VwGH 24.05.2013, 2013/02/0081
Entscheidungsart: Erkenntnis
Rechtssätze
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RS 1 | Eine Verpflichtung der Behörde zur Bestellung eines bestimmten, von der Partei genannten Gutachters besteht nicht. Der Partei steht es aber offen, im Verfahren weitere Privatgutachten, insbesondere des von ihr gewünschten Gutachters, vorzulegen (vgl. E , 94/12/0030). |
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RS 2 | Steht die fachliche Eignung des Sachverständigen zur Erhebung von Befund und zur Erstattung des Gutachtens fest, kann die Beweiskraft des Gutachtens etwa durch den Nachweis erschüttert werden, dass das Gutachten des Sachverständigen mit den Denkgesetzen oder mit den Erfahrungen des täglichen Lebens nicht in Einklang zu bringen ist oder den Erfahrungen der ärztlichen Wissenschaft widerspricht. |
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Riedinger sowie Hofrat Mag. Dr. Köller und Hofrätin Mag. Dr. Maurer-Kober als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Farcas, über die Beschwerde des S in V, vertreten durch Dr. Wolfgang Vacarescu, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Jakominiplatz 16/II, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates für die Steiermark vom , Zl. UVS 303.8-2/2012-22, betreffend Übertretung der StVO (weitere Partei: Steiermärkische Landesregierung), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde den Beschwerdeführer schuldig erachtet, er habe sich, obwohl der Verdacht bestanden habe, dass er am um 04.38 Uhr im Ortsgebiet von G. auf der B 73 als Lenker eines dem Kennzeichen nach bestimmten PKW's mit einem Verkehrsunfall in ursächlichem Zusammenhang gestanden sei, nach Aufforderung eines besonders geschulten und von der Behörde hiezu ermächtigten Organs der Straßenaufsicht geweigert, seine Atemluft auf Alkoholgehalt untersuchen zu lassen, wobei die Weigerung um 04.55 Uhr an einem näher bestimmten Ort erfolgt sei. Der Beschwerdeführer habe dadurch § 99 Abs. 1 lit. b StVO iVm § 5 Abs. 2 Z 2 StVO übertreten, weshalb über ihn eine Geldstrafe in der Höhe von EUR 3.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 23 Tage) verhängt wurde.
In der Begründung gab die belangte Behörde den Inhalt der Berufung des Beschwerdeführers gegen das Straferkenntnis der BH G. vom wieder, in der der Beschwerdeführer vorgebracht habe, dass er bei dem gegenständlichen Verkehrsunfall mit dem Kopf gegen die Windschutzscheibe geprallt sei, ein stumpfes Kopftrauma erlitten habe, welches zur Einschränkung der Hirnleistungsfähigkeit und zumindest zu einer starken Einschränkung seiner Diskretions- und Dispositionsfähigkeit geführt habe. Deshalb habe er unbewusst der Aufforderung zur Atemalkoholuntersuchung nicht zugestimmt. Der Beschwerdeführer beantrage die Beiziehung eines Sachverständigen aus dem Gebiet der Gerichtsmedizin.
Dem Antrag des Beschwerdeführers folgend - so die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid weiter - sei als medizinischer Sachverständiger Dr. G. beigezogen worden, der als niedergelassener Arzt für Allgemeinmedizin, allgemein beeideter und gerichtlich zertifizierter Sachverständiger für diesen Bereich, aktiver Notarzt und mit Berechtigung zur bleibenden Anstellung im öffentlichen Sanitätsdienst, seit 15 Jahren Gutachten mit dem Schwerpunkt "Verkehrsmedizin, Verletzungsfolgen und Maßnahmenverfahren" erstellt habe. Der Sachverständige sei auf Grund der Verfahrensergebnisse, darunter die nach dem Unfall beim LKH Graz mit dem Beschwerdeführer aufgenommene Anamnese, wonach keinerlei äußere Verletzungen vorgelegen seien, zu dem Ergebnis gekommen, zum Zeitpunkt der Aufforderung zur Ablegung der Atemalkoholkontrolle seien beim Beschwerdeführer keine unfallbedingten psychischen Beeinträchtigungen vorgelegen, die geeignet gewesen wären, auf das Vorliegen einer schuldausschließenden, traumabedingten Hirnleistungsschwäche des Beschwerdeführers zu schließen oder seine Diskretions- und Dispositionsunfähigkeit zu bewirken. Demnach stehe - auch in Anbetracht des vollkommen orientierten Verhaltens des Beschwerdeführers nach dem Unfall - für die belangte Behörde fest, dass der Beschwerdeführer zum Zeitpunkt der Aufforderung, sich einem Atemalkoholtest zu unterziehen, dispositions- und diskretionsfähig gewesen sei, weshalb sich auch die Beiziehung des vom Beschwerdeführer beantragten Sachverständigen aus dem Gebiet der Gerichtsmedizin sowie die Beiziehung eines KFZ-technischen Sachverständigen erübrige.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Der Beschwerdeführer wendet sich ausschließlich gegen den Umstand, dass die belangte Behörde keinen medizinischen Sachverständigen aus dem Fachgebiet der Gerichtsmedizin unter allfälliger Beiziehung eines KFZ-Sachverständigen bestellt habe. Der von der belangten Behörde bestellte Sachverständige Dr. G. sei zwar in die Liste der Gerichtssachverständigen eingetragen, sei jedoch ausschließlich für die Fachgebiete Allgemeinmedizin sowie Frauenheilkunde und Geburtshilfe zuständig. Die Bestellung dieses Sachverständigen sei vom Beschwerdeführer gerügt worden, weshalb die belangte Behörde Verfahrensvorschriften verletzt habe.
