VwGH vom 28.04.2011, 2008/11/0196
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Gall und die Hofräte Dr. Schick, Dr. Grünstäudl und Mag. Samm sowie die Hofrätin Dr. Pollak als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Trefil, über die Beschwerde des W D in K, vertreten durch Hochstaffl Rupprechter Rechtsanwälte GmbH in 6300 Wörgl, Bahnhofstraße 37, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenats in Tirol vom , Zl. uvs-2008/20/2357-4, betreffend Abnahme eines Führerscheins, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Das Kostenmehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
1. Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers, festzustellen, dass die Abnahme seines tschechischen Führerscheines Nr. EDL91766 am in der Polizeidienststelle Kramsach rechtswidrig gewesen sei, gemäß §§ 67a Abs. 1 Z. 2, 67c Abs. 1 und 2, 67d und 67e Abs. 2 Z. 2 AVG als unbegründet ab.
In der Begründung gab die belangte Behörde zunächst den Verfahrensgang wieder und traf dann folgende Feststellungen:
Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Kufstein vom war dem Beschwerdeführer gemäß § 24 Abs. 1 Z 1 FSG die (österreichische) Lenkberechtigung für die Dauer von 17 Monaten, gerechnet ab dem Tag der vorläufigen Abnahme des Führerscheins (), entzogen, gemäß § 32 FSG ein Lenkverbot verhängt sowie gemäß § 30 Abs. 1 FSG das Recht aberkannt worden, während der Entziehungszeit von einer allfälligen ausländischen Lenkberechtigung in Österreich Gebrauch zu machen. Unter einem wurde gemäß § 24 Abs. 3 FSG als begleitende Maßnahme eine Nachschulung und die Beibringung eines von einem Amtsarzt erstellten Gutachtens über die gesundheitliche Eignung sowie einer verkehrspsychologischen Stellungnahme angeordnet; dabei wurde ausgesprochen, dass diesen Anordnungen vor Ablauf der Entziehungsdauer nachzukommen sei und die Entziehungsdauer nicht vor Befolgung der Anordnungen ende. Schließlich wurde gemäß § 64 Abs. 2 AVG die aufschiebende Wirkung einer allfälligen Berufung ausgeschlossen.
Die Berufung gegen diesen Bescheid wurde vom Unabhängigen Verwaltungssenat in Tirol mit Bescheid vom gemäß § 66 Abs. 4 AVG als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer, so führte die belangte Behörde weiter aus, habe "im Dezember 2007 in der Tschechischen Republik eine Lenkberechtigung für Fahrzeuge der Klasse B, dokumentiert durch einen Führerschein vom , Zl. ED 291766, erworben". Die mit dem Entziehungsbescheid angeordnete Nachschulung habe er nicht absolviert, ebensowenig ein amtsärztliches Gutachten oder eine verkehrspsychologische Stellungnahme beigebracht.
Am sei der Beschwerdeführer als Lenker eines PKW von Polizeibeamten der Polizeiinspektion K angehalten worden und ihm nach Rücksprache mit einem Beamten der Bezirkshauptmannschaft Kufstein der tschechische Führerschein vorläufig abgenommen worden. Im Zuge dieser Abnahme sei ihm eine Abnahmebestätigung mit dem Inhalt "mündlicher Auftrag zur Einziehung Dr. H - BH Kufstein" ausgehändigt worden.
Nach einer Darlegung der maßgebenden Rechtsvorschriften führte die belangte Behörde zunächst aus, dass sich die Abnahme des Führerscheins nicht auf § 39 Abs. 1 dritter Satz FSG stützen könne, weil sich diese Bestimmung nur auf solche Fälle beziehe, in denen ein Führerschein abzuliefern sei, der jene Lenkberechtigung dokumentiere, die entzogen wurde. Die darin normierte Ablieferungspflicht könne sich daher nicht auf Führerscheine beziehen, die eine zu einem späteren Zeitpunkt erworbene Lenkberechtigung betreffen.
