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VwGH vom 14.11.2018, Ra 2018/11/0184

VwGH vom 14.11.2018, Ra 2018/11/0184

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Rigler und den Hofrat Dr. Grünstäudl sowie die Hofrätin Dr. Pollak als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Soyer, über die Revisionen 1. des P H in S und

2. des M H in A, beide vertreten durch Dr. Dominik Schärmer, Rechtsanwalt in 1030 Wien, Ungargasse 15/5, gegen die Erkenntnisse des Landesverwaltungsgerichts Niederösterreich jeweils vom , Zlen. (ad 1.) LVwG-S-1907/001-2017 (hg. Zl. Ra 2018/11/0184) und (ad 2.) LVwG-S-1906/001-2017 (hg. Zl. Ra 2018/11/0185), betreffend Übertretungen des AZG und des ARG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Amstetten), zu Recht erkannt:

Spruch

Die angefochtenen Erkenntnisse werden, soweit sie die Spruchpunkte A. bis F. der Straferkenntnisse der belangten Behörde vom betreffen, wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.

Im Übrigen (betreffend Spruchpunkt G.) werden die Revisionen als unbegründet abgewiesen.

Der Bund hat den Revisionswerbern Aufwendungen in der Höhe von jeweils EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 Mit dem erstangefochtenen Erkenntnis wurde dem Erstrevisionswerber (in Bestätigung des Schuldspruches eines in die Spruchpunkte A. bis G. gegliederten Straferkenntnisses der belangten Behörde vom ) zur Last gelegt, er habe es als handelsrechtlicher Geschäftsführer und somit als gemäß § 9 Abs. 1 VStG zur Vertretung nach außen berufenes Organ der H. Transport-Service GmbH zu verantworten, dass diese Gesellschaft als Arbeitgeberin von namentlich genannten Arbeitnehmern (die als Lenker von Kraftfahrzeugen beschäftigt wurden) gegen im einzelnen bezeichnete Vorschriften des Arbeitszeitgesetzes (AZG) bzw. des Arbeitsruhegesetzes (ARG) - diese jeweils (ausgenommen Spruchpunkt G.) in Verbindung mit näher bezeichneten Bestimmungen der Verordnung (EG) Nr. 561/2006 zur Harmonisierung bestimmter Sozialvorschriften im Straßenverkehr - verstoßen habe. Über den Erstrevisionswerber wurden Geldstrafen samt Ersatzfreiheitsstrafen verhängt und es wurden ihm Beiträge zu den Verfahrenskosten vorgeschrieben.

2 Mit dem zweitangefochtenen Erkenntnis wurden dem Zweitrevisionswerber (ebenfalls in Bestätigung des Schuldspruches eines in die Spruchpunkte A. bis G. gegliederten Straferkenntnisses der belangten Behörde vom und ebenfalls in seiner Eigenschaft als handelsrechtlicher Geschäftsführer und somit als gemäß § 9 Abs. 1 VStG zur Vertretung nach außen berufenes Organ der H. Transport-Service GmbH) gleichlautende Übertretungen der genannten Rechtsvorschriften zur Last gelegt und auch ihm gegenüber entsprechende Strafen verhängt und Kostenbeiträge vorgeschrieben.

3 In beiden angefochtenen Erkenntnissen wurde gemäß § 25a VwGG ausgesprochen, dass eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig sei.

4 Jeder der beiden Revisionswerber erhob gegen das ihn betreffende Erkenntnis eine außerordentliche Revision. Die belangte Behörde erstattete eine Revisionsbeantwortung.

5 Der Verwaltungsgerichtshof hat über die wegen ihrer inhaltlichen Gleichartigkeit zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung verbundenen Revisionsfälle erwogen:

6 Die Revisionen sind zulässig, weil, wie sie zutreffend vorbringen, dass das Verwaltungsgericht bei der Beurteilung, ob F.H. gegenständlich zum verantwortlich Beauftragten (§ 9 Abs. 2 VStG) rechtswirksam bestellt wurde, von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen ist.

7 Nach der Begründung der angefochtenen Erkenntnisse haben beide Revisionswerber in den sie jeweils betreffenden Verwaltungsstrafverfahren gegen ihre angenommene Verantwortlichkeit für die genannten Übertretungen die Bestellung eines verantwortlichen Beauftragten gemäß § 9 Abs. 2 VStG eingewendet und dazu auf die im Jahre 2014 an das Arbeitsinspektorat übermittelte Urkunde betreffend die Bestellung des F.H. (nach den Revisionsausführungen der Vater und ehemalige Geschäftsführer der Revisionswerber) zum verantwortlichen Beauftragten verwiesen.

