VwGH vom 13.12.2018, Ra 2018/11/0114
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Rigler und die Hofräte Dr. Schick, Dr. Grünstäudl und Mag. Samm sowie die Hofrätin Dr. Pollak als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Soyer, über die Revision des V S in L (Slowenien), vertreten durch Dr. Roland Grilc, Mag. Rudolf Vouk, Dr. Maria Skof, MMag. Maja Ranc und Mag. Sara Julia Grilc, Rechtsanwälte in 9020 Klagenfurt, Karfreitstraße 14/III, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Steiermark vom , Zl. LVwG 33.22-2264/2017-10, betreffend Übertretungen des Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetzes - AVRAG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Murtal), zu Recht erkannt:
Spruch
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Revisionswerber Aufwendungen in Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1 Mit Straferkenntnis der belangten Behörde vom wurde dem Revisionswerber als handelsrechtlichem Geschäftsführer und zur Vertretung nach außen berufenem Organ (iSd. § 9 Abs. 1 VStG) der S. d.o.o. mit Sitz in Slowenien zur Last gelegt, er habe es zu verantworten, dass die Arbeitsaufnahme zweier namentlich genannter Arbeitnehmer der S. d.o.o., die von dieser zur Erbringung einer Arbeitsleistung nach Österreich entsendet worden seien, nicht spätestens eine Woche vor Arbeitsaufnahme am der Zentralen Koordinationsstelle für die Kontrolle der illegalen Beschäftigung des Bundesministeriums für Finanzen gemeldet worden sei. Der Revisionswerber habe dadurch jeweils § 7b Abs 8 Z 1 erster Fall iVm. § 7b Abs. 3 AVRAG verletzt; über ihn wurden jeweils Geldstrafen (Ersatzfreiheitsstrafen) verhängt.
2 Die dagegen vom Revisionswerber erhobene Beschwerde wurde vom Landesverwaltungsgericht Steiermark mit dem angefochtenen Erkenntnis mit der Maßgabe abgewiesen, dass die Anführung eines Zeitraums vom bis spätestens zu entfallen habe und die übertretene Rechtsvorschrift laute: "§ 7b Abs 8 Z 1 iVm § 7b Abs. 3 AVRAG".
Unter einem wurde gemäß § 25a VwGG ausgesprochen, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig sei.
3 Mit Beschluss vom , E 3935/2017-5, lehnte der Verfassungsgerichtshof die gegen dieses Erkenntnis erhobene Beschwerde des Revisionswerbers ab und trat diese mit weiterem Beschluss vom , E 3935/2017-7, dem Verwaltungsgerichtshof ab.
4 Gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes richtet sich die vorliegende, vom Verwaltungsgericht gemeinsam mit den Akten des Verfahrens vorgelegte (außerordentliche) Revision.
5 Die belangte Behörde nahm von der Erstattung einer Revisionsbeantwortung Abstand.
6 Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Revision in dem gemäß § 12 Abs. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
7 1.1. Das AVRAG, BGBl. 459/1993, lautete in der im Tatzeitpunkt maßgeblichen Fassung der Novelle BGBl. I Nr. 152/2015 (auszugsweise):
"Ansprüche gegen ausländische Arbeitgeber/innen mit Sitz in einem EU- oder EWR-Mitgliedstaat
§ 7b.
...
(3) Arbeitgeber/innen im Sinne des Abs. 1 haben die Beschäftigung von Arbeitnehmer/innen, die zur Erbringung einer Arbeitsleistung nach Österreich entsandt werden, spätestens eine Woche vor der jeweiligen Arbeitsaufnahme der Zentralen Koordinationsstelle für die Kontrolle der illegalen Beschäftigung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz und dem Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz des Bundesministeriums für Finanzen zu melden und dem/der im Abs. 1 Z 4 bezeichneten Beauftragten, sofern nur ein/e Arbeitnehmer/in entsandt wird, diesem/dieser, die Meldung in Abschrift auszuhändigen oder in elektronischer Form zur Verfügung zu stellen. Die Meldung hat ausschließlich automationsunterstützt über die elektronischen Formulare des Bundesministeriums für Finanzen zu erfolgen. In Katastrophenfällen, bei unaufschiebbaren Arbeiten und bei kurzfristig zu erledigenden Aufträgen ist die Meldung unverzüglich vor Arbeitsaufnahme zu erstatten. Die Zentrale Koordinationsstelle für die Kontrolle der illegalen Beschäftigung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz und dem Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz des Bundesministeriums für Finanzen hat die Meldung an den zuständigen Krankenversicherungsträger (§§ 26 und 30 ASVG), und sofern es sich um Bautätigkeiten handelt, der Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungskasse elektronisch zu übermitteln.