Zu prüfen sei aber, ob die Abnahme des Führerscheins in § 30 Abs. 1 dritter Satz FSG Deckung finde. Diese Bestimmung beziehe sich auf Besitzer ausländischer Lenkberechtigungen und sehe (im Gegensatz zu § 39 Abs. 1 FSG) eine Abnahme des Führerscheines durch die Behörde vor. Bei Besitzern von ausländischen Lenkberechtigungen sei nicht mit einer Entziehung der Lenkberechtigung vorzugehen, sondern das Recht abzuerkennen, von ihrem Führerschein in Österreich Gebrauch zu machen. Diese Aberkennung des Rechts, vom Führerschein Gebrauch zu machen, sei durch ein Lenkverbot entsprechend § 32 FSG auszusprechen. Soweit ein solches Lenkverbot ausgesprochen wurde, treffe die Behörde die Verpflichtung, den Führerschein abzunehmen.
Im Beschwerdefall sei hinsichtlich der Aberkennung des Rechts, von der ausländischen Lenkberechtigung Gebrauch zu machen, auf die Entziehungszeit abgestellt worden. Gemäß § 24 Abs. 3 fünfter Satz FSG ende die Entziehungsdauer nicht, bevor begleitenden Maßnahmen entsprochen worden sei. Da der Beschwerdeführer den begleitenden Maßnahmen nicht nachgekommen sei, sei die Entziehungsdauer verlängert worden, weshalb, da die Aberkennung des Rechts, von einem ausländischen Führerschein Gebrauch zu machen, auf die Entziehungsdauer abgestellt habe, auch das gegenüber dem Beschwerdeführer mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Kufstein vom verfügte Lenkverbot zum Zeitpunkt der Anhaltung am noch aufrecht gewesen sei.
Gemäß § 30 Abs. 1 dritter Satz FSG habe die Behörde in einem solchen Fall einen Führerschein, der sich auf die Erteilung einer ausländischen Lenkberechtigung gründe, abzunehmen. Eine solche (zwingende) Abnahme des Führerscheins durch die Behörde könne sich nach dem Gesetzeswortlaut durchaus auch auf einen Führerschein beziehen, der erst nach dem bescheidmäßigen Ausspruch des Lenkverbots erworben wurde. Die in Rede stehende verpflichtende Führerscheinabnahme stelle eine sichernde Maßnahme im Sinne der Aufrechterhaltung der Verkehrssicherheit dar und solle ein Zuwiderhandeln gegen bescheidmäßig ausgesprochenes Lenkverbot verhindern.
Die Aberkennung des Rechts, von einem ausländischen Führerschein Gebrauch zu machen, und die Verpflichtung der Behörde zur Abnahme eines ausländischen Führerscheins diene auch der Verhinderung von Umgehungshandlungen durch Personen, die im Inland von Entziehungsmaßnahmen betroffen seien. Im Beschwerdefall sei "vom Vorliegen einer solchen Umgehungshandlung auszugehen". Die zusammen mit der Entziehung der Lenkberechtigung angeordnete "Sperrfrist" sei zum Zeitpunkt der Erteilung der tschechischen Lenkberechtigung noch nicht abgelaufen gewesen. Die tschechische Lenkberechtigung hätte daher nicht erteilt werden dürfen und sei vor dem Hintergrund von Art. 8 Abs. 4 der Führerscheinrichtlinie nicht anzuerkennen. Dies ergebe sich auch auf der Grundlage eines Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes vom , Zl. 2006/02/0291.
Der Beschwerdeführer habe somit am einen PKW ohne gültige Lenkberechtigung gelenkt und sei im Hinblick auf das mit Bescheid verfügte Lenkverbot auch nicht berechtigt gewesen, von seinem tschechischen Führerschein in Österreich Gebrauch zu machen. Die Abnahme des tschechischen Führerscheins, der "offensichtlich unter Umgehungsabsicht" erworben worden sei (der Beschwerdeführer sei seit dem Jahre 1993 durchgehend in K gemeldet), sei daher nach Maßgabe des § 30 Abs. 1 FSG zu Recht erfolgt. Der Polizeibeamte, der den tschechischen Führerschein abgenommen habe, habe, wie in der Abnahmebescheinigung zweifelsfrei zum Ausdruck gekommen sei, im unmittelbaren Auftrag der Behörde gehandelt. Die Führerscheinabnahme sei daher als Abnahme der Behörde im Sinne des § 30 Abs. 1 dritter Satz FSG anzusehen. Da die Abnahme des Führerscheins am rechtmäßig erfolgt sei, sei die Beschwerde abzuweisen gewesen.
2. Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid gerichtete Beschwerde nach Vorlage der Akten des Verwaltungsverfahrens und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:
2.1. Im Beschwerdefall sind folgende - auszugsweise wiedergegebenen - Bestimmungen des Führerscheingesetzes, BGBl. I Nr. 120/1997 idF BGBl. I Nr. 31/2008 (FSG), von Bedeutung:
"Allgemeiner Teil
Geltungsbereich
§ 1…
(3) Das Lenken eines Kraftfahrzeuges und das Ziehen eines Anhängers ist, ausgenommen in den Fällen des Abs. 5, nur zulässig mit einer von der Behörde erteilten gültigen Lenkberechtigung für die Klasse oder Unterklasse (§ 2), in die das Kraftfahrzeug fällt. …
(4) Eine von einer zuständigen Behörde eines EWR-Staates ausgestellte Lenkberechtigung ist einer Lenkberechtigung gemäß Abs. 3 gleichgestellt. Das Lenken von Kraftfahrzeugen mit einer solchen Lenkberechtigung ist jedoch nur zulässig, wenn der Lenker das in § 6 Abs. 1 genannte Mindestalter erreicht hat. Das Lenken eines Kraftfahrzeuges mit einer in einem Nicht-EWR-Staat erteilten Lenkberechtigung ist nur im Rahmen der Bestimmungen des § 23 zulässig.
…
Allgemeine Voraussetzungen für die Erteilung einer Lenkberechtigung
§ 3 ...
(2) Personen, denen eine Lenkberechtigung mangels Verkehrszuverlässigkeit entzogen wurde, darf vor Ablauf der Entziehungsdauer keine Lenkberechtigung erteilt werden.
…
Führerscheine
Ausstellung des vorläufigen Führerscheines sowie des Führerscheines
§ 13. (1) Mit der erfolgreichen Absolvierung der praktischen Fahrprüfung gilt die Lenkberechtigung unbeschadet der Bestimmungen des Abs. 7 unter den gemäß § 5 Abs. 5 jeweils festgesetzten Befristungen, Beschränkungen oder Auflagen als erteilt. Nach der Fahrprüfung hat der Fahrprüfer dem Kandidaten den vorläufigen Führerschein für die Klasse(n) oder die Unterklasse(n) auszuhändigen, für die er die praktische Fahrprüfung bestanden hat oder die er bereits besitzt. …
(4) Sobald der Führerscheinwerber sämtliche auf dem Kostenblatt angeführten Gebühren ordnungsgemäß entrichtet hat, hat die Behörde die Herstellung eines Führerscheines zu veranlassen. …Der Produzent des Führerscheines hat diesen an die vom Antragsteller angegebene Adresse zu senden. …
Pflichten des Kraftfahrzeuglenkers
§ 14. (1) Jeder Lenker eines Kraftfahrzeuges hat unbeschadet der Bestimmungen des § 102 Abs. 5 KFG 1967 auf Fahrten mitzuführen
1. den für das von ihm gelenkte Kraftfahrzeug vorgeschriebenen Führerschein oder Heeresführerschein,
...
