auf Erteilung der in Rede stehenden Ausnahmebewilligung abermals ab.
In der Begründung vertrat sie u.a. den Rechtsstandpunkt, sie sei nicht verpflichtet, unbegrenzt bzw. in jede Richtung zu prüfen, welche - nicht einmal im WaffG selbst näher bestimmten - Auflagen dazu führen könnten, dass eine Ausnahmebewilligung erteilt werde. Zudem sei die Vorschreibung von Auflagen, die das Wesen des Antragsgegenstandes ändern würden - wie etwa die Unbrauchbarmachung des Motors oder des Einbaus von Windschutz- und Seitenscheiben - unzulässig. Lediglich "der Vollständigkeit halber" sei darauf hinzuweisen, dass das Gefährdungspotential der gegenständlichen Radpanzer (die Möglichkeit des "Überfahrens" bzw. des "schwer Beschädigens" von Einsatzfahrzeugen der öffentlichen Sicherheitskräfte und die "schwere Stoppbarkeit") auch bei einem Einbau von Windschutz- und Seitenscheiben bestehen bleiben würde. Auch das Vorbringen des Mitbeteiligten, die Erprobungen mit den Radpanzern lediglich auf dem Betriebsgelände durchführen zu wollen, ändere nichts an der Gefährlichkeit der fahrfähigen Radpanzer.
6 Aufgrund der dagegen vom Mitbeteiligten erhobenen Beschwerde änderte das Verwaltungsgericht diesen Bescheid mit dem nunmehr angefochtenen Erkenntnis vom ab und erteilte die Ausnahmebewilligung zum Erwerb und Besitz eines der beiden alternativ beantragten Radpanzer bei gleichzeitiger Vorschreibung der folgenden zwei Auflagen:
"1. Die Panzerung sämtlicher Wannenlukendeckel oder die
Wannenlukendeckel selbst sind mit Ausnahme der Wartungsdeckel für Motor und Getriebe irreversibel zu entfernen. Die Luken bzw. Lukendeckel dürfen mit einer Windschutzscheibe geschlossen werden.
2. Der Panzer ist bei Nichtverwendung in einer von außen
uneinsehbaren und gegen unbefugten Zugriff gesicherten Räumlichkeit abzustellen."
Gleichzeitig wurde gemäß § 25a VwGG ausgesprochen, dass eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig sei.
7 Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass die Revisionswerberin die bereits in den vorherigen Rechtsgängen gebotenen Ermittlungen (Verweis auf die Bindungswirkung der genannten hg. Entscheidung, 2009/11/0249) neuerlich nicht vorgenommen bzw. nur völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt habe. Da die Revisionswerberin ihr "offenkundig unliebsame Äußerungen der Amtssachverständigen" (Verweis auf eine aktenkundige Einsichtsbemerkung des Amtes für Rüstungs- und Wehrtechnik vom , in der Maßnahmen zur Verringerung des Panzerschutzes vorgeschlagen werden) ignoriert habe, sei nicht davon auszugehen, dass sie die notwendigen Ermittlungen bei einer neuerlichen Zurückverweisung durchführen würde. Daher sei die Sache im Sinne der Raschheit unter Beiziehung eines Sachverständigen vom Verwaltungsgericht selbst zu entscheiden.
8 Dem Einwand der Revisionswerberin, das Verwaltungsgericht sei in der vorliegenden Rechtssache nicht berechtigt, seine Ermessensentscheidung an die Stelle jener der Revisionswerberin zu setzen, wurde das Erkenntnis , entgegen gehalten.
