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VwGH vom 27.10.2008, 2005/17/0176

VwGH vom 27.10.2008, 2005/17/0176

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Gruber und die Hofräte Dr. Holeschofsky, Dr. Köhler, Dr. Zens und Dr. Zehetner als Richter, im Beisein der Schriftführerin MMag. Gold, über die Beschwerde 1. des Dipl. Ing. RS in D und 2. des Dipl. Ing. GD in W, beide vertreten durch Sacha & Katzensteiner Rechtsanwälte OEG in 3500 Krems, Gartenaugasse 3, gegen den Bescheid der Salzburger Landesregierung vom , Zl. 1/02-39.414/5-2005, betreffend Vorschreibung eines Interessentenbeitrages (mitbeteiligte Partei: Marktgemeinde A im P), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Salzburg hat den Beschwerdeführern Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Marktgemeinde vom wurde den Beschwerdeführern gemäß §§ 1 bis 6 des Salzburger Interessentenbeiträgegesetzes (im Folgenden: Sbg IBG) für den Anschluss einer näher genannten Liegenschaft an die Abwasseranlage des "Reinhalteverbandes S. E."

und an die Ortskanalisation der mitbeteiligten Marktgemeinde ein Interessentenbeitrag in Höhe von EUR 2.662,-- vorgeschrieben.

Die Beschwerdeführer erhoben dagegen Berufung, in welcher sie ausführten, dass nach Angaben der Vorbesitzer dieser Beitrag bereits vor einigen Jahren ("glaublich 1999") entrichtet worden sei.

Mit Schreiben vom wurden die Beschwerdeführer aufgefordert, die behaupteten Zahlungen durch entsprechende Zahlungsbelege zu belegen.

Mit Schreiben vom führten die Beschwerdeführer aus, die Anschlussgebühr habe der "Vor-Vorbesitzer der Liegenschaft", nämlich die nicht mehr bestehende S GmbH, entrichtet. Der damalige Geschäftsführer der S GmbH Dipl. Ing. HP sei sicher, dass die Anschlussgebühr bezahlt worden sei, wobei ihm die Zuordnung des genauen Zeitpunktes nicht mehr möglich sei. Im Zuge der Vorschreibung habe er ein diesbezügliches Gespräch mit HW (Gemeindeverwaltung) geführt. Es widerspreche auch völlig den Erfahrungen des täglichen Lebens, dass eine gut geführte Gemeinde auf einen ihr zustehenden nicht unerheblichen Betrag von EUR 2.600,-- über Jahre oder Jahrzehnte verzichte (der Kanalanschluss sei bereits Anfang der 90er Jahre des vorigen Jahrhunderts hergestellt worden). Eine Umfrage bei den übrigen Liegenschaftseigentümern in der Nachbarschaft habe ergeben, dass nicht bei allen vor Jahren an die Ortskanalisation angeschlossenen Liegenschaften im Dezember 2003 die Anschlussgebühr (erneut) vorgeschrieben worden sei. Im Beschwerdefall sei überdies bereits Festsetzungsverjährung eingetreten.

Mit Bescheid vom wies die Gemeindevorstehung der mitbeteiligten Marktgemeinde die Berufung mit der Begründung ab, die Entrichtung des Interessentenbeitrages sei nicht nachgewiesen worden. Die damalige Mitarbeiterin im Gemeindeamt, HW, könne sich an ein diesbezügliches Gespräch mit Herrn Dipl. Ing. HP bzw. anderen Besitzern der verfahrensgegenständlichen Liegenschaft nicht erinnern. Es sei daher davon auszugehen, dass eine Vorschreibung von Interessentenbeiträgen nach der Aktenlage bisher nicht erfolgt sei. Eine Verjährung gemäß § 9 Sbg IBG komme nicht in Betracht, weil diese Bestimmung nur die Fälle der Einhebungsverjährung regle. Sie dürfe nicht analog auf das Recht zur Vornahme von Vorschreibungen angewendet werden.

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde die dagegen erhobene Vorstellung als unbegründet abgewiesen.

Begründend führte die belangte Behörde nach Wiedergabe des Verfahrensganges und der anzuwendenden Rechtsvorschriften aus, nach dem Sbg IBG trete mangels anders lautender Bestimmungen keine Verjährung des Abgabenanspruches der Gemeinde ein, solange die Abgabenschuld nicht durch einen rechtskräftigen Bescheid konkretisiert worden sei. Eine analoge Anwendung der Verjährungsbestimmungen des ABGB sei unzulässig, wenn die anzuwendende Gesetzesvorschrift des öffentlichen Rechts dem Grunde nach eine Verjährung nicht vorsehe. Für die Einhebung eines Interessentenbeitrages sehe das IBG keine Verjährungsfrist vor.

