VwGH 18.12.2013, 2010/13/0181
Entscheidungsart: Erkenntnis
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fuchs und die Hofräte Dr. Nowakowski und Mag. Novak als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Ebner, über die Beschwerde des Finanzamtes Wien 9/18/19 Klosterneuburg in 1030 Wien, Marxergasse 4, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Wien, vom , Zl. RV/0135-W/06, betreffend Aufhebung eines Bescheides (Umsatzsteuer 1998) gemäß § 299 BAO (mitbeteiligte Partei: Dr. K in W, vertreten durch TPA Horwath Wirtschaftstreuhand und Steuerberatung GmbH in 1020 Wien, Praterstraße 62-64), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Begründung
Der u.a. als Stiftungsvorstand tätige Mitbeteiligte brachte im Juni 2000 eine Umsatzsteuererklärung für das Jahr 1998 ein, in der er für seine Tätigkeit als Stiftungsvorstand Umsätze in der Höhe von S 45.000,-- erklärte und keine Vorsteuer geltend machte. Die Veranlagung erfolgte erklärungsgemäß.
Im Jänner 2004 beantragte der Mitbeteiligte gemäß § 299 Abs. 1 in Verbindung mit § 302 Abs. 2 lit. c BAO die Aufhebung des Umsatzsteuerbescheides 1998 vom und ersuchte um Veranlagung gemäß beiliegender (geänderter) Umsatzsteuererklärung 1998. Er machte dazu geltend, schon 1998 seien für sein in der Folge errichtetes Einfamilienhaus Planungskosten in der Höhe von S 265.000,-- netto angefallen. Im Anschluss an ein Telefonat, in dem er sich auf "Seeling" berief, übermittelte er noch Honorarnoten über die Planungsleistungen (Vorentwurf, Entwurf, Einreichplanung sowie Polierplanung für "Bauvorhaben Einfamilienhaus", Erstellung eines Lage- und Höhenplanes für das Grundstück).
Das Finanzamt wies den Aufhebungsantrag des Mitbeteiligten mit Bescheid vom ab und begründete dies u.a. mit dem Fehlen einer unternehmerischen Tätigkeit, die eine (anteilige) betriebliche Nutzung des Gebäudes nach sich ziehen würde. Der Mitbeteiligte habe dazu nichts vorgebracht.
Im Ergänzungsschriftsatz zu seiner Berufung gegen diesen Bescheid brachte der Mitbeteiligte u.a. vor, er verfüge "über Einkünfte als Einzelunternehmer aus Dolmetschtätigkeiten (Übersetzungsbüro)" und erziele "weiters Honorare als Stiftungsvorstand". Es liege "daher eine unternehmerische Tätigkeit vor, die sehr wohl eine anteilige betriebliche Nutzung des Gebäudes nach sich zieht". Die weiteren Ausführungen in der Berufungsergänzung handelten von der Möglichkeit einer Zuordnung des privat genutzten Teiles zum Unternehmen. Der Schriftsatz schloss mit dem Satz, der Ausschluss des Vorsteuerabzuges durch das Finanzamt sei rechtswidrig, "da somit ein Vorsteuerabzug hinsichtlich des privat genutzten Gebäudeanteiles zustand", und mit der Anregung, allenfalls ein Vorabentscheidungsverfahren einzuleiten.
Das Finanzamt richtete daraufhin an den Mitbeteiligten Fragen betreffend Einzelheiten seiner Tätigkeiten als Stiftungsvorstand und Dolmetscher sowie seiner damit verbundenen unternehmerischen Nutzung des Einfamilienhauses.
Mit Schriftsatz vom brachte der Mitbeteiligte dazu Folgendes vor:
"1. Das Objekt (...) wird für die unternehmerische Tätigkeit sowohl als allgemein beeideter und gerichtlich zertifizierter Dolmetscher für die englische und französische Sprache und als Stiftungsvorstand als auch für ausgelagerte Tätigkeiten als Notar in einem Ausmaß von ca. 25 % seit dem Jahr 2002 genutzt.
