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VwGH vom 07.09.2015, 2013/02/0022

VwGH vom 07.09.2015, 2013/02/0022

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Beck und den Hofrat Mag. Dr. Köller sowie die Hofrätin Mag. Dr. Maurer-Kober als Richter, unter Beiziehung der Schriftführerin Mag. Harrer, über die Beschwerde des M in W, vertreten durch Mag. Gernot Steier, Rechtsanwalt in 3040 Neulengbach, Rathausplatz 108, gegen die Bescheide 1. der Wiener Landesregierung vom , Zl. MA 65-3829/2011 (prot. zu hg. Zl. 2013/02/0022) und 2. des Berufungssenates der Stadt Wien vom , Zl. MA 65-3855/2010 (prot. zu hg. Zl. 2013/02/0023), jeweils betreffend Versagung einer Ausnahmebewilligung nach § 45 Abs. 2 StVO (weitere Partei: Wiener Landesregierung), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat der Bundeshauptstadt (Land) Wien sowie der Bundeshauptstadt (Gemeinde) Wien Aufwendungen in der Höhe von jeweils EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem erstangefochtenen Bescheid wurde im Instanzenzug der Antrag des Beschwerdeführers auf Ausnahme gemäß § 45 Abs. 2 StVO vom Verbot der Benützung von Parkplätzen für dauernd stark gehbehinderte Personen für Straßen mit überörtlicher Bedeutung (ehemalige Bundesstraßen) abgewiesen.

Mit dem zweitangefochtenen Bescheid wurde im Instanzenzug der Antrag des Beschwerdeführers auf Ausnahme gemäß § 45 Abs. 2 StVO vom Verbot der Benützung von Parkplätzen für dauernd stark gehbehinderte Personen für Straßen ohne überörtliche Bedeutung abgewiesen.

In der (nahezu wortgleichen) Begründung dieser Bescheide wird u. a. ausgeführt, der Beschwerdeführer habe in seinem Antrag vom geltend gemacht, er sei aufgrund (eines künstlichen Darmausgangs und) eines Neurostimulators (Implantat mit entsprechender Sonde) gezwungen, beim Aussteigen aus seinem Fahrzeug bzw. Einsteigen in sein Fahrzeug die Autotüre "unüblich" weit zu öffnen, um das Implantat keinerlei Verdrehung oder Druckausübung auszusetzen. Da ein derartiges Öffnen der Fahrzeugtüre bei "Normbreiten" von Parkplätzen bzw. in Tiefgaragen nicht möglich sei, sei er auf die Erteilung einer entsprechenden Ausnahmebewilligung angewiesen.

Ferner wird in der Begründung näher dargelegt, dass der Beschwerdeführer nach behördlicher Aufforderung mit Schreiben vom mitgeteilt habe, an welchen näher genannten Orten er sich häufig aufhalte.

Der Beschwerdeführer sei (im Zuge des Berufungsverfahrens) mit Schreiben vom zur weiteren Konkretisierung seines Vorbringens aufgefordert worden. Insbesondere wären die Örtlichkeiten der vom Antrag erfassten Parkplätze genau zu bestimmen gewesen. Weiteres wäre für jeden dieser Parkplätze darzulegen gewesen, wie oft dieser zu welchem Zweck tatsächlich verwendet werden müsse. Dieses behördliche Schreiben sei unbeantwortet geblieben.

Die Behörde sei in Handhabung des geforderten strengen Maßstabes verpflichtet, von Amts wegen ein Ermittlungsverfahren über das Vorliegen der Ausnahmekriterien durchzuführen, doch bedürfe es hiezu eines konkreten, einer Überprüfung zugänglichen Vorbringens des jeweiligen Antragstellers über die Auswirkungen jener Regelung, von welcher er die Ausnahme begehre, auf seine Person. Das ungenügend ausgeführte Vorbringen des Beschwerdeführers im Verwaltungsverfahren lasse jedoch die Erforderlichkeit der Erteilung der beantragten Ausnahmebewilligung nicht hinreichend deutlich erkennen.

