VwGH vom 26.02.2013, 2010/15/0037

VwGH vom 26.02.2013, 2010/15/0037

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höfinger und die Hofräte Dr. Zorn, Dr. Büsser, MMag. Maislinger und Dr. Sutter als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Zaunbauer, über die Beschwerde des KT in S, vertreten durch Dr. Christoph Rogler, Rechtsanwalt in 4400 Steyr, Stelzhamerstraße 9, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Linz, vom , Zl. RV/0651- L/07, betreffend Einkommensteuer 2002, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer war im Streitjahr 2002 als Vermögensberater und Versicherungsagent bzw. -makler tätig.

Wegen Nichtabgabe der Einkommensteuererklärung für 2002 wurden die Besteuerungsgrundlagen gemäß § 184 BAO im Schätzungswege ermittelt.

In seiner gegen den Einkommensteuerbescheid 2002 erhobenen Berufung brachte der Beschwerdeführer vor, das Finanzamt habe im Rahmen der Schätzung weder den Umstand berücksichtigt, dass die Tätigkeit im Herbst 2002 beendet worden sei, noch den Umstand, dass die S Versicherung einen Großteil der im Jahr 2002 erhaltenen Provisionen wieder vom Beschwerdeführer zurückgefordert habe. Weiters stellten die vom Beschwerdeführer "einbezahlten Versicherungsprämien" in Höhe von rund 100.000 EUR Betriebsaufwand dar. Zudem bezog sich der Beschwerdeführer auf eine von der S Versicherung abgegebene Privatanschlusserklärung in dem gegen ihn anhängigen Strafverfahren, in der ein Teilschadensbetrag von 381.737,10 EUR geltend gemacht wurde.

Das Finanzamt forderte den Beschwerdeführer auf, unter Vorlage entsprechender Belege bekannt zu geben, welche Provisionssummen von der S Versicherung im Jahr 2002 zurückgefordert worden seien. Weiters sollte die Bezahlung von Versicherungsprämien durch Versicherungsbestätigungen nachgewiesen werden.

In seinem Antwortschreiben teilte der Beschwerdeführer mit, dass sich die Rückforderung der S Versicherung im Jahr 2002 auf ca. 68.000 EUR belaufen habe. Die gesamte Rückforderung die Jahre 2001 und 2002 betreffend sei im Jahr 2003 in Höhe von

381.737 EUR erfolgt. Da der Beschwerdeführer seine Tätigkeit Ende 2002 eingestellt habe, werde beantragt das Einkommen des Jahres 2002 mit null EUR zu veranlagen. Die Prämienzahlungen in Höhe von ca. 100.000 EUR seien getätigt worden, um weitere Provisionseinkünfte erwirken zu können. Es lägen somit insoweit Betriebsausgaben und nicht wie vom Finanzamt zu Unrecht angenommen Sonderausgaben vor.

Das Finanzamt begründete seine abweisende Berufungsvorentscheidung damit, dass der Beschwerdeführer der Aufforderung vom zur Vorlage von Belegen über die Rückforderung von Provisionseinkünften und die Zahlung von Versicherungsprämien nicht nachgekommen sei. Dass sich die S Versicherung dem Strafverfahren gegen den Beschwerdeführer im Dezember 2003 als Privatbeteiligte mit einer Forderung über 381.737,10 EUR angeschlossen habe, könne nicht zu Betriebsausgaben des Jahres 2002 führen. Der Beschwerdeführer habe den Gewinn gemäß § 4 Abs. 3 EStG 1988 ermittelt. Die Forderung der S Versicherung wäre im Jahr der "tatsächlichen" Betriebsaufgabe im Rahmen der Ermittlung des Übergangsgewinnes zu berücksichtigen. Dass eine Betriebsaufgabe im Jahr 2002 erfolgt wäre, könne aus der Aktenlage nicht geschlossen werden, weil der Beschwerdeführer Österreich erst im April 2003 verlassen habe. Die Gewerbeberechtigung und das Versicherungsverhältnis zur gesetzlichen Sozialversicherung seien zumindest bis zu diesem Zeitpunkt aufrecht gewesen, sodass davon ausgegangen werden könne, dass der Beschwerdeführer zumindest zu Beginn des Jahres 2003 noch Einkünfte aus Gewerbebetrieb erzielt habe.

Der Beschwerdeführer beantragte, die Berufung an die Abgabenbehörde zweiter Instanz zur Entscheidung vorzulegen. Dem Vorlageantrag fügte der Beschwerdeführer eine "Auflistung seiner Prämienzahlungen" bei, welche er "auf Basis der seitens der (S Versicherung) geltend gemachten Rückforderungsansprüche" angefertigt habe. Die "analytische Aufarbeitung" habe eine Summe von 77.550 EUR an Prämienzahlungen des Beschwerdeführers ergeben, die als Betriebsausgaben im Rahmen der schätzungsweisen Abgabenfestsetzung zu berücksichtigen wären. Wie aus der Aufstellung ebenfalls ersichtlich sei, würden bis zu ca. 130.000 EUR der seitens der S Versicherung geltend gemachten Schadenssumme in Höhe von 381.737,10 EUR beeinsprucht werden können. Somit verbliebe ein Rückstellungserfordernis in Höhe von rund 250.000 EUR.

