VwGH vom 18.06.2014, 2013/01/0120
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stöberl und die Hofräte Dr. Blaschek und Dr. Kleiser als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag.a Pitsch, über die Beschwerde des G M A in W, vertreten durch Dr. Georg Rihs, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Schottenring 16/246, gegen den Bescheid der Wiener Landesregierung, vom , Zl. MA 35/IV - M 304/2009, betreffend Staatsbürgerschaft, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Land Wien Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem angefochtenen Bescheid vom wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers, eines iranischen Staatsangehörigen, vom auf Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft gemäß § 10 Abs. 1 Z. 6 Staatsbürgerschaftsgesetz 1985 (StbG) ab.
Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, der Beschwerdeführer sei anerkannter Konventionsflüchtling, halte sich seit August 2001 im Bundesgebiet auf und sei als Angestellter beschäftigt.
Im Rahmen des Ermittlungsverfahrens (Auskünfte der Landespolizeidirektion Wien vom und vom ) seien zahlreiche - im einzelnen angeführte - Verwaltungsübertretungen (verwaltungspolizeiliche Vormerkungen) erhoben worden. Diesen Verwaltungsübertretungen seien folgende Sachverhalte zu Grunde gelegen:
Am habe der Beschwerdeführer mit einem Kraftfahrzeug eine auf der Fahrbahn angebrachte Sperrlinie überfahren. Am habe er als Lenker eines Kraftfahrzeuges die zulässige Höchstgeschwindigkeit im Ortsgebiet von 50 km/h um 14 km/h überschritten; gleichfalls habe er am die kundgemachte Höchstgeschwindigkeit von 30 km/h um 13 km/h und am die im Ortsgebiet zulässige Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h um 20 km/h überschritten.
Am habe der Beschwerdeführer mit einem Kraftfahrzeug das vor der Kreuzung aufgestellte Vorrangzeichen "Halt" nicht beachtet, weil er ohne das Fahrzeug anzuhalten, in die Kreuzung eingefahren sei.
Am habe er als Zulassungsbesitzer eines Motorrades Übertretungen des KFG begangen, weil die Bereifung nicht mehr die erforderliche Mindestprofiltiefe aufgewiesen und am Fahrzeug eine entsprechende Begutachtungsplakette nicht angebracht gewesen sei; gleichfalls habe er am als Zulassungsbesitzer nicht dafür gesorgt, dass auf dem verwendeten Fahrzeug eine vorschriftsgemäße Begutachtungsplakette angebracht gewesen sei.
Am habe der Beschwerdeführer ein Kraftfahrzeug in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand mit einem Atemluftalkoholgehalt von 0,41 mg/l gelenkt (Übertretung der §§ 5 Abs. 1 iVm 99 Abs. 1b StVO). Wegen dieser Übertretung sei dem Beschwerdeführer die Lenkberechtigung für die Klassen A und B von 23. August bis entzogen, das Lenken von Motorfahrrädern, vierrädrigen Leichtkraftfahrzeugen oder Invalidenfahrzeugen verboten und ihm aufgetragen worden, sich einem "Verkehrscoaching" zu unterziehen.
Im vorliegenden Fall seien bei entsprechend der Judikatur vorzunehmenden "materiellen Persönlichkeitsprüfung" neben den festgestellten Rechtsverletzungen auch positive Umstände wie die langjährige Aufenthaltsdauer zu berücksichtigen, doch würden die negativen Umstände, die sich aus den regelmäßigen und zahlreichen Verwaltungsübertretungen der Straßenverkehrsordnung und des KFG 1967 ergäben, überwiegen. Mit entsprechender Wahrscheinlichkeit könne nicht davon ausgegangen werden, dass der Beschwerdeführer künftig weitere derartige Rechtsverletzungen nicht begehen werde. Die der Bestrafung wegen Übertretung des § 5 Abs. 1 StVO iVm § 99 Abs. 1 lit. b StVO zu Grunde liegende Tathandlung der Inbetriebnahme eines Fahrzeuges unter Beeinträchtigung durch Alkohol am stelle die Verletzung einer Schutznorm dar, die der Sicherheit des Straßenverkehrs diene und bereits die Verneinung des Wohlverhaltens im Sinne des § 10 Abs. 1 Z. 6 StbG rechtfertige. Eine positive Zukunftsprognose könne derzeit nicht erstellt werden. Daher bestehe das Einbürgerungshindernis gemäß § 10 Abs. 1 Z. 6 StbG.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig als unbegründet abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Vorauszuschicken ist, dass es sich vorliegend um keinen Übergangsfall nach dem VwGbk-ÜG handelt und somit gemäß § 79 Abs. 11 letzter Satz VwGG die bis zum Ablauf des geltenden Bestimmungen des VwGG weiter anzuwenden sind.