2. Herr (...) ist für nachstehende (sieben) Stiftungen im Vorstand tätig: (...)
Das Aufgabengebiet umfasst allgemeine Vorstandsangelegenheiten, laufende Gestionierung des Stiftungsvermögens, Entscheidung über die allgemeine Anlagepolitik und Ausschüttung an die Begünstigten sowie Beratung in rechtlichen Angelegenheiten. Der Vorstand ist grundsätzlich ex-lege weisungsfrei, er hat jedoch den Stifterwillen gemäß Stiftungsurkunde und Stiftungszusatzurkunde zu beachten. Für diese Tätigkeiten werden ca. 6-8 Wochenstunden aufgewendet. Die Tätigkeit als Stiftungsvorstand wurde nicht beendet.
3. Mein Mandant ist seit 1980 Dolmetsch für die englische und seit dem Jahr 1989 Dolmetsch für die französische Sprache. Für die Tätigkeit als Gerichtsdolmetsch fallen 8-10 Wochenstunden an. Im Einzelunternehmen wird eine Angestellte beschäftigt. Für spezielle ausgelagerte Tätigkeiten als Notar, welche ein hohes Maß an Konzentration erfordern, werden weitere 8-10 Wochenstunden aufgewendet."
Im Jänner 2006 legte das Finanzamt die Berufung der belangten Behörde vor. Es führte aus, strittig sei "die Versagung des Vorsteuerabzuges für den privat genutzten Teil des Objektes".
Im April 2006 wurde in der Niederschrift über eine Nachschau beim Mitbeteiligten festgehalten:
"1.) Besichtigung des Arbeitszimmers
Das Arbeitszimmer befindet sich im Einfamilienhaus des Herrn (...). Es ist mittels einer Stiege, die in das Obergeschoß führt, erreichbar. Die Größe des Arbeitszimmer beträgt lt. bereits vorgelegten Plan ca 50 m. Der Raum ist offen (dh. nicht durch Wände getrennt) und führt auch in den privaten Wohnräumen. Folgende Einrichtungsgegenstände sind im Zuge der Nachschau ersichtlich: 2 Schreibtische, 2 Bücherregal, Wandschrank mit Fachliteratur in Deutsch, Englisch und Französisch, Computer, Telefonanlage, und ein Sofa.
2.) Getrennte Einnahmen und Ausgaben Rechnung für die Jahre 2003 bis 2005
(...)
3.) Dolmetschertätigkeit
Herr (...) ist als Gerichtsdolmetscher selbständig tätig (Einzelunternehmer). In Ausübung seiner Tätigkeit als Notar (selbständige Tätigkeit, Notargemeinschaft) ist eine enger sachlicher Zusammenhang zwischen seiner Tätigkeit als Notar und als Dolmetscher gegeben, weil fremdsprachige Notariatsurkunden bzw. Beilagen zu Notariatakte jeweils auch Übersetzungen in die deutsche Sprache erfordern. Der Schwerpunkt der Übersetzungstätigkeit liegt daher bei juristischen Texten. Lt. Auskunft ist ein Arbeitszeitaufwand in Höhe von ungefähr 8- 10 Stunden pro Woche gegeben. Bei den in den Ausgaben geltend gemachten Personalkosten handelt es sich um eine teilzeitbeschäftigte Angestellte namens (...), die auch in der Notariatskanzlei angestellt ist. Die Bürotätigkeit für das Übersetzungsbüro wird von ihr größtenteils in der Kanzlei ausgeübt. Herr (...) weist darauf hin, dass in Ausübung der Dolmetschertätigkeit Übersetzungen oft diktiert werden müssen, was zufolge der Arbeitsbelastung als Notar oft nur am Wochenende bzw. vor oder nach regulären Kanzleistunden möglich ist.
Der Arbeitszeitaufwand als Notar wird zwischen 30 bis 40 Stunden geschätzt. Kann auch nach Bedarf wesentlich höher sein."
Mit Schreiben vom forderte die belangte Behörde den Mitbeteiligten unter Vorhalt des hg. Erkenntnisses vom , 2009/15/0100, VwSlg 8448/F, auf, "bekannt zu geben, ob das von Ihnen angegebene Arbeitszimmer als überwiegend beruflich genutzter Raum einzustufen sei. Wenn ja, ist das Verhältnis zu den privat genutzten Räumen im Haus herzustellen. Welche berufliche Tätigkeit wurde und wird in dem Raum ausgeübt?"
