VwGH vom 08.11.2005, 2005/17/0187

VwGH vom 08.11.2005, 2005/17/0187

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Puck und die Hofräte Dr. Holeschofsky, Dr. Köhler, Dr. Zens und Dr. Zehetner als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Schiffkorn, über die Beschwerde des WS in K, vertreten durch Hohenberg Strauss Buchbauer Rechtsanwälte GmbH in 8010 Graz, Hartenaugasse 6, gegen den Bescheid der Berufungskommission der Landeshauptstadt Graz vom , Zl. A8-K-41/2005-1, betreffend Vorschreibung eines Kanalisationsbeitrages, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Die Landeshauptstadt Graz hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer ist Miteigentümer eines in der Landeshauptstadt Graz gelegenen Wohnhauses. Mit seinem Miteigentum ist das Wohnungseigentum an einer im Dachraum dieses Hauses gelegenen Eigentumswohnung verbunden. Vor einer am erteilten Baubewilligung bestand diese Wohnung aus im ersten Dachgeschoß gelegenen bereits ausgebauten Räumlichkeiten sowie aus einem oberhalb derselben im Dachraum gelegenen Spitzboden.

Mit Bescheid des Stadtsenates der Landeshauptstadt Graz vom wurde u.a. dem Beschwerdeführer die Baubewilligung zum Umbau der genannten Wohnung erteilt. Die Baumaßnahmen umfassten einerseits Umbauten der im bereits ausgebauten ersten Dachgeschoß befindlichen Wohnräumlichkeiten sowie - darüber hinaus - den Ausbau eines Teiles des darüber gelegenen Spitzbodens im Ausmaß von 25,60 m2 als Abstellfläche.

Mit Bescheid des Stadtsenates der Landeshauptstadt Graz vom wurde dem Beschwerdeführer nach Durchführung der genannten Bauarbeiten die Benützungsbewilligung erteilt.

Mit Bescheid des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Graz vom wurde u.a. dem Beschwerdeführer gemäß §§ 2 und 4 des Steiermärkischen Kanalabgabengesetzes 1955, LGBl. Nr. 71 (im Folgenden: Stmk KanalAbgG 1955), für den Anschluss der genannten Liegenschaft an den öffentlichen Straßenkanal ein ergänzender Kanalisationsbeitrag in Höhe von EUR 12.688,17 vorgeschrieben. Die Abgabenvorschreibung errechne sich aus der neu verbauten Fläche von 1.114,46 m2, vervielfacht mit dem für Dachgeschoße geltenden Geschoßfaktor von 0,5 und dem Einheitssatz in Höhe von EUR 20,70. Unter Hinzurechnung der 10 %igen Mehrwertsteuer ergebe sich der Vorschreibungsbetrag.

Gegen diese Vorschreibung erhob der Beschwerdeführer Berufung. Die mit Bescheid vom bewilligten Baumaßnahmen hätten den Umbau der im (ersten) Dachgeschoß bestehenden Wohnung, den Einbau eines Dachflächenfensters und den Ausbau eines Teiles des über der Wohnung liegenden Spitzbodens im Ausmaß von 25,60 m2 als Abstellfläche umfasst. Letztere weise am höchsten Punkt eine Raumhöhe von 2,30 m auf und sei über eine leiterartige Stiege erreichbar. Die Kniestockhöhe betrage jedoch nicht einmal 1 m und sei auf Grund der Dachneigung die gegenständliche Räumlichkeit selbst als Abstellraum nur eingeschränkt benutzbar.