Aus dem von der Gemeinde vorgelegten Akt ergebe sich, dass diese Recherchen zu dem Vorbringen hinsichtlich einer Entrichtung des Interessentenbeitrages angestellt habe. Die Kontoauszüge über Steuern und Abgaben der Gemeinde betreffend die Liegenschaft der Beschwerdeführer bzw. der Rechtsvorgängerin, zeigten zurückgehend bis auf das Jahr 1992, keinen Zahlungseingang einer Kanalanschlussgebühr. Die Aufsichtsbehörde könne nicht erkennen, dass eine "gebührliche" Auseinandersetzung mit dem in der Berufung erstatteten Vorbringen im Rahmen des Berufungsverfahrens nicht erfolgt sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in welcher die Beschwerdeführer Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machen.

Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Die mitbeteiligte Gemeinde erstattete ebenfalls eine Gegenschrift mit dem Antrag auf kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die im Beschwerdefall relevanten Bestimmungen des Salzburger Interessentenbeiträgegesetzes, LGBl. Nr. 161/1962 (§ 1 Abs. 1 idF LGBl. Nr. 76/1976, § 1 Abs. 2 und 3 und § 3 Abs. 1 idF LGBl. Nr. 55/1988; im Folgenden: Sbg IBG), lauten:

"Allgemeine Bestimmungen

§ 1

(1) Zu den Herstellungskosten gemeindeeigener Abwasseranlagen - im Folgenden kurz Anlagen bezeichnet - haben in Gemeinden des Landes Salzburg mit Ausnahme der Landeshauptstadt Salzburg die Interessenten nach Maßgabe der Bestimmungen dieses Gesetzes Beiträge zu leisten.

(2) Herstellungskosten sind jene Kosten, die der Gemeinde für die Herstellung, Erweiterung oder technische Verbesserung der Anlagen sowie für die Wiedererrichtung nicht mehr funktionsfähiger größerer Teile der Anlagen erwachsen, einschließlich den Beträgen, die sich aus der Aufwertung der Vorauszahlungen gemäß § 5 Abs. 2 ergeben.

(3) Interessenten sind die Eigentümer von Grundstücken, von denen Abwässer unmittelbar oder mittelbar in die Anlagen eingeleitet werden, und zwar gleichgültig, ob der Anschluss an die Anlagen im Zuge ihrer Herstellung oder zu einem späteren Zeitpunkt erfolgt. Im Falle eines Baurechtes gelten die Berechtigten als Interessenten.

Genehmigung der Herstellungskosten

§ 3

(1) Die Herstellungskosten der Anlagen sind längstens innerhalb von zwei Jahren nach Fertigstellung derselben abzurechnen. Der Bürgermeister hat die Abschlussrechnung über die Herstellungskosten durch zwei Wochen zur öffentlichen Einsicht aufzulegen. Die Auflegung ist ortsüblich kundzumachen. Innerhalb der Auflagefrist kann jeder Interessent gegen die Abschlussrechnung beim Gemeindeamt schriftlich Einwendungen erheben.

(2) Nach Ablauf der Auflagefrist ist die Abschlussrechnung vom Bürgermeister der Gemeindevertretung zur Genehmigung vorzulegen, die bei der diesbezüglichen Beratung die vorgebrachten Einwendungen zu prüfen hat.

Beitragsvorschreibung

§ 5

(1) Der Beitrag ist dem Interessenten vom Bürgermeister mit Bescheid vorzuschreiben.

...

Beitragsentrichtung

§ 6

(1) Der Beitrag wird nach Maßgabe der Vorschreibung (§ 5) fällig.

...

Haftung

§ 8

...

(3) Wird ein Unternehmen oder ein im Rahmen eines Unternehmens gesondert geführter Betrieb im Ganzen übereignet, so haftet der Erwerber für Zahlungsschulden, soweit diese auf die Zeit seit dem Beginn des letzten vor der Übereignung liegenden Kalenderjahres entfallen. Diese Bestimmung gilt nicht bei einem Erwerb aus einer Konkursmasse oder im Zuge eines Vollstreckungsverfahrens.

(4) Bei Gesamtrechtsnachfolge geht die Zahlungsschuld des Rechtsvorgängers auf den Rechtsnachfolger über. Für den Umfang der Inanspruchnahme der Erben gelten die Bestimmungen des bürgerlichen Rechtes (§§ 801 und 802 ABGB).

(5) Für die Zahlungsschulden haftet auf dem Grundstück - im Falle eines Baurechtes auf diesem - (§ 1 Abs. 3) ein gesetzliches Pfandrecht.