Mit Schreiben vom hielt die belangte Behörde dem Mitbeteiligten auch das Ergebnis der Nachschau vom April 2006 vor, dem sie das Vorbringen im Schriftsatz vom gegenüberstellte. Abschließend ersuchte sie ihn unter nochmaliger Erinnerung an die Rechtsansicht des Verwaltungsgerichtshofes,
"1. die von Ihnen die überwiegende berufliche Nutzung des Raumes glaubhaft zu machen,
2. die Aufteilung der beruflichen und privaten Nutzflächen darzustellen und
3. den sich daraus resultierenden Vorsteuerausschluss bekanntzugeben."
Der Mitbeteiligte beantwortete die beiden Schreiben der belangten Behörde unter Vorlage eines - beim Finanzamt aus einem das Jahr 1999 betreffenden Folgeverfahren bereits aktenkundigen - Gebäudeplanes mit Schreiben vom wie folgt:
"Wie in der Vorhaltsbeantwortung vom dargestellt, wird das Objekt in (...) für die unternehmerische Tätigkeit sowohl als allgemein beeideter und gerichtlich zertifizierter Dolmetscher für die englische und französische Sprache (ca. 8- 10 Wochenstunden) und als Stiftungsvorstand (ca. 6- 8 Wochenstunden), als auch für ausgelagerte Tätigkeiten als Notar (ca. 8-10 Wochenstunden) genutzt.
Das 50 m2 große Arbeitszimmer befindet sich im Obergeschoß und ist mittels einer Stiege erreichbar (vgl. beil. Kopie des Planes), wobei sich das Arbeitszimmer auf einer Seite und die privaten Räume auf der gegenüberliegenden Seite befinden.
Lt. Niederschrift über die Nachschau vom waren folgende Einrichtungsgegenstände ersichtlich: 2 Schreibtische, 2 Bücherregale, Wandschrank mit Fachliteratur in Deutsch, Englisch und Französisch, Computer und Telefonanlage und ein 'Sofa', wobei es sich bei dem 'Sofa' um eine Sitzbank (Biedermaier) handelt. Dadurch, daß mein Mandant einfachere Übersetzungen ohne Unterstützung einer Angestellten direkt am Computer erledigt und nur die schwierigeren Fälle diktiert, kam es zu der Angabe bei der Besichtigung, daß die Bürotätigkeit von der teilzeitbeschäftigten Angestellten größtenteils in der Kanzlei ausgeübt wird. Aus der täglichen Praxis ergibt sich logischerweise weiters, daß der Schwerpunkt der Übersetzungstätigkeit bei juristischen und nicht z. B. medizinischen Texten liegt.
In der Anlage übermittle ich nochmals eine Kopie des Planes des Objektes in (...) einschließlich der Ermittlung des prozentuellen Anteiles des betrieblich und des privat genutzten Teiles. Der betrieblich genutzte Teil wurde auf der Kopie 'rot' gekennzeichnet.
Im Zuge der berichtigten Umsatzsteuer-Erklärungen wurden
folgende Vorsteuer-Beträge beantragt:
1998 ATS 53.000,00
1999 (...)
2000 (...)
Die auf den privat genutzten Teil entfallenden Vorsteuer-Beträge (75 %) betragen:
1998 ATS 39.750,00
1999 (...)
2000 (...)"
Die belangte Behörde übermittelte dieses Schreiben dem beschwerdeführenden Finanzamt zur allfälligen Stellungnahme, wovon das Finanzamt nicht Gebrauch machte.
Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung Folge. Sie hob den Bescheid des Finanzamtes auf und legte dazu nach Wiedergabe des Verfahrensganges und der maßgeblichen Bestimmungen zunächst dar, die mittelbare Einschränkung des Vorsteuerabzuges infolge Einengung der Abzugsfähigkeit von Aufwendungen für ein im Wohnungsverband gelegenes Arbeitszimmer durch § 20 Abs. 1 Z 2 lit. d EStG 1988 in der am in Kraft getretenen Fassung sei, wie vom Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom , 98/14/0198, VwSlg 7744/F, dargelegt, gemeinschaftsrechtswidrig gewesen. Der Vorsteuerabzug stehe "nach Maßgabe der ertragsteuerlichen Situation zum zu".
Davon ausgehend führte die belangte Behörde fallbezogen aus:
"Im gegenständlichen Fall hat der Bw. ausgeführt, dass er für seine Dolmetsch-Tätigkeit ein Arbeitszimmer benötige. Das Arbeitszimmer macht einen 25 %gen Anteil der Nutzfläche der sonst privat genutzten Liegenschaft aus.
