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VwGH vom 25.02.2020, Ra 2018/11/0110

VwGH vom 25.02.2020, Ra 2018/11/0110

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Schick und den Hofrat Dr. Grünstäudl sowie die Hofrätin Dr. Pollak als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Soyer, über die Revision des Finanzamts Innsbruck gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Vorarlberg vom , Zl. LVwG-1- 39/2018, betreffend Übertretung des LSD-BG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Dornbirn; mitbeteiligte Partei: E H in L, vertreten durch Dr. Harald Bösch, Rechtsanwalt in 6900 Bregenz, Am Stein 19), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird im angefochtenen Umfang (Aufhebung der Spruchpunkte IV. und V. des Straferkenntnisses der belangten Behörde) wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.

Begründung

1 Mit Straferkenntnis vom wurde dem Mitbeteiligten zur Last gelegt, er habe hinsichtlich jeweils zweier Arbeitnehmer als inländischer Beschäftigter

I. Sozialversicherungsdokumente entgegen § 21 Abs. 3 Lohn- und Sozialdumping-Bekämpfungsgesetz (LSD-BG) nicht bereitgehalten,

II. ZKO 4 Meldungen entgegen § 21 Abs. 3 LSD-BG nicht bereitgehalten,

III. Lohnunterlagen entgegen § 22 Abs. 2 LSD-BG nicht bereitgehalten,

IV. A1 Versicherungsdokumente entgegen § 12 Abs. 1 Z 3 nicht übermittelt sowie

V. Lohnunterlagen entgegen § 22 Abs. 2 LSD-BG nicht übermittelt.

Hierfür wurden

zu I. gemäß § 26 Abs. 2 iVm § 21 Abs. 3 Z 1 LSD-BG, zu II. gemäß § 26 Abs. 2 iVm § 21 Abs. 3 Z 2 LSD-BG, zu III. gemäß § 28 Z 3 iVm § 22 Abs. 2 LSD-BG, zu IV. gemäß § 27 Abs. 1 iVm § 12 Abs. 1 Z 3 und § 21 Abs. 1 Z 1 LSD-BG sowie

zu V. gemäß § 27 Abs. 1 iVm § 12 Abs. 1 Z 3 und § 22 LSD-BG jeweils pro Arbeitnehmer Geldstrafen und für den Fall der Uneinbringlichkeit Ersatzfreiheitsstrafen verhängt; der Mitbeteiligte wurde überdies zu einem Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens verpflichtet.

2 Gegen dieses Straferkenntnis erhob der Mitbeteiligte Beschwerde, in der er zusammengefasst vorbrachte, dass keine Arbeitskräfteüberlassung vorliege, sondern die Arbeitnehmer von der UF Kft. entsendet worden seien, weswegen das Strafverfahren gegen ihn hätte eingestellt werden müssen.

3 Mit dem nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung erlassenen angefochtenen Erkenntnis wies das Verwaltungsgericht die Beschwerde hinsichtlich der Spruchpunkte I. bis III. des Straferkenntnisses mit der Maßgabe ab, dass es die Beschäftigungszeiträume einschränkte und die Übertretungsnormen im Spruchpunkt III. um § 22 Abs. 1 LSD-BG ergänzte. Hinsichtlich der Spruchpunkte IV. und V. gab das Verwaltungsgericht der Beschwerde Folge, hob das angefochtene Straferkenntnis auf und stellte das Strafverfahren ein. Weiters sprach es gemäß § 25a VwGG aus, dass eine Revision nicht zulässig sei.

4 Das Verwaltungsgericht stellte (soweit hier von Bedeutung) fest, dass der Mitbeteiligte ein Fleischergewerbe in L betreibe. Da er keine weiteren Fleischer für seinen Betrieb habe finden können, habe er die ihm von der Firma UF KFt. überlassenen Arbeitnehmer SG im Zeitraum von 22. Mai bis zum und KB im Zeitraum von 2. Mai bis zum beschäftigt. Anlässlich einer Kontrolle der Finanzpolizei habe der Mitbeteiligte hinsichtlich beider überlassener Arbeitnehmer 1. die Unterlagen über die Anmeldung zur Sozialversicherung (E 101 oder A1), 2. die ZKO-4 Meldungen und 3. die Lohnunterlagen nicht bereitgehalten oder in elektronischer Form zugänglich gemacht.