9 In der Sache führte das Verwaltungsgericht nach durchgeführter Verhandlung zusammengefasst aus, der Mitbeteiligte habe als Inhaber eines bedeutenden Unternehmens auf dem Gebiet der Entwicklung und Produktion von Antriebsstrangkomponenten für Fahrzeuge ein relevantes Interesse iSd § 18 Abs. 2 WaffG am Erwerb eines der antragsgegenständlichen Panzer glaubhaft gemacht. Sein Antrag wäre dann abzuweisen, wenn der Erteilung der Ausnahmebewilligung gewichtige Interessen, insbesondere militärischer oder sicherheitspolizeilicher Art, entgegenstünden. Die Revisionswerberin habe den Standpunkt vertreten, dass von einem unbewaffneten, aber fahrfähigen Radpanzer "generell" ein großes Gefährdungspotenzial ausgehe, weil dieser einerseits in der Lage sei, einen PKW zu überfahren bzw. schwer zu beschädigen und andererseits durch Panzerung gegen Beschuss geschützt sei, sodass er durch Sicherheitskräfte im Normalfall nicht bekämpfbar sei, zumal der Lenker eines Panzers wesentlich schwerer von der Lenktätigkeit ausgeschaltet werden könne.
10 Zwar sei dieses Gefährdungspotential nach Ansicht des Verwaltungsgerichts zweifellos gegeben, doch könnten die zu schützenden Sicherheitsinteressen durch die Erteilung von Auflagen gewahrt werden.
11 In diesem Zusammenhang wies das Verwaltungsgericht darauf hin, dass der in der durchgeführten mündlichen Verhandlung beigezogene Sachverständige (der ein Mitarbeiter des schon im behördlichen Verfahren beigezogenen Amtes für Rüstung und Wehrtechnik sei) die Fähigkeit des Radpanzers, Pkw überrollen zu können, "relativiert" habe, weil dies selbst für Kettenfahrzeuge besondere Fähigkeiten voraussetze und mit einem Radpanzer noch weit schwieriger zu bewerkstelligen sei. Vielmehr sei davon auszugehen, dass ein Pkw nicht von einem Radpanzer überrollt werde, sondern aufgrund seines Gewichts vom Panzer "vor sich hergeschoben werde". Dabei seien aber wegen der Bauartgeschwindigkeit des Radpanzers auch die Insassen des Panzers einem nicht unerheblichen Verletzungsrisiko ausgesetzt.
12 Das (verbleibende) Gefährdungsrisiko werde außerdem durch die Auflage betreffend die Entfernung der Wannenlukendeckel reduziert, weil damit im Falle einer missbräuchlichen Verwendung die "Ausschaltung des Lenkers" des Radpanzers ermöglicht werde. Dabei erscheine die Entfernung der Lukendeckel ausreichend (und weitere Maßnahmen wie das Aufschneiden der Panzerung verzichtbar), weil beide (der alternativ beantragten) gegenständlichen Radpanzer über relativ große Luken verfügten. Zudem werde durch die zweite Auflage betreffend die Verwahrung des Radpanzers das Risiko einer unbefugten und missbräuchlichen Inbetriebnahme minimiert.
13 Angesichts der vorgeschriebenen Auflagen könne nicht erkannt werden, dass mit der Erteilung der Ausnahmebewilligung eine unverhältnismäßige Beeinträchtigung des öffentlichen Interesses im Sinne des § 10 WaffG verbunden sei.
14 Abschließend merkte das Verwaltungsgericht an, dass die Erteilung der gegenständlichen Genehmigung keine Herstellung des Einvernehmens mit dem Bundesminister für Inneres erfordere, weil § 18 Abs. 2 zweiter Satz WaffG eine "spezifisch die Willensbildung der belangten Behörde betreffende Regelung" sei (Hinweis auf ).
15 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:
16 Die Revision ist zulässig, weil sie zutreffend vorbringt, es fehle Rechtsprechung zur Frage, ob das für die Erteilung der Ausnahmebewilligung gemäß § 18 Abs. 2 zweiter Satz WaffG normierte Erfordernis, das Einvernehmen mit dem Bundesminister für Inneres herzustellen, auch im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht zu beachten ist.