Ausländische Lenkberechtigungen
§ 23. (1) Das Lenken eines Kraftfahrzeuges und das Ziehen von Anhängern auf Grund einer von einer Vertragspartei des Pariser Übereinkommens über den Verkehr von Kraftfahrzeugen, BGBl. Nr. 304/1930, des Genfer Abkommens über den Straßenverkehr, BGBl. Nr. 222/1955, oder des Wiener Übereinkommens über den Straßenverkehr, BGBl. Nr. 289/1982, in einem Nicht-EWR-Staat erteilten Lenkberechtigung durch Personen mit Wohnsitz (§ 5 Abs. 1 Z 1) im Bundesgebiet ist zulässig, wenn seit dessen Begründung nicht mehr als sechs Monate verstrichen sind und der Besitzer der Lenkberechtigung das 18. Lebensjahr vollendet hat. …
…
(5) Das Lenken von Kraftfahrzeugen und das Ziehen von Anhängern auf Straßen mit öffentlichem Verkehr durch Personen ohne Wohnsitz (§ 5 Abs. 1 Z 1) im Bundesgebiet ist auf Grund einer von einer Vertragspartei des Pariser Übereinkommens über den Verkehr von Kraftfahrzeugen, BGBl. Nr. 304/1930, des Genfer Abkommens über den Straßenverkehr, BGBl. Nr. 222/1955, oder des Wiener Übereinkommens über den Straßenverkehr, BGBl. Nr. 289/1982, erteilten Lenkberechtigung bis zu einer Dauer von zwölf Monaten ab Eintritt in das Bundesgebiet unbeschadet gewerberechtlicher und arbeitsrechtlicher Vorschriften zulässig, wenn der Besitzer der Lenkberechtigung das 18. Lebensjahr vollendet hat. …
Entziehung, Einschränkung und Erlöschen der Lenkberechtigung Allgemeines
§ 24.
(1) Besitzern einer Lenkberechtigung, bei denen die Voraussetzungen für die Erteilung der Lenkberechtigung (§ 3 Abs. 1 Z 2 bis 4) nicht mehr gegeben sind, ist von der Behörde entsprechend den Erfordernissen der Verkehrssicherheit
1. die Lenkberechtigung zu entziehen oder
…
(3) Bei der Entziehung oder Einschränkung der Lenkberechtigung kann die Behörde begleitende Maßnahmen (Nachschulung und dgl.) oder die Beibringung eines amtsärztlichen Gutachtens über die gesundheitliche Eignung anordnen. …Wurde eine dieser Anordnungen innerhalb der festgesetzten Frist nicht befolgt oder wurden die zur Erstellung des ärztlichen Gutachtens erforderlichen Befunde nicht beigebracht oder wurde die Mitarbeit bei Absolvierung der begleitenden Maßnahme unterlassen, so endet die Entziehungsdauer nicht vor Befolgung der Anordnung. …
Erlöschen der Lenkberechtigung
§ 27. (1) Eine Lenkberechtigung erlischt:
1. nach Ablauf einer Entziehungsdauer von mehr als 18 Monaten;
…
Ablauf der Entziehungsdauer
§ 28. (1) Der Führerschein ist nach Ablauf der Entziehungsdauer auf Antrag wieder auszufolgen, wenn
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1. | die Entziehungsdauer nicht länger als 18 Monate war und |
2. | keine weitere Entziehung der Lenkberechtigung angeordnet wird. |
(2) Vor Wiederausfolgung des Führerscheines ist das Lenken von Kraftfahrzeugen unzulässig.
Besondere Verfahrensbestimmungen für die Entziehung § 29 ...
(3) Nach Eintritt der Vollstreckbarkeit des Entziehungsbescheides ist der über die entzogene Lenkberechtigung ausgestellte Führerschein, sofern er nicht bereits abgenommen wurde, unverzüglich der Behörde abzuliefern. Dies gilt auch für die Fälle des § 30, sofern sich der Lenker noch in Österreich aufhält.
…
Folgen des Entziehungsverfahrens für Besitzer ausländischer
Lenkberechtigungen
§ 30. (1) Besitzern von ausländischen Lenkberechtigungen kann das Recht, von ihrem Führerschein in Österreich Gebrauch zu machen, aberkannt werden, wenn Gründe für eine Entziehung der Lenkberechtigung vorliegen. Die Aberkennung des Rechts, vom Führerschein Gebrauch zu machen, ist durch ein Lenkverbot entsprechend § 32 auszusprechen. Für die Aberkennung ist die Behörde zuständig, in deren örtlichem Wirkungsbereich der Führerscheinbesitzer seinen Aufenthalt hat; sie hat den Führerschein abzunehmen und bis zum Ablauf der festgesetzten Frist oder bis zur Ausreise des Besitzers zurückzubehalten, falls nicht gemäß Abs. 2 vorzugehen ist. Hat der betroffene Lenker keinen Wohnsitz (§ 5 Abs. 1 Z 1) in Österreich, ist seiner Wohnsitzbehörde auf Anfrage von der Behörde, die das Verfahren durchgeführt hat, Auskunft über die Maßnahme der Aberkennung zu erteilen.