Gemäß § 10 Abs. 1 Z. 6 des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1985 in der hier maßgeblichen Fassung BGBl. I Nr. 38/2011 (StbG), darf einem Fremden, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, die Staatsbürgerschaft nur verliehen werden, wenn er nach seinem bisherigen Verhalten Gewähr dafür bietet, dass er zur Republik bejahend eingestellt ist und weder eine Gefahr für die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit darstellt noch andere in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannte öffentliche Interessen gefährdet.
Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist bei der Prüfung der Verleihungsvoraussetzung des § 10 Abs. 1 Z. 6 StbG auf das Gesamtverhalten des Verleihungswerbers, insbesondere auch auf von ihm begangene Straftaten, Bedacht zu nehmen. Maßgebend ist, dass es sich dabei um Rechtsbrüche handelt, die den Schluss rechtfertigen, der Verleihungswerber werde auch in Zukunft wesentliche, zum Schutz vor Gefahren für das Leben, die Gesundheit, die Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung - oder andere in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannte Rechtsgüter - erlassene Vorschriften missachten. In der Art, der Schwere und der Häufigkeit solcher Verstöße kommt die - allenfalls negative - Einstellung des Betreffenden gegenüber den zur Hintanhaltung solcher Gefahren erlassenen Gesetzen zum Ausdruck (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2013/01/0172, mwN).
Fallbezogen hat die belangte Behörde die Abweisung des Verleihungsansuchens des Beschwerdeführers gemäß § 10 Abs. 1 Z. 6 StbG auf die in der Begründung des angefochtenen Bescheides näher bezeichneten Übertretungen der Straßenverkehrsordnung und des KFG in einem Zeitraum von etwa drei Jahren (Juni 2009 bis August 2012) gestützt, wobei die belangte Behörde bereits die zuletzt im August 2012 begangene Übertretung der Inbetriebnahme eines Kraftfahrzeuges unter Beeinträchtigung durch Alkohol für ausreichend erachtete, die negative Zukunftsprognose zu rechtfertigen.
Der Beschwerdeführer rügt das Ermittlungsverfahren als mangelhaft, weil die belangte Behörde trotz seines substantiierten Vorbringens "keine Nachforschungen zu den Tätern der Verwaltungsdelikte" angestellt, sich mit den vorgehaltenen Delikten nicht im Detail auseinandergesetzt und zum Grad seiner Alkoholisierung keine Ermittlungen angestellt habe. Er sei nämlich nur für zwei Verkehrsdelikte (persönlich) verantwortlich und nur "leicht" alkoholisiert gewesen.
Mit diesem Vorbringen zeigt der Beschwerdeführer keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf:
Die belangte Behörde hat dem Beschwerdeführer die ermittelten Übertretungen der Straßenverkehrsordnung und des KFG vorgehalten und ihm mit Schreiben vom und vom dazu Parteiengehör eingeräumt. Zur mit Schreiben vom u. a. auch vorgehaltenen Übertretung der Inbetriebnahme eines Kraftfahrzeuges unter Beeinträchtigung durch Alkohol hat der Beschwerdeführer jedoch keine Stellungnahme abgegeben.
Soweit der Beschwerdeführer nunmehr das den Verwaltungsübertretungen zu Grunde liegende Verhalten hinsichtlich seiner "Verantwortlichkeit" bzw. Täterschaft und das Ausmaß seiner Alkoholisierung in Zweifel zieht, ist zu erwidern, dass das Verfahren zur Verleihung der Staatsbürgerschaft keinen Raum bietet, ein rechtskräftig abgeschlossenes Strafverfahren neu aufzurollen (vgl. die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 2013/01/0172; und vom , Zl. 2013/01/0133, mwN).