8 Diese (nach der Aktenlage auch vom Arbeitsinspektorat mit der Anzeige vorgelegte) Bestellungsurkunde, für die sichtlich ein vorgefertigtes Formular des Bundesministeriums für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz verwendet wurde, lautet auszugsweise:

  1. (...)Transport-Service GmbH (samt Adresse)

  2. Arbeitsstätte ...

  3. An das Arbeitsinspektorat St. Pölten

  4. ...

  5. Verantwortlich Beauftragte gemäß § 9 VStG

  6. Meldung gemäß § 23 Abs 1 ArbIG

  7. 3.Verantwortliche(r) Beauftragte(r) Vor-und Zuname: (F.H.) Geburtsdatum: (... 1950)

  8. ...

  9. 4.sachlicher Zuständigkeitsbereich (Verantwortungsbereich):

  10. Für alle Fahrer im Betrieb, sowohl die Aufnahme dieser als auch gegebenenfalls die Kündigung oder bei Anlass die Entlassung dieser. An bzw. Abmeldung von Fahrern und die Überprüfung der Einhaltung der Lenk- und Ruhezeit-Vorschriften gem. 561/06 Aufzeigen von Vergehen und Ahndung dieser mit angemessenen Mitteln.

  11. ...

  12. räumlicher Zuständigkeitsbereich: ...

  13. Ist der/die verantwortliche Beauftragte Arbeitnehmer/in? ja

  14. Stellung im Betrieb/Unternehmen, Führungsaufgaben, Befugnisse:

  15. Miteigentümer. Dem Verantwortlichen ist jedenfalls die erforderliche, selbstverantwortliche Anordnungsbefugnis erteilt, um seinen Pflichten in dem ihm übertragenen Zuständigkeitsbereichen wirksam nachkommen zu können.

  16. 7.Zustimmungserklärung des/der verantwortlichen Beauftragten:

  17. (Unterschrift)

  18. ..."

  19. 9 Das Verwaltungsgericht vertritt in seiner rechtlichen Beurteilung den Standpunkt, die wiedergegebene Bestellungsurkunde habe nicht zur rechtswirksamen Bestellung des F.H. zum verantwortlichen Beauftragten geführt, weil nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (Hinweis u.a. auf ) kein Zweifel über den Inhalt der Bestellung bestehen dürfe. Gegenständlich sei jedoch eine

  20. "klare Übertragung der strafrechtlichen Verantwortlichkeit für die Einhaltung der Bestimmungen des Arbeitszeitgesetzes, des Arbeitsruhegesetzes bzw. der einschlägigen EU-rechtlichen Normierungen nicht vorgenommen (worden). Weder die Anführung der Aufgaben (...) noch die Festlegung, dass der ¿Bestellte' die Überprüfung der Einhaltung der Lenk- und Ruhezeitvorschriften gemäß 561/06 über hat und Vergehen aufzeigen und diese mit angemessenen Mitteln ahnden kann, ersetzen den erforderlichen Inhalt einer rechtsgültigen Bestellungsurkunde in diesem Zusammenhang, mit welchem klar festzulegen gewesen wäre, dass dem zu bestellenden verantwortlichen Beauftragten gemäß § 9 VStG die strafrechtliche Verantwortlichkeit für die Einhaltung der einschlägigen Bestimmungen des Arbeitszeitgesetzes, des Arbeitsruhegesetzes bzw. der einschlägigen Normierungen der Bezug habenden Verordnung EG Nr. 561/2006 tatsächlich übertragen wird."

  21. 10 Nach ständiger hg. Rechtsprechung ist der räumliche oder sachliche Bereich des Unternehmens, für den ein verantwortlicher Beauftragter mit dessen Zustimmung bestellt wird, "klar abzugrenzen", widrigenfalls eine wirksame Bestellung nicht vorliegt. Die Verwaltungsstrafbehörden sollen nicht in die Lage versetzt werden, Ermittlungen über den jeweiligen Betrieb und seine Gliederung in räumlicher und sachlicher Hinsicht anstellen zu müssen, und der Aufgabe enthoben sein, die Bestellung (ihren Nachweis) einer nur unter Zuhilfenahme weiterer Beweise möglichen Interpretation unterziehen zu müssen, um zu klären, welcher Inhalt einer diesbezüglich nicht eindeutigen Erklärung beizumessen ist. Jedenfalls soll vermieden werden, dass Zweifel am Umfang des Verantwortungsbereiches entstehen und als deren Folge die Begehung von Verwaltungsübertretungen allenfalls überhaupt ungesühnt bleibt (vgl. etwa die bei Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze II2, unter E 156, zu § 9 VStG referierte Judikatur; ebenso Lewisch/Fister/Weilguni, VStG2 (2017), § 9 Rz 36ff).