(2) Betrifft das Verfahren gemäß Abs. 1 den Besitzer eines Führerscheines, der in einem Staat ausgestellt wurde, der Vertragspartei eines Übereinkommens über die gegenseitige Anerkennung einer Maßnahme bei Verkehrsdelikten ist, so ist dessen Führerschein zusammen mit einer Sachverhaltsdarstellung an den Herkunftstaat zu übermitteln, wenn die Aberkennung auf Grund eines in diesem Übereinkommen genannten Deliktes erfolgt ist.
(3) Betrifft das Verfahren gemäß Abs. 1 den Besitzer einer in einem EWR-Staat erteilten Lenkberechtigung, der seinen Wohnsitz (§ 5 Abs. 1 Z 1) in Österreich hat, so hat die Behörde eine Entziehung auszusprechen und den Führerschein des Betroffenen einzuziehen und der Ausstellungsbehörde zurückzustellen. Die Behörde hat auch die Entziehung der Lenkberechtigung eines anderen EWR-Staates anzuordnen, wenn eine Person mit Wohnsitz in Österreich eine solche Lenkberechtigung zu einem Zeitpunkt erlangt hat, in dem in Österreich bereits die Lenkberechtigung wegen mangelnder Verkehrszuverlässigkeit entzogen war. In diesem Fall ist die Lenkberechtigung bis zu jenem Zeitpunkt zu entziehen, zu dem die bereits angeordnete Entziehungsdauer endet. Hat eine Person mit Wohnsitz in Österreich, der die Lenkberechtigung in Österreich wegen mangelnder gesundheitlicher Eignung entzogen wurde, trotzdem in einem EWR-Staat eine Lenkberechtigung erworben, so ist diese anzuerkennen, es sei denn, ein gemäß § 24 Abs. 4 eingeholtes amtsärztliches Gutachten bestätigt, dass die gesundheitliche Nichteignung nach wie vor besteht.
…
Verbot des Lenkens von Motorfahrrädern,
vierrädrigen Leichtkraftfahrzeugen oder Invalidenkraftfahrzeugen
§ 32. (1) Personen, die nicht im Sinne des § 7 verkehrszuverlässig oder nicht gesundheitlich geeignet sind, ein Motorfahrrad, ein vierrädriges Leichtkraftfahrzeug oder ein Invalidenkraftfahrzeug zu lenken, hat die Behörde unter Anwendung der §§ 24 Abs. 3 und 4, 25, 26, 29 sowie 30a und 30b entsprechend den Erfordernissen der Verkehrssicherheit das Lenken eines derartigen Kraftfahrzeuges
1. ausdrücklich zu verbieten,
…
Vorläufige Abnahme des Führerscheines
§ 39. (1) Die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes und der Straßenaufsicht haben einem Kraftfahrzeuglenker, aus dessen Verhalten deutlich zu erkennen ist, dass er insbesondere infolge Alkohol- oder Suchtmittelgenusses, Einnahme von Medikamenten oder eines außergewöhnlichen Erregungs- oder Ermüdungszustandes nicht mehr die volle Herrschaft über seinen Geist und seinen Körper besitzt, den Führerschein, den Mopedausweis oder gegebenenfalls beide Dokumente vorläufig abzunehmen, wenn er ein Kraftfahrzeug lenkt, in Betrieb nimmt oder versucht, es in Betrieb zu nehmen. Weiters haben die Organe die genannten Dokumente vorläufig abzunehmen, wenn ein Alkoholgehalt des Blutes von 0,8 g/l (0,8 Promille) oder mehr oder ein Alkoholgehalt der Atemluft von 0,4 mg/l oder mehr festgestellt wurde oder der Lenker eine Übertretung gemäß § 99 Abs. 1 lit. b oder c StVO 1960 begangen hat, wenn der Lenker ein Kraftfahrzeug gelenkt hat, in Betrieb genommen hat oder versucht hat, es in Betrieb zu nehmen, auch wenn anzunehmen ist, dass der Lenker in diesem Zustand kein Kraftfahrzeug mehr lenken oder in Betrieb nehmen wird. Außerdem haben diese Organe Personen, denen die Lenkberechtigung mit Bescheid vollstreckbar entzogen wurde oder über die ein mit Bescheid vollstreckbares Lenkverbot verhängt wurde und die der Ablieferungsverpflichtung der Dokumente nicht nachgekommen sind, den Führerschein, den Mopedausweis oder gegebenenfalls beide Dokumente abzunehmen. Ebenso können diese Organe bei mit technischen Hilfsmitteln festgestellten Geschwindigkeitsübertretungen, die mit einer Entziehung geahndet werden, den Führerschein vorläufig abnehmen. Bei der vorläufigen Abnahme ist eine Bescheinigung auszustellen, in der die Gründe für die Abnahme und eine Belehrung über die zur Wiedererlangung des Führerscheines oder Mopedausweises erforderlichen Schritte enthalten sind.