Insoweit die Beschwerde rügt, die belangte Behörde hätte sich mit dem konkreten Verhalten des Beschwerdeführers, das seinen Verwaltungsstrafen zu Grunde gelegen sei, auseinandersetzen müssen, ist darauf hinzuweisen, dass die konkreten Tatumstände in der im angefochtenen Bescheid enthaltenen Aufzählung der rechtskräftigen Verwaltungsübertretungen ausreichend enthalten sind. Insoweit das Fehlen von "näheren Umständen" der Verwaltungsdelikte gerügt wird, vermag die Beschwerde auch nicht darzutun, welche Umstände die Schwere der Delikte mildern sollen. Davon ausgehend ist nicht ersichtlich, welche konkrete "Ergänzung" des Sachverhaltes bzw. der Feststellungen zu einem für den Beschwerdeführer günstigeren Ergebnis hätten führen können. Die behaupteten Verfahrensfehler (deren Relevanz die Beschwerde nicht darstellt) liegen daher nicht vor.
Der Beschwerdeführer macht - unter dem Gesichtspunkt einer inhaltlichen Rechtswidrigkeit - geltend, er habe nur geringfügige Verkehrsdelikte begangen. Seine Alkoholisierung sei bloß gering bzw. leicht gewesen, das Ausmaß einer schweren Alkoholisierung von 1,4 Promille habe er nicht erreicht. Er habe sich seither (also etwa 12 Monate bis zur Bescheiderlassung) wohlverhalten. Die negative Zukunftsprognose der belangten Behörde sei daher nicht gerechtfertigt.
Auch mit diesem Vorbringen zeigt die Beschwerde keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf:
Der Beschwerdeführer wurde im Jahr 2012 einer Übertretung des § 5 Abs. 1 StVO iVm § 99 Abs. 1 lit. b StVO dahin für schuldig befunden, er habe am (in Wien) ein Kraftfahrzeug gelenkt und sich bei dieser Fahrt in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand mit einem Atemluftalkoholgehalt von 0,41 mg/l befunden. Diese Verhaltensweise war ihrer Art und Schwere nach ausreichend für eine negative Prognose. Das Lenken eines Kraftfahrzeuges in alkoholisiertem Zustand stellt ein die Sicherheit anderer Verkehrsteilnehmer in besonderem Maß gefährdendes Verhalten dar. Der belangten Behörde ist darin zuzustimmen, dass der Beschwerdeführer schon auf Grund dieses schwerwiegenden Fehlverhaltens im Straßenverkehr die Verleihungsvoraussetzung nach § 10 Abs. 1 Z. 6 StbG nicht erfüllt (vgl. dazu die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 2006/01/0032; und vom , Zl. 2005/01/0309), wobei es auf den Grad der Alkoholisierung nicht entscheidend ankommt (vgl. in diesem Sinn das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2009/01/0034).
Insoweit der Beschwerdeführer zu seiner Alkoholisierung relativierend vorbringt, diese sei "zu gering" bzw. "nur leicht" gewesen, ist darauf hinzuweisen, dass er aber wegen dieser Alkoholisierung einer Übertretung der §§ 5 Abs. 1 iVm 99 Abs. 1b StVO für schuldig befunden, ihm die Lenkerberechtigung vom 23. August bis entzogen und ihm die Teilnahme an einem Verkehrscoaching auferlegt wurde. Aus dem Umstand, dass der von der Beschwerde ins Treffen geführte Alkoholgehalt seiner Atemluft nicht festgestellt bzw. erreicht wurde, ist für den Beschwerdeführer nichts zu gewinnen.
Auch überschritt der Beschwerdeführer schon vor dem Lenken des Kraftfahrzeuges in alkoholisiertem Zustand, nämlich im Juni und Juli 2009 sowie im März 2011 im Stadtgebiet von Wien die erlaubte Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h um 14 km/h, bzw. von 30 km/h um 13 km/h und von 50 km/h um 20 km/h. Auch diese (dreimal begangenen) Überschreitungen der zulässigen Höchstgeschwindigkeit im Ortsgebiet und auch die im Jänner 2011 begangene Übertretung des Nichtbeachtens des vor der Kreuzung aufgestellten Vorrangzeichens "Halt" sind als gravierende Verstöße gegen die Straßenverkehrsordnung zu beurteilen (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2006/01/0032, mwN).
Im Zeitpunkt der Bescheiderlassung (Juli 2013) konnte - entgegen der Ansicht der Beschwerde - noch nicht von längerem Wohlverhalten des Beschwerdeführers seit dem zuletzt (August 2012) von ihm begangenen und für die negative Prognose als tragend angesehenen Fehlverhaltens ausgegangen werden.
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht gemäß § 79 Abs. 11 letzter Satz VwGG sowie § 3 Z. 1 der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014, BGBl. II Nr. 518/2013 idF BGBl. II Nr. 8/2014, auf den §§ 47 ff VwGG iVm § 1 der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.
Wien, am