  22. 11 Soweit die (nicht eindeutige) Begründung des Verwaltungsgerichts dahin zu verstehen ist, es bestünden Zweifel am Umfang des Verantwortungsbereiches des F.H., weil diesem mit der dargestellten Urkunde Aufgaben, aber keine diesbezügliche strafrechtliche Verantwortlichkeit übertragen worden seien (ein solche Konstellation lag dem vom Verwaltungsgericht angesprochenen Erkenntnis , zugrunde), ist zu erwidern, dass die vorliegende Bestellurkunde sowohl in ihrer Überschrift ("Verantwortlich Beauftragte gemäß § 9 VStG") als auch nach ihrem Inhalt ("sachlicher Zuständigkeitsbereich (Verantwortungsbereich)") ausdrücklich auf die Verantwortungsübertragung hinweist.

  23. 12 Ist die Begründung des Verwaltungsgerichts aber dahin zu verstehen, dass eine rechtsgültige Übertragung der Verantwortung gegenständlich die explizite Anführung der Bestimmungen des AZG und ARG erfordert hätte, so kann dem hinsichtlich der in den Spruchpunkten A. bis F. umschriebenen Übertretungen nicht beigepflichtet werden. Dabei handelt es sich nämlich um Verstöße gegen (unmittelbar) in der VO (EG) Nr. 561/2006 normierte Verhaltenspflichten, was sich sowohl aus den Tatumschreibungen in den Straferkenntnissen als auch, wie eingangs dargestellt, aus den in den Straferkenntnissen angeführten übertretenen Rechtsvorschriften ergibt.

  24. 13 Es besteht daher kein Zweifel, dass die gegenständliche Bestellungsurkunde, die als übertragenen Verantwortungsbereich ausdrücklich die "Einhaltung der Lenk- und Ruhezeit-Vorschriften gem. 561/06" nennt, die genannten Verwaltungsübertretungen erfasst.

  25. 14 Das Verwaltungsgericht hat daher die Rechtslage unzutreffend beurteilt, wenn es hinsichtlich der in den Spruchpunkten A. bis F. genannten Übertretungen eine strafrechtliche Verantwortlichkeit des F.H. verneint (und umgekehrt jene der Revisionswerber bejaht) hat.

  26. 15 Lediglich die unter Spruchpunkt G. des Straferkenntnisses angeführte Übertretung (des § 28 Abs. 3 Z 1 iVm § 13b Abs 2 AZG iVm dem entsprechenden Kollektivvertrag/Betriebsvereinbarung) betrifft keinen Verstoß gegen die VO (EG) Nr. 561/2006 und fällt daher nach der in Rede stehenden Bestellungsurkunde nicht in den Verantwortungsbereich des zum verantwortlichen Beauftragten bestellten F.H., sodass die diesbezügliche strafrechtliche Verantwortung bei den Revisionswerbern verbleibt. Schon angesichts der diesbezüglichen Deutlichkeit der gemäß § 23 Abs. 1 ArbIG maßgebenden schriftlichen Bestellungsurkunde (in der eine Übertragung der Verantwortlichkeit für die Einhaltung der Vorschriften des AZG fehlt) hätte daran, anders als in den Revisionsgründen geltend macht wird, auch die Vernehmung des F.H. als Zeuge nichts ändern können (aus dem in den Revisionen zitierten hg. Erkenntnis , ist hier nichts zu gewinnen, weil es zur Rechtslage vor dem Inkrafttreten des § 23 Abs. 1 ArbIG, der nunmehr für die Bestellung zum verantwortlichen Beauftragten bezüglich der Einhaltung von Arbeitnehmerschutzvorschriften die Schriftlichkeit verlangt, erging). Die Revisionen erweisen sich daher insoweit als unbegründet.

  27. 16 Nach dem Gesagten waren die angefochtenen Erkenntnisse in dem im Spruch bezeichneten Umfang wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

  28. Hingegen waren die Revisionen, soweit diese die Bestätigung des Spruchpunktes G. der Straferkenntnisse bekämpfen, gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

  29. 17 Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den § 47ff, insbesondere § 50 VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

  30. Wien, am

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ECLI:
ECLI:AT:VWGH:2018:RA2018110184.L00

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