Rechtlich führte das Verwaltungsgericht zur Abweisung der Beschwerde zusammengefasst aus, es sei erwiesen, dass die Unterlagen nicht bereitgehalten worden seien und eine Arbeitskräfteüberlassung vorliege. Der subjektive und objektive Tatbestand der zur Last gelegten Taten sei somit erfüllt. Zur Aufhebung der Spruchpunkte IV. und V. (Nichtübermittlung von A1- Versicherungsdokumenten sowie der Lohnunterlagen trotz Aufforderung durch die Abgabenbehörde) führte das Verwaltungsgericht aus, dass es sich bei einem Nichtübermitteln der erforderlichen Unterlagen nach § 27 LSD-BG um das allgemeine Delikt, beim Nichtbereithalten der erforderlichen Unterlagen nach § 26 LSD-BG und von Lohnunterlagen nach § 28 LSD-BG jeweils um das speziellere Delikt handle. Da somit eine Scheinkonkurrenz vorliege, sei eine kumulative Bestrafung nach § 26 bzw. § 28 LSD-BG einerseits und § 27 LSD-BG andererseits nicht möglich. Vielmehr gehe eine Bestrafung nach dem spezielleren Delikt vor, und es komme eine zusätzliche Bestrafung nach dem allgemeinen Delikt nicht mehr in Frage. Das Straferkenntnis sei daher bezüglich der Spruchpunkte IV. und V. aufzuheben und das Verfahren in diesen Punkten einzustellen gewesen.

5 Die vorliegende (Amts-)Revision richtet sich ausschließlich gegen die Aufhebung der Spruchpunkte IV. und V. des zugrundeliegenden Straferkenntnisses. Zur Revision des (im vorliegenden Verfahren) Mitbeteiligten, die sich gegen die Bestätigung der Spruchpunkte I. bis III. des Straferkenntnisses richtet, sei auf das hg. Erkenntnis vom heutigen Tag, Ra 2018/11/0111, verwiesen.

6 Die belangte Behörde erstattete eine Revisionsbeantwortung mit dem Antrag, die vorliegende Revision zuzulassen. 7 Zur Zulässigkeit der Revision brachte die revisionswerbende Abgabenbehörde vor, es fehle Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs dazu, ob sowohl eine Bestrafung für die Nichtbereithaltung von Unterlagen als auch eine Bestrafung für die Nichtübermittlung derselben nach § 27 LSD-BG nebeneinander zulässig sei.

8 Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

9 Die Revisionslegitimation ergibt sich aus § 32 Abs. 1 Z 1 LSD-BG. Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG aus dem in ihr genannten Grund zulässig.

Sie ist auch begründet.

10 Die maßgeblichen Bestimmungen des Lohn- und Sozialdumping-Bekämpfungsgesetzes (LSD-BG) BGBl. I Nr. 44/2016, idF BGBl. I Nr. 64/2017, lauten:

"Erhebungen der Abgabenbehörden§ 12. (1) Die Abgabenbehörden sind berechtigt, das Bereithalten der Unterlagen nach den § 21 und 22 zu überwachen sowie in Bezug auf Arbeitnehmer mit gewöhnlichem Arbeitsort außerhalb Österreichs, die nicht dem ASVG unterliegen, die zur Kontrolle des unter Beachtung der jeweiligen Einstufungskriterien zustehenden Entgelts (Lohnkontrolle) im Sinne des § 29 erforderlichen Erhebungen durchzuführen und

...