...
(8) Wer als Arbeitgeber/in im Sinne des Abs. 1
1. die Meldung oder die Meldung über nachträgliche
Änderungen bei den Angaben (Änderungsmeldung) entgegen Abs. 3 nicht, nicht rechtzeitig oder nicht vollständig erstattet oder
...
begeht eine Verwaltungsübertretung und ist von der Bezirksverwaltungsbehörde für jede/n Arbeitnehmer/in mit Geldstrafe von 500 Euro bis 5 000 Euro, im Wiederholungsfall von 1 000 Euro bis 10 000 Euro zu bestrafen. Bei grenzüberschreitender Entsendung gilt die Verwaltungsübertretung als in dem Sprengel der Bezirksverwaltungsbehörde begangen, in dem der Arbeits(Einsatz)ort der nach Österreich entsandten Arbeitnehmer/innen liegt, bei wechselnden Arbeits(Einsatzorten) am Ort der Kontrolle.
..."
1.2.1. Das Lohn- und Sozialdumping-Bekämpfungsgesetz - LSD-BG, Art. 1 des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 44/2016 in der Fassung BGBl. I Nr. 64/2017, lautet (auszugsweise):
"4. Abschnitt
Formale Verpflichtungen bei grenzüberschreitendem Arbeitseinsatz Meldepflicht bei Entsendung oder Überlassung aus einem EU-Mitgliedstaat oder EWR-Staat oder der Schweizerischen Eidgenossenschaft
§ 19. (1) Arbeitgeber und Überlasser mit Sitz in einem EU-Mitgliedstaat oder EWR-Staat oder der Schweizerischen Eidgenossenschaft haben die Beschäftigung von nach Österreich entsandten Arbeitnehmern und nach Österreich überlassenen Arbeitskräften zu melden. Die Meldung hat für jede Entsendung oder Überlassung gesondert zu erfolgen. Nachträgliche Änderungen bei den Angaben gemäß Abs. 3 oder Abs. 4 sind unverzüglich zu melden. Ein Beschäftiger, der einen Arbeitnehmer zu einer Arbeitsleistung nach Österreich entsendet, gilt in Bezug auf die Meldepflichten nach diesem Absatz und den Abs. 2 und 3 als Arbeitgeber.
(2) Die Entsendung oder Überlassung im Sinne des Abs. 1 ist vor der jeweiligen Arbeitsaufnahme der Zentralen Koordinationsstelle zu melden. Im Fall von mobilen Arbeitnehmern im Transportbereich ist die Meldung vor der Einreise in das Bundesgebiet zu erstatten. Die Meldung hat ausschließlich automationsunterstützt über die elektronischen Formulare des Bundesministeriums für Finanzen zu erfolgen. Arbeitgeber haben im Fall einer Entsendung der Ansprechperson nach § 23 oder, sofern nur ein Arbeitnehmer entsandt wird, diesem die Meldung in Abschrift auszuhändigen oder in elektronischer Form zur Verfügung zu stellen.
...
5. Abschnitt
Strafbestimmungen, Untersagung der Dienstleistung und Evidenz
über Verwaltungs(straf)verfahren
...
Verstöße im Zusammenhang mit den Melde- und Bereithaltungspflichten bei Entsendung oder Überlassung
§ 26. (1) Wer als Arbeitgeber oder Überlasser im Sinne des § 19 Abs. 1
1. die Meldung oder die Meldung über nachträgliche
Änderungen bei den Angaben (Änderungsmeldung) entgegen § 19 nicht, nicht rechtzeitig oder nicht vollständig erstattet oder
...
begeht eine Verwaltungsübertretung und ist von der Bezirksverwaltungsbehörde für jeden Arbeitnehmer mit Geldstrafe von 1.000 Euro bis 10.000 Euro, im Wiederholungsfall von 2.000 Euro bis 20.000 Euro zu bestrafen.
..."
