VwGH vom 27.01.2011, 2010/15/0044
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höfinger und die Hofräte Dr. Zorn, Dr. Büsser, MMag. Maislinger und Mag. Novak als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Perauer, über die Beschwerde der K GmbH in L, vertreten durch die Scheucher Rechtsanwalt GmbH in 1070 Wien, Lindengasse 39, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Feldkirch, vom , Zl. RV/0295-F/09, betreffend Aussetzung der Einhebung gemäß § 212a BAO, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Umsatzsteuervoranmeldungen für Mai 2008 sowie für Juni 2008 erklärte die Beschwerdeführerin Überschüsse in Höhe von 169.590,21 EUR bzw. 995.735,71 EUR. Mit Bescheiden vom wurde die Umsatzsteuer für die Zeiträume Mai 2008 und Juni 2008 mit 67.029,79 EUR bzw. 7.743,09 EUR festgesetzt. Gegen diese Bescheide erhob die Beschwerdeführerin mit Schriftsatz vom Berufung und beantragte gleichzeitig, die Einhebung des Streitbetrages von 1.240.100,80 EUR gemäß § 212a BAO auszusetzen.
Das Finanzamt wies mit Bescheid vom den Antrag der Beschwerdeführerin betreffend Aussetzung der Einhebung von Abgaben gemäß § 212a BAO ab. Begründend führte es aus, die Aussetzung einer Einhebung sei dann nicht zulässig, wenn das Verhalten des Abgabepflichtigen auf eine Gefährdung der Einbringlichkeit der Abgabe gerichtet sei. Dies sei insbesondere dann anzunehmen, wenn er im Begriff sei, sein Vermögen - allenfalls im Treuhandweg - an Angehörige zu übertragen. Der vor kurzem vorgenommene Versuch, wesentliche Betriebsgrundlagen, wie insbesondere die der Beschwerdeführerin gehörenden Stickmaschinen an die Mutter der Geschäftsführer und Gesellschafter der Beschwerdeführerin zu übertragen, sei ein derartiges Verhalten.
Die Beschwerdeführerin wandte gegen diesen Bescheid in der Berufung ein, die Übertragung der Stickmaschinen habe nicht den Hintergrund gehabt, die Einbringlichkeit der Abgaben zu gefährden; durch die Transaktion sollte gegenüber der Abgabenbehörde in keiner Weise irgendetwas verschleiert werden. Der Verkauf sei dem Finanzamt gegenüber bekannt gegeben und offen gelegt worden. Der Maschinenverkauf sei auch rechtlich gar nicht durchführbar gewesen, da die Maschinen nicht im Eigentum der Beschwerdeführerin, sondern im Eigentum einer Bank gestanden seien; darauf sei im Vertrag sogar hingewiesen worden.
Das Finanzamt wies die Berufung mit Berufungsvorentscheidung vom ab. Auch wenn die zivilrechtlichen Voraussetzungen einer Eigentumsübertragung nicht gegeben gewesen seien, sei das Verhalten der Beschwerdeführerin darauf gerichtet gewesen, sich der wesentlichen Betriebsgrundlagen zu begeben. Die Beschwerdeführerin hätte sich damit der Möglichkeit begeben, weiterhin in ihrem Geschäftsfeld Erlöse zu erzielen. Die Beschwerdeführerin habe ab Jänner 2009 weder Meldungen noch Zahlungen über Selbstbemessungsabgaben eingereicht bzw. geleistet. Nach Mitteilung der Gewerbebehörde sei mit die Löschung der Gewerbeberechtigung für das Handels- und Handelsagentengewerbe und für Maschinensticker erfolgt; die Beschwerdeführerin hätte insoweit eine Anzeige- bzw. Mitteilungspflicht getroffen. Das zugrunde liegende Verfahren drehe sich darum, ob die Beschwerdeführerin in ein Netzwerk im Rahmen eines "Karussellbetruges" eingebunden gewesen sei; eine solche Einbindung stelle aber schon für sich gesehen ein Verhalten dar, das auf die Gefährdung der Einbringlichkeit von Abgaben gerichtet sei.
Die Beschwerdeführerin beantragte die Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz.