3. in die zur Erhebung erforderlichen Unterlagen (§§ 21 und 22) Einsicht zu nehmen, Ablichtungen dieser Unterlagen anzufertigen und die Übermittlung dieser Unterlagen zu fordern, wobei die Unterlagen bis zum Ablauf des der Aufforderung zweitfolgenden Werktages abzusenden sind. Erfolgt bei innerhalb eines Arbeitstages wechselnden Arbeits(Einsatz)orten die Kontrolle nicht am ersten Arbeits(Einsatz)ort, sind die Unterlagen der Abgabenbehörde nachweislich zu übermitteln, wobei die Unterlagen bis zum Ablauf des der Aufforderung zweitfolgenden Werktages abzusenden sind. Für die Übermittlung gebührt kein Ersatz der Aufwendungen.

...

Bereithaltung von Meldeunterlagen, Sozialversicherungsunterlag

en und behördlicher Genehmigung

§ 21. ...

(3) Der Beschäftiger hat für jede überlassene Arbeitskraft für die Dauer der Überlassung folgende Unterlagen am Arbeits(Einsatz)ort im Inland bereitzuhalten oder diese den Abgabebehörden oder der Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungskasse unmittelbar vor Ort und im Zeitpunkt der Erhebung in elektronischer Form zugänglich zu machen:

1. Unterlagen über die Anmeldung der Arbeitskraft zur Sozialversicherung (Sozialversicherungsdokument E 101 oder A 1), sofern für die überlassene Arbeitskraft keine Sozialversicherungspflicht in Österreich besteht; kann der Überlasser zum Zeitpunkt der Erhebung durch Nachweise in deutscher Sprache belegen, dass ihm die Erwirkung der Ausstellung dieser Dokumente durch den zuständigen Sozialversicherungsträger vor der Überlassung nicht möglich war, sind gleichwertige Unterlagen in deutscher Sprache (Antrag auf Ausstellung des Sozialversicherungsdokuments E 101 oder A 1; Bestätigung des zuständigen Sozialversicherungsträgers, dass der Arbeitnehmer für die Dauer der Überlassung der ausländischen Sozialversicherung unterliegt) bereitzuhalten;

2. die Meldung gemäß § 19 Abs. 1 und 4;

...

Bereithaltung von Lohnunterlagen

§ 22. (1) Arbeitgeber im Sinne der § 3 Abs. 2, 8 Abs. 1 oder 19 Abs. 1 haben während der Dauer der Beschäftigung (im Inland) oder des Zeitraums der Entsendung insgesamt (§ 19 Abs. 3 Z 6) den Arbeitsvertrag oder Dienstzettel im Sinne der Richtlinie 91/533 des Rates über die Pflicht des Arbeitgebers zur Unterrichtung des Arbeitnehmers über die für seinen Arbeitsvertrag oder sein Arbeitsverhältnis geltenden Bedingungen, Lohnzettel, Lohnzahlungsnachweise oder Banküberweisungsbelege, Lohnaufzeichnungen, Arbeitszeitaufzeichnungen und Unterlagen betreffend die Lohneinstufung zur Überprüfung des dem entsandten Arbeitnehmer für die Dauer der Beschäftigung nach den österreichischen Rechtsvorschriften gebührenden Entgelts in deutscher Sprache, ausgenommen den Arbeitsvertrag, am Arbeits(Einsatz)ort bereitzuhalten oder diese den Abgabebehörden oder der Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungskasse unmittelbar vor Ort und im Zeitpunkt der Erhebung in elektronischer Form zugänglich zu machen, auch wenn die Beschäftigung des einzelnen Arbeitnehmers in Österreich früher geendet hat. Der Arbeitsvertrag ist entweder in deutscher oder in englischer Sprache bereitzuhalten. Bei innerhalb eines Arbeitstages wechselnden Arbeits(Einsatz)orten sind die Lohnunterlagen am ersten Arbeits(Einsatz)ort bereitzuhalten oder in elektronischer Form zugänglich zu machen. Ein Beschäftiger, der einen Arbeitnehmer zu einer Arbeitsleistung nach Österreich entsendet, gilt in Bezug auf die Verpflichtung nach dieser Bestimmung als Arbeitgeber.

§ 21 Abs. 2 findet sinngemäß Anwendung.