In der Niederschrift über die oa. Nachschau wurde das Arbeitszimmer als solches nicht in Frage gestellt. Es wurde festgestellt, dass es sich im Obergeschoß befindet, ca. 50 m2 groß ist und die Einrichtungsgegenstände denen eines Arbeitszimmers entsprechen. Auch die Tätigkeit als Dolmetscher wurde nicht in Frage gestellt und dass das Arbeitszimmer für diese Tätigkeit genutzt werde.
Unter Bezugnahme auf das Seeling-Urteil machte der Bw. 100 % der Vorsteuern der Planungsleistungen für die Liegenschaft geltend.
Der UFS brachte dem Bw. das VwGH-Erkenntnis vom , Zl. 2009/15/0100 zur Kenntnis (...)
Im gegenständlichen Fall befindet sich im Einfamilienhaus des Bw. ein Arbeitszimmer, welches den vorstehenden Ausführungen folgend, für seine selbständige Tätigkeit notwendig war, vom Bw. ausschließlich oder nahezu ausschließlich beruflich genutzt worden ist und auch entsprechend eingerichtet war.
Hinsichtlich der privat genutzten Gebäudeteile ist jedoch nach der vorstehend angeführten Rechtsprechung der Vorsteuerabzug ausgeschlossen. Da die Privatnutzung des Gebäudes im Ausmaß von 75 % nicht strittig ist, somit die Vorsteuer im Ausmaß von 25 % anzuerkennen ist, erweist sich der Spruch des Bescheides betreffend Abweisung des Aufhebungsantrages betreffend die Umsatzsteuer für das Jahr 1998 als nicht richtig.
Der Abweisungsbescheid war aufzuheben."
Dagegen richtet sich die vorliegende Amtsbeschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Akten durch die belangte Behörde sowie Erstattung von Gegenschriften durch die belangte Behörde und den Mitbeteiligten in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:
Verfahrensgegenständlich sind im vorliegenden Fall die erst 2004 geltend gemachten Vorsteuern betreffend Planungsleistungen im Jahr 1998, für die zunächst keine Vorsteuern geltend gemacht worden waren. Den Feststellungen im angefochtenen Bescheid ist nicht entnehmbar, dass der Mitbeteiligte die einzige in den Erwägungen der belangten Behörde im Zusammenhang mit dem Arbeitszimmer erwähnte selbständige Tätigkeit, nämlich die Tätigkeit als Dolmetscher, im Jahr 1998 ausgeübt hätte. Feststellungen über den Zweck der im Jahr 2004 strittig gewordenen Planungen des Jahres 1998, etwa darüber, ob in Vorentwurf, Entwurf, Einreichplanung oder Polierplanung für das "Bauvorhaben Einfamilienhaus" Teile der Nutzfläche für Tätigkeiten des Mitbeteiligten als Dolmetscher vorgesehen waren, hat die belangte Behörde nicht getroffen. Sie hat ihre Entscheidung ausschließlich auf Annahmen über die Benützungsverhältnisse des Jahres 2006 gestützt und ihre Entscheidung dabei zumindest insoweit mit einem Begründungsmangel belastet, als die Angabe in der Niederschrift vom April 2006, der Arbeitsraum sei "offen (dh. nicht durch Wände getrennt)" und führe "auch in den privaten Wohnräumen", bei der Wiedergabe des Inhalts der Niederschrift in den Erwägungen der belangten Behörde weggelassen und nicht - etwa durch nähere Feststellungen aus dem vorgelegten Plan - darauf eingegangen wurde. Auch die Feststellungen der belangten Behörde zur Notwendigkeit des Arbeitszimmers entsprechen nicht den Anforderungen in der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. zuletzt etwa das hg. Erkenntnis vom , 2008/15/0126).
Der Umstand, dass die belangte Behörde auf die Verhältnisse des Jahres 1998, in dem die strittigen Aufwendungen getätigt wurden, überhaupt nicht einging, belastet den angefochtenen Bescheid jedoch mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG schon aus diesem Grund aufzuheben war.
Wien, am
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Normen | BAO §288 Abs1 litd; BAO §299; BAO §302 Abs2 litc; BAO §93 Abs3 lita; EStG 1988 §20 Abs1 Z2 litd; UStG 1994 §12; VwGG §42 Abs2 Z1; |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:2013:2010130181.X00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
JAAAE-77935