Mangels entsprechender Konkretisierung des Vorbringens sei es unmöglich gewesen, dieses zu überprüfen und rechtlich entsprechend zu würdigen. Vor allem habe es der Beschwerdeführer unterlassen, zu den im Schreiben vom genannten Örtlichkeiten sein jeweils erhebliches persönliches Interesse an der Nutzung dieser Flächen genauer darzulegen und zu bescheinigen.

Im Übrigen lege das Vorbringen des Beschwerdeführers die Schlussfolgerung nahe, dass er sein Fahrzeug selbst lenke, d.h. dass er regelmäßig jenen Sitz des Fahrzeugs verwende, der unmittelbar hinter dem Lenkrad postiert sei (in Fahrtrichtung betrachtet den "linken" vorderen Sitz). Der Beschwerdeführer werde sohin zumeist nicht auf jener Seite des Fahrzeugs ein- und aussteigen, die dem Fahrbahnrand näher gelegen sei, sondern vielmehr Richtung "Fahrbahnmitte". In diesem Sinne müssten daher die meisten Parkplätze aufgrund des Gebots, das Fahrzeug parallel zum Fahrbahnrand abzustellen, für das Ein- und Aussteigen in gleicher Weise geeignet sein.

Eine Zuständigkeit der jeweils erkennenden Behörde für Ausnahmen nach § 45 Abs. 2 StVO hinsichtlich Parkflächen außerhalb Wiens sei nicht gegeben.

Gegen diese Bescheide erhob der Beschwerdeführer zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, welcher die Behandlung derselben mit Beschluss vom , B 185/12-10 und B 205/12-10, ablehnte und dem Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG zur weiteren Behandlung abtrat.

Im Zuge der im verwaltungsgerichtlichen Verfahren erstatteten Beschwerdeergänzung beantragte der Beschwerdeführer die kostenpflichtige Aufhebung der angefochtenen Bescheide wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit.

Die belangten Behörden erstatteten jeweils eine Gegenschrift mit dem Antrag auf kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde und legten die Akten des jeweiligen Verwaltungsverfahrens vor.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Gemäß § 79 Abs. 11 VwGG sind - soweit wie im vorliegenden Fall durch das Verwaltungsgerichtsbarkeits-Übergangsgesetz, BGBl. I Nr. 33/2013, nicht anderes bestimmt ist - in den mit Ablauf des beim Verwaltungsgerichtshof anhängigen Beschwerden die bis zum Ablauf des geltenden Bestimmungen weiter anzuwenden.

§ 45 Abs. 2 StVO 1960 in der zum Entscheidungszeitpunkt maßgeblichen Fassung BGBl. I Nr. 34/2011 lautet:

"§ 45. Ausnahmen in Einzelfällen.

(...)

(2) In anderen als in Abs. 1 bezeichneten Fällen kann die Behörde Ausnahmen von Geboten oder Verboten, die für die Benützung der Straßen gelten, auf Antrag bewilligen, wenn ein erhebliches persönliches (wie z.B. auch wegen einer schweren Körperbehinderung) oder wirtschaftliches Interesse des Antragstellers eine solche Ausnahme erfordert, oder wenn sich die ihm gesetzlich oder sonst obliegenden Aufgaben anders nicht oder nur mit besonderen Erschwernissen durchführen ließen und weder eine wesentliche Beeinträchtigung von Sicherheit, Leichtigkeit und Flüssigkeit des Verkehrs, noch wesentliche schädliche Einwirkungen auf die Bevölkerung oder die Umwelt durch Lärm, Geruch oder Schadstoffe zu erwarten sind."

Nach der ständigen hg. Rechtsprechung ist bei der Prüfung der erforderlichen Voraussetzungen für die Erteilung einer Ausnahmebewilligung nach § 45 Abs. 2 StVO 1960 ein strenger Maßstab anzulegen und eine solche daher nur bei Vorliegen von gravierenden, die antragstellende Partei außergewöhnlich hart treffenden Gründen zu erteilen (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zlen. 2010/02/0299, 0300, mwN).

Ferner besteht nach der ständigen hg. Judikatur eine Mitwirkungspflicht der Partei dort, wo es der Behörde nicht möglich ist, von sich aus und ohne Mitwirkung der Partei tätig zu werden, was insbesondere bei jenen in der Person des Antragstellers gelegenen Voraussetzungen der Fall ist, deren Kenntnis sich die Behörde nicht von Amts wegen verschaffen kann; diesfalls ist die Partei selbst zu entsprechendem Vorbringen und Beweisanbot verpflichtet (vgl. die bei Walter/Thienel, Verwaltungsverfahren I2, S. 556 f unter E 126 zu § 39 AVG angeführte Judikatur).