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung als unbegründet ab. Der Beschwerdeführerin sei zuzustimmen, dass eine vom Finanzamt behauptete, von der Beschwerdeführerin aber bestrittene Teilnahme an einem Umsatzsteuerbetrugssystem für sich allein nicht ausreiche, um ein auf die Gefährdung der Einbringlichkeit von Abgaben gerichtetes Verhalten zu bescheinigen. Ein für die Abgabenfestsetzung maßgebendes Verhalten könne nicht gleichzeitig als ein die Abgabeneinhebung gefährdendes Verhalten angesehen werden, weil ansonsten dem laufenden "materiell-rechtlichen" Verfahren vorgegriffen würde. Zur Verwirklichung des Tatbestandes des § 212a Abs. 2 lit. c BAO sei der Hinzutritt weiterer Sachverhaltselemente erforderlich, wie etwa die Verlagerung des wirtschaftlichen Erfolges der Aktivitäten eines Abgabepflichtigen ins Ausland, die Übertragung des Vermögens an nahe Angehörige oder die Einstellung des Geschäftsbetriebes. Die Beschwerdeführerin habe mit Ende 2008 die Löschung ihrer Gewerbeberechtigung veranlasst und ihre operative Tätigkeit eingestellt. Diese de facto Einstellung des Geschäftsbetriebes sei infolge des daraus resultierenden Wegfalls der Einkünfte objektiv geeignet, die Einbringlichkeit der Abgaben zu gefährden. Die Motivation für die Beendigung der operativen Tätigkeit (nach Aussage des Bruders des Geschäftsführers der Beschwerdeführerin und ihres rechtlichen Vertreters die angespannte wirtschaftliche Situation sowie die letztlich erfolglosen Versuche, den Stickereibetrieb im Rahmen neu gegründeter Einzelunternehmen aufrecht zu erhalten) sei nicht entscheidend. Es sei ausschließlich auf die objektive Gefährdungseignung der gesetzten Maßnahmen abzustellen. An der objektiven Gefährdungseignung der Einstellung der operativen Tätigkeit könne der Umstand nichts ändern, dass durch die im Jahr 2009 erfolgte Vermietung der Stickereimaschinen Mieteinkünfte erzielt worden seien, die der Abgabengläubiger hätte pfänden können. Die Abgabenbehörde, der weder die Löschung der Gewerbeberechtigung noch die Vermietungstätigkeit angezeigt worden seien, habe von der Vermietung der Maschinen erst nach Eröffnung des Konkursverfahrens über den Mieter Kenntnis erlangt. Die Mietentgelte seien überdies nicht der Beschwerdeführerin überlassen worden, sondern seien direkt an die finanzierende Bank zur Kredittilgung weiter geleitet worden. Durch die Vermietungstätigkeit habe sich somit - wegen der Nichtabfuhr der auf die Mietentgelte entfallenden Umsatzsteuer - lediglich der Abgabenrückstand, nicht aber der dem Abgabengläubiger zur Verfügung stehende Haftungsfonds erhöht.
Als objektive Gefährdungshandlung werde zudem angesehen, dass auf Grund des beabsichtigten Verkaufs der Stickereimaschinen an die Mutter des Geschäftsführers der Beschwerdeführerin (welcher letztlich nicht zustande gekommen sei, weil der finanzierenden Bank an diesen Maschinen ein Eigentumsvorbehalt eingeräumt worden sei) Vorsteuern geltend gemacht worden seien, obwohl die Übertragung der Stickereimaschinen "ohne Geldfluss" erfolgen hätte sollen. Als Bemessungsgrundlage für den Vorsteuerabzug sei ein fiktiver Kaufpreis angeführt worden. Dieser rechtswidrige Vermögensvorteil wäre nicht der Beschwerdeführerin, sondern primär einer im Ausland lebenden nahen Angehörigen der handelnden Organe der Beschwerdeführerin zugutegekommen. Der österreichischen Finanzverwaltung wäre somit ein Zugriff auf die zu Unrecht bezogenen Vorsteuern verwehrt gewesen.
Da sowohl die Einstellung der operativen Tätigkeit der Beschwerdeführerin als auch die unrechtmäßige Geltendmachung von Vorsteuerbeträgen auf Grund des beabsichtigten Verkaufs der Stickereimaschinen als aussetzungsschädliches Verhalten zu werten seien, erübrige sich eine Prüfung, ob die handelnden Organe der Beschwerdeführerin weitere objektive Gefährdungshandlungen gesetzt hätten.
Gegen diesen Bescheid wendet sich die vorliegende Beschwerde. Die Einstellung des Betriebes sei kein Verhalten, welches darauf gerichtet sei, die Einbringlichkeit objektiv zu gefährden; aufgrund der Bescheide des Finanzamtes seien der Beschwerdeführerin wirtschaftlich die Hände gebunden. Der Geschäftsführer sei sogar verpflichtet gewesen, den Betrieb einzustellen und das Personal zu kündigen, um den Haftungsfonds für das Finanzamt zu wahren. Auch der Versuch, Vorsteuern für den unmöglichen Verkauf der Stickmaschine geltend zu machen, begründe keine Gefährdung der Einhebung.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 212a Abs. 1 BAO ist die Einhebung einer Abgabe, deren Höhe unmittelbar oder mittelbar von der Erledigung einer Berufung abhängt, auf Antrag des Abgabepflichtigen insoweit auszusetzen, als eine Nachforderung unmittelbar oder mittelbar auf einen Bescheid, der von einem Anbringen abweicht, oder auf einen Bescheid, dem kein Anbringen zugrunde liegt, zurückzuführen ist, höchstens jedoch im Ausmaß der sich bei einer dem Begehren des Abgabepflichtigen Rechnung tragenden Berufungserledigung ergebenden Herabsetzung der Abgabenschuld. Dies gilt sinngemäß, wenn mit einer Berufung die Inanspruchnahme für eine Abgabe angefochten wird. Gemäß Abs. 2 lit. c leg. cit. ist die Aussetzung der Einhebung nicht zu bewilligen, wenn das Verhalten des Abgabepflichtigen auf eine Gefährdung der Einbringlichkeit der Abgabe gerichtet ist.