17 Die Revision ist jedoch aus nachstehenden Überlegungen nicht begründet.
18 Das WaffG, BGBl. I Nr. 12/1997 idF BGBl. I Nr. 32/2018,
lautet (auszugsweise):
"Kriegsmaterial
§ 5. (1) Kriegsmaterial sind die auf Grund des § 2 des Bundesgesetzes über die Ein-, Aus- und Durchfuhr von Kriegsmaterial, BGBl. Nr. 540/1977, durch Verordnung bestimmten Waffen, Munitions- und Ausrüstungsgegenstände.
(...)
Ermessen
§ 10. Bei der Anwendung der in diesem Bundesgesetz enthaltenen Ermessensbestimmungen sind private Rechte und Interessen nur insoweit zu berücksichtigen, als dies ohne unverhältnismäßige Beeinträchtigung des öffentlichen Interesses, das an der Abwehr der mit dem Gebrauch von Waffen verbundenen Gefahr besteht, möglich ist.
(...)
Kriegsmaterial
§ 18. (1) Der Erwerb, der Besitz und das Führen von Kriegsmaterial sind verboten.
(2) Der Bundesminister für Landesverteidigung und Sport kann verläßlichen Menschen, die das 21. Lebensjahr vollendet haben und ein berechtigtes Interesse für den Erwerb, Besitz oder das Führen von Kriegsmaterial glaubhaft machen, Ausnahmen von den Verboten des Abs. 1 bewilligen. Solche Ausnahmebewilligungen bedürfen des Einvernehmens mit dem Bundesminister für Inneres. Sie sind zu versagen, wenn gegen ihre Erteilung gewichtige Interessen, insbesondere militärischer oder sicherheitspolizeilicher Art sprechen.
(3) Eine Ausnahmebewilligung kann insbesondere aus den in Abs. 2 genannten gewichtigen Interessen befristet und an Auflagen gebunden werden. Sie kann widerrufen werden, wenn eine Voraussetzung für ihre Erteilung weggefallen ist.
(...)
(5) Im übrigen gelten für Kriegsmaterial die Bestimmungen der § 6 bis 8 und 10 (Besitz, Führen, Verläßlichkeit und Ermessen), 11 Abs. 3 (Besitz von Waffen durch Jugendliche unter 18 Jahren bei der Berufsausbildung), 12 und 13 (Waffenverbote), 15 (Überprüfung, Verlust und Entfremdung von Urkunden), 16a (Verwahrung von Schusswaffen), 25 und 27 (Überprüfung der Verlässlichkeit und Einziehung von Urkunden), § 41a (Verlust und Diebstahl), 45 Z 2 (Ausnahmebestimmung für historische Schußwaffen) und 46 (Ausnahmebestimmungen für bestimmte Zwecke) sowie die Bestimmungen des § 47 (Ausnahmebestimmungen für bestimmte Personen) mit Ausnahme jener über die Einfuhr."
19 Die Verordnung der Bundesregierung betreffend Kriegsmaterial, BGBl. Nr. 624/1977, lautet (auszugsweise):
"§ 1. Als Kriegsmaterial sind anzusehen:
(...)
II. Kriegslandfahrzeuge
a) Kampfpanzer und sonstige militärische Kraftfahrzeuge,
die durch Bewaffnung, Panzerung oder sonstige Vorrichtungen für den unmittelbaren Kampfeinsatz besonders gebaut und ausgerüstet sind.
(...)"