8 1.2.2. Die RV, 1111 Blg NR. XXV. GP, 40, zum erwähnten Bundesgesetz BGBl. I Nr. 44/2016, mit dem unter Art. 1 ein Lohn- und Sozialdumping-Bekämpfungsgesetz (LSD-BG) erlassen wurde, führen zu Art. 1 (LSD-BG) Folgendes aus (auszugsweise):
"Zu § 19 LSD-BG:
Mit dieser Bestimmung werden grundsätzlich die bisherigen Melde-Bestimmungen des § 7b Abs. 3 und 4 AVRAG und § 17 Abs. 2 und 3 AÜG in das LSD-BG übernommen und aus Gründen der Transparenz und der Verfahrensökonomie in einer Bestimmung zusammenfasst; damit wird die bisherige Zersplitterung dieser Rechtsmaterie beseitigt.
§ 19 Abs. 1 LSD-BG ordnet an, dass ein Arbeitgeber oder Überlasser mit Sitz im EU/EWR-Raum oder der Schweizerischen Eidgenossenschaft die Entsendung von Arbeitnehmern oder die Überlassung von Arbeitskräften iSd AÜG der ZKO zu melden hat. Ein Beschäftiger, der Arbeitnehmer zur Arbeitsleistung nach Österreich entsendet, gilt in Bezug auf die Meldepflichten nach § 19 LSD-BG als Arbeitgeber (§ 19 Abs. 1 letzter Satz LSD-BG) und damit auch als Adressat des entsprechenden Verwaltungsstraftatbestands.
...
Im Unterschied zur bisherigen Rechtslage wird aus verfahrenstechnischen Gründen und im Sinne einer verbesserten Verhältnismäßigkeit klargestellt, dass die Meldung der Entsendung oder Überlassung vor der jeweiligen Arbeitsaufnahme der ZKO zu melden ist. Die bisherige Verpflichtung, die Entsendung oder Überlassung grundsätzlich spätestens eine Woche vor der Arbeitsaufnahme der ZKO zu melden, entfällt.
...
Zu § 26 LSD-BG:
Diese Bestimmung übernimmt die bisherige Regelung des § 7b Abs. 8 AVRAG und normiert die Verwaltungsstrafbestimmungen in Bezug auf einen Verstoß gegen die Meldeverpflichtung nach § 19 LSD-BG und die Verpflichtung zur Bereithaltung der Unterlagen nach § 21 LSD-BG.
Verwaltungsstraftatbestände nach § 26 Abs. 1 LSD-BG:
- Nach § 26 Abs. 1 Z 1 LSD-BG ist strafbar, wer als Arbeitgeber oder Überlasser entgegen § 19 LSDBG die Entsende- oder Überlassungsmeldung nicht, nicht rechtzeitig oder nicht vollständig erstattet.
..."
9 1.3. Die Richtlinie 2014/67/EU vom zur Durchsetzung (u.a.) der Richtlinie 96/71/EG über die Entsendung von Arbeitnehmern im Rahmen der Erbringung von Dienstleistungen lautet (auszugsweise):
"KAPITEL IV
ÜBERWACHUNG DER EINHALTUNG
Artikel 9
Verwaltungsanforderungen und Kontrollmaßnahmen
(1) Die Mitgliedstaaten dürfen nur die Verwaltungsanforderungen und Kontrollmaßnahmen vorschreiben, die notwendig sind, um eine wirksame Überwachung der Einhaltung der Pflichten, die aus dieser Richtlinie und der Richtlinie 96/71/EG erwachsen, zu gewährleisten, vorausgesetzt, sie sind im Einklang mit dem Unionsrecht gerechtfertigt und verhältnismäßig.
Zu diesem Zweck können die Mitgliedstaaten insbesondere folgende Maßnahmen vorsehen:
a) die Pflicht des in einem anderen Mitgliedstaat
niedergelassenen Dienstleistungserbringers zur Abgabe einer einfachen Erklärung gegenüber den zuständigen nationalen Behörden spätestens zu Beginn der Erbringung der Dienstleistung in (einer) der Amtssprache(n) des Aufnahmemitgliedstaats oder in (einer) anderen von dem Aufnahmemitgliedstaat akzeptieren Sprache(n), die die einschlägigen Informationen enthält, die eine Kontrolle der Sachlage am Arbeitsplatz erlauben, dies umfasst unter anderem:
i) die Identität des Dienstleistungserbringers;
ii) die voraussichtliche Zahl klar identifizierbarer
entsandter Arbeitnehmer;
iii) die unter den Buchstaben e und f genannten Personen;
iv) die voraussichtliche Dauer sowie das geplante Datum des
Beginns und des Endes der Entsendung;
v) die Anschrift(en) des Arbeitsplatzes; und
vi) die Art der die Entsendung begründenden Dienstleistungen;
...