...

(2) Bei einer grenzüberschreitenden Arbeitskräfteüberlassung trifft die Verpflichtung zur Bereithaltung der Lohnunterlagen nach Abs. 1 den inländischen Beschäftiger. Der Überlasser hat dem Beschäftiger die Lohnunterlagen nach Abs. 1 nachweislich bereitzustellen.

...

Verstöße im Zusammenhang mit den Melde- und Bereithaltungspflichten bei Entsendung oder Überlassung

§ 26. ...

(2) Wer als Beschäftiger im Falle einer grenzüberschreitenden Arbeitskräfteüberlassung die erforderlichen Unterlagen entgegen § 21 Abs. 3 nicht bereithält oder zugänglich macht, begeht eine Verwaltungsübertretung und ist von der Bezirksverwaltungsbehörde für jeden Arbeitnehmer mit Geldstrafe von 500 Euro bis 5.000 Euro, im Wiederholungsfall von 1.000 Euro bis 10.000 Euro zu bestrafen.

Vereitelungshandlungen im Zusammenhang mit der Lohnkontrolle

§ 27. (1) Wer die erforderlichen Unterlagen entgegen den § 12 Abs. 1 Z 3 nicht übermittelt, begeht eine Verwaltungsübertretung und ist von der Bezirksverwaltungsbehörde für jeden Arbeitnehmer mit Geldstrafe von 500 Euro bis 5 000 Euro, im Wiederholungsfall von 1 000 Euro bis 10 000 Euro zu bestrafen. Ebenso ist zu bestrafen, wer entgegen den § 14 Abs. 2 oder 15 Abs. 2 die Unterlagen nicht übermittelt.

...

Nichtbereithalten der Lohnunterlagen

§ 28. Wer als

...

3. Beschäftiger im Falle einer grenzüberschreitenden Arbeitskräfteüberlassung entgegen § 22 Abs. 2 die Lohnunterlagen nicht bereithält

begeht eine Verwaltungsübertretung und ist von der Bezirksverwaltungsbehörde für jeden Arbeitnehmer mit einer Geldstrafe von 1 000 Euro bis 10 000 Euro, im Wiederholungsfall von 2 000 Euro bis 20 000 Euro, sind mehr als drei Arbeitnehmer betroffen, für jeden Arbeitnehmer mit einer Geldstrafe von 2 000 Euro bis 20 000 Euro, im Wiederholungsfall von 4 000 Euro bis 50 000 Euro zu bestrafen.

...

Parteistellung in Verwaltungs(straf)verfahren

§ 32. (1) Parteistellung in Verwaltungs(straf)verfahren hat:

1. nach den § 26, 27 Abs. 1, 2 oder 3, 28 die Abgabenbehörde, in den Fällen des § 29 Abs. 1 in Verbindung mit § 13 das Kompetenzzentrum LSDB,

...

auch wenn die Anzeige nicht durch die in den Z 1 bis 3 genannten Einrichtungen erfolgt. Diese können gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde Beschwerde beim Verwaltungsgericht und gegen das Erkenntnis oder den Beschluss eines Verwaltungsgerichts Revision beim Verwaltungsgerichtshof erheben."

11 Bereits das Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz (AVRAG), BGBl. Nr. 459/1993 idF BGBl. I Nr. 152/2015, enthielt folgende Bestimmungen, die die Nicht-Übermittlung von Unterlagen nach Aufforderung durch die Abgabenbehörden pönalisierten:

"Ansprüche gegen ausländische Arbeitgeber/innen mit Sitz in einem EU- oder EWR-Mitgliedstaat

§ 7b. ...

...