20 Als "Revisionspunkte bzw. Anfechtungspunkte" (gemeint: Revisionsgründe) wird zusammengefasst geltend gemacht, das Verwaltungsgericht habe mit der gegenständlichen Ausnahmebewilligung für einen unbewaffneten, aber fahrfähigen Radpanzer gemäß § 18 iVm. § 10 WaffG eine Ermessensentscheidung getroffen, ohne zu begründen, dass die Revisionswerberin bei Versagung der Bewilligung das Ermessen nicht im Sinne des Gesetzes ausgeübt hätte. Daher hätte das Verwaltungsgericht keine eigene Ermessensentscheidung treffen dürfen (Art. 130 Abs. 3 B-VG). Dem Verwaltungsgericht sei es auch nicht zugekommen, die Vorschreibung von Auflagen als "Eintrittsmöglichkeit" in die Ermessensentscheidung zu werten. Der Meinung des Verwaltungsgerichts, die Revisionswerberin sei an die im Vorerkenntnis VwGH 2009/11/0249 geäußerte Rechtsansicht gebunden gewesen, sei entgegenzuhalten, dass die dortigen Aussagen des Verwaltungsgerichtshofes unter der Prämisse gestanden seien, dass sich die Revisionswerberin bei ihrer abweisenden Entscheidung auf "sicherheitspolizeiliche Bedenken" gestützt habe, wohingegen "Fragestellungen im Zusammenhang mit Ermessensentscheidungen nach § 10 WaffG" im zitierten Erkenntnis nicht beleuchtet worden seien. Das genannte Vorerkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes sei daher mangels "Vergleichbarkeit" mit der nunmehr getroffenen Ermessensentscheidung unbeachtlich.
21 Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat die Behörde bei der Entscheidung über die Erteilung oder Verweigerung der Ausnahmebewilligung nach § 18 Abs. 2 WaffG Ermessen zu üben. Die Ermessensentscheidung hat zu begründen, worin die gegen die Erteilung der Ausnahmebewilligung sprechenden gewichtigen Interessen iSd. § 18 Abs. 2 WaffG, welche zur Versagung der beantragten Bewilligung führen, gelegen sind, wobei das Ausmaß der Begründungspflicht von den Umständen des Einzelfalles, wie etwa von der Art und der Beschaffenheit des betreffenden Kriegsmaterials abhängt. Die Annahme, voll einsatzfähiges Kriegsmaterial stelle eine sicherheitspolizeiliche Gefährdung dar, kann in ihrer Allgemeinheit nicht für jeden Fall das Vorliegen gewichtiger Interessen iSd. § 18 Abs. 2 WaffG dartun, weil dem Gesetz nicht zu entnehmen ist, dass nur für funktionsunfähiges oder beschränkt funktionsfähiges Kriegsmaterial Ausnahmebewilligungen erteilt werden dürfen (vgl. , mwN).
22 Gemäß Art. 130 Abs. 3 B-VG liegt Rechtswidrigkeit nicht vor, soweit das Gesetz der Verwaltungsbehörde Ermessen einräumt und sie dieses im Sinne des Gesetzes geübt hat. Es war demnach Aufgabe des Verwaltungsgerichtes zu überprüfen, ob sich die Verweigerung der beantragten Ausnahmebewilligung durch die belangte Behörde als Ermessensübung im Rahmen des Gesetzes erwies, und zwar vor dem Hintergrund der im Zeitpunkt der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung bestehenden Sach- und Rechtslage. Bejahendenfalls wäre die Beschwerde - ohne dass das Verwaltungsgericht befugt wäre, in eine eigene Ermessenentscheidung einzutreten - abzuweisen gewesen. Erst wenn sich die behördliche Ermessensübung im Ergebnis als nicht im Sinne des Gesetzes erfolgt erwiesen hätte - was insbesondere auch der Fall wäre, wenn die für die Übung des Ermessens maßgeblichen Umstände nicht frei von Verfahrensmängeln oder unvollständig festgestellt wurden - wäre das Verwaltungsgericht befugt gewesen, bei Vorliegen der Voraussetzungen für eine Entscheidung in der Sache selbst (§ 28 Abs. 2 VwGVG), gegebenenfalls nach Ergänzung des Ermittlungsverfahrens, eigenes Ermessen zu üben; nur bei Nichtvorliegen der Voraussetzungen für eine Entscheidung in der Sache selbst wäre nach § 28 Abs. 4 VwGVG vorzugehen gewesen (vgl. auch dazu das zitierte Erkenntnis Ra 2015/11/0059 mit Verweis auf ).