Artikel 23
Umsetzung
(1) Die Mitgliedstaaten erlassen die Rechts- und Verwaltungsvorschriften, die erforderlich sind, um dieser Richtlinie ab dem nachzukommen. Sie setzen die Kommission hiervon unverzüglich in Kenntnis.
..."
10 2. Die Revision ist aus den in ihr näher angeführten Gründen (Frage der Unverhältnismäßigkeit der einwöchigen Frist für die Erstattung der Entsendungsmeldung vor dem Hintergrund des Unionsrechts) zulässig.
11 3. Die Revision ist auch begründet.
12 3.1.1. Das Verwaltungsgericht legte dem angefochtenen Erkenntnis, soweit für den Revisionsfall von Bedeutung, folgende Sachverhaltsannahmen zugrunde:
13 Die beiden in Rede stehenden entsendeten Arbeitnehmer der S. d.o.o. hätten am ihre Arbeit in Österreich aufgenommen. Es habe sich um Arbeitsleistungen im Rahmen der grenzüberschreitenden Entsendung von Arbeitnehmern gehandelt (Einstellarbeiten an Fenstern und Terrassentüren). Die beiden ZKO-Meldungen seien erst am erstattet worden.
14 3.1.2. Rechtlich führte das Verwaltungsgericht aus, der Rechtsauffassung des Revisionswerbers, im Hinblick auf das am in Kraft getretene LSD-BG, das die Erstattung der ZKO-Meldung bis unmittelbar vor dem Arbeitsantritt erlaube, sei wegen des Günstigkeitsprinzips im Verwaltungsstrafrecht die im Revisionsfall drei Tage vor Arbeitsantritt erstattete Meldung nicht mehr strafbar, sei - unter Berufung auf eine frühere Entscheidung des Verwaltungsgerichtes - nicht zu folgen. Nach den Übergangsbestimmungen des ab geltenden § 19 LSD-BG gebe es keine Rechtsänderung und damit kein günstigeres Recht im Sinne des § 1 Abs. 2 VStG im Zeitpunkt der Erlassung des Straferkenntnisses. Durch die Übergangsbestimmung werde der zeitliche Geltungsbereich der bisherigen Strafbestimmungen für bereits verwirklichte Sachverhalte über das Außerkrafttreten der Bestimmung hinaus verlängert. Für den konkreten Fall sei das auf die Verwaltungsübertretung anwendbare Recht zum Tatzeitpunkt mit jenem zum Zeitpunkt der Erlassung des Straferkenntnisses ident, sodass jedenfalls die alte Rechtslage anwendbar sei. Ein Günstigkeitsvergleich komme somit nicht in Betracht.
15 Vor diesem Hintergrund lägen jedenfalls verspätete ZKO-Meldungen und damit objektive Übertretungen von § 7b Abs. 3 iVm. Abs. 8 Z 1 AVRAG vor.
16 3.2.1. Der Gerichtshof der Europäischen Union hat in seinem jüngst ergangenen Urteil vom , C-33/17 (Cepelnik d.o.o.), unter Verweis auf seine gefestigte Rechtsprechung betont, dass nationale Maßnahmen, die geeignet sind, die Ausübung der durch den AEU-Vertrag garantierten Grundfreiheiten zu behindern oder weniger attraktiv zu machen, dennoch zulässig sein können, wenn sie zwingenden Gründen des Allgemeininteresses entsprechen, wenn sie geeignet sind, die Verwirklichung des mit ihnen verfolgten Ziels zu gewährleisten, und wenn sie nicht über das hinausgehen, was zur Erreichung dieses Ziels erforderlich ist (Rn 42).