(5) Arbeitgeber/innen im Sinne des Abs. 1 haben, sofern für den/die entsandten Arbeitnehmer/innen in Österreich keine Sozialversicherungspflicht besteht, Unterlagen über die Anmeldung des Arbeitnehmers oder der Arbeitnehmerin zur Sozialversicherung (Sozialversicherungsdokument E 101 nach der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71, Sozialversicherungsdokument A 1 nach der Verordnung (EG) Nr. 883/04) sowie eine Abschrift der Meldung gemäß den Abs. 3 und 4 am Arbeits(Einsatz)ort im Inland bereitzuhalten oder diese den Organen der Abgabebehörden oder der Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungskasse unmittelbar vor Ort in elektronischer Form zugänglich zu machen. Sofern für die Beschäftigung der entsandten Arbeitnehmer/innen im Sitzstaat des/der Arbeitgebers/Arbeitgeberin eine behördliche Genehmigung erforderlich ist, ist auch die Genehmigung bereitzuhalten. Bei innerhalb eines Arbeitstages wechselnden Arbeits(Einsatz)orten sind die erforderlichen Unterlagen am ersten Arbeits(Einsatz)ort bereitzuhalten oder in elektronischer Form zugänglich zu machen. Ist die Bereithaltung oder Zugänglichmachung der Unterlagen am Arbeits(Einsatz)ort nicht zumutbar, sind die Unterlagen jedenfalls im Inland bereitzuhalten und der Abgabenbehörde auf Verlangen nachweislich zu übermitteln, wobei die Unterlagen bis einschließlich des der Aufforderung zweitfolgenden Werktags abzusenden sind. Für die Übermittlung gebührt kein Ersatz der Aufwendungen.

...

(8) Wer als Arbeitgeber/in im Sinne des Abs. 1

...

3. die erforderlichen Unterlagen entgegen Abs. 5 nicht bereithält oder den Organen der Abgabebehörden oder der Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungskasse vor Ort nicht unmittelbar zugänglich macht oder

4. die erforderlichen Unterlagen entgegen Abs. 5 oder § 7h Abs. 2 nicht übermittelt,

begeht eine Verwaltungsübertretung und ist von der Bezirksverwaltungsbehörde für jede/n Arbeitnehmer/in mit Geldstrafe von 500 Euro bis 5 000 Euro, im Wiederholungsfall von 1 000 Euro bis 10 000 Euro zu bestrafen. Bei grenzüberschreitender Entsendung gilt die Verwaltungsübertretung als in dem Sprengel der Bezirksverwaltungsbehörde begangen, in dem der Arbeits(Einsatz)ort der nach Österreich entsandten Arbeitnehmer/innen liegt, bei wechselnden Arbeits(Einsatzorten) am Ort der Kontrolle.

...

Verpflichtung zur Bereithaltung von Lohnunterlagen

§ 7d. (1) Arbeitgeber/innen im Sinne der § 7, 7a Abs. 1 oder 7b Abs. 1 und 9 haben während des Zeitraums der Entsendung insgesamt (§ 7b Abs. 4 Z 6) den Arbeitsvertrag oder Dienstzettel (§ 7b Abs. 1 Z 4), Lohnzettel, Lohnzahlungsnachweise oder Banküberweisungsbelege, Lohnaufzeichnungen, Arbeitszeitaufzeichnungen und Unterlagen betreffend die Lohneinstufung zur Überprüfung des dem/der entsandten Arbeitnehmers/in für die Dauer der Beschäftigung nach den österreichischen Rechtsvorschriften gebührenden Entgelts in deutscher Sprache am Arbeits(Einsatz)ort bereitzuhalten, auch wenn die Beschäftigung des/der einzelnen Arbeitnehmers/in in Österreich früher geendet hat. Bei innerhalb eines Arbeitstages wechselnden Arbeits(Einsatz)orten sind die Lohnunterlagen am ersten Arbeits(Einsatz)ort bereitzuhalten. Ist die Bereithaltung der Unterlagen am Arbeits(Einsatz)ort nicht zumutbar, sind die Unterlagen jedenfalls im Inland bereitzuhalten und der Abgabenbehörde auf Aufforderung nachweislich zu übermitteln, wobei die Unterlagen bis zum Ablauf des der Aufforderung zweitfolgenden Werktags abzusenden sind. Für die Übermittlung gebührt kein Ersatz der Aufwendungen.

