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VwGH vom 19.09.2013, 2013/01/0099

VwGH vom 19.09.2013, 2013/01/0099

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stöberl und die Hofräte Dr. Blaschek, Dr. Kleiser, Dr. Hofbauer und Dr. Fasching als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Pichler, über die Beschwerde 1. des M (geboren 1995) und 2. des A (geboren 1997), beide in W und vertreten durch Mag. Manuela Prohaska, Rechtsanwältin in 1030 Wien, Invalidenstraße 5, gegen den Bescheid der Wiener Landesregierung vom , Zl. MA35/III - O 10,11, u.12/11, betreffend Staatsbürgerschaft, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Wien hat den Beschwerdeführern Aufwendungen in der Höhe von insgesamt EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit dem angefochtenen Bescheid stellte die belangte Behörde unter anderem fest, dass sich der gemäß § 27 Abs. 1 Staatsbürgerschaftsgesetz 1985 (StbG) eingetretene Verlust der österreichischen Staatsbürgerschaft des Vaters der Beschwerdeführer durch dessen Erwerb (Wiedererwerb) der türkischen Staatsangehörigkeit am gemäß § 29 Abs. 1 StbG auf die Beschwerdeführer erstreckt habe; diese seien seither nicht mehr österreichische Staatsbürger.

Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, die Beschwerdeführer und deren Vater hätten die österreichische Staatsbürgerschaft am durch Verleihung bzw. Erstreckung der Verleihung erworben. Den Beschwerdeführern und ihrem Vater sei mit Beschluss des Ministerausschusses vom die Entlassung aus dem türkischen Staatsverband genehmigt worden; mit Wirkung vom hätten sie die türkische Staatsangehörigkeit verloren. Mit Beschluss des türkischen Innenministeriums vom seien die Beschwerdeführer und deren Vater wieder in den türkischen Staatsverband aufgenommen worden. Der Erwerb (Wiedererwerb) der türkischen Staatsangehörigkeit bedürfe nach türkischem Staatsangehörigkeitsrecht eines Antrages des Erwerbenden. Der Vater der Beschwerdeführer habe einen Antrag auf Erwerb der türkischen Staatsangehörigkeit gestellt. Eine Beibehaltung der österreichischen Staatsbürgerschaft sei dem Vater nicht bewilligt worden. Der Erwerb der türkischen Staatsangehörigkeit durch den Vater der Beschwerdeführer habe sich nach türkischem Staatsangehörigkeitsrecht "gleichzeitig und ohne weiteres auf seine minderjährigen Söhne" erstreckt.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat nach Vorlage der Verwaltungsakten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:

Aus Anlass des Beschwerdefalles stellte der Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom , Zl. A 2012/0020, an den Verfassungsgerichtshof den Antrag, § 29 Abs. 1 StbG, in eventu die Wortfolge "1. seine ehelichen Kinder, 2." in § 29 Abs. 1 StbG, als verfassungswidrig aufzuheben.

Mit seinem Erkenntnis vom , G 68/2012-7, G 120/2012-7, hob der Verfassungsgerichtshof § 29 Abs. 1 StbG, BGBl. Nr. 311, als verfassungswidrig auf. Weiters sprach er aus, dass die Aufhebung mit Ablauf des in Kraft tritt und frühere gesetzliche Bestimmungen nicht wieder in Kraft treten.

Gemäß Art. 140 Abs. 7 B-VG wirkt die Aufhebung eines Gesetzes auf den Anlassfall zurück. Es ist daher hinsichtlich des Anlassfalles so vorzugehen, als ob die als verfassungswidrig erkannte Norm bereits zum Zeitpunkt der Verwirklichung des dem Bescheid zugrunde gelegten Tatbestandes nicht mehr der Rechtsordnung angehört hätte (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse jeweils vom , Zl. 2013/01/0009 und Zl. 2013/01/0010, mwN).

Der vorliegende Beschwerdefall bildet einen der Anlassfälle für die Aufhebung des § 29 Abs. 1 StbG.

Die belangte Behörde hat den angefochtenen Bescheid auf die zuletzt genannte Bestimmung gestützt, die nach dem Gesagten im Beschwerdefall nicht (mehr) anzuwenden war.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455. Das Mehrbegehren war abzuweisen, weil neben dem pauschalierten Ersatz des Schriftsatzaufwandes weder ein Kostenersatz unter dem Titel Umsatzsteuer noch - in Anbetracht der gewährten Verfahrenshilfe - ein Ersatz der verzeichneten Eingabegebühr zusteht.

Wien, am

Fundstelle(n):
OAAAE-77942