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VwGH vom 07.07.2011, 2010/15/0024

VwGH vom 07.07.2011, 2010/15/0024

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höfinger und die Hofräte Dr. Zorn, Dr. Büsser, MMag. Maislinger und Mag. Novak als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Zaunbauer, über die Beschwerde des R P in S, vertreten durch Dr. Peter Posch und Dr. Ingrid Posch, Rechtsanwälte in 4600 Wels, Eisenhowerstraße 40, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Salzburg, vom , Zl. RV/0690-S/09, betreffend Zurücknahmeerklärung der Berufung gegen Bescheide hinsichtlich Einkommensteuer 2000 bis 2004, Umsatzsteuer 2003 und Anspruchszinsen 2000 bis 2004, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer erhob (vertreten durch einen Steuerberater) mit Schriftsatz vom Berufung gegen die Einkommensteuer- und Anspruchszinsenbescheide für die Jahre 2000 bis 2004 sowie gegen den Umsatzsteuerbescheid für 2003 (Bescheide des Finanzamtes jeweils vom ). In der Berufung wurde lediglich ausgeführt, sie richte sich "sowohl gegen den Grund als auch gegen die Höhe der o.a. Bescheide". Auf Grund des Umfanges des den Bescheiden zugrunde liegenden Betriebsprüfungsberichtes vom und den damit verbundenen vorbereitenden Arbeiten zur Beantwortung werde beantragt, eine Frist zur Nachreichung der Begründung bis zum zu gewähren. Gleichzeitig beantragte er gemäß § 212a BAO die Aussetzung (der Einhebung) der Abgaben.

Mit Bescheid vom teilte das Finanzamt dem Beschwerdeführer mit, die Berufung weise hinsichtlich des Inhaltes (§ 250 BAO) die nachfolgenden Mängel auf: die Erklärung, in welchen Punkten der Bescheid angefochten werde; die Erklärung, welche Änderungen beantragt würden; eine Begründung. Die angeführten Mängel seien bis zum beim Finanzamt gemäß § 275 BAO zu beheben. Weiters enthält der Bescheid folgenden Vermerk: "Achtung! Bei Versäumnis dieser Frist gilt Ihre Berufung als zurückgenommen".

Mit Schriftsatz vom ersuchte der Beschwerdeführer, die Frist zur Nachreichung der Begründung zur Berufung vom nochmals bis zum zu "gewähren". Der Beschwerdeführer sei bemüht, die für die Begründung notwendigen Daten bzw. Unterlagen zu erhalten. Dabei sei er auch auf die Mitarbeit von Bankinstituten angewiesen; diese seien mit der Herausgabe von Unterlagen und Duplikaten sehr zögerlich.

Mit Bescheid vom sprach das Finanzamt aus, die Berufung vom gegen die Einkommensteuerbescheide 2000 bis 2004, die Bescheide über die Festsetzung von Anspruchszinsen 2000 bis 2004 und den Umsatzsteuerbescheid 2003 gelte gemäß § 85 Abs. 2 BAO als zurückgenommen. Begründend führte das Finanzamt aus, der Beschwerdeführer habe dem Auftrag, die Mängel der Berufung bis zum zu beheben, nicht entsprochen.

Der Beschwerdeführer erhob gegen diesen Bescheid Berufung. Richtig sei, dass die Mängel der Berufung vom bis zum nicht behoben hätten werden können. Dies sei aber nicht im Bereich und Verschulden des Beschwerdeführers gelegen. Er habe sich seit der Zustellung des Betriebsprüfungsberichtes bemüht, die umfangreichen Fragen und Vorhalte zu entkräften und diesbezügliche Unterlagen zu erhalten. Erschwerend sei, dass es sich um einen lange zurückliegenden Zeitraum handle; weiters, dass sich die Betriebsprüfung auf vom Gericht beschlagnahmte Unterlagen stütze. Der Beschwerdeführer sei auch durch zahlreiche Geschäftsreisen im Ausland zeitlich stark eingeschränkt. Er habe zu Banken und Informationsträgern Verbindung aufgenommen und konkret versucht, zu den einzelnen Punkten des Prüfungsberichtes Antworten und Unterlagen zu erhalten, was ihm bisher erst teilweise gelungen sei. Er beantrage, den angefochtenen Bescheid ersatzlos aufzuheben und eine Nachfrist zur Nachreichung der Begründung zur Berufung vom bis zu gewähren.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung als unbegründet ab. Die Berufung vom habe nicht den Erfordernissen des § 250 Abs. 1 BAO entsprochen, sodass ein Mängelbehebungsauftrag gemäß § 85 Abs. 2 BAO zu erteilen gewesen sei. Werde einem berechtigten Mängelbehebungsauftrag nicht, nicht zeitgerecht oder unzureichend entsprochen, so sei die Abgabenbehörde verpflichtet, einen Bescheid zu erlassen, mit dem die vom Gesetzgeber vermutete Zurücknahme der Berufung festgestellt werde. Damit sei das Schicksal der Berufung bereits besiegelt. Die Gründe, warum einem Mängelbehebungsauftrag nicht fristgerecht Folge geleistet worden sei, seien unerheblich. Im Übrigen wäre es dem Beschwerdeführer offen gestanden, vor Ablauf der Mängelbehebungsfrist einen weiteren Fristverlängerungsantrag zu stellen; von dieser Möglichkeit sei kein Gebrauch gemacht worden.