(2) Bei einer grenzüberschreitenden Arbeitskräfteüberlassung trifft die Verpflichtung zur Bereithaltung der Lohnunterlagen den/die inländische/n Beschäftiger/in. Der/Die Überlasser/in hat dem/der Beschäftiger/in die Unterlagen nachweislich bereitzustellen.

...

Erhebungen der Abgabenbehörden

§ 7f. (1) Die Organe der Abgabenbehörden sind berechtigt, das Bereithalten der Unterlagen nach § 7b Abs. 5 und 7d zu überwachen sowie die zur Kontrolle des dem/der nicht dem ASVG unterliegenden Arbeitnehmer/in unter Beachtung der jeweiligen Einstufungskriterien zustehenden Entgelts im Sinne des § 7i Abs. 5 erforderlichen Erhebungen durchzuführen und

...

3. in die zur Erhebung erforderlichen Unterlagen (§§ 7b Abs. 5 und 7d) Einsicht zu nehmen, Abschriften dieser Unterlagen anzufertigen und die Übermittlung von Unterlagen zu fordern, wobei die Unterlagen bis zum Ablauf des der Aufforderung zweitfolgenden Werktags abzusenden sind. Erfolgt bei innerhalb eines Arbeitstages wechselnden Arbeits(Einsatz)orten die Kontrolle nicht am ersten Arbeits(Einsatz)ort, sind die Unterlagen der Abgabenbehörde nachweislich zu übermitteln, wobei die Unterlagen bis zum Ablauf des der Aufforderung zweitfolgenden Werktags abzusenden sind. Für die Übermittlung gebührt kein Ersatz der Aufwendungen.

...

Strafbestimmungen

§ 7i. (1) Wer die erforderlichen Unterlagen entgegen § 7d Abs. 1 oder § 7f Abs. 1 Z 3 nicht übermittelt, begeht eine Verwaltungsübertretung und ist von der Bezirksverwaltungsbehörde für jede/n Arbeitnehmer/in mit Geldstrafe von 500 Euro bis 5 000 Euro, im Wiederholungsfall von 1 000 Euro bis 10 000 Euro zu bestrafen. Ebenso ist zu bestrafen, wer entgegen § 7g Abs. 2 oder § 7h Abs. 2 die Unterlagen nicht übermittelt.

...

(4) Wer als

1. Arbeitgeber/in im Sinne der § 7, 7a Abs. 1 oder 7b Abs. 1 und 9 entgegen § 7d die Lohnunterlagen nicht bereithält, oder

2. Überlasser/in im Falle einer grenzüberschreitenden Arbeitskräfteüberlassung nach Österreich entgegen § 7d Abs. 2 die Lohnunterlagen dem/der Beschäftiger/in nicht nachweislich bereitstellt, oder

3. Beschäftiger/in im Falle einer grenzüberschreitenden Arbeitskräfteüberlassung entgegen § 7d Abs. 2 die Lohnunterlagen nicht bereithält

begeht eine Verwaltungsübertretung und ist von der Bezirksverwaltungsbehörde für jede/n Arbeitnehmer/in mit einer Geldstrafe von 1 000 Euro bis 10 000 Euro, im Wiederholungsfall von 2 000 Euro bis 20 000 Euro, sind mehr als drei Arbeitnehmer/innen betroffen, für jede/n Arbeitnehmer/in von 2 000 Euro bis 20 000 Euro, im Wiederholungsfall von 4 000 Euro bis 50 000 Euro zu bestrafen.

..."