(2) Der vorläufig abgenommene Führerschein oder Mopedausweis ist unverzüglich der Behörde vorzulegen, in deren örtlichem Wirkungsbereich er abgenommen wurde; wurde der Führerschein oder Mopedausweis jedoch wegen eines außergewöhnlichen Erregungs- oder Ermüdungszustandes vorläufig abgenommen, so ist er dem Besitzer wieder auszufolgen, wenn dieser die volle Herrschaft über seinen Geist und seinen Körper vor Ablauf von zwei Tagen, gerechnet vom Tage der vorläufigen Abnahme, wiedererlangt hat.
(3) Die im Abs. 2 angeführte Behörde hat den vorläufig abgenommenen Führerschein dem Besitzer auf Antrag binnen drei Tagen, gerechnet vom Tage der vorläufigen Abnahme, auszufolgen, sofern nicht ein Entziehungsverfahren eingeleitet wird.
(4) Wird kein Entziehungsverfahren eingeleitet oder der vorläufig abgenommene Führerschein nach Ablauf der dreitägigen Frist nicht ausgefolgt, ist er unverzüglich der Behörde zu übermitteln, in deren örtlichem Wirkungsbereich der Führerscheinbesitzer seinen Wohnsitz hat."
2.2. Strittig ist im Beschwerdefall allein die Frage, ob die am durch Beamte der Polizeiinspektion K erfolgte Abnahme des tschechischen Führerscheins des Beschwerdeführers rechtswidrig war. Im Beschwerdefall ist hingegen nicht die Gültigkeit der dem Beschwerdeführer "im Dezember 2007" erteilten tschechischen Lenkberechtigung zu beurteilen.
2.3. § 39 FSG regelt die vorläufige Abnahme des Führerscheins durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes und der Straßenaufsicht. Im Beschwerdefall ist nicht nur unstrittig, dass die Voraussetzungen des § 39 Abs. 1 erster Satz, zweiter Satz und vierter Satz jedenfalls nicht vorliegen, vielmehr hat die belangte Behörde auch zutreffend erkannt, dass auch § 39 Abs. 1 dritter Satz FSG keine Grundlage für die Zulässigkeit der Abnahme des Führerscheins bieten konnte: Da die Ablieferungspflicht sich nur auf Führerscheine, welche entzogene Lenkberechtigungen dokumentieren, bezieht, ist von dieser Bestimmung ein Führerschein über eine - wie im Beschwerdefall - nach Entziehung einer (früheren) Lenkberechtigung neu erworbenen Lenkberechtigung nicht erfasst.
2.4. Die belangte Behörde hat allerdings - wie oben dargestellt - die Auffassung vertreten, das mit dem rechtskräftigen Bescheid vom über den Beschwerdeführer nach § 30 Abs. 1 FSG ausgesprochene Lenkverbot bilde eine Grundlage für die Abnahme des Führescheins durch die Behörde und rechtfertige damit die (vorläufige) Abnahme des Führerscheins am . Der Wortlaut des § 30 Abs. 1 dritter Satz FSG sei nämlich nicht auf bereits vorhandene Führerscheine beschränkt, sodass sich diese Bestimmung auch auf solche Führerscheine beziehe, die erst nach dem bescheidmäßigen Ausspruch des Lenkverbots erworben worden seien.