In einem Begleitschreiben wurde weiters ausgeführt, dass der Beschwerdeführer seit Ende 2002 überwiegend in Ungarn und Kroatien aufhältig gewesen und nur mehr fallweise aus privaten Gründen nach Österreich gekommen sei. Im Jahr 2003 seien in seiner Abwesenheit sämtliche Unterlagen im Rahmen einer Hausdurchsuchung beschlagnahmt worden. In einem nicht mehr nachvollziehbaren Umfang seien zwar Unterlagen an seine damalige Ehefrau retourniert worden, doch seien diese im Zuge der Zwangsversteigerung seines ehemaligen Wohnhauses verloren gegangen. Der Beschwerdeführer habe sich zu diesem Zeitpunkt in Haft befunden, sodass er auf den Verbleib der Unterlagen keinen Einfluss habe ausüben können. Aus diesem Grunde könne er keine belegmäßigen Nachweise erbringen. Da der Beschwerdeführer im Zuge seiner Tätigkeit aber nur solche Einnahmen bezogen habe, die im Zuge von § 109a-Meldungen dem Finanzamt gemeldet worden seien, könne aus der Aktenlage überprüft werden, ob solche Einkünfte im Jahr 2003 noch vorgelegen hätten. Für im Zeitraum November und Dezember abgeschlossene und eingereichte Verträge wären Provisionszahlungen seitens der Versicherung frühestens im Jänner - eher erst Februar - 2003 erfolgt. Das Fehlen solcher Meldungen (Abfrage über FinanzOnline am ) indiziere die Richtigkeit der behaupteten Betriebsschließung im Oktober 2002. Dass der Beschwerdeführer keine Meldung an die Gewerbebehörde sowie an die Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft gemacht habe, stelle allenfalls eine Pflichtverletzung dar, könne aber den objektiven Tatbestand der Einstellung seiner Tätigkeit nicht "aufheben".

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde die Berufung als unbegründet abgewiesen.

Die belangte Behörde stellte fest, dass die Provisionen der S Versicherung laut Mitteilung gemäß § 109a EStG 1988 im Jahr 2002 268.225,10 EUR betragen haben und die Einkünfte aus Gewerbebetrieb vom Finanzamt in Höhe von 198.493,96 EUR geschätzt worden seien.

Der Beschwerdeführer habe keine Abgabenerklärung vorgelegt und eine im Jahr 2002 erfolgte Betriebsschließung behauptet. Als Beweis für die im Jahr 2002 erfolgte Beendigung der gewerblichen Tätigkeit habe der Beschwerdeführer auf das Fehlen von Meldungen gemäß § 109a EStG 1988 für das Jahr 2002 hingewiesen. Wie jedoch aktenkundig sei, habe die S Versicherung, für die der Beschwerdeführer tätig gewesen sei und die sich in der Folge auch dem Strafverfahren gegen den Beschwerdeführer als Privatbeteiligte angeschlossen habe, sehr wohl eine Meldung gemäß § 109a EStG 1988 für 2002 am getätigt. Da bei Beachtung der Höhe dieser Provision und Gegenüberstellung mit den Provisionen im Jahr 2001 eine Steigerung der Einnahmen vorliege und der Beschwerdeführer keinerlei Beweise für eine Betriebsbeendigung im Jahr 2002 habe erbringen können, sei von einem laufenden Betrieb auszugehen, zumal die Meldung an die Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft erst am erfolgt sei. Dass dies aus "Schlampigkeit" nicht früher passiert sei, sei unglaubwürdig, weil der Beschwerdeführer ab auch Arbeitslosengeld bezogen habe. In diesem Konnex sei davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer seine betriebliche Tätigkeit erst mit eingestellt habe. Andernfalls würde der Beschwerdeführer bereits früher Arbeitslosengeld bezogen haben. Das Vorbringen, Ende 2002 eine Wohnsitzverlegung betrieben und sich hauptsächlich in Kroatien und Ungarn aufgehalten zu haben, lasse nicht unbedingt auf eine zu diesem Zeitpunkt erfolgte Betriebseinstellung schließen. Dem Beschwerdeführer sei es daher nicht gelungen darzutun, dass er seinen Gewerbebetrieb 2002 eingestellt habe.