12 In den Revisionsgründen wird vorgebracht, die Rechtsansicht des Verwaltungsgerichts sei verfehlt, da es sich um zwei unabhängige Verpflichtungen handle: Aus § 21 und 22 LSD-BG ergebe sich, welche Unterlagen am Einsatzort bereitzuhalten seien. Unabhängig davon sei das sich aus § 12 LSD-BG ergebende Recht der Abgabenbehörden zu sehen, sich diese Unterlagen übermitteln zu lassen. Der Schutzzweck beider Bestimmungen (Gebot der Bereithaltung und Gebot der Übermittlung) bestehe in der Überprüfbarkeit der ordentlichen Entlohnung von nach Österreich entsandten oder überlassenen Dienstnehmern. Die Aufgabe der dazu berufenen Behörden sei es, die Einhaltung der Normen zu überprüfen, um gegebenenfalls Maßnahmen treffen zu können. Jedoch seien diese Gebote nicht einander ausschließend, sondern in entsprechender Kombination zu sehen. Sollte mangels Bereithaltung die Lohnüberprüfung nicht möglich sein, werde diese das Entsende- /Überlassungsunternehmen bzw. der Beschäftigter durch die Übermittlung zu ermöglichen haben. Es wäre nicht zielführend, bei nicht bereitgehaltenen Unterlagen nur deren Nichtvorlage sanktionieren zu dürfen, weil dadurch alleine der Zweck der Schutzbestimmungen nicht erreicht werden könne. Auch sei der Rechtsansicht des Verwaltungsgerichts, es liege eine Scheinkonkurrenz vor, zu entgegnen, dass es sich nach dem Gesetzeswortlaut nicht um einander ausschließende Gebote handle. Das Doppelbestrafungsverbot könne schon aufgrund der völlig unterschiedlichen Textierung der beiden Gebote nicht greifen. Während das eine das Bereithalten von Unterlagen während einer Amtshandlung betreffe, werde im anderen die Übermittlung von Unterlagen normiert. Es liege keine scheinbare Gesetzeskonkurrenz vor, sondern ein Fall echter Konkurrenz, da verschiedene "Unwertsebenen" vorlägen. Allenfalls könne es am Verschulden mangeln, wenn der Beschäftiger die Unterlagen trotz entsprechenden Bemühens nicht erhalten habe und es ihm nicht möglich gewesen sei, diese binnen der Zweitagesfrist zu übermitteln. Dies sei aber im vorliegenden Fall weder behauptet noch festgestellt worden.

Damit zeigt die Revision im Ergebnis eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Erkenntnisses auf.

13 In seinem Erkenntnis vom , Ra 2017/11/0233, hielt der Verwaltungsgerichtshof fest, aus der Feststellung eines Verstoßes gegen die in den § 7b Abs. 5 und 7d Abs. 1 AVRAG umschriebene Bereithaltungspflicht folge nicht,

"29 ... dass eine auf § 7f Abs. 1 Z 3 AVRAG gestützte Aufforderung der Abgabenbehörde, die bisher nicht zur Kontrolle bereitgehaltenen bzw. vorgelegten Unterlagen zu übermitteln, ausgeschlossen wäre. Aus der Sicht der Abgabenbehörde handelt es sich bei den bereitzuhaltenden Unterlagen um solche, die für die Beurteilung der Einhaltung der Vorschriften über den den Arbeitnehmern zustehenden Lohn von besonderer Bedeutung sind. Es gibt angesichts des Wortlauts des § 7f Abs. 1 Z 3 AVRAG keinen Grund, die genannten Unterlagen nicht zu den in der Wendung "die Übermittlung von Unterlagen zu fordern" angesprochenen Unterlagen zu zählen. Auch dann, wenn die Bereithaltung derselben am Arbeits(Einsatz)ort zumutbar war und der Arbeitgeber mit der Erschwerung der Kontrolle durch Nichtbereithaltung bereits das Tatbild einer Verwaltungsübertretung (im Revisionsfall: sowohl einer Übertretung des § 7b Abs. 5 erster Satz AVRAG als auch einer des § 7d Abs. 1 AVRAG) verwirklicht hat, bleibt die in § 7f Abs. 1 AVRAG zum Ausdruck kommende Kontrollverpflichtung der Abgabenbehörde bestehen, weshalb davon auszugehen ist, dass ein Arbeitgeber unbeschadet der Begehung einer Verwaltungsübertretung wegen Nichtbereithaltung der Unterlagen ein weiteres strafbares Verhalten setzt, wenn er durch Nichtübermittlung der gemäß § 7f Abs. 1 Z 3 AVRAG abverlangten Unterlagen die Kontrolle vereitelt.