Gegen diesen Bescheid wendet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften kostenpflichtig aufzuheben.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt, eine Gegenschrift erstattet und beantragt, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 250 Abs. 1 BAO muss die Berufung enthalten: a) die Bezeichnung des Bescheides, gegen den sie sich richtet; b) die Erklärung, in welchen Punkten der Bescheid angefochten wird; c) die Erklärung, welche Änderungen beantragt werden; und d) eine Begründung.

§ 275 BAO sah in der Fassung vor dem AbgVRefG, BGBl. I Nr. 20/2009, vor, dass die Abgabenbehörde dem Berufungswerber, wenn eine Berufung den in § 250 Abs. 1 (oder Abs. 2 erster Satz) BAO umschriebenen Erfordernissen nicht entspreche, die Behebung dieser inhaltlichen Mängel mit dem Hinweis aufzutragen hat, dass die Berufung nach fruchtlosem Ablauf einer gleichzeitig zu bestimmenden angemessenen Frist als zurückgenommen gilt.

Mit dem AbgVRefG wurde § 275 BAO aufgehoben. Gleichzeitig wurde § 85 Abs. 2 BAO dahin abgeändert, dass nach dieser Bestimmung Mängel von Eingaben (Formgebrechen, inhaltliche Mängel, Fehlen einer Unterschrift) die Abgabenbehörde nicht zur Zurückweisung berechtigen; inhaltliche Mängel liegen nur dann vor, wenn in einer Eingabe gesetzlich geforderte inhaltliche Angaben fehlen. Die Abgabenbehörde hat dem Einschreiter die Behebung dieser Mängel mit dem Hinweis aufzutragen, dass die Eingabe nach fruchtlosem Ablauf einer gleichzeitig zu bestimmenden angemessenen Frist als zurückgenommen gilt; werden die Mängel rechtzeitig behoben, gilt die Eingabe als ursprünglich richtig eingebracht.

Betreffend die Behebung von Mängeln der Berufung wurde sohin die Rechtslage inhaltlich nicht verändert (vgl. hiezu auch 38 BlgNR 24. GP, 7 und 13).

Da das AbgVRefG zu diesen Änderungen keine Bestimmungen zum Inkrafttreten enthält, traten diese mit Ablauf des Tages der Kundmachung im Bundesgesetzblatt (Art. 49 Abs. 1 B-VG; bzw. Ablauf des Tages der Freigabe zur Abfrage: § 11 Abs. 1 BGBlG) in Kraft (also mit Ablauf des ).

Der Beschwerdeführer behauptet zunächst, die "belangte Behörde" (richtig: das Finanzamt) habe unzulässigerweise einen Mängelbehebungsbescheid erlassen, weil der Beschwerdeführer bereits in seiner Berufung darauf hingewiesen habe, dass er die Berufungsbegründung und Berufungsanträge nachreichen werde.

Da die Berufung vom - unstrittig - nicht den in § 250 Abs. 1 BAO umschriebenen Erfordernissen entsprochen hatte, war die Abgabenbehörde gemäß § 85 Abs. 2 BAO verpflichtet, dem Beschwerdeführer unter Setzung einer Frist die Behebung der Mängel aufzutragen (vgl. - zu § 275 BAO - das hg. Erkenntnis vom , 2006/15/0176). Dass der Beschwerdeführer bereits in seinem Schriftsatz die Nachholung von Berufungsgründen und Berufungsanträgen angekündigt hatte, ändert nichts an der Mangelhaftigkeit der Berufung. Dass der Schriftsatz vom lediglich als Antrag auf Verlängerung der Berufungsfrist (§ 245 Abs. 3 BAO) und nicht bereits als - wenn auch mangelhafte - Berufung zu beurteilen gewesen wäre (vgl. zur Abgrenzung das hg. Erkenntnis vom , 1577/78, ÖStZB 1980, 270), wird auch in der Beschwerde - zu Recht - nicht geltend gemacht: Der durch einen Steuerberater vertretene Beschwerdeführer hatte mit gleichem Schriftsatz auch einen Antrag auf Aussetzung der Einhebung (§ 212a BAO) gestellt, welcher aber voraussetzt, dass eine Berufung - und nicht lediglich ein Antrag auf Verlängerung der Berufungsfrist - eingebracht ist (vgl. Ritz, BAO3, § 212a Rz 4); die Kenntnis dieses Umstandes kann beim steuerlichen Vertreter des Rechtsmittelwerbers vorausgesetzt werden.