2.5. Damit hat die belangte Behörde die Rechtslage verkannt.
§ 1 Abs. 3 FSG statuiert als Zulässigkeitserfordernis für das Lenken eines Kraftfahrzeugs grundsätzlich das Vorhandensein einer "von der Behörde" - also von der zuständigen österreichischen Behörde - erteilten gültigen Lenkberechtigung, wobei nach Abs. 4 eine von einer zuständigen Behörde eines EWR-Staates ausgestellte Lenkberechtigung einer Lenkberechtigung gemäß Abs. 3 gleichgestellt ist, während das Lenken eines Kraftfahrzeuges mit einer in einem Nicht-EWR-Staat erteilten Lenkberechtigung nur im Rahmen der Bestimmungen des § 23 zulässig ist (§ 1 Abs. 4 zweiter Satz FSG).
Die Erteilung der Lenkberechtigung wird im Führerschein (§ 13 FSG) dokumentiert, der grundsätzlich von jedem Lenker eines Kraftfahrzeugs auf Fahrten mitzuführen ist (§ 14 Abs. 1 FSG).
Gemäß § 30 Abs. 1 FSG kann Besitzern von ausländischen Lenkberechtigungen das Recht, von ihrem Führerschein in Österreich Gebrauch zu machen, aberkannt werden, wenn Gründe für eine Entziehung der Lenkberechtigung vorliegen. Die Aberkennung dieses Rechts ist durch ein Lenkverbot entsprechend § 32 auszusprechen. Die örtlich zuständige Behörde hat den Führerschein abzunehmen und bis zum Ablauf der festgesetzten Frist oder bis zur Ausreise des Besitzers zurückzubehalten, falls nicht gemäß Abs. 2 vorzugehen ist.
Der Wortlaut des § 30 Abs. 1 FSG in seiner im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheids gültigen Fassung entspricht - abgesehen von der im Beschwerdefall nicht weiter relevanten Einfügung des Klammerausdrucks § 5 Abs. 1 Z 1 durch die Novelle BGBl. I Nr. 31/2008 - der Stammfassung.
Der Wortlaut dieser Bestimmung in ihrem systematischen Zusammenhang spricht entgegen der Auffassung der belangten Behörde dafür, dass eine Aberkennung des Rechts, vom Führerschein in Österreich Gebrauch zu machen, nur solche Fälle erfasst, in denen im Zeitpunkt der Erlassung des in Rede stehenden Verbots bereits eine ausländische Lenkberechtigung besteht: "Besitzern" von Lenkberechtigungen kann das Recht, "von ihrem Führerschein" Gebrauch zu machen "aberkannt werden". Von einer Aberkennung betroffen kann nur ein aktuelles, bestehendes Recht sein, nicht aber ein solches, das noch gar nicht existiert. In diese Richtung deutet auch der dritte Satz des Abs. 1, der die örtliche Zuständigkeit der Behörde mit dem Aufenthalt des Führerscheinbesitzers verknüpft; ebenso der nächste Halbsatz, wonach die Behörde "den Führerschein abzunehmen" hat. § 30 Abs. 1 FSG bietet daher jedenfalls keine Grundlage für die Abnahme eines Führerscheins auf Grund einer erst später erteilten Lenkberechtigung.
Die Abnahme erweist sich daher schon aus diesem Grund als rechtswidrig, wobei bei diesem Ergebnis dahingestellt bleiben kann, ob es sich im Beschwerdefall um einen Akt der unmittelbaren Befehls- und Zwangsgewalt handelte.
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufzuheben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.
Das Kostenmehrbegehren des Beschwerdeführers war abzuweisen, weil vom Ersatz für Schriftsatzaufwand nach der zitierten Verordnung bereits die Umsatzsteuer erfasst ist.
Wien, am
Fundstelle(n):
IAAAE-77944