...

31 Die Verpflichtung zur Übermittlung der verlangten Unterlagen reicht allerdings nur so weit, als diese existieren oder ihre Beschaffung zumutbar ist (vgl. zur erforderlichen Verhältnismäßigkeit der Kontrollmaßnahmen auch Art. 9 Abs. 1

der ... Richtlinie 2014/67/EU)."

14 Nichts anderes kann für die dem Revisionsfall

zugrundeliegende Bestimmung des § 12 Abs. 1 Z 3 LSD-BG - die im Wesentlichen gleich formulierte Nachfolgebestimmung des § 7f Abs. 1 Z 3 AVRAG - gelten. Das LSD-BG verfolgt denselben Zweck wie bereits die § 7b ff AVRAG, nämlich die Sicherstellung einer Mindestentlohnung der nach Österreich entsandten oder überlassenen Arbeitnehmer und in weiterer Folge die Hintanhaltung von Lohn- und Sozialdumping. Zusätzlich zur Verpflichtung, den entsprechenden Mindestlohn zu entrichten, enthält das LSD-BG weitere Verpflichtungen des Arbeitgebers, die als - im Sinne der in Art. 9 Abs. 1 erster Satz der Richtlinie 2014/67/EU (zur Durchsetzung der Richtlinie 96/71/EG über die Entsendung von Arbeitnehmern im Rahmen der Erbringung von Dienstleistungen) - notwendige, wirksame und verhältnismäßige Kontrollmaßnahmen (vgl. erneut zu den § 7b ff AVRAG , mwN) anzusehen sind.

15 Auch im vorliegenden Fall schließt daher ein Verstoß des Arbeitgebers bzw. des Beschäftigers gegen die Bereithaltungspflicht nicht die daran anschließende Verpflichtung aus, die Unterlagen über behördliche Aufforderung zu übermitteln. Nur die tatsächliche Sichtung dieser Dokumente kann den Zweck des LSD-BG sicherstellen, weswegen es im Sinne dieses Gesetzes ist, dass Unterlagen (sofern sie existieren und ihre Beschaffung auch zumutbar ist) der Behörde übermittelt werden müssen, damit die Einhaltung sämtlicher Bestimmungen überprüft werden kann. 16 Da das angefochtene Erkenntnis keine Feststellungen dahin enthält, dass die für die betroffenen Arbeitnehmer abverlangten Dokumente nicht existierten oder ihre Beschaffung unzumutbar gewesen wäre (vgl. nochmals das zitierte Erkenntnis Ra 2017/11/0233), erweist sich die Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts, der Mitbeteiligte könne wegen der Nichtübermittlung dieser Dokumente nicht bestraft werden, als rechtswidrig.

17 Das angefochtene Erkenntnis war daher im angefochtenen Umfang (Aufhebung der Spruchpunkte IV. und V. des Straferkenntnisses der belangten Behörde) infolge Rechtswidrigkeit des Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben. 18 Im fortzusetzenden Verfahren werden überdies die Urteile des Gerichtshofs der Europäischen Union vom , Rs. C-64/18, Maksimovic, und vom , Rs. C-645/18, NE, zu beachten sein. Wie der Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom , Ra 2019/11/0033 und 0034, bereits ausgesprochen hat, zieht eine Verletzung der Bereitstellungspflicht hinsichtlich mehrerer Arbeitnehmer nur mehr eine einzige Strafe nach sich, da dies zwingende Rechtsfolge des Erfordernisses ist, die Unionsrechtskonformität bei möglichst weitgehender Erhaltung des nationalen Rechts herzustellen. Dies gilt auch für die Anwendung des vorliegend relevanten § 27 Abs. 1 LSD-BG (siehe hierzu E 2893-2896, mwN).

Wien, am

Zusatzinformationen


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ECLI:
ECLI:AT:VWGH:2020:RA2018110110.L00
Schlagworte:
Gemeinschaftsrecht Richtlinie EURallg4

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