Dass die Abgabenbehörde den Verbesserungsauftrag irrtümlich auf die zum Zeitpunkt der Erlassung des Verbesserungsauftrages bereits aufgehobene Bestimmung des § 275 BAO (anstatt auf die hier bereits anzuwendende Bestimmung des § 85 Abs. 2 BAO) gestützt hat, begründet keine Rechtswidrigkeit des Mängelbehebungsauftrages.

Weiters rügt der Beschwerdeführer, die "belangte Behörde" hätte auf den Verlängerungsantrag in irgendeiner Form reagieren müssen. Der Beschwerdeführer habe in seiner Berufung vom einen neuerlichen Verlängerungsantrag (bis ) gestellt, über den das Finanzamt hätte entscheiden müssen.

Zutreffend ist, dass das Finanzamt über den Antrag des Beschwerdeführers, die Frist zur Nachreichung der Begründung bis zum zu verlängern, nicht (förmlich) entschieden hat. Die Abgabenbehörde kann aber eine Mängelbehebungsfrist zwar verlängern (§ 110 Abs. 2 BAO), einem Antrag auf Verlängerung der Mängelbehebungsfrist kommt aber keine fristhemmende Wirkung zu. Die Entscheidung über die Erfüllung eines Mängelbehebungsauftrages ist demnach nicht davon abhängig, ob allenfalls (weitere) Ansuchen zur Verlängerung der Mängelbehebungsfrist vor Ablauf der Frist eingebracht wurden (vgl. die hg. Erkenntnisse vom , 2002/15/0166, und vom , 2006/15/0157, je mwN; vgl. auch Ritz, aaO, § 110 Rz 5).

Aufgrund eines nach Ablauf der Frist eingebrachten Antrages (also etwa dem mit der Berufung vom gestellten Antrag auf Fristverlängerung) darf die Behörde eine Fristverlängerung nicht gewähren (vgl. Ritz , aaO, § 110 Rz 4).

Schließlich macht der Beschwerdeführer geltend, die gesetzte Mängelbehebungsfrist sei in Anbetracht der besonderen Komplexität des Falles bei weitem zu kurz; es sei demnach keine angemessene Frist gesetzt worden.

Die Einhaltung der bei einer Maßnahme nach § 275 BAO (nunmehr § 85 Abs. 2 BAO betreffend Berufung) zu setzenden Frist verfolgt den Zweck, ohne unvertretbaren Aufschub feststellen zu können, ob die Berufung einer inhaltlichen Erledigung zuzuführen ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom , 99/14/0123). Eine Frist ist dann angemessen im Sinne der Mängelbehebungsvorschriften, wenn die Fristbemessung den besonderen Verhältnissen sachgerecht Rechnung trägt und der Berufungswerber in die Lage versetzt wird, dem Auftrag innerhalb der gesetzten Frist ordnungsgemäß nachzukommen. Die Angemessenheit einer Frist hängt immer von den Umständen des Einzelfalls ab (vgl. - zu § 156 Abs. 2 FinStrG - das hg. Erkenntnis vom , 2006/15/0003).

Hiebei ist zunächst zu berücksichtigen, dass - ausgehend vom Vorbringen in der Berufung vom , wonach die erstinstanzlichen Bescheide (vom ) am "eingegangen" seien, dem Beschwerdeführer durch die Mängelbehebungsfrist bis zum eine (mehr als) Verdreifachung der an sich zur Einbringung einer Berufung zur Verfügung stehenden Frist eingeräumt wurde. Schon insoweit ist nicht ersichtlich, dass die Mängelbehebungsfrist - auch unter Annahme eines komplexen Sachverhaltes - unangemessen kurz sei. Weiters ist aber zu berücksichtigen, dass der Beschwerdeführer selbst in der Berufung beantragte, eine Frist bis zum einzuräumen. Wenn die zur Mängelbehebung eingeräumte Frist aber jener entspricht, die der Berufungswerber selbst zur Nachreichung der fehlenden Begründung in Aussicht stellte, kann diese Frist nicht als unangemessen erkannt werden (vgl. Ritz, aaO, § 275 Tz 12; sowie das hg. Erkenntnis vom , 1114/74, ÖStZB 1975, 97).

Die Beschwerde erweist sich daher als unbegründet und war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am