17 Dieser Grundgedanke kommt auch in der im Zeitpunkt der Erlassung bereits geltenden, aber wegen der noch nicht abgelaufenen Umsetzungsfrist im Revisionsfall noch nicht maßgeblichen Richtlinie 2014/67/EU zum Ausdruck. Gemäß deren Art. 9 Abs. 1 erster Satz dürfen die Mitgliedstaaten nur solche Verwaltungsanforderungen und Kontrollmaßnahmen vorschreiben, die notwendig sind, um eine wirksame Überwachung der Einhaltung der Pflichten, die aus dieser Richtlinie und der Richtlinie 96/71/EG über die Entsendung von Arbeitnehmern im Rahmen der Erbringung von Dienstleistungen erwachsen, zu gewährleisten, dies aber nur unter der Voraussetzung, dass solche Verwaltungsanforderungen und Kontrollmaßnahmen im Einklang mit dem Unionsrecht gerechtfertigt und verhältnismäßig sind. Art. 9 Abs. 1 zweiter Satz der Richtlinie 2014/67/EU führt demonstrativ einzelne Maßnahmen an, die die Mitgliedstaaten vorsehen können, darunter in lit. a die Verpflichtung des in einem anderen Mitgliedstaat niedergelassenen Dienstleistungserbringers zur Abgabe einer einfachen Erklärung gegenüber den zuständigen nationalen Behörden "spätestens zu Beginn der Erbringung der Dienstleistung", und zwar über näher bezeichnete Umstände der beabsichtigten Entsendung.
18 Anders als § 19 Abs. 2 erster Satz LSD-BG, der eine Meldung der Entsendung "vor der jeweiligen Arbeitsaufnahme" genügen lässt, verlangt § 7b AVRAG in Abs. 3 erster Satz die Erstattung der Meldung "spätestens eine Woche vor der jeweiligen Arbeitsaufnahme" und lässt in Abs. 3 dritter Satz nur "In Katastrophenfällen, bei unaufschiebbaren Arbeiten und bei kurzfristig zu erledigenden Aufträgen" die Meldung "unverzüglich vor Arbeitsaufnahme" genügen.
19 3.2.2.1. Sowohl die belangte Behörde in ihrem Straferkenntnis als auch das Verwaltungsgericht gehen davon aus, dass die entsendeten Arbeitnehmer der S.d.o.o. am ihre Arbeit aufgenommen hätten. Die Tätigkeit der Arbeitnehmer hätte in der Verrichtung von Einstellarbeiten an Fenstern und Terrassentüren bestanden. Schon in seiner Rechtfertigung hatte der Revisionswerber vorgebracht, es sei "am gegenständlichen Objekt" zunächst eine Montage durchgeführt worden, wobei die diesbezügliche Entsendungsmeldung am erfolgt sei. Am sei "kurzfristig ein Service durchgeführt" worden.
20 3.2.2.2. Jedenfalls für eine solche Konstellation ist davon auszugehen, dass die Verpflichtung der Erstattung der Meldung spätestens eine Woche vor Arbeitsantritt nicht mehr als verhältnismäßig im Sinne der Judikatur des EuGH (wie auch des Art 9 Abs. 1 der Richtlinie 2014/67/EU) qualifiziert werden kann, weil diese Maßnahme über das hinausgeht, was zur Erreichung des grundsätzlich gerechtfertigten Ziels der Kontrolle der Einhaltung der Mindestentlohnung der entsendeten Arbeitnehmer erforderlich ist. Dass die einwöchige Frist des AVRAG überschießend ist, wurde im Übrigen offensichtlich auch vom Gesetzgeber des LSD-BG erkannt, wie die unter Pkt. 1.2.2. wiedergegebenen Materialien zu § 19 Abs. 1 LSD-BG zeigen.
21 Aufgrund des Anwendungsvorrangs des Unionsrechts war es der belangten Behörde wie auch dem Verwaltungsgericht verwehrt, ungeachtet der im Revisionsfall unstrittig drei Tage vor Arbeitsantritt erstatteten Meldung der Entsendung das Vorliegen eines Verstoßes gegen § 7b Abs. 3 AVRAG zu bejahen. Die mit dem angefochtenen Erkenntnis bestätigte Bestrafung des Revisionswerbers erweist sich folglich als rechtswidrig.
22 3.3. Das angefochtene Erkenntnis war schon aus diesen Erwägungen gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufzuheben.
23 4. Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die § 47 ff VwGG iVm. der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.
Wien, am
Zusatzinformationen
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ECLI: | ECLI:AT:VWGH:2018:RA2018110114.L00 |
Schlagworte: | Gemeinschaftsrecht Richtlinie EURallg4 Gemeinschaftsrecht Anwendungsvorrang, partielle Nichtanwendung von innerstaatlichem Recht EURallg1 |
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