23 Im vorliegenden Revisionsfall war vor einer allfälligen Versagung der beantragten Bewilligung eine Auseinandersetzung mit der Frage vorzunehmen, ob die zu schützenden Interessen nicht auch durch eine Einschränkung der Ausnahmebewilligung iSd § 18 Abs. 3 WaffG (Befristung oder Auflagen) gewahrt werden können (vgl. Pkt. 4.3. des im ersten Rechtsgang ergangenen Erkenntnisses vom , 2009/11/0249).
24 An diese Rechtsansicht war die Revisionswerberin in ihrer Rolle als belangte Behörde (wie im Übrigen auch das Verwaltungsgericht und der Verwaltungsgerichtshof selbst) im fortgesetzten Verfahren gemäß § 63 Abs. 1 VwGG gebunden (vgl. dazu den - ausdrücklichen - Hinweis in Pkt. 3.1. des im zweiten Rechtsgang ergangenen Erkenntnisses vom , Ra 2015/11/0127).
25 Unstrittig hat die Revisionswerberin dieser ihr vorgegebenen Vorgangsweise nicht entsprochen und keine Ermittlungen bzw. Überlegungen angestellt, inwiefern das Gefährdungspotential der Radpanzer durch technische Maßnahmen verringert werden könne (sogar in der Revision wird eine Bindung an die genannte Vorgabe in den Vorerkenntnissen verneint). Das Verwaltungsgericht konnte somit zutreffend davon ausgehen, dass die Ermessensentscheidung im (Ersatz-)Bescheid vom mit einem wesentlichen Verfahrensmangel behaftet sei und das Verwaltungsgericht daher (vgl. die Aussagen des zuvor zitierten Erkenntnisses Ra 2015/11/0059) - aufgrund des Vorliegens der Voraussetzungen des § 28 Abs. 2 VwGVG - in eine eigene Ermessenentscheidung einzutreten habe, was auch nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung erfolgte.
Es ist nicht als rechtswidrig zu erkennen, wenn das Verwaltungsgericht bei dieser nach dem Gesagten von ihm selbst zu treffenden Ermessensentscheidung nicht nur die (für die Erteilung der Ausnahmebewilligung sprechende) aktenkundige Einsichtsbemerkung des Amtes für Rüstungs- und Wehrtechnik vom berücksichtigte, wonach sich der Panzerschutz eines gegenständlichen Radpanzers "deutlich verringern" ließe, wenn die Luken durch Nachbauten ohne Panzerschutz ersetzt oder dauerhaft in geöffneter Stellung festgeschweißt werden (die Revisionswerberin hat sich mit diesen Angaben in dem von ihr geführten Verfahren gar nicht auseinandergesetzt). Zutreffend hat das Verwaltungsgericht bei seiner Ermessensentscheidung auch die in der durchgeführten Verhandlung - mithilfe des Sachverständigen des Amtes für Rüstung und Wehrtechnik - gewonnenen Ermittlungsergebnisse berücksichtigt und ist auf dieser Grundlage nachvollziehbar zu dem Ergebnis gelangt, dass einerseits das Sicherheitsrisiko durch ein mögliches Überrollen von Pkw beim gegenständlichen Radpanzer "relativiert" sei und dass das verbleibende Gefährdungsrisiko durch die gegenständlichen Auflagen (insbesondere durch die vorgeschriebene Entfernung der Wannenlukendeckel) "maßgeblich reduziert" sei. Das Ergebnis der gegenständlichen Ermessensentscheidung ist somit nicht zu beanstanden (wobei im Übrigen darauf hinzuweisen ist, dass sich die Fallkonstellation, die dem in der Revision wiederholt angesprochenen Erkenntnis, Ra 2015/11/0059, zugrunde lag, mit dem gegenständlichen Fall nicht unmittelbar vergleichen lässt, weil im dortigen Fall - vgl. die Punkte 3.3.4. und 3.3.5. des letztzitierten Erkenntnisses - kein substanziiertes Vorbringen zum Gefahrenvergleich mit zivilen Fahrzeugen vorlag, die Verwendung des beantragten Radpanzers einem bloßen Sammlerinteresse dienen sollte und dessen Verwendung auch auf Straßen mit öffentlichem Verkehr beantragt war).