Für das Objekt sei bereits ein einmaliger Kanalisationsbeitrag in Vorschreibung gebracht und auch bezahlt worden. Dabei sei "selbstverständlich" auch das (erste) Dachgeschoß zur Verrechnung gelangt. Eine neu verbaute Fläche liege insofern nicht vor. Sollte unter neu verbauter Fläche freilich der Ausbau eines Teiles des Spitzbodens verstanden worden sein, so sei zunächst darauf zu verweisen, dass dieser nicht an die Kanalanlage angeschlossen sei. Ein Entsorgungsnutzen liege insofern nicht vor. Überdies erfülle der (ausgebaute) Spitzboden nicht die Begriffsdefinition des Geschoßes gemäß § 4 Z 33 des Steiermärkischen Baugesetzes, LGBl. Nr. 59/1995 (im Folgenden: Stmk BauG), weil er die hiefür geforderte Raumhöhe nicht erreiche. Gemäß § 67 Abs. 1 Stmk BauG müssten Aufenthaltsräume in Dachgeschoßen eine lichte Höhe von mindestens 2,3 m über mindestens der Hälfte ihrer Grundfläche aufweisen. Dies sei in Ansehung des gegenständlichen Abstellraumes jedoch nicht der Fall. Darüber hinaus wendete sich der Beschwerdeführer in seiner Berufung gegen die Ermittlung der Geschoßfläche des nach Auffassung der erstinstanzlichen Behörde geschaffenen zweiten Dachgeschoßes nach der verbauten Grundfläche.

Mit dem angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom wurde die Berufung des Beschwerdeführers gegen den erstinstanzlichen Abgabenbescheid vom als unbegründet abgewiesen.

In der Begründung dieses Bescheides ging die belangte Behörde davon aus, dass das am bewilligte Bauvorhaben den Umbau der im Dachgeschoß bestehenden Wohnung, den zusätzlichen Einbau eines Dachflächenfensters und den Ausbau eines Teiles des über der Wohnung liegenden Spitzbodens als Abstellfläche umfasst habe. Dem Einreichplan sei zu entnehmen, dass ausgehend vom Vorraum der Eigentumswohnung des Beschwerdeführers eine Aufstiegshilfe (Stiege) in einen abgegrenzten Bereich des Spitzbodens errichtet worden sei. Der ausgebaute Bereich werde im Einreichplan als "Abstellfläche Galerie" bezeichnet.

Nach Wiedergabe der angewendeten Gesetzesbestimmungen vertrat die belangte Behörde die Auffassung, durch die in Rede stehenden Baumaßnahmen sei ein zusätzliches (zweites) Dachgeschoß im Verständnis des § 4 Stmk KanalAbgG 1955 geschaffen worden. Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers seien die jeweiligen baurechtlichen Vorschriften für die Auslegung des Geschoßbegriffes des Stmk KanalAbgG 1955 nicht maßgeblich. Der in Rede stehende Abstellraum stelle somit ein oberstes Geschoß innerhalb eines Daches dar. Der Ergänzungsbeitrag sei daher nach der Formel "verbaute Grundfläche des Bestandsgebäudes mal Faktor des neu geschaffenen Geschoßes" zu errechnen gewesen. Für das neu geschaffene (zweite) Dachgeschoß gelte der Geschoßfaktor 0,5. Die Berechnung der erstinstanzlichen Behörde erweise sich daher als zutreffend. Anders als der Beschwerdeführer meint, komme es lediglich auf den Anschluss des Gebäudes, nicht aber auf den Anschluss des neu geschaffenen Geschoßes an die gemeindeeigene Kanalisationsanlage an.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof. Der Beschwerdeführer erachtet sich in seinem Recht darauf verletzt, dass die Vorschreibung eines ergänzenden Kanalisationsbeitrages unterbleibt, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen hiefür nicht gegeben sind. Er macht Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides mit dem Antrag geltend, ihn aus diesem Grunde aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift, in welcher sie die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Im Hinblick auf den Zeitpunkt der Erteilung der Benutzungsbewilligung (Dezember 2003) ist vorliegendenfalls das Stmk KanalAbgG 1955 in seiner Fassung vor der Novellierung durch das Landesgesetz LGBl. Nr. 81/2005 maßgeblich.

§ 2 Abs. 1 und 3 sowie § 4 Abs. 1 und 4 Stmk KanalAbgG 1955

in dieser Fassung lauteten (auszugsweise):

"Gegenstand der Abgabe.

§ 2.

(1) Der Kanalisationsbeitrag ist einmalig für alle Liegenschaften im Gemeindegebiete zu leisten, für welche eine gesetzliche Anschlusspflicht an das bereits bestehende öffentliche Kanalnetz besteht, ohne Rücksicht darauf, ob sie an das Kanalnetz tatsächlich angeschlossen sind oder nicht.