Da der Beschwerdeführer die Einkünfte gemäß § 4 Abs. 3 EStG 1988 ermittle, könne der im Wege einer Privatbeteiligtenanschlusserklärung im Jahr 2003 von der Versicherung geltend gemachte Schaden nicht als Betriebsausgabe des Jahres 2002 geltend gemacht werden. Hinsichtlich angeblich 2002 bezahlter "Provisionen" in Höhe von 100.000 EUR sei es dem Beschwerdeführer nicht gelungen, Belege vorzulegen. Die vom Beschwerdeführer dafür gegebene Erklärung (Beschlagnahme, Aushändigung an Ehefrau, Zwangsversteigerung) könne die fehlenden Belege nicht ersetzen und stelle auch keine Glaubhaftmachung des behaupteten Sachverhaltes dar.

Die belangte Behörde komme daher bei Subsumierung des gegenständlichen Sachverhaltes unter die §§ 119 und 138 BAO zu dem Ergebnis, dass der Beschwerdeführer seiner abgabenrechtlichen Offenlegungspflicht nicht nachgekommen sei und er die Richtigkeit seiner Anbringen weder beweisen noch glaubhaft habe machen können. Die Schätzung der Abgabenbehörde erster Instanz sei daher zu Recht erfolgt.

Dagegen wendet sich die Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Aktenvorlage und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen hat:

Gemäß § 184 Abs. 1 BAO hat die Abgabenbehörde die Grundlagen für die Abgabenerhebung, soweit sie diese nicht ermitteln oder berechnen kann, zu schätzen. Dabei sind alle Umstände zu berücksichtigen, die für die Schätzung von Bedeutung sind. Nach § 184 Abs. 3 BAO ist zu schätzen, wenn der Abgabepflichtige Bücher oder Aufzeichnungen, die er nach den Abgabenvorschriften zu führen hat, nicht vorlegt oder wenn die Bücher oder Aufzeichnungen sachlich unrichtig sind oder solche formelle Mängel aufweisen, die geeignet sind, die sachliche Richtigkeit der Bücher oder Aufzeichnungen in Zweifel zu ziehen.

Die Berufungsbehörde ist verpflichtet, im Rahmen der Begründung des Schätzungsergebnisses auf die für die Schätzung bedeutsamen Behauptungen und Einwendungen des Abgabepflichtigen einzugehen (vgl. das hg. Erkenntnis vom , 2010/15/0088).

Im Beschwerdefall stand die Schätzungsberechtigung der Abgabenbehörde auf Grund der fehlenden Aufzeichnungen des Beschwerdeführers schon im Verwaltungsverfahren außer Streit. Dies galt auch für die Höhe der vom Beschwerdeführer im Streitjahr erzielten Einnahmen, die das Finanzamt der gemäß § 109a EStG 1988 erfolgten Meldung der Versicherungsanstalt entnehmen konnte.

Im Rahmen der Schätzung des laufenden Betriebsergebnisses war ausschließlich strittig, ob der Beschwerdeführer 2002 "aus eigenem Vermögen Prämienzahlungen" vorgenommen hat, um sich die Auszahlung bzw. den Erhalt seiner Provisionszahlungen zu sichern. Während das diesbezügliche, auf das Vorliegen fingierter Versicherungsabschlüsse hinauslaufende Vorbringen in der Berufung noch auf bloßer Behauptungsebene verblieb, war dem Vorlageantrag eine Auflistung der Prämienzahlungen "auf Basis der seitens der (S Versicherung) geltend gemachten Rückforderungsansprüche" beigeschlossen. Darin werden Pol.-Nr., Name, (behauptete) Prämienzahlung (durch den Beschwerdeführer) und der jeweilige Rückforderungsbetrag einzeln angeführt.

Mit diesem Vorbringen, das im Hinblick auf die sonstigen Umstände des Beschwerdefalles (Privatbeteiligtenanschluss der S Versicherung im Strafverfahren gegen den Beschwerdeführer) nicht von vornherein der Schlüssigkeit entbehrt, hat sich die belangte Behörde (die in diesem Zusammenhang zudem unrichtig von "bezahlten Provisionen" spricht) in keiner Weise inhaltlich auseinandergesetzt. Die Ausführungen in der Gegenschrift, Zahlungen auf Grund der erst 2003 erfolgten Privatbeteiligtenanschlusserklärung hätten nicht im Jahr 2002 getätigt werden können, verkennen - abgesehen davon, dass ein wesentlicher Begründungsmangel in der Gegenschrift nicht nachgeholt werden kann - zudem den Einwand des Beschwerdeführers.

Die Beschwerdeausführungen zum Vorliegen einer Betriebsaufgabe im Jahr 2002 sind nicht vom Beschwerdepunkt (der Anerkennung "getätigter Ausgaben und Aufwendungen im Zuge einer vorzunehmenden Schätzung") erfasst. Ob die von der belangten Behörde in der Gegenschrift erwähnten Provisionskontenübersichten der S Versicherung für Jänner, Februar und März 2003 dem Beschwerdeführer zur Stellungnahme vorgehalten worden sind, kann daher dahinstehen.

Der angefochtene Bescheid erweist sich sohin, weil er jede inhaltliche Auseinandersetzung mit den in Rede stehenden Einwendungen unterlässt, als mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften belastet. Er war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am