§ 52 AVG, der gemäß § 24 VStG auch im Verwaltungsstrafverfahren anzuwenden ist, lautet:
"(1) Wird die Aufnahme eines Beweises durch Sachverständige notwendig, so sind die der Behörde beigegebenen oder zur Verfügung stehenden amtlichen Sachverständigen (Amtssachverständige) beizuziehen.
(2) Wenn Amtssachverständige nicht zur Verfügung stehen oder es mit Rücksicht auf die Besonderheit des Falles geboten ist, kann die Behörde aber ausnahmsweise andere geeignete Personen als Sachverständige (nichtamtliche Sachverständige) heranziehen.
(3) Liegen die Voraussetzungen des Abs. 2 nicht vor, so kann die Behörde dennoch nichtamtliche Sachverständige heranziehen, wenn davon eine wesentliche Beschleunigung des Verfahrens zu erwarten ist. Die Heranziehung ist jedoch nur zulässig, wenn sie von demjenigen, über dessen Ansuchen das Verfahren eingeleitet wurde, angeregt wird und die daraus entstehenden Kosten einen von dieser Partei bestimmten Betrag voraussichtlich nicht überschreiten.
(4) Der Bestellung zum nichtamtlichen Sachverständigen hat Folge zu leisten, wer zur Erstattung von Gutachten der erforderten Art öffentlich bestellt ist oder wer die Wissenschaft, die Kunst oder das Gewerbe, deren Kenntnis die Voraussetzung der geforderten Begutachtung ist, öffentlich als Erwerb ausübt oder zu deren Ausübung öffentlich angestellt oder ermächtigt ist. Nichtamtliche Sachverständige sind zu beeiden, wenn sie nicht schon für die Erstattung von Gutachten der erforderten Art im allgemeinen beeidet sind. Die §§ 49 und 50 gelten auch für nichtamtliche Sachverständige."
Ob von einer mangelnden Zurechnungsunfähigkeit zur Tatzeit ausgegangen werden kann, kann - wenn Indizien in diese Richtung vorliegen - nur durch einen medizinischen Sachverständigen hinreichend geklärt werden (vgl. das Erkenntnis vom , Zl. 94/03/0150).
Eine Verpflichtung der Behörde zur Bestellung eines bestimmten, von der Partei genannten Gutachters besteht nicht. Der Partei steht es aber offen, im Verfahren weitere Privatgutachten, insbesondere des von ihr gewünschten Gutachters, vorzulegen (vgl. das Erkenntnis vom , Zl. 94/12/0030).
Der Beschwerdeführer hat nicht behauptet, dass der belangten Behörde amtliche Sachverständige aus dem fraglichen Gebiet beigegeben sind oder zur Verfügung stehen. Dies ist, soweit überblickbar, auch nicht der Fall. Die Bestellung des konkreten Sachverständigen war von daher zulässig.
In der Beschwerde wird nicht aufgezeigt, inwiefern der von der belangten Behörde beigezogene Sachverständige mangels Fachwissens nicht in der Lage gewesen sei, dem Auftrag der belangten Behörde entsprechend Befund und Gutachten zu erstellen. Der Hinweis auf den Eintrag als Sachverständiger aus dem Fachgebiet der Allgemeinmedizin sowie der Frauenheilkunde und Geburtshilfe geht darüber hinweg, dass nach den Feststellungen der belangten Behörde der Sachverständige auch als aktiver Notarzt tätig ist und seit 15 Jahren Gutachten mit dem Schwerpunkt Verkehrsmedizin, Verletzungsfolgen und Maßnahmenverfahren erstellt und zur Beantwortung der wesentlichen Verfahrensfragen berechtigt und kompetent ist. Welche Fachkompetenz ihm konkret fehlen soll, legt der Beschwerdeführer in der Beschwerde nicht dar.
Der Beschwerdeführer zeigt auch nicht auf, auf Grund welcher fachlichen Besonderheit ein Gerichtsmediziner im Beschwerdefall zu einer anderen Beurteilung gekommen wäre.
Steht aber die fachliche Eignung des Sachverständigen zur Erhebung von Befund und zur Erstattung des Gutachtens fest, kann die Beweiskraft des Gutachtens etwa durch den Nachweis erschüttert werden, dass das Gutachten des Sachverständigen mit den Denkgesetzen oder mit den Erfahrungen des täglichen Lebens nicht in Einklang zu bringen sei oder den Erfahrungen der ärztlichen Wissenschaft widerspreche. Letztere Behauptung muss auch unter präziser Darstellung der gegen das Gutachten gerichteten sachlichen Einwände durch das Gutachten eines anderen Sachverständigen unter Beweis gestellt werden (vgl. die bei Walter/Thienel, Verwaltungsverfahren I, 2. Aufl., in E 255 zu § 52 AVG wiedergegebene Rechtsprechung).
Solche Einwände gegen das Gutachten hat der Beschwerdeführer nicht vorgetragen, er bringt auch nicht vor, auf Grund welcher Tatsachen ein anderer Sachverständiger zu einem anderen Ergebnis gekommen wäre bzw. welche Tatsachen der Sachverständige entscheidungswesentlich einer unzutreffenden Beurteilung zugeführt hätte.
Da schon der Inhalt der Beschwerde erkennen lässt, dass die vom Beschwerdeführer behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG in nichtöffentlicher Sitzung ohne weiteres Verfahren als unbegründet abzuweisen.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Schlagworte | Beweismittel Sachverständigenbeweis Medizinischer Sachverständiger Allgemein Sachverständiger Anspruch auf bestimmte Person Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung Beweismittel Sachverständigenbeweis Gutachten Parteiengehör Parteieneinwendungen |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:2013:2013020081.X00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
SAAAE-78139