Die Beschwerde behauptet eine falsche Anwendung des § 45 Abs. 2 StVO, weil der Beschwerdeführer zwar nicht gehbehindert sei, aber ohne eine Ausnahmegenehmigung nicht oder nur sehr eingeschränkt am gesellschaftlichen und öffentlichen Leben teilnehmen könne, und ihm eine selbstbestimmte Lebensführung durch Verbesserung seiner Mobilität ohne besondere Erschwernisse ansonsten nicht möglich sei. Im Hinblick auf die Frage des "erheblichen persönlichen Interesses" sei § 45 Abs. 2 StVO im Lichte des Übereinkommens über die Rechte von Menschen mit Behinderungen zu sehen, wonach staatlicherseits Vorkehrungen zu treffen seien, damit staatliche Maßnahmen keine unverhältnismäßigen und unbilligen Belastungen für Behinderte darstellte, und Gepflogenheiten und Praktiken zu ändern seien, die auf eine Diskriminierung von Behinderten hinauslaufen würden.

Insoweit der Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang nach Abtretung seiner zunächst beim Verfassungsgerichtshof eingebrachten Beschwerde nun auch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren eine Diskriminierung gegenüber stark gehbehinderten Personen und eine Ungleichbehandlung aufgrund seiner gleichfalls starken Behinderung insbesondere in Bezug auf § 29b iVm § 45 Abs. 2 StVO (in der zum behördlichen Entscheidungszeitpunkt maßgeblichen Fassung BGBl. I Nr. 34/2011) geltend macht, ist er darauf zu verweisen, dass er dieses Vorbringen bereits im Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof vorgebracht hat und der Verfassungsgerichtshof die vorgebrachten verfassungsrechtlichen Bedenken nicht teilt (vgl. den vorzitierten Ablehnungsbeschluss des Verfassungsgerichthofes vom ).

Überdies haben die belangten Behörden in ihren Gegenschriften zutreffend darauf hingewiesen, dass das vom Beschwerdeführer erwähnte Diskriminierungsverbot nach § 5 Bundes-Behindertengleichstellungsgesetz (BGStG), BGBl. I Nr. 82/2005, im vorliegenden Fall nicht anwendbar ist, weil das BGStG nach dessen § 2 Abs. 1 nur auf die Verwaltung des Bundes anwendbar ist und hier jedoch eine in den Vollziehungsbereich der Länder nach Art. 11 Abs. 1 Z 4 B-VG fallende Materie vorliegt.

Der Beschwerdeführer vermag auch nicht einsichtig darzulegen, dass aus dem von ihm genannten Übereinkommen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen, BGBl. III Nr. 155/2008, etwas für die Auslegung des § 45 Abs. 2 StVO zu gewinnen wäre, zumal sich dieses Übereinkommen primär an die Vertragsstaaten wendet und erst einer konkreten Umsetzung in die jeweilige staatliche Rechtsordnung bedarf.

Anhaltspunkte dafür, dass die belangten Behörden den § 45 Abs. 2 StVO fehlerhaft angewendet hätten und insbesondere eine nicht schlüssige Beweiswürdigung vorläge, sind im Zuge des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens nicht hervorgekommen. Die belangten Behörden sind zutreffend davon ausgegangen, dass für den Beschwerdeführer, der nicht im Besitz eines Ausweises nach § 29b StVO (in der damals anzuwendenden Fassung vor der Novelle BGBl. I Nr. 39/2013) war, § 45 Abs. 2 StVO - im jeweiligen Verfügungsbereich - keine Rechtsgrundlage für eine pauschale Ausnahme vom Benützungsverbot von nicht weiter konkretisierten Behindertenparkplätzen darstellen konnte.

Die vorliegende Beschwerde erweist sich sohin als unbegründet und war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014, BGBl. II Nr. 518/2013 idF BGBl. II Nr. 8/2014.

Wien, am

Fundstelle(n):
FAAAE-78084