..."

Wie der Verwaltungsgerichtshof u.a. in seinem Erkenntnis vom , Zl. 2002/17/0314, ausgeführt hat, hängt die Zulässigkeit der Vorschreibung eines Interessentenbeitrages gegenüber einem Rechtsnachfolger im Grundeigentum im Sinne des § 1 Abs. 3 Sbg IBG davon ab, dass dieser nach dem Sbg IBG Schuldner des Interessentenbeitrages ist. Zu fragen ist weiters, in welchem Zeitpunkt der Abgabenanspruch entstanden ist. Ist nämlich die Abgabenschuld gegenüber einem bestimmten Grundstückseigentümer entstanden, kann dessen Rechtsnachfolger nur unter den Voraussetzungen des § 8 Abs. 3 bis 5 Sbg IBG für die Abgabenschuld zahlungspflichtig werden.

Im Erkenntnis vom , Zl. 93/17/0067, hat der Verwaltungsgerichtshof unter Hinweis auf das hg. Erkenntnis vom , Zl. 85/17/0037, ausgeführt, dass gegenüber dem einzelnen Grundstückseigentümer der Abgabenanspruch in dem Zeitpunkt entsteht, in dem Abwässer des betreffenden Grundstückes tatsächlich in die Anlage eingeleitet werden UND die Genehmigung der Abschlussrechnung für die gemeindeeigene Abwasseranlage vom Gemeinderat vorliegt.

Waren daher im Beschwerdefall diese Voraussetzungen vor dem Tag des Eigentumsübergangs an der verfahrensgegenständlichen Liegenschaft an die Beschwerdeführer gegeben, dann wäre die Abgabenpflicht gegenüber dem früheren Grundeigentümer entstanden; die Beschwerdeführer könnten als Abgabepflichtige nicht herangezogen werden. Nur dann, wenn die genannten Voraussetzungen erst nach dem Eigentumsübergang an die Beschwerdeführer vorgelegen wären, wären die Beschwerdeführer als Abgabepflichtige anzusehen.

Im Beschwerdefall wurde den Beschwerdeführern der Interessentenbeitrag für den Anschluss ihrer Liegenschaft an die Abwasseranlage des "Reinhalteverbandes S. E." und an die Ortskanalisation der mitbeteiligten Marktgemeinde vorgeschrieben.

Die Beschwerdeführer haben bereits in ihrer Vorstellung vorgebracht, dass der Kanalanschluss Anfang der 90er Jahre des vorigen Jahrhunderts hergestellt worden sei.

In Verkennung der Rechtslage, wonach dem Zeitpunkt des Eigentumsüberganges an der verfahrensgegenständlichen Liegenschaft für die Feststellung des Abgabenschuldners erhebliche Bedeutung zukommt, hat es die belangte Behörde unterlassen, Feststellungen zur zeitlichen Abfolge des Entstehens des Abgabenanspruches und des Übergangs des Eigentums an der Liegenschaft auf die Beschwerdeführer zu treffen, bzw. den Gemeindebehörden die Ergänzung ihres Verfahrens in dieser Richtung aufzutragen. Derartige Feststellungen wären aber erforderlich gewesen, um zu beurteilen, ob die Beschwerdeführer oder deren Rechtsvorgänger im Grundeigentum Schuldner des Interessentenbeitrages sind.

Angemerkt wird, dass das Sbg IBG weder eine dingliche Wirkung von Abgabenbescheiden vorsieht noch eine Vorschrift enthält, der zufolge im Falle eines Rechtsüberganges im Eigentum an einem Grundstück nach dem Entstehen eines Abgabenanspruches ein (erstmaliger) Abgabenbescheid dem Rechtsnachfolger gegenüber erlassen werden könnte (vgl. wieder das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2002/17/0314, mwN). Die Haftungsbestimmung des § 8 Sbg IBG betrifft überwiegend nicht den Fall des Eigentumsübergangs, sondern die dort geregelten Fälle der Haftung der Gesellschafter von Personenvereinigungen, der Unternehmensübereignung oder der Rechtsnachfolge im Wege einer Gesamtrechtsnachfolge. Abgesehen davon, dass zum Vorliegen der Voraussetzungen insbesondere des § 8 Abs. 3 bis 5 Sbg IBG keine Feststellungen getroffen wurden, haben die Gemeindebehörden auch keinen Haftungsbescheid erlassen.

Indem die belangte Behörde das Erfordernis der oben angeführten Feststellungen nicht erkannte, hat sie ihren Bescheid mit einer inhaltlichen Rechtswidrigkeit belastet. Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am