26 Die Revision führt gegen das angefochtene Erkenntnis auch ins Treffen, die Ausnahmebewilligung hätte gemäß § 18 Abs. 2 zweiter Satz WaffG die Zustimmung des Bundesministers für Inneres erfordert.
Dem ist nicht beizupflichten:
27 Wenn § 18 Abs. 2 WaffG anordnet, dass die Erteilung einer Ausnahmebewilligung zum Erwerb, Besitz oder Führen von Kriegsmaterial des Einvernehmens mit dem Bundesminister für Inneres bedarf, bedeutet dies, dass diese Erteilung - zumal mit dem Begriff Einvernehmen das Erfordernis der Zustimmung erfasst wird - im Wege einer Willensübereinstimmung der Behörden erfolgen muss. Ein ermächtigender Bescheid ist derart im übereinstimmenden Zusammenwirken der Behörden zu erlassen. Fehlt es an der erforderlichen Übereinstimmung der Meinungen der Behörden, ist die getroffene Entscheidung mit einer Rechtswidrigkeit behaftet, die einer Unzuständigkeit der zur Entscheidung berufenen Behörde gleichkommt (vgl. idS , mwN).
28 Das Zustimmungserfordernis des § 18 Abs. 2 WaffG gilt aber schon aus verfassungsrechtlichen Erwägungen nicht für das Beschwerdeverfahren vor dem Verwaltungsgericht. So hat der Verfassungsgerichtshof in einer vergleichbaren Konstellation entschieden, dass in jenen Fällen, in denen die Behörde als Voraussetzung für eine dem Antrag stattgebende Entscheidung der Zustimmung einer anderen Behörde bedarf, die im Allgemeinen einer einheitlichen Handhabung des Gesetzes dient, das Zustimmungserfordernis auf diesen Verfahrensabschnitt beschränkt ist und - im Sinne des Rechtsstaatsprinzips verfassungskonform interpretiert - nicht auch für das Rechtsmittelverfahren vor dem Verwaltungsgericht gilt (, mit Verweis auf die Vorjudikatur)
29 Damit in Übereinstimmung steht es, wenn der Verwaltungsgerichtshof schon zur Rechtslage vor der Verwaltungsgerichtsbarkeitsnovelle 2012 entschieden hat, dass sich in Fällen, in denen die säumige Behörde im Einvernehmen mit anderen Behörden hätte entscheiden müssen, der infolge einer Säumnisbeschwerde eingetretene Übergang der Zuständigkeit auf den Verwaltungsgerichtshof nicht nur auf die säumige Behörde erstreckt, sondern auch auf jene Stellen, mit denen die säumige Behörde bei ihrer Entscheidung das Einvernehmen herzustellen gehabt hätte (vgl. etwa ,0044, , und ).
30 Folglich bedurfte es für die Rechtmäßigkeit der gegenständlichen Erteilung der Ausnahmebewilligung durch das Verwaltungsgericht nicht der vorherigen Herstellung eines diesbezüglichen Einvernehmens mit dem Bundesminister für Inneres.
31 Schließlich ist es auch unzutreffend, wenn die Revisionswerberin meint, dass es sich bei den vom Verwaltungsgericht vorgeschriebenen Auflagen, welche die Lukendeckel und die gesicherte Verwahrung des Panzers betreffen, um das "Wesen" des Antragsgegenstandes verändernde und somit unzulässige Auflagen handle.
32 Da sich somit schon aufgrund der Revision in Verbindung mit dem angefochtenen Erkenntnis ergibt, dass die behauptete Rechtswidrigkeit nicht vorliegt, war die Revision gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.
Wien, am
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ECLI: | ECLI:AT:VWGH:2018:RA2018110209.L00 |
Schlagworte: | Ermessen VwRallg8 Einvernehmenserfordernis |
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