Nach § 212a Abs. 2 lit. c BAO macht die bloße Gefährdung der Einbringlichkeit allein die Aussetzung nicht unzulässig. Erst ein bestimmtes auf eine Gefährdung der Einbringlichkeit gerichtetes Verhalten des Abgabepflichtigen schließt die Bewilligung der Aussetzung aus. Entscheidend ist dabei die mit dem Verhalten verbundene objektive Gefährdungseignung, nicht jedoch das Motiv des Abgabepflichtigen (vgl. das hg. Erkenntnis vom , 98/14/0123). Ein auf eine Gefährdung der Einbringlichkeit gerichtetes Verhalten liegt z.B. dann vor, wenn der Abgabepflichtige sein Vermögen an nahe Angehörige überträgt (vgl. das hg. Erkenntnis vom , 94/14/0088; zur Übertragung des Vermögens an eine Stiftung vgl. das hg. Erkenntnis vom , 2002/13/0045).
Unstrittig beabsichtigte und versuchte die Beschwerdeführerin, Betriebsanlagen (Stickmaschinen) an die Mutter des Geschäftsführers der Beschwerdeführerin zu veräußern. Auch wenn sich diese Maschinen im (vorbehaltenen) Eigentum der finanzierenden Bank befanden, handelt es sich entgegen der Beschwerde nicht bloß um einen "untauglichen Versuch" eines Verkaufs. Der Vorbehaltskäufer erwirbt neben der Anwartschaft auf Eigentum mit der Übergabe des Kaufobjektes ein Recht auf Innehabung und Gebrauch des Kaufobjektes. Das Anwartschaftsrecht kann als selbständig verkehrsfähiges Recht Gegenstand rechtsgeschäftlicher Verfügungen sein und verpfändet sowie weiterveräußert werden. Auch die Pfändung des Eigentumsanwartschaftsrechts des Vorbehaltskäufers ist zulässig (vgl. Binder in Schwimann, ABGB3 § 1063 Rz 41 ff). Rechte des Vorbehaltskäufers an einer unter Eigentumsvorbehalt übergebenen Sache sind demnach auch dem Zugriff der Gläubiger offenstehende Bestandteile seines Vermögens iSd § 156 Abs. 1 StGB (Betrügerische Krida): Gebrauchsrecht, Anwartschaftsrecht und Erstattungsanspruch auf Rückersatz erbrachter Teilleistungen sind verwertbar (Binder, aaO Rz 56).
Dass der Beschwerdeführerin durch den Verkauf des Anwartschaftsrechts (samt Recht des Gebrauches dieser Maschinen, der etwa auch durch eine Vermietung der Maschinen verwertet werden konnte) ein - dem Zugriff der Gläubiger offenstehender - Wert zugekommen wäre, ist schon deswegen nicht anzunehmen, weil auch nach dem Vorbringen der Beschwerdeführerin der Kaufpreis zumindest zum Teil mit behaupteten Forderungen der Mutter des Geschäftsführers der Beschwerdeführerin gegenverrechnet werden sollte.
Es liegt daher schon aus diesem Grund ein Verhalten der Beschwerdeführerin vor, das auf eine Gefährdung der Einbringlichkeit der Abgabe gerichtet war. Dass dieses Rechtsgeschäft letztlich nicht erfüllt wurde, ändert daran nichts. Zweck der Vorschrift des § 212a Abs. 2 lit. c BAO ist es, einen Abgabepflichtigen, der sein Vermögen dem Zugriff des Abgabengläubigers zu entziehen versucht, daran zu hindern, den durch eine Aussetzung der Einhebung bewirkten Zahlungsaufschub zu einer erfolgreichen Fortsetzung solcher Versuche zu missbrauchen (vgl. das hg. Erkenntnis vom , 2002/13/0045).
Auf die Frage, ob die Einstellung des Geschäftsbetriebes oder die Geltendmachung von Vorsteuer aus dem Ankauf der Stickmaschine durch die Mutter (wobei auch nicht ersichtlich ist, aus welchen Gründen die belangte Behörde annimmt, dass diese "primär" im Ausland lebt; aus dem Akteninhalt ergibt sich nur eine Anschrift in Österreich) des Geschäftsführers der Beschwerdeführerin als ein auf die Gefährdung der Einbringlichkeit gerichtetes Verhalten der Beschwerdeführerin gewertet werden könnte, kommt es demnach nicht mehr an.
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.
Wien, am