...

(3) Bei anschlusspflichtigen Neubauten und bei Zu-, Auf-, Ein- und Umbauten in anschlusspflichtigen Baulichkeiten nach dem Inkrafttreten dieses Gesetzes entsteht die Beitragspflicht mit der erstmaligen Benützung der Baulichkeit oder ihrer Teile. ...

...

Ausmaß.

§ 4.

(1) Die Höhe des Kanalisationsbeitrages bestimmt sich aus dem mit der verbauten Grundfläche (in Quadratmetern) mal Geschoßanzahl vervielfachten Einheitssatz (Abs. 2), wobei Dachgeschosse und Kellergeschosse je zur Hälfte eingerechnet werden; ...

...

(4) Bei Zu-, Auf-, Ein- und Umbauten von Baulichkeiten, für welche bereits ein Kanalisationsbeitrag entrichtet wurde, sind der Berechnung des ergänzenden Kanalisationsbeitrages (Ergänzungsbeitrag) lediglich die neuverbaute Fläche und die neuerrichteten Geschosse zu Grunde zu legen."

Gegenstand der hier angefochtenen im Instanzenzug ergangenen Abgabenvorschreibung ist die Vorschreibung eines Ergänzungsbeitrages gemäß § 4 Abs. 4 Stmk KanalAbgG 1955. Nach Maßgabe dieser Gesetzesbestimmung sind der Berechnung desselben lediglich die neu verbaute Fläche und die neu errichteten Geschoße zu Grunde zu legen (zur näheren Auslegung dieser Begriffe vgl. insbesondere das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2003/17/0283). Wie die belangte Behörde zutreffend erkannte, setzte die Zulässigkeit der hier erfolgten Vorschreibung eines Ergänzungsbeitrages voraus, dass im Zuge der am bewilligten Baumaßnahmen ein weiteres (Dach-)Geschoß neu errichtet worden wäre. Dies setzte zum einen voraus, dass der vor Inangriffnahme dieser Baumaßnahmen im Altbestand vorhandene Spitzboden nicht als (Dach-)Geschoß im Verständnis des § 4 Stmk KanalAbgG 1955 zu qualifizieren gewesen wäre, zum anderen, dass durch dessen Ausbau zu einer Abstellfläche ein solches (Dach-)Geschoß entstanden wäre.

Der Beschwerdeführer hat im Verwaltungsverfahren unter Verweis auf baurechtliche Begriffsdefinitionen den Charakter der ausgebauten Abstellfläche als (Teil eines) (Dach-)Geschoß(es) insbesondere deshalb bestritten, weil sie seines Erachtens die für eine Nutzung als Geschoß erforderlichen Raumdimensionen nicht erreiche. Wäre der Beschwerdeführer mit diesem Vorbringen im Recht, so wäre durch die in Rede stehenden Maßnahmen keinesfalls ein neues Geschoß geschaffen worden, weshalb es an einer Voraussetzung für die Vorschreibung der in Rede stehenden Abgabe mangelte.

Diese Frage kann hier jedoch dahingestellt bleiben. Selbst wenn man die in Rede stehende Abstellfläche nach dem Ausbau nämlich als Teil eines (zweiten) Dachgeschoßes auffassen wollte, wäre für die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides nichts gewonnen. Auf Basis der dort getroffenen Feststellungen ergibt sich nämlich nicht, dass die in Rede stehende Räumlichkeit ihre Eigenschaft als (Teil eines) Geschoß(es) erst durch die am bewilligten Baumaßnahmen erlangt hätte. Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom , Zl. 94/17/0296, zur Auslegung des - losgelöst von baurechtlichen Vorschriften eigenständig zu interpretierenden - Begriffes (Dach-)Geschoß im Verständnis des § 4 Stmk KanalAbgG 1955 Folgendes ausgeführt:

"... Entscheidend ist jedoch im Beschwerdefall, dass die spezifischen baurechtlichen Vorschriften, die auf den Geschoßbegriff abstellen (Abstandsvorschriften, Bebauungsdichtevorschriften) für die Auslegung der vorliegenden abgabenrechtlichen Bestimmung nicht herangezogen werden können. Dies deshalb, weil nicht davon ausgegangen werden kann, dass der Gesetzgeber bei Erlassung einer Abgabenvorschrift, bei der er Kellergeschoße und Dachgeschoße in gleichem Ausmaß in die Abgabenberechnung einbeziehen wollte (beide sind mit dem Faktor 0,5 bei der Multiplikation zu berücksichtigen), zwar Kellergeschoße generell (also auch dann, wenn diese nicht die Voraussetzungen für Aufenthaltsräume aufweisen) erfasst hätte, Dachgeschoße aber nur unter der weiteren Voraussetzung, dass diese ausbaubar in dem Sinn seien, dass darin Aufenthaltsräume errichtet werden können oder bereits errichtet wurden. Es wäre nicht einsichtig, weshalb für den Zweck der typisierenden Anknüpfung bei der Berechnung der Kanalabgabe die Hälfteanrechnung von Dachgeschoßen von der Ausbaufähigkeit abhängen sollte. ..."

Auf Grund des Umstandes, dass eine Nutzung des dort gegenständlichen Geschoßes zumindest als Dachboden möglich war, ging der Verwaltungsgerichtshof in dem genannten Erkenntnis vom Vorliegen eines Dachgeschoßes im Verständnis des § 4 Stmk KanalAbgG 1955 aus. Vergleichbare Aussagen enthält auch das hg. Erkenntnis vom , Zl. 95/17/0012, wonach für das Vorliegen eines Dachgeschoßes das Vorhandensein eines (auch unausgebauten) obersten Geschoßes innerhalb des Daches genügt (vgl. demgegenüber zur - insbesondere auch in Ansehung der Berücksichtigung von Kellergeschoßen - abweichenden Rechtslage für die Berechnung der Kanalbenützungsgebühr in Niederösterreich das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2003/17/0210).

Aus dem Vorgesagten folgt aber, dass - wollte man die Dimensionen des (nunmehr teilweise ausgebauten) Spitzbodens für das Vorliegen eines Dachgeschoßes als ausreichend erachten - auch die vor dem Ausbau vorhandenen in der zweiten Ebene des Dachraumes gelegenen Flächen die Mindestvoraussetzungen für ein Dachgeschoß erfüllt hätten, zumal auch der angefochtene Bescheid keine Feststellungen enthält, aus denen sich etwa ergäbe, dass nicht einmal Teile dieser Flächen (mangels Zugänglichkeit auch nur aus irgendeinem Bereich des Hauses) als Dachboden hätten genutzt werden können. Darauf, dass der Spitzboden zuvor nicht ausgebaut war, kam es nach der zitierten Rechtsprechung für seine Qualifikation als eigenständiges Dachgeschoß nicht an (wie oben ersichtlich, verlangte diese Rechtsprechung nicht einmal das Vorliegen einer "Ausbaufähigkeit").

Die belangte Behörde unterlag daher einem Rechtsirrtum, wenn sie die Auffassung vertrat, erst durch die in Rede stehenden Ausbaumaßnahmen sei ein (zweites) Dachgeschoß geschaffen worden. Wurde aber die Zahl der Geschoße des in Rede stehenden Bauwerkes durch die hier gegenständlichen Ausbaumaßnahmen nicht vermehrt, so lagen auch die rechtlichen Voraussetzungen für die Vorschreibung eines Ergänzungsbeitrages nicht vor. Der von der belangten Behörde in der Gegenschrift ins Treffen geführte Umstand, dass anlässlich des (im Jahr 1923 erfolgten) erstmaligen Anschlusses des Gebäudes an die öffentliche Kanalanlage das (zweite) Dachgeschoß bei der Vorschreibung nicht habe berücksichtigt werden können, weil nach der damals geltenden Rechtslage die Höhe des Kanalisationsbeitrages vom Vorhandensein derartiger Geschoße unabhängig war, vermag an diesem Ergebnis nichts zu ändern.

Aus diesen Erwägungen war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333.

Soweit Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes zitiert wurden, die in der Amtlichen Sammlung der Erkenntnisse und Beschlüsse dieses Gerichtshofes nicht veröffentlicht sind, wird auf Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, hingewiesen. Wien, am