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VwGH vom 29.04.2010, 2010/15/0042

VwGH vom 29.04.2010, 2010/15/0042

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höfinger und die Hofräte Dr. Sulyok, Dr. Zorn, Dr. Büsser und Mag. Novak als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Zaunbauer, über die Beschwerde der M K und Mitbesitzer in G, vertreten durch Dr. Alexander Haas, Rechtsanwalt in 8054 Seiersberg, Haushamerstraße 1, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Graz, vom , Zl. RV/0348-G/05, betreffend Wiederaufnahme des Verfahrens (Umsatzsteuer 2002 und 2003 sowie Umsatzsteuer 2002 und 2003), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Aus der Beschwerde samt dem vorgelegten angefochtenen Bescheid ergibt sich folgender Sachverhalt:

Die aus Mag. Michael K. und Mag. Ulrike K. gebildete beschwerdeführende Gemeinschaft erwarb im Jahre 2002 ein Grundstück und errichtete darauf ein Gebäude. Insgesamt 27 m2 des Gebäudes (ein Büroraum und eine Kleinwohnung) wurden seit dessen Fertigstellung im Jahre 2003 vermietet. Die vermietete Fläche beträgt 15 % der Gesamtnutzfläche des Gebäudes.

Die Beschwerdeführerin hat in den Jahren 2002 und 2003 hinsichtlich 100 % der Errichtungskosten dieses Gebäudes die (gesamten) Vorsteuern geltend gemacht. Bei Einreichung der Umsatzsteuererklärung 2002 sowie der Erklärung der Einkünfte von Personengemeinschaften für 2002 am legte die Beschwerdeführerin u.a. eine Überschussrechnung sowie eine "Planungsrechnung für die Vermietung für die Jahre 2003 bis 2013" vor. Die "Planungsrechnung" enthält - für die Jahre 2003 bis 2013 -

jeweils zahlenmäßige Angaben zu den Kategorien "Mieteinnahmen netto", "Eigenverbrauch", "BK, Heizung" sowie "Abschreibung". Dem Beschwerdevorbringen zurfolge wurde diese "Planungsrechnung" dem Finanzamt vorgelegt, um zu dokumentieren, dass die Vermietung steuerlich keine (kleine) Liebhaberei darstelle.

Der Umsatzsteuerbescheid 2002 erging am erklärungsgemäß.

Am reichte die Beschwerdeführerin die Umsatzsteuererklärung 2003 sowie die Erklärung der Einkünfte von Personengemeinschaften für 2003 ein. Die als Beilage angeschlossene Überschussrechnung weist u.a. einen "Eigenverbrauch" aus.

Der Umsatzsteuerbescheid 2003 erging erklärungsgemäß am .

In der Folge führte das Finanzamt eine abgabenbehördliche Prüfung durch. Im Bericht vom über das Ergebnis der abgabenbehördlichen Prüfung wird festgehalten, dass die Beschwerdeführerin in den Jahren 2002 und 2003 ein Gebäude errichtet habe und ein im Erdgeschoss befindliches Arbeitszimmer (7 m2) sowie eine im Kellergeschoss gelegene Kleinwohnung (20 m2), insgesamt 15 % der gesamten Nutzfläche des Gebäudes, vermiete. Die Beschwerdeführerin habe das Gebäude zur Gänze dem Unternehmen zugeordnet und die im Zuge der Errichtung angefallenen Mehrwertsteuerbeträge in den Umsatzsteuererklärungen 2002 und 2003 zur Gänze als Vorsteuern geltend gemacht. Da gemäß § 12 Abs. 2 Z. 2 lit. a UStG 1994 in Verbindung mit § 20 Abs. 1 Z. 1 EStG 1988 Lieferungen und sonstige Leistungen hinsichtlich des privat genutzten Teiles (des Gebäudes) nicht für das Unternehmen ausgeführt gelten, könne der Vorsteuerabzug nur in Höhe des unternehmerisch genutzten Gebäudeteiles anerkannt werden.

In der Folge nahm das Finanzamt mit Bescheiden vom die Verfahren betreffend Umsatzsteuer 2002 und 2003 wieder auf und erließ den Prüfungsfeststellungen entsprechend geänderte Umsatzsteuerbescheide.

Sowohl gegen die Wiederaufnahmebescheide als auch gegen die Sachbescheide brachte die Beschwerdeführerin Berufung ein.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung als unbegründet ab. In der Bescheidbegründung wird ausgeführt, für die Frage der Wiederaufnahme der Verfahren nach § 303 Abs. 4 BAO sei das Neuhervorkommen von Tatsachen und Beweismitteln aus der Sicht des jeweiligen Verfahrens derart zu beurteilen, dass es darauf ankomme, ob der Abgabenbehörde im wiederaufzunehmenden Verfahren der Sachverhalt so vollständig bekannt gewesen sei, dass sie schon in jenem Verfahren bei richtiger rechtlicher Subsumtion zu der nunmehr im wiederaufgenommenen Verfahren erlassenen Entscheidung hätte gelangen können.

Im gegenständlichen Fall sei entscheidend, dass aus dem Inhalt der jeweiligen Abgabenerklärungen und ihrer Beilagen, in welchen die Beschwerdeführerin ihre Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung und den Gesamtbetrag der abziehbaren Vorsteuer erklärt habe, das Ausmaß der privaten Nutzung nicht ersichtlich gewesen sei. Das Finanzamt habe sich erst nach durchgeführter Betriebsprüfung ein vollständiges Bild über den relevanten Sachverhalt verschaffen können. In Anbetracht der Tatsache, dass die steuerlichen Auswirkungen im gegenständlichen Fall nicht geringfügig seien, sei die Ermessensentscheidung des Finanzamtes, die Wiederaufnahme der Verfahren betreffend Umsatzsteuer 2002 und 2003 zu verfügen und damit dem Gesichtspunkt der Zweckmäßigkeit Vorrang vor dem der Billigkeit einzuräumen, nicht zu beanstanden.

Zur Rechtsfrage des Umfanges des Vorsteuerabzuges bei gemischt genutzten Gebäuden habe der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom , 2009/15/0100, zu Recht erkannt: Werde ein Gebäude nur zum Teil vermietet und zum anderen Teil für eigene Wohnzwecke genutzt, richte sich die Ermittlung des zu nicht absetzbaren Aufwendungen führenden Anteils grundsätzlich nach der anteiligen Nutzfläche. Hinsichtlich der privaten Wohnzwecken dienenden Gebäudeteile ergebe sich der Vorsteuerausschluss aus den Bestimmungen des § 12 Abs. 2 Z. 2 lit. a UStG 1994 und des § 20 Abs 1 Z 1 und 2 EStG 1988. Diesen Bestimmungen zufolge seien in Bezug auf Gebäude, bei welchen einzelne Teile im Sinne der einkommensteuerlichen Aufteilungsgrundsätze überwiegend Wohnzwecken des Unternehmers gewidmet seien, die Umsatzsteuern, welche auf diese Räume entfielen, vom Vorsteuerausschluss erfasst. Nach Ansicht der belangten Behörde seien somit im Beschwerdefall die auf die privat genutzten Gebäudeteile entfallenden Vorsteuern vom Vorsteuerabzug ausgeschlossen.

Gegen diesen Bescheid wendet sich die Beschwerde. Die Beschwerdeführerin erachtet sich im Recht verletzt, dass die abgeschlossenen Umsatzsteuerverfahren nicht wieder aufgenommen werden dürften.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 303 Abs. 4 BAO ist eine Wiederaufnahme des Verfahrens von Amts wegen unter den Voraussetzungen des Abs. 1 lit. a und c und in allen Fällen zulässig, in denen Tatsachen oder Beweismittel neu hervorkommen, die im Verfahren nicht geltend gemacht worden sind, und die Kenntnis dieser Umstände allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens einen im Spruch anders lautenden Bescheid herbei geführt hätte.

In der Beschwerde wird vorgebracht, der angefochtene Bescheid stütze sich darauf, dass aus den Abgabenerklärungen und ihren Beilagen (für die Jahre 2002 und 2003) das Ausmaß der privaten Nutzung des in Rede stehenden Gebäudes nicht ersichtlich gewesen sei, sodass sich das Finanzamt erst im Zuge der Betriebsprüfung ein vollständiges Bild über den Sachverhalt habe verschaffen können. Diese Darstellung sei nach Ansicht der Beschwerdeführerin unrichtig. In der den Steuererklärungen 2002 beigelegten "Planungsrechnung für die Vermietung für die Jahre 2003 bis 2013" seien die Einnahmen, der "Eigenverbrauch" und die geplanten Aufwendungen für jedes Jahr betragsmäßig angegeben. Es sei jedem Finanzbeamten zuzutrauen, mit dem Begriff des "Eigenverbrauchs", einem Grundbegriff des Steuerrechts, vertraut zu sein und diesen aus dem vorgegebenen Zahlenmaterial, nämlich drei Zahlen, auszurechnen (angegebener Eigenverbrauch (2.163 EUR) dividiert durch die Summe der Aufwendungen (1.572 EUR für Betriebskosten und Heizung plus 973 EUR für Heizung) ist gleich 85 %). Gerade im ersten Jahr stehe der Eigenverbrauch, der das gesamte Jahr betreffe, in einem starken Missverhältnis zu den Einnahmen, weil die Vermietung erst ca. ab der Mitte des Jahres 2003 geplant gewesen sei. Jeder mit dem Steuerrecht befassten Person habe dies klar erkennbar sein müssen. Zudem sei es bei (kleinen) Vermietungen üblich, dass das Finanzamt wegen der Unsicherheit, ob Liebhaberei vorliege, nur vorläufige Umsatzsteuerbescheide erlasse, wenn keine Planungsrechnung vorgelegt werde. Im gegenständlichen Fall seien die Bescheide nicht vorläufig erlassen worden, weil eine Planungsrechnung verfasst worden sei. Dies spreche dafür, dass die von der Beschwerdeführerin beigebrachte Planungsrechnung auch "registriert" worden sei. Es könne sohin kein Rede davon sein, dass dem Finanzamt aus den Abgabenerklärungen samt Beilagen die private Nutzung nicht ersichtlich gewesen sei und es kein vollständiges Bild vom relevanten Sachverhalt habe erlangen können. Sohin hätte das Finanzamt schon ursprünglich bei rechtlich richtiger Subsumtion zu der sodann im wiederaufgenommenen Verfahren erlassenen umsatzsteuerlichen Entscheidung gelangen können. Die Wiederaufnahme könne nicht dazu dienen, die Folgen einer unzutreffenden rechtlichen Würdigung zu beseitigen.

Die Beschwerde zeigt mit diesem Vorbringen keine Rechtwidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf:

Zur Frage, ob eine Einkunftsquelle im Rahmen der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung vorliegt oder ob Liebhaberei gegeben ist, hat die Beschwerdeführerin dem Finanzamt eine Planungsrechnung vorgelegt. Aus welchen Gründen bei einer solchen Prognoserechnung die Einnahmen um einen "Eigenverbrauch" zu erhöhen seien, wie dies in der von der Beschwerdeführerin im Verwaltungsverfahren vorgelegten Planungsrechnung angegeben ist, ist für den Verwaltungsgerichtshof nicht nachvollziehbar. Schon aus diesem Grund ergibt sich aus der Anführung von Eigenverbrauch (als weitere Einnahme) neben den Mieteinnahmen in der im Verwaltungsverfahren vorgelegten Prognoserechnung sowie in der Überschussrechnung für das Jahr 2003 kein Hinweis auf die tatsächliche Nutzung des Gebäudes.

Die Beschwerde versteht offensichtlich den Begriff "Eigenverbrauch" als Privatnutzung von im Privatvermögen befindlichen (zur Erzielung von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung verwendeten) Wirtschaftsgütern. Selbst bei Unterstellung eines solchen Verständnisses musste es im gegenständlichen Fall für das Finanzamt ungeklärt sein, welche Komponenten in die als "Eigenverbrauch" angegebenen Beträge Eingang gefunden haben (allenfalls auch Kosten beweglicher Wirtschaftsgüter), und vor allem auch, ob einzelne Räume des Gebäudes überwiegend privat genutzt worden sind und welcher Teil des Gebäudes auf solche überwiegend privat genutzte Räume entfällt. Wird dem Beschwerdevorbringen folgend angenommen, dass der "Eigenverbrauch" im Wesentlichen die Betriebs- und Heizkosten beinhalte, ergibt sich schon deshalb nicht, in welchem Ausmaß Gebäudeteile überwiegend privaten Wohnzwecken zugeführt worden sind, weil in keiner Weise feststeht, dass sich diese Kosten gleichmäßig auf die Gebäudefläche verteilen. Der Verwaltungsgerichtshof hat aber im Erkenntnis vom , 2009/15/0100, auf der Grundlage des , Sandra Puffer, zu Recht erkannt, dass nicht jede private Nutzung eines ansonsten umsatzsteuerpflichtig vermieteten Gebäudes den Vorsteuerabzug einschränkt. Entscheidens ist vielmehr, ob für räumliche Bereiche des Gebäudes ein Überwiegen der Nutzung für private Wohnzwecke im Sinne des § 20 EStG gegeben ist.

Da sohin bereit der Inhalt der Beschwerde erkennen lässt, dass die von der Beschwerdeführerin